M. u. E. C y o n: Ueber die Innervation des Herzens u. s. vv. 389 Ueber die Innervation des Herzens yom Hiicken- marke ans. \ / Von Dr. M. und Dr. E. Cyon. Da die Frage über den Einfluss des Rückenmarkes auf die Schlagzahl des Herzens durch die hier mitzutheilenden Unter- suchungen einer positiven Lösung entgegengeführt wurde, so halten wir es für nothwendig, in Kurzem das Historische der- selben vorauszuschicken und zwar vorzugsweise deswegen, ürn den Verdiensten der uns auf diesem Gebiete vorausgegangeneij Forscher Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wir werden uns aber damit begnügen müssen, nur die Forscher dieses Jahrhunderts zu erwähnen, da nur in diesem Jahrhundert diese Frage einer experimentellen Untersuchung unterworfen wurde, obgleich die Frage, ob das Rückenmark die Zahl der Herz- schläge beeinflussen könne, schon seit Hippokrates und Ga- len mehrfach von den Aerzten ventilirt wurde. Der Erste, welcher die experimentelle Entscheidung dieser Frage versucht hat, war Le Gallois. Seine Versuche bestanden hauptsäch- lich in der Eruirung des Einflusses, welchen die Zerstörung verschiedener Rückenrnarkspartieen auf die Kraft des Herzschla- ges auszuüben vermag. Auf die Veränderung in dieser Kraft selbst schloss er aus dem Weiter- und Enger werden der Ge- lasse, aus der Stärke der Blutung durchschnittener Gefässe und aus der Farbe des Blutes. Durch eine grosse Reihe solcher Versuche, welche ergaben, dass eine Zerstörung des Rücken- markes ein ziemlich schnelles Absterben des Herzens veran- 390 M. u E. Lyon: lasste, glaubte sich Le Gallois zu dem Schlüsse berechtigt, dass das Herz das Princip seiner Thätigkeit aus dem Rückenmarke er- halte. Die Mängel seiner übrigens sehr geistreichen Versuche sind leicht einzusehen. Abgesehen von seiner Unkenntniss der Vagus- wirkung sind seine Versuche auch darum nicht beweisend, weil er an den Veränderungen des Kreislaufes die Veränderungen der Ilerzkraft studiren wollte. Merkwürdig genug, dass bis auf uns kein einziger Forscher, welcher die Abhängigkeit des Herzens vom Rückenmarke beweisen wollte, dem ebenerwähnten Fehler entgangen ist, welcher auch die Klippe war, an der sämmtliche Bemühungen zur Lösung dieser Frage immer scheiterten. Un- geachtet der Fehler in den Versuchsmethoden Le Gallois’ hat doch seine Arbeit das unzweifelhafte Verdienst, die seit Haller bei den Aerzten vorherrschende Ueberzeugung von der vollständigen Unabhängigkeit der Herzthätigkeit vom Central- nervensystem erschüttert zu haben. Nach dem Bekanntwerden der Le Gallois’sehen Versuche theilten sich die Aerzte in zwei Lager; die meisten stellten sich dabei auf die Seite von L6 Gallois, während die Uebrigen die Sache weder in dem Le Gallois’sehen noch Haller’schen Sinne für vollständig entschieden hielten. Am heftigsten wurde des Ersteren Ansicht von Wilson Philipp angegriffen; er stellte den Versuchen von Le Gallois andere gegenüber, deren Ergebnisse aber nach unserem jetzigen Wissen unmöglich der Art sein konnten, wie sie Wilson Philipp mitgetheilt hat. Er behauptete nämlich, bei Thieren durch Exstirpation des Gehirns und Rückenmarks und bei Einleitung künstlicher Respiration weder im Kreislauf noch in den Herzbewegungen eine Alteration ver- anlasst zu haben!! Später stellte er noch Versuche mit che- mischer Reizung des Rückenmarkes an; bei Anwendung der einen Art chemischer Reizmittel beobachtete er einen