Dr. Kronid Slavjansky, Ueber die Abhängigkeit der mitt- leren Strömung des Blutes'von dem Erregungsgrade der sym- pathischen Gefässnerven. Aus der physiologischen Anstalt zu Leipzig. Vorgelegt von dem wirklichen Mitgliede C. Ludwig. Mit zwei Holzschnitten. Mit Sicherheit lässt sich Voraussagen, nach welcher Richtung hin sich die Geschwindigkeit in einem Aste der Aorta änderte, wenn nur seine Nerven ihren bisherigen Erregungsgrad mit einem andern vertauschten. Die Aenderung der Geschwindigkeit in dem Stamme der Aorta bleibt dagegen unbestimmt, wenn die Nerven einer grossem Zahl ihrer Aeste in einen andern Erregungs- grad übergehen. Wird z. B. dieser letztere von einem niedernzu einem hohem Werthe gebracht, so wächst der Druck in der Aorta ; zunächst unzweifelhaft darum, weil sich in ihr das Blut anstaut, da eine Anzahl ihrer Ausflussmündungen gesperrt ist. Dieses Emporgehen des Druckes erreicht jedoch trotz der andauernden Reizung der Gefässnerven alsbald eine Grenze, die offenbar dann gewonnen ist, wenn sich der Zufluss aus dem Herzen mit dem Abfluss nach den Capillaren hin ins Gleichgewicht gesetzt hat. Ist dieses letztere eingetreten, so lässt sich ohne Zuhülfenahme neuer Kennzeichen nicht mehr entscheiden, ob die Geschwindig- keit während des höheren Drucks im Vergleich zu der während eines niederen vermehrt oder vermindert war. Ob das Eine oder das Andere eintritt, wird davon abhängen, inwieweit sich die Verengung einer Anzahl von Ausflussmündungen durch die Aus- dehnung ausgeglichen hat, welche andere in Folge des höheren Druckes erfuhren. Bei den vielfachen und meist schwer zu- gänglichen Verzweigungen des Aortenbaumes kann hierüber ein Aufschluss nur erfolgen, wenn man die Aenderungen der Ge- schwindigkeit in einem der Stämme des Gefässsystemes zn be- 666 Dr. Kronid Slavjansky, Die Abhängigkeit stimmen vermag, in welchem sehr viele oder gar alle Aeste des- selben Zusammenflüssen. Als Herr Prof. C. Ludwig mir den Vorschlag machte, mich mit der Lösung dieser Aufgabe zu beschäftigen und mir dabei auch die Wege andeutete, welche zu dem gewünschten Ziele führen könnten, war ich der Wichtigkeit des Gegenstandes wegen gern bereit, der Aufforderung zu folgen. Meinem Vorhaben gemäss halte ich also das Blutvolum zu bestimmen, das den Querschnitt eines Gefässes erster Ordnung in einer bestimmten Zeit passirte, während Welcher sich eine möglichst grosse Anzahl von Vasomotoren entweder in dem ruhenden oder in dem erregten Zustande befand. —• Das Blut- volum, welches durch die Cefässe floss, bestimmte ich dadurch, dass ich die letzteren öffnete und die aus ihnen hervorströmende Flüssigkeitsmenge maass. Die Orte, an welchen ich dieses aus- führte, waren die vena cava inferior und die arteria carotis. Nachdem die Ausflussmenge in der Zeiteinheit gemessen war, wurde das entleerte Blut a!Isogleich in das Gefässsystem zurück- geführt, so dass die verschiedenen, an demselben Thiere ange- stellten Beobachtungen von einem immer gleichen Blutgehalt des letztem ausgingen. — Den Erregungsgrad einer möglichst gros- sen Anzahl von Vasomotoren änderte ich in weiten Grenzen da- durch, dass ich das Mark in der Höhe des zweiten Halswirbels durchschnilt, und dieses entweder in Buhe liessoder tetanisirle. Da dieses letzte Verfahren allen Versuchen gemeinsam war, so werde ich dasselbe zuerst beschreiben. Armirung des Halsmarkes. Die zum Versuche aus- gewählten Thiere waren kleine und womöglich junge Hunde oder erwachsene Kaninchen ; sie wurden curaresirt und durch künst- liche Respiration am Leben erhalten. An