beschleu- nigenden, bei anderen aber einen verlangsamenden Einfluss auf den Herzschlag. Durch diese Versuche gelangte er also zu denselben Schlüssen wie Le Gallois. Sein ganzer Angriff auf den Letzteren schien also nur darauf berechnet zu sein, diesem sein Verdienst um die Lösung dieser Frage zu rauben und sich dasselbe anzueignen. Ein ähnlicher Angriff auch Ueher die Innervation des Herzens vom Rückenmarke aus. 391 gegen Le Gallois wurde unlängst auch von anderer Seite und zwar von Professor v. Bezold ausgeführt. In seinem Buche über die Innervation des Herzens tadelt er mit einer grenzen- losen Heftigkeit die Versuche von] Le Gallois; er versteigt sich in dieser Heftigkeit so weit, die Commission der Pariser Akademie (bestehend aus v. Humboldt, Percy und Halle), welche, mit der Coütrole der Le Gallois’sehen Versuche be- auftragt, dieselben bestätigt und belobt hat, für „kopflos“ zu erklären. Dagegen citirt er mit besonderer Vorliebe und Aus- führlichkeit die Einwände Wilson Philipp’s gegen Le Gal- lois, die, wie wir gesehen haben, unmöglich richtig sein konn- ten, und wenn sie richtig wären, noch mehr gegen seine eige- nen als gegen jene Versuche sprechen würden. Wie wir unten sehen werden, sind nicht nur die v. Bezold’schen Versuche fehlerhafter als die Le Gallois’sehen, sondern auch seine Schlüsse, wenn auch im Allgemeinen mit den Le Gallois’- sehen übereinstimmend, so doch in der Auffassung unrichtiger. Um zu Wilson Philipp zurückzukehren, so muss man ihm doch das Verdienst lassen, dass er zuerst zur Entscheidung der Frage über den Einfluss des Rückenmarks auf die Herz- bewegungen Reizungen des Rückenmarks machte. Von den aus damaliger Zeit experimentell begründeten Ansichten über diese Frage sind noch die von Flourens, die auch von Le Gallois getheilt wurden, von besonderem Interesse. Flou- rens gelangte nämlich durch seine Versuche zu dem Schlüsse, dass das Rückenmark einen doppelten Einfluss auf den Kreis-r lauf ausübe, einen allgemeinen durch das Herz und einen be- sonderen auf die verschiedenen Gebiete des Kreislaufes, die von besonderen Partieen des Rückenmarks beherrscht werden. Wir werden unten sehen, dass diese Auffassung in ihren Grund- zügen die richtige ist. Seit den Versuchen von Le Gallois und Wilson Phi- lipp waren, wie gesagt, die Ansichten der Physiologen über diese Frage getheilt. Die Meisten waren der Ansicht, dass das Rückenmark und der Sympathicus einen directen Einfluss auf das Herz auszuüben vermögen, und zwar sollte nach denselben AI. u. E. Cyon: dieser Einfluss darin bestehen, dass der Halssympathicus mo- torische Impulse vom Rückenmarke auf das Herz übertrage. In der letzten Zeit hat v. Bezold eine grössere Reihe von Versuchen angestellt, die die Innervation des Herzens zum Gegenstände hatten. Wir wollen uns nur mit denjenigen der- selben beschäftigen, die in directer Beziehung zu unserer Frage stehen. Die irrthümlichen Schlüsse, welche v. Bezold aus der Reizung des Halssympathicus auf den motorischen Einfluss die- ses Nerven auf das Herz zog, finden ihre Erklärung hauptsäch- lich darin, dass er bei der Reizung des Sympathicus einen an- deren Nerven mitgereizt hat, dessen Reizung am centralen Ende, wie Ludwig und E. Cyon gefunden haben (Sitzungsberichte der König!. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, 80. October 1866), ein Sinken des Druckes in den grossen Gefässen und eine Verlangsamung der Herzschläge hervorruft. Reizung des Halssympathicus allein hat, wie schon Ludwig angegeben hat, keinen Einfluss auf die Zahl der Herzschläge. Durch eine zweite Reihe von Reizversuchen am Rücken- marke selbst glaubte sich v. Bezold zu dem Schlüsse berech- tigt, dass im Rückenmarke sich ein excitomotorisches Centrum für das Herz befinde. Die Beobachtungen, auf die er vorzugs- weise seinen Schluss gründet, sind: 1) Beschleunigung der Herzschläge gleichzeitig mit enormer Erhöhung des Blutdrucks bei Reizung des Cervicaltheiles des Rückenmarkes und 2) Sin- ken des Blutdrucks und der Schlagzahl bei Durchschneidung des Rückenmarkes in der Höhe des Atlas. Eine wenn auch geringere Beschleunigung der Herzschläge beobachtete v. Be- zold auch bei Reizung anderer Rüekenmarkspartieen. v. Be- zold gelangt also zu denselben Resultaten, Avie Le Gallois. Der Unterschied in den verschiedenen Versuchsmethoden dieser beiden Forscher bestand nur darin, dass v. Bezold die Mes- sung des Blutdrucks am Manometer gemacht hat, während Le Gallois auf die Schwankung des Blutdrucks aus der Stärke der Blutung an amputirten Gliedern schloss. Insofern auch v. Bezold bei seinen Versuchen aus der Erhöhung des Blut- druckes auf die Zunahme der motorischen Kraft des Herzens schloss, beging er denselben Fehler, den wir oben bei Le Ueber tlio Innervation des Herzens vom Rückenmarke ans. 393 Gallois gerügt haben. Er befindet sich in dieser Hinsicht noch insofern im Nachtheil gegen Le Gallois, als er doch genaue Messungen der Veränderung des Blutdruckes bei Bei- zung des Bückenmarkes machte. Das blosse Ansehen der Cnrve, die die colossale Steigerung des Blutdruckes bei Reizung des Rückenmarkes darstellt, sollte schon genügen, jeden unbe- fangenen Forscher davon zu überzeugen, dass diese Verände- rung unmöglich von einer Zunahme der Herzkraft abhängig sein könne. Durch die blosse Anwendung des Manometers hat also v. Bezold die Le G allois’sehen Resultate nicht nur nicht näher begründet, sondern dieselben im Gegentheil an Wahrscheinlichkeit noch Einbusse erleiden lassen. Um so un- gerechtfertigter erscheinen seine Angriffe gegen Le Gallois, und um so weniger hat er das Recht, sich selbst als den Ent- decker des vermeintlichen Einflusses, der vom Rückenmarke auf das Herz ausgeübt wird, zu geriren. Wenn bei einer That- sache, wie die vorliegende, welche schon seit Jahrtausenden an- genommen und wieder bestritten worden ist, von einer Ent- deckung derselben überhaupt die Rede sein könnte, so würde die Ehre derselben Le Gallois gehören und von allen For- schern am wenigsten Herrn v. Bezold. Das Vorhandensein dieses Einflusses hat keiner von Beiden, überhaupt Niemand bis auf uns nachgewiesen. Wie zu erwarten, haben sich sogleich nach dem Erschei- nen der Bezold’schen Arbeit Ein wände gegen dieselbe und zwar wegen des erwähnten Fehlers erhoben. In einer Reihe höchst geistreicher Versuche wiesen Ludwig und Thiry1) nach, dass die Beschleunigung der Herzschläge, die v. Bezold bei der Reizung des Rückenmarkes beobachtet hat, ihren Grund in der bei dieser Reizung eintretenden Druckerhöhung, als Folge der Contraction der kleinen Gefässe, haben kann. Nach diesen Forschern war in den erwähnten Versuchen die Druck- erhöhung in den grossen Gefässen nur Folge der Reizung des Gefässnervensystems im Rückenmarke. Die Beschleunigung der Schlagzahl war ihrer Ansicht nach nur die Reaction des 1) Ludwig und Thiry, Wiener Sitzungsberichte, 49. Bd. 18G4. 394 M. u. E. Cyon: Herzens auf die Vergrösserung des Widerstandes im Kreislauf. Ludwig und Thiry stützten diese Ansicht darauf, dass sie bei Reizung des Rückenmarkes auch dann noch dieselbe Be- schleunigung der Herzschläge und Erhöhung des Blutdruckes beobachteten, wenn sie vorher auf galvanokaustischem Wege die vom Rückenmarke ausgehenden Herznerven zerstört oder wenn sie die Widerstände im Kreislauf durch Zuklemmen der Aorta abdominalis hervorriefen. Durch diese glänzende Widerlegung der v. Bezold’sehen Arbeit, von deren Richtig- keit sich v. Bezold persönlich in Wien überzeugt hat, wurde das Vorhandensein von einem motorischen Rückenmarkscentrum für die Herzbewegungen unwahrscheinlicher als je zuvor, und das um so mehr, als die Einwände Ludwig’s und Thiry’s auch auf die Versuche von Le Gallois und Wilson Philipp Bezug haben konnten. Obgleich Ludwig und Thiry in eini- gen Fällen von Reizung des Rückenmarkes nach vorheriger Zerstörung der Herznerven trotz der bedeutenden Drucksteige- rung auch eine Verlangsamung der Herzschläge beobachtet ha- ben und ausdrücklich bei der Auseinandersetzung dieser selte- neren Fälle die Frage offen Kessem “'ob nicht fiusser der Druck- steigerung noch andere Einflüsse bei Reizung des Rückenmar- kes beschleunigend auf das Herz einwirken könnten, so ist doch dieser Frage bis jetzt keine weitere Aufmerksamkeit ge- schenkt worden, und zwar aus zwei Gründen: 1) weil eine di- recte Reizung der betreffenden Herzuerven ihrer anatomischen Lage wegen die grössten Schwierigkeiten darbieten musste, und 2) weil keine Möglichkeit da war, bei Reizung des Rücken- markes dessen Wirkung auf das Gefässsystem auszuschHessen. In letzterer Zeit hat sich Herr Pokrowsky insofern ge- gen diese Angaben von Ludwig und Thiry ausgesprochen, als er vorgab, bei der Druckerhöhung in Folge von Zuklemmen der Aorta immer eine Verlangsamung der Herzschläge!, bei Reizung des Rückenmarks dagegen immer eine Beschleunigung beobachtet zu haben. Die Unrichtigkeit der ersten Angabe von Pokrowsky, welche wahrscheinlich dadurch entstanden ist, dass er meistens an nicht mit Curare vergifteten Thieren Ueber die Innervation des Herzens vom Rückenmarke aus. experimentirte, nahm auch der zweiten ihre Beweiskraft voll- ständig weg. Da es von grossem Interesse war, die oben erwähnte, von Ludwig und Thiry offen gelassene Frage einer Entscheidung entgegen zu führen, so unternahmen wir in dem Laboratorium des Herrn Prof, du Bois-Reymond zu diesem Zwecke eine Reihe von Versuchen. Wir ergreifen hierbei gerne die Gele- genheit, dem Herrn Prof, du Bois-Reymond dafür unseren Dank auszusprechen. Einige neue Thatsachen, die über die Innervation des Herzens und der Gefässe in dem Zwischen- räume zwischen den Ludwig-Thiry’sehen und unseren Ar- beiten gewonnen wurden, bekräftigten die Hoffnung auf die Möglichkeit einer solchen Entscheidung. Unter diesen That- sachen waren vorzugsweise zwei dazu angethan, ein neues Licht auf die uns interessirende Frage zu werfen. Ludwig und E. Cyon haben einen neuen Herznerven auf seine Functionen un- tersucht und in demselben einen Regulator des Blutdruckes ge- funden. Dieser Nerv, ein gleich unter dem Abgänge des La- ryngeus superior Zweig des Vagus, verläuft gewöhn- lich in einer gen—iasehtrffrhefcMi Scheide mit dem Halssym- pathicus bis zum letzten Halsganglion und tritt von da an ganz getrennt von den übrigen Herznerven zum Herzen. Die Reizung dieses sensiblen Herznerven am centralen Stumpfe be- wirkt ein Sinken des Blutdruckes in den grossen Gefässen und eine Verlangsamung der Herzschläge; das Sinken des Blut- druckes in diesem Falle hängt von einer Aufhebung des Tonus der kleinen Gefässe, die Verlangsamung der Herzschläge von einer centralen Erregung der Vagi ab. Der Gedanke lag nahe, dass die Kenntniss der Function dieses Nerven dazu beitragen konnte, die Widersprüche, welche über den Einfluss des erhöh- ten Blutdruckes auf die Schlagzahl existirten, zu lösen. Die zweite Thatsache, die von entscheidendem Einflüsse auf die Lösung der vorliegenden Frage war, ist die von den- selben Forschern gefundene, dass die Nervi splanchnici die Hauptgefässnerven des thierischen Organismus sind. Da wir die Kenntniss dieser Thatsache zur Lösung unserer Frage be- nutzten, und derselben auch das Gelingen unserer Versuche Reichert’s u. du- Bois-Beymond’s Archiv. 1867. 396 M. u. E. Cyon: verdanken, so halten wir es für nothwendig, wörtlich die An- gaben von Ludwig und E. Cyon über die Function dieser Nerven hier anzuführen und das um so mehr, als sie dazu die- nen werden, die unten mitzutlieilenden Veränderungen des Blut- druckes bei Eröffnung der Bauchhöhle und Durchschneidung der Splanchnici verständlich zu machen. „Unmittelbar nachdem die Bauchhöhle an dem sonst un- verwundeten Thiere durch einen ausgiebigen Schnitt in der Linea alba eröffnet war, steigt der Blutdruck in der Arteria ca- rotis sehr beträchtlich empor und zugleich werden die Puls- schläge seltener. Diese Erhöhung des Blutdruckes ist jedoch nur vorübergehend; allmählich sinkt er ab, wenn die Bauch- höhle offen bleibt, und erreicht dann öfter einen Werth, welcher unterhalb des normalen ist. Dieses Absinken wird sehr be- schleunigt, wenn man gleich nach Eröffnung der Unterleibs- höhle einen der beiden Nervi splanchnici durchschneidet. Nach dieser Operation sinkt der Druck um 30—50 Mm. unter den normalen. Fügt man darauf zur Verletzung des erstem auch noch die des zweiten Nervus splanchnicus, so sinkt der Druck zwar noch weiter herab, aber itL-siel .geringerem Maasse, als nach der Dissection des ersten Nerven, es beträgt nämlich die zweite Senkung nur noch 8—10 Mm. Nimmt man dagegen, nachdem das Absinken des Druckes in Folge der Durchschneidung des einen Splanchnicus eingetre- ten ist, den peripherischen Stumpf des durchschnittenen Nerven zwischen die tetanisirenden Poldrähte, so steigt der Druck rasch und bedeutend empor und erlangt eine grössere Höhe, als sie vor der Durchschneidung des Nerven bestand. Dieses geschieht jedoch nur dann, wenn man den peripherischen Stumpf des durchschnittenen Nerven erregt.“ ■) 1) Nachdem in unserer vorläufigen Mittheilung über diese Arbeit, in Nr. 51 des Centralblattes, diese Wirkung der Splanchnici beiläufig mitgetheilt worden war, veröffentlichte v. Bezold in Nr. 53 dersel- ben Zeitschrift einige Versuche über die Wirkung der Nervi splanch- nici auf den Blutdruck, welche in den Resultaten mit den oben von mir und Ludwig mitgetheiten fast vollständig identisch sind. v. Be- zold behauptet in der Mittheilung, dass er seine Resultate, ohne von Ueber die Innervation des Herzens vom Rückenmarke aus. 397 Wie wir oben gesehen haben, scheiterten die Versuche, die uns interessirende Frage zu entscheiden, daran, dass die bei Reizungen resp. Zerschneidungen und Zerstörungen des Rücken- markes eintretenden Veränderungen im Kreislauf schon an sich so bedeutende Aenderungen in der Schlagzahl selbst bedingten, dass man nicht im Stande war, zu entscheiden, ob nicht ausser- dehi noch das Rückenmark einen directen Einfluss auf die Schlagzahl auszuüben im Stande sei. Die Lösung der betref- fenden Frage würde also bedeutend erleichtert werden, wenn es gelänge, bei den Versuchen über das Rückenmark die Ein- wirkung auf das Gefässnervensystem auszuschliessen. Wenn auch zur Feststellung der Existenz motorischer Herznerven di- recte Reizung dieser Nerven vorgenommen werden musste, so musste doch noch vorher bestimmt werden, ob das Rückenmark überhaupt einen Einfluss auf die Schlagzahl auszuüben vermag, da eine negative Beantwortung dieser Frage den directen Reiz- versuchen der Herznerven eine andere Richtung geben resp. deren Bedeutung bedeutend vermindern konnte. Unsere Hoff- nung, bei Reizung des Rückenmarkes die Veränderungen im Kreislauf zu eliminiren, stützte sich auf die oben auseinander- gesetzte Function der Nervi splanchnici. Man konnte voraus- setzen, dass nach Durchtrennung dieser Nerven Reizung des den unsrigen Kenntniss zu haben, Mitte October vorigen Jahres er- halten habe. Für das Geschichtliche dieser Frage wird es nicht un- interessant sein, zu bemerken, dass die Versuche, welche ich mi Ludwig über dieselbe angestellt habe, schon im Juli desselben Jah. res zum Abschlüsse gelangt waren. Zwar hat v. ßezold schon früher versucht, die Wirkung der Splanchnici auf den Blutdruck festzustellen, aber seine Versuche misslangen ihm, weil er, wie er behauptet, von der Bauchhöhle aus die Wirkung dieser Nerven eruiren wollte. Aus den oben angeführten Worten ersieht man, dass wir auch von der Bauchhöhle aus durch Reizung und Durchschneidung der Splanchnici zu dem erwähnten Resultate kamen. Die Angabe v. Bezold’s, dass man bei Durchschneidung der Splanchnici gleichzeitig mit dem Sin- ken des Blutdruckes eine Beschleunigung der Herzschläge beobachtete, können wir nicht bestätigen, da wir gerade das Gegentheil davon sahen. E. C y o n. 398 M. u. E. Cyon: Rückenmarks nicht mehr im Stande sein wird, irgend welche bedeutende Veränderungen des Blutdruckes (ausser etwa durch Vermittelung der Herznerven) auszuüben. Ehe wir aber zur Reizung des Rückenmarkes bei durch- schnittenen Splanchnicis übergehen konnten, war es nothwendig, den Widerspruch zwischen den Ludwig-Thiry’sehen Anga- ben und denen Marey’s und Pokrowsky’s über den Ein- fluss der Drucksteigerung auf die Schlagzahl des Herzens zu beseitigen. Wir unternahmen daher eine Reihe von Ver- suchen über den Einfluss der Druckerhöhung auf die Zahl der Herzschläge, wobei wir die Druckerhöhung durch Zuklem- men der Aorta abdominalis vor Abgang der Nierenarterie be- wirkten. Zur Messung des Blutdruckes gebrauchten wir ein Lud wig’sches Manometer, das von dem gewöhnlich-gebrauch- en etwas abwich. Wir modificirten nämlich das von Sauer- wald angefertigte Manometer insofern, als wir das Metallstück mit dem Tförmigen Hahn, welches sich bei diesem Manometer am Anfänge des Bleirohres befindet, an das Ende desselben anbrachten und zwar so, dass es gleichzeitig zur Befestigung dieser Röhre an das Glasmanometer diente. Die in der Röhre befindliche Oeffnung, die zur Austreibung der Luft dient und mit einem Messingknöpfchen verschlossen wird, wurde wegge- lassen und durch eine im Hahne selbst befindliche ersetzt. Durch diese Vereinfachung wurde nicht nur der Preis des Ma- nometers nicht unbedeutend erniedrigt, sondern auch dessen Anwendung erleichtert. So ist z. B. die Füllung des Manome- ters viel vereinfacht worden und auch das unbequeme Herab- sinken des Anfangs des Bleirohres in Folge des schweren An- satzes vollständig beseitigt. Als Schwimmer gebrauchten wir feine Thermometerröhrchen mit an ihrem Ende angeschmolze- nen Kügelchen; zum Curvenzeichnen wurde eine feine Feder aus Hartgummi, so wie deren Ludwig aus Glas und Horn braucht, benutzt. Die Zählung der Herzschläge geschah ausser mittelst des Manometers auch mit Hülfe der Middeldorpf’- Nadel und des KÖnig’schen Stethoskops. In den entscheiden- den Versuchen ist diese Zählung von Beiden von uns nach ein- Ueber die Innervation des Herzens vom Rückenmarke aus. 399 ander vorgenommen worden. Wir halten es daher für über- flüssig, die Eigenschaften unseres Manometers hier näher anzu- geben. Sämmtliche Versuche sind an mit Curare vergifteten Kaninchen angestellt worden. In der überwiegenden Mehrzahl der Versuche, die wir mit Zuklemmen der Aorta angestellt haben, beobachteten wir bei der Erhöhung des Druckes eine Beschleunigung der Schlagzahl. Ein constantes Verhältniss zwischen der Höhe des Blutdruckes und der Beschleunigung der Schlagzahl konnten wir aber nicht beobachten, indem die Reaction des Herzens auf die Steigerung des Druckes bei den verschiedenen Thieren verschiedene quan- titative Resultate liefert. Uebrigens ist die Zahl unserer Beob- achtungen bei demselben Thiere (und nur solche können die Frage entscheiden) zu unbedeutend, um definitiv die Frage we- gen des constanten Verhältnisses entscheiden zu können. In seltneren Fällen tritt auch bei Erhöhung des Druckes eine Verlangsamung oder wenigstens Gleichbleiben der Schlag- zahl ein, ohne dass sich der nähere Grund der verschieden- artigen Action des Herzens angeben liesse. Von der Voraus- setzung ausgehend, dass die Verlangsamung vielleicht ihren Grund in der peripherischen Erregung der Depressores oder in der centralen der Vagi habe, stellten wir Versuche mit Durch- schneidung dieser Nerven an. Da die verlangsamende Function der Depressores mit der Durchschneidung der Vagi wegfällt, so genügte die Durchschneidung der Vagi allein, um jene bei- den Möglichkeiten auszuschliessen. Die Versuche I. und II., sowie mehrere gleichlautende schienen eine Bestätigung der gemachten Voraussetzung zu liefern, indem bei ihnen die Ver- langsamung der Schlagzahl bei Erhöhung des Drucks sich nach Durchschneidung der Vagi und Depressores in eine Beschleu- nigung umwandelte. Diesen Fällen gegenüber haben wir aber mehrere andere beobachtet, in denen trotz der Durchschneidung dieser Nerven eine Verlangsamung der Herzschläge auf erhöh- ten Druck eingetreten war. Unlängst veröffentlichte Bern- stein einige Versuche, welche die Abhängigkeit der Verlang- samung der Schlagzahl bei Druckerhöhung von einer centralen Erregung der Vagi darthun sollten. Dieser Irrthum Bern- 400 M. u. E. Cyon: stein’s wird nur durch die zu kleine Zahl der von ihm ge- gemachten Beobachtungen zu erklären sein. — In den drei Versuchen VI., VII und VIII., wo sämmtliche Herznerven zer- stört, und wo die beiden Nervi splanchnici durchtrennt wurden, erhielten wir bei Zuklemmen der Aorta entweder ein Gleich- bleiben oder eine Verlangsamung der Schlagzahl. Freilich kann man nicht behaupten, dass in diesen drei Fällen nicht zufällig auch vor der Durchschneidung der Herznerven eine Verlangt samung der Schlagzahl auf eine starke Druckerhöhung einge-1- treten wäre. Jedenfalls wäre es aber von Belang, den Einfluss der Druckerhöhungen auf die Schlagzahl vor und nach der Durchschneidung der aus dem Kückenmarke austretenden Herz- nerven weiter zu untersuchen. Wir haben dies jetzt unterlas- sen, weil die Erklärung der in seltneren Fällen von Drucker- höhung eintretenden Verlangsamung der Herzschläge nicht in das Bereich unserer vorliegenden Untersuchung gehört. Für uns war es nur von Wichtigkeit, festzustellen, dass die von Ludwig und Thiry gegebene Erklärung der v. Bezold’- schen Versuche ihre volle Berechtigung hatte. Wir konnten daher zur Entscheidung der Frage übergehen, ob bei Reizung des Rückenmarks nicht noch andere Factoren als die Blutdruck- steigerung Beschleunigung der Schlagzahl bewirken können. Wie schon oben gesagt, stützte sich die Hoffnung, bei Rei- zung des Rückenmarkes die vom Gefässnervensysteme abhängi- gen Veränderungen des Blutdruckes auszuschliessen, auf, die Möglichkeit, mittelst Durchschneidung der Splanchnici mnd Halssympathici den Einfluss des Rückenmarkes auf die Gef&se zu beseitigen. Wir unternahmen datier eine Reihe von Versu- chen mit Reizung des Rückenmarkes vor und nach nung der Splanchnici. Sämmtliche Versuche wurden an ifi'it Curare vergifteten Thieren angestellt. Die Vagi, DepresS'ores und Halssympathici wurden noch vor der Durchschneidung des Rückenmarkes durchtrennt. -Solche Versuche sind beispielsweise III., IV. und V. Wie aus diesen Versuchen ersichtlich, hat die Durchschneidung des Rückenmarkes in der Höhe des Atlas ein Sinken des Druckes zur Folge, verbunden mit einer Ver- langsamung der Schlagzahl. Elektrische Reizung des Ceryical- Ueber die Innervation des Herzens vom Rückenmarke aus. 401 theiles des Rückenmarkes veranlasst, wie bekannt, eine bedeu- tende Steigerung des Blutdruckes mit entsprechender Beschleu- nigung der Herzschläge, und zwar erreichen diese beiden Grös- sen einen höheren Werth, als sie vor der Durchschneidung des Rückenmarks hatten. Werden nun, nachdem der Blutdruck und die Schlagzahl nach Aufhören der Reizung den ihnen nach a Rückenmark, Vagi, Depressores und Sympathici durchschnitten. b Reizung des Rückenmarkes, c Splanchici beiderseits durchschnitten, d, Reizung des Rückenmarkes, e 5 Secunden nach Aui- hören der Reizung, f—g die den Curven gemeinschaftliche Abscisse. Sämmtliche Dimensionen sind ««tatrtreu erhalten. 402 M. u. E. Cyon: Ueber die Innervation des Herzens n. s. w. Durchschneidung des Rückenmarkes zukommenden Werth wie- der erlangt haben, beide Nervi splanchnici durchschnitten, so nimmt der Blutdruck' noch um 10—20 Mm. ab und gleichzeitig vermindert sich auch die Zahl der Herzschläge. Wird nun das Rückenmark gereizt, so tritt beim Beginn der Reizung keine Erhöhung des Blutdruckes mehr ein; die Zahl der Herzschläge aber erhöht sich noch um ein Beträchtliches, oft fast bis zur Verdoppelung. Setzt man die Reizung lange anhaltend fort, so tritt in seltneren Fällen noch eine unbedeutende Erhöhung des Blutdruckes um 2—5 Mm. ein. Um die beschriebenen Veränderungen recht anschaulich zu machen, geben wir um- stehend eine Zeichnung der denselben entsprechenden Curven. (Schluss folgt.)