ihnen wurde nach sorg- fältiger Lostrennung der entsprechenden Muskeln, wobei jede Blutung ängstlich vermieden wurde, der Bogen des zweiten Hals- wirbels blossgelegt und darauf dieser mittels des Trepans beider- seits von der Mittellinie durchbohrt; unter Beihülfe der Knochen- zangewurde die Brücke zwischen den beiden Trepanlöchern weg- gebrochen, so dass die dura mater zu Tage kam. Alsdann wurde diese und darauf auch das Rückenmark auf einer gebogenen Sonde durchschnitten. In den Sack der harten Hirnhaut wurden alsbald zwei Electroden eingeschoben und zwar so, dass die eine derselben um einige Millimeter tiefer als die andere hinab- DER MITTLEREN STRÖMUNG DES BLUTES etC. 667 reichte. Diese Electroden selbst bestanden aus Platindräthen, welche bis auf ihre in dem Wirbelcanal befindliche äusserste Spitze durch überfirnisste Seidenfäden sorgfältig isolirt waren. In der ihnen gegebenen Lage wurden sie durch ein Korkstück festgehallen, welches zwischen beide in die Knochenwunde ein- geklemmt wurde. Dieses letztere selbst ward an seiner Stelle noch durch einen Faden fixirt, der beiderseits zwischen den Nackenmuskeln durchgezogen und zugeschnürt war. I. Versuchsreihe an der vena cava inferior. Um die genannte Vene kurz vor ihrem Eintritt in das Herz zugängig zu machen, schritt man zur Eröffnung der Brusthöhle, die auf bekannte Weise längs des Brustbeins geschah. War dieses unter sorgfältiger Vermeidung der Blutung geschehen, so wurde die rechte vena jugularis blossgelegt, nach oben hin unter- bunden, nach unten mit einer Klemme verschlossen und in der Mitte zwischen beiden Schlussstellen eröffnet. Alsbald wurde auch mit einer gekrümmten, stumpfen, gestielten Nadel eine starke und lange Seidenschnur nahe am Herzen um die vena eava inferior geführt. War diese an ihre Stelle gebracht, so schob man eine entsprechend weite unten und oben offene Metallröhre in die Wunde der v. jugularis und band die Wand der letzteren auf der Bohre fest. Darauf wurde eine einprozentige Kochsalz- lösung in die Röhre gefüllt, so dass auch keine Spur von Luft in ihr zurückblieb und hierauf das freie Ende der Röhre mit einer Klemme verschlossen, die auf dem Kautschukröhrchen steckte, welches sich am üussern Ende der Metallröhre befand. Sollte nach diesen Vorbereitungen zu einer Blutentleerung ge- schritten werden, so eröffnete man die Klemme, welche unter- halb des Metallrohrs an der v. jugularis sass und schob dieses in der Vene durch den rechten Vorhof hindurch vorwärts, bis sein unteres Ende jenseits der Schnur angelangt war, welche die vena cava inferior umgab. Da die Enden dieser letzteren durch einen langen Ligaturstab aus Hartgummi hindurch gezogen waren, so konnte man die v. cava inferior auf dem Metallrohre kurz über seiner unteren Mündung festbinden, so dass sich alles Blut, wel- ches in dasselbe von unten hereindrang, mit Umgehung des Her- zens nach aussen entleeren konnte. — Um die Geschwindigkeit zu messen, mit welcher sich das Blut durch das Metallrohr er- goss, diente ein Apparat, welchen der umstehende Holzschnitt 668 Dr. Kronid Slayjansky, Die Abhängigkeit DER MITTLEREN STRÖMUNG DES BLUTES etc. 669 versinnlicht. Es bestand dieser aus dem Glasgefiiss A, welches an seinem Körper die beiden Tubulaturen b und c, an seinem Deckel aber die Tubulatur d trug. Der Deckel war luftdicht eingesetzt und durch die Spange ff in seiner Lage festgehalten. Im Innern des Glasgefässes lag ein grosser Beutel e, der aus weichem rothen Gummi gemacht und mit einem Hals versehen war, welcher auf einem Glasrohre g steckte, das durch die Tu- bulatur c nach aussen ging. In-dieser sassen Glasrohr und Beutel ebenfalls luftdicht. Mit dem freien Ende des Glasrohres war der Kautschuk in Verbindung zu setzen, welcher sich am freien Ende der Metallröhre befand, die aus der vena jugularis hervor- ging. In die Tubulatur b war das Glasrohr h eingesetzt, welches mit einem weiten Ilahne zu verschliessen war. Unterhalb dieses lief das Glasrohr in einen weiten Kautschukschlauch aus. Die Tubulatur des Deckels d nahm ebenfalls ein Glasrohr auf, in welchem sich ein Glashahn befand. Jenseits dieses erhob sich ein Kautschukschlauch, welcher in ein Glasgefiiss B mündete, das etwa 0,75 Meter hoch über dem Glasgefiiss A in einem Stative ruhete. Vor dem Gebrauche war aus dem Beutel e alle Luft ausgesaugt, das Glasgefiiss A dagegen vollkommen mit Wasser angefüllt worden. Die Absicht, welche mit dieser Abtheilung des Apparates erreicht werden sollte, ist leicht zu verstehen. Wenn die Klemme bei g und der Hahn bei h geöffnet, der bei d dagegen verschlossen war, so konnte das Blut ohne allen Wider- stand in den Beutel e Uberfliessen. ln dem Maasse, in welchem sich derselbe füllte, entzog das Rohr h dem Gefiisse A Wasser, welches aus dem nach unten gerichteten Kautschukrohre abfloss. Wollte man die Entleerung des Blutes unterbrechen, so brauchte man nur den Hahn h zu schliessen. Wenn dieses vollbracht war, so konnte man auch das Blut aus dem Beutel e sogleich wieder in die Vene zurückführen und zwar dadurch, dass man den Hahn bei d öffnete, wodurch die Entleerung unter dem Drucke des Gefiisses B geschah. — Als Maass für die Geschwin- digkeit, mit welcher sich der Beutel e aus dem Blute der Vene füllte, diente das Wassermanometer i k /, welches durch die Glasfeder m seinen Wasserstand auf einen mit bekannter Ge- schwindigkeit vorübergeführten Papierstreifen aufschrieb. Da der weite und enge Schenkel i und / des Manometers calibrirt waren, so liess sich aus der Erhebung der Feder m ableiten, wie- viel Wasser in einer gegebenen Zeit durch den Hahn h des Glas- 670 Dr. Kronid Slavjansky, Die Abhängigkeit gefasses A in den weilen Schenkel des Manometers i übergelreten war. Um das Manometer rasch entleeren zu können, trug sein horizontaler Schenkel k ein abwärts gerichtetes Röhrchen, wel- ches durch Kautschuk und eine Klemme geöffnet und geschlossen werden konnte. Nachdem ich das Verfahren, soweit es zum Yerständniss desselben nolhwendig ist, geschildert habe, werde ich zur Er- örterung der Leistung übergehen , zu welcher es mir befähigt erscheint. Es dürfte keinem Zweifel unterworfen sein, dass die Blulmengen, welche in den Kaulschukbeulel übertreten, von der Feder des Manometers wahrheitsgemäss aufgeschrieben werden. Unsere Betrachtung hätte sich also nur mit der Frage zu beschäf- tigen , in welchem Verhältniss die Blutvolumina, die in das Metallrohr übertreten, zu dem Strome in dem Körper des Thieres stehen. Um diese Frage zu erledigen, mache ich zunächst die Annahme, dass alles Blut, welches aus den Wurzeln der vena cava inferior in diese entleert wird, auch aus dem Metallrohr hervortrete. Unter dieser Bedingung setzt sich das aus der vena cava ausgeflossene Volum aus zwei Anlheilen zusammen. Der erste derselben gehört dem Vorralh an, welcher in den Venen auch dann noch vorhanden ist, wenn in sie von Seilen der Capillaren her keine neue Flüssigkeit nachgeschoben wird. Da jener in weitverzweigten und z. Th. engen Röhren aufge- speichert liegt und zwar so, dass seine Spannung von den Gefässen kleinen Kalibers zu denen von grösserem in einer sehr allmäligen Abnahme begriffen ist. so wird im Beginn des Abfliessens die Geschwindigkeit des letzteren eine bedeuten- dere , im weiteren Verlauf des Ausströmens aber in einer stetigen Abnahme begriffen sein. Die Richtigkeit dieser Be- trachtung empfängt ihre Bestätigung, ganz abgesehen von be- kannten mechanischen Grundsätzen, durch die Erscheinungen, welche man an dem eben getödteten pulslosen Thiere gewinnen kann, dem man in der oben beschriebenen Weise ein Röhrchen in die vena cava inferior gebunden hat. Der zweite Antheil der Flüssigkeilsmenge, die am lebenden Thiere aus der v. cava inferior hervorgeht, rührt von dem Blute her, welches das Herz in die Wurzeln der v. cava hinübertreibt, denn jenes wird noch von der v. cava superior her mit Blut versorgt. Diese Behauptung, welche man aus theoretischen DER MITTLEREN STRÖMUNG DES BLUTES etc. 671 Gründen anzufechten geneigt sein könnte, empfängt ihre Stütze durch die folgende Beobachtung. In ihr wurde die Blutung aus der v. cava in passenden Zwischenräumen viermal nacheinander vorgenommen, zuerst bei offener aorta thoracica, die zweite und dritte, während das zu- letzt genannte Gefäss unmittelbar über dem Zwerchfell durch einen Faden auf dem Ligaturstäbchen zugeschnürt war, und die vierte endlich, nachdem die Lichtung der Aorta wieder herge- stellt worden. Jede der Blutungen dauerte 25 Secunden, die durch eine derselben in den Beutel übergeführte Biutmenge wurde nach Yerfluss der 25 Secunden dem Herzen zurückge- geben, was, wie ich ein für allemal bemerke, in allen Versuchen geschah, in welchen die Blutung mehrmal hintereinander ausge- führt wurde. Nachdem das Blut in das Thier zurückgebracht war, wurde das Metallrohr aus der Vene herausgezogen, um zu constatiren, dass nirgends eine Gerinnung bestand. Zum vollen Verständniss der folgenden Zahlen gehören noch die Bemerkun- gen, dass die notirten Blutdrücke in der arteria carotis gemessen sind und dass jeder einzelne derselben den Mittelwerth während je 5 Secunden anzeigt. Jede der Zahlen, welche vor dem Worte »Blutmenge« stehen, geben, in Ccm. gemessen, das während je 5 Secunden ausgeflossene Volum an. Hund. Körpergewicht 4370 Gramm. 0 5 10 15 20 25 Secunden. 21 20 19 18 17 23 Druck in Millimetern Hg. 20,6 12,7 12 8,7 16 Blutmenge in Ccm. (Sa. 70Ccm.). Aorta offen Aorta thoracica unterbunden. 103102 97 93 89 84 Druck in Millimetern Hg. 18,6 8 5,4 3,3 3,3 Blutmenge in Ccm. (Sa. 38 Ccm.). 108 106 105 101 97 93 Druck in Millimetern Hg. 15,3 11,3 9,4 5,3 5,3 Blutmenge in Ccm. (Sa. 40,0 Ccm.). Aorta thoracica unterbunden. Aorta offen 48 46 44 42 38 34 Druck in Millimetern. 18,6 12,7 11,3 9,4 8,6 Biutmenge in Ccm. (Sa. 60,6 Mm.). Die Zahlen lehren, dass die Ausflussgeschwindigkeit wäh- rend derZeit, in welcher die Aorta offen stand, nicht unbeträcht- lich grösser ist, als während der Verschliessung derselben. Da die Aorta erst unmittelbar vor dem Beginn der Blutung geschlossen wurde, so kann der hervorgetretene Unterschied nicht in einer anderen Vertheilung des Blutes durch den Körper hindurch ge- sucht werden; es kann somit der Ausfall, der während der Aortenverschliessung auftritt, nur darauf geschoben werden, dass 672 Da. Kronid Slayjansky, Die Abhängigkeit zu dieser Zeit weniger Blul vom Herzen her in die Wurzeln der v. eava inferior geworfen wurde. Diese Annahme gewinnt noch dadurch an Sicherheit, dass nicht bloss in den ersten \ 0 Secunden die Ausflussmenge während der Aortenunlerbindung gegen die bei offener Aorta zurückstand, sondern dass dieses, und zwar in noch viel höherem Maasse, auch später eintrat. Aus diesem Versuche, dem ich später noch einen andern gleichlautenden anreihen werde, geht also mit Sicherheit her- vor, dass unter den von mir gewählten Bedingungen das aus der vena cava abfliessende Blut zum nicht geringen Theile von dem- jenigen vorgeschoben wird, welches während der Versuchsdauer aus dem Herzen kommt; aber auch dieser Antheil muss aus be- kannten Gründen während der Dauer des Versuches in einer steten Abnahme begriffen sein. Bis dahin wurde unterstellt, dass das Blut, welches aus den untern Extremitäten, der Wand und denEingeweiden des Bauches in die v. cava übertrete, auch durch das Metallrohr zum Abfluss gelange. Dieses ist jedoch nachweislich nicht der Fall, denn es nimmt auch noch ein Theil desselben seinen Weg zum Herzen, durch die mehrfachen Verbindungen, welche inner- und ausser- halb des Wirbelkanals zwischen der oberen und unteren Hohl- vene bestehen. Trotzdem dass innerhalb des Kautschukbeutels während der ganzen Versuchsdauer ein Druck herrscht, der unter dem atmosphärischen liegt, ist doch der Widerstand, welcher in der Richtung zum Manometer besteht, keineswegs als verschwin- dend anzusehen gegen den, welchen das Blut auf den natür- lichen Verbindungswegen zwischen der oberen und unteren Hohl- vene zu überwinden hat. Denn zum Herzen fliesst es durch weite und verhältnissmässig kurze Röhren mit elastischer Wan- dung, während es nur durch das lange, engere und steife Melall- rohr zu dem Kautschukbeutel gelangen kann. Die soeben vorge- brachte Behauptung findet ihre Bestätigung, wenn man ohne jegliche Belästigung der Aorta einen Druck auf den Unterleib ausführt, während die Metallröhre in der v. cava inferior sitzt. Durch ihn wird nicht allein der Ausfluss aus der Röhre beschleu- nigt, sondern es steigt auch alsbald nachher der Druck in der arleria carotis, ein Umstand, Welcher die Vertheilung der ver- mehrt zuströmenden Blutmenge zwischen die Ausflussrohre und das Herz unzweideutig beweist. Dem Ort des Druckes und der Anordnung des Versuchs gemäss kann aber der gesteigerte DER MITTLEREN STRÖMUNG DES Bl.UTES etC. 673 Zufluss zum Herzen nur durch die Verbindungen zwischen den beiden Hohlvenen geschehen. Wie gross der Anlheil ist, welcher von dem Blute der v. cava inferior unter Vermeidung des Metallrohrs zum Herzen gelangt, bleibt natürlich unbekannt; ebenso lässt sich auch nichts sicheres über das Verhältniss der beiden Zweigströme zu einander an- geben, wenn die Geschwindigkeit des Stromes in der v. cava inferior variirt. Den Eigenschaften gemäss, welche den Wan- dungen der beiden Stromzweige zukommen, dürfte es jedoch nicht unwahrscheinlich sein, dass bei einer grösseren Geschwin- digkeit in der unteren Hohlvene die natürliche Bahn einen be- deutenderen Bruchtheil von dem Gesammtstroine als bei einer geringeren Stromstärke daselbst empfängt, weil die nachgiebigen Wandungen der natürlichen Bahn dem beschleunigten Strome weniger Widerstand bieten werden als das starre Metall der künstlich eröffneten Bahn. Nach diesen Mittheilungen werde ich nicht mehr dem Ver- dachte ausgesetzt sein, als ob ich im Sinne hätte, die Strömungs- vorgänge in den von mir verwendeten Thieren mit den natür- lichen zu identificiren. Ich halte es im Gegentheil für gewiss, dass die absoluten Blutmengen, welche in gleichen Zeiten an unversehrten Thieren durch die untere Ilohlvene zum Herzen strömen, andere sein werden als die, welche aus dem Metallrohre ausfliessen. Dieses Zugeständniss lässt sich jedoch mit der Be- hauptung vereinigen, dass die Aenderungen des Stromes im Metallrohr in gleichem Sinne mit denjenigen gehen, welche in den Wurzeln der v. cava stattfinden. Meine Versuche machen darum nur den Anspruch auf den Nachweis, dass der Ausfluss aus dem Metallrohr vermehrt wird, wenn ein Gleiches mit dem Zu- fluss in die Wurzeln der Ilohlvene stattgefunden hat. Für den Zweck, zu dem sie angestellt wurden, wird ihnen selbst bei dieser Beschränkung ihr Werth nicht genommen, denn es sollte ja nur geprüft werden, ob während der gleichzeitigen Reizung einer grossen Zahl von sympathischen Gefässnerven die Ge- schwindigkeit des Gesammtstromes vermehrt oder vermindert werde. Hierüber kann also immer ein Aufschluss gegeben werden, da das Blut, welches in die untere Hohlvene einströmt, seinen Weg durch Knochen, Muskeln, die Haut und die Baucheinge- weide, also durch Organe nimmt, welche in der verschiedensten Abhängigkeit von den Gefässnerven stehen. 674 Du. Kronid Slavjansky, Die Abhängigkeit Mancher meiner Leser wird bei der Durchsicht der metho- dischen Bemerkungen vielleicht schon die Frage erhoben haben, wesshalb ich es nicht vorgezogen, das Metallrohr in die uneröffnete Brusthöhle einzusenken, da doch unter diesen Umständen der Blutstrom unter Bedingungen beobachtet worden wäre, die den gewöhnlichen näher gestanden hätten. Auf diesen Einwurf ist zu erwidern, dass der Abfluss aus dem Metallrohre bei geschlos- sener Brusthöhle aus zwei Gründen doppelsinniger gewesen sein würde, wie er es bei der geöffneten war. Der Druck, welcher auf der äusseren Wandfläche der v. cava inferior lastet, ist, wie bekannt, geringer, als der atmosphärische, und ausserdem wegen der veränderlichen Ausdehnung der Lunge inconslant. Um dem- gemäss die aus der Brusthöhle hervorragende Mündung des Me- tallrohrs in gleich günstige Bedingungen zu setzen, wie sie dem Herzen gewährt sind, hätte man jenes ebenfalls mit einer sau- genden Flüssigkeitssäule versehen müssen, die in demselben Maasse und in denselben Zeiten wie die Saugwirkung der Lunge zu verkleinern und zu vergrössern gewesen wäre. Dass es un- möglich ist, diese Bedingung zu erfüllen, bedarf für den Kenner keiner weiteren Bemerkung. — Der zweite Grund, welcher mich bewegen musste, die Brusthöhle zu eröffnen, lag darin, dass es nur nach dieser Operation möglich war, die Metallröhre in der Lichtung der unteren llohlvene so zu befestigen, dass neben ihr dem Blute kein Weg in den Vorhof offen blieb. Wie sehr dieses nothwendig, geht aus der folgenden Beobachtung hervor, ln dieser war ein Hund von 4270 Gramm Körpergewicht so vorbe- reitet, wie ich es beschrieben habe. Es wurden an demselben zwei Blutungen kurz hintereinander ausgeführt; während der ersten derselben war das Metallrohr in die v. cava inferior einge- steckt, ohne dass die letztere auf jenem festgebunden war, wäh- rend der zweiten Blutung dagegen war die Schlinge um die v. cava zugezogen. Es ergab sich: Hund. Körpergewicht 4270 Gramm. Metallrohr ein- gesteckt. 0 6 1 0 15 20 25 Secunden. 49 44 38 3432 29 Druck in Millimetern Hg. 12,3 9,/ 8 8,6 6,4 Sa. 45 Ccm. ausgefl. Blutmenge- 29 27 25 24 23 22 Druck in Millimetern Hg. 18 10,3 11 8,/ 8 Sa. 5fi Ccm. ausgefl. Blutmenge. Sietallrohr ein- gebunden. Man mag hieraus ersehen, wie nothwendig es ist, das Me- lallrohr in die Vene einzubinden; denn niemals vermag sich DER MITTLEREN STRÖMUNG DES BLUTES etc. 675 dasselbe an die Wand der v. cava hermetisch anzuscldiessen, da es einen geringeren Durchmesser als die v. cava inferior be- sitzen muss, weil es durch die engere v. jugularis zu der wei- teren v. cava zu gelangen hat. Durch die Eröffnung der Brust- höhle gewinnt man ausserdem den Vortheil, dass, weil der äussere Druck auf die v. cava inferior eonstant bleibt, auch der am freien Ende des Metallrohrs vorhandene unveränderlich er- halten werden kann. Es ist vortheilhaft, diesen letzteren um einige Ccm. Wasser niedriger als den barometrischen zu stellen, da man hierdurch einen Theil der Widerstände compensirt, die das Metallrohr einführt. Ueber die genannte Länge des saugen- den Rohres darf man jedoch nicht hinausgehen, weil sonst die weiche Wand der v. cava vor der Mündung des eingesetzten Metallrohrs durch Ansaugung verschlossen wird, wodurch dann dem Strome in der Richtung des Rohres statt einer Verminde- rung eine Vermehrung des Widerstandes erzeugt würde. — Nach der Eröffnung der Brusthöhle lässt sich, wie erwähnt, die Wand der Ilohlvene auf das Metallrohr fest schlingen, so dass dem Blute ein Nebenweg verschlossen wird, welcher wegen seiner Veränderlichkeit vorzugsweise störend wirken muss. Da nun aber durch das Aufbinden der v. cava eine Stauung des Blutes unterhalb der Unterbindungsstelle zu erwarten war, so wurde diese jedesmal etwa 1 bis 2 Secunden vor dem Beginn der Ver- blutung ausgeführt. Die beliebige Abgrenzung dieses Zeitraums gelang, weil die Schlinge auf dem Unterbindungsstäbchen sass, so dass die seidene Schnur vor der Brustwand nur fest ange- zogen werden durfte, um die Einschnürung zu erreichen. Nach- dem die Blutung die gewünschte Zeit hindurch angedauert hatte, wurde der Faden auf dem Stäbchen wieder gelöst und somit die di recte Verbindung der unteren Körperhälfte mit den Herzen wieder hergestellt. Ich gehe nun zu der Mitlheilung der Resultate über, welche ich aus einer Vergleichung der Blutungen während des ruhenden und gereizten Rückenmarkes am curaresirten Thiere erhaben habe. Um die Wirkung der Beizung in allen Stadien zu studiren, wurde entweder mit der Blutung und der Reizung gleichzeitig begonnen, oder diese zu der schon bestehenden Blutung hinzuge- fügt, oder mit der Blutung erst begonnen, nachdem die Reizung einige Zeit bestanden hatte, oder auch, nachdem das Rückenmark schon kürzere oder längere Zeit aus dem Inductionsstrome aMsge- 676 De. Kronid Slavjansky, Dik Abhängigkeit schaltet war. In allen Fällen wurde neben der ausgellossenen Blutinenge auch noch der Druck in der arteria carotis bestimmt. Hund. Körpergewicht 4860 Gramm. Blutung ohne Reizung des Rückenmarkes. 0 5 10 15 20 25 Secunden. 29 27 25 23 23 21 Druck in Millimetern Hg. 14 11,3 10 8,7 10,6 Sa. 54,6Ccm. = 1,12p.C. d.Kpgw. Blutung u. Rei- zung d. Rücken- marks beginnen gleichzeitig. 29 40 51 61 69 74 Druck in Millimetern Hg. 16 14,6 14,7 13,3 12,7 Sa.71,3Ccm. = l,46p.C. d.Kpgw. Die Blutung be- ginnt 95 Sec. nach beendeter Reizung. 55 46 38 34 30 29 Druck in Millimetern Hg 16 6,6 18 12,/ 10,7 Sa. 64 Ccm. = 1,31 p.C. d. Kpgw. Blutung u. Rei- zung d. Rücken- markes gleichzeitig. 27 38 53 61 70 76 Druck in Millimetern Hg. 13,3 14 13,3 14 10,7 Sa. 65,3Ccm. = 1,35p.C. d.Kpgw. Die Blutung be- ginnt 45 Sec. nach beendeter Reizung. 95 67 55 48 40 36 Druck in Millimetern Hg. 19 13 13,3 11,3 11 Sa. 67,6Ccm. = 1,40p. C.d. Kpgw. Die Blutung be- ginnt 155 Sec. nach beendeter Reizung. 38 34 31 28 25 23 Druck in Millimetern Hg. 14,6 11,4 11,3 11,3 9,4 Sa.58Ccm. = l,19p.C.d.Kpgw. Hund. Körpergewicht 6550 Gramm. 0 5 '0 15 20 25 Secunden. Blutung ohne Reizung des Rückenmarkes. 38 36 35 34 34 32 Druck in Millimetern Hg. 17,3 15,3 16 12 11,/ Sa. 72,3 = 1,10 p.C. des Kpgw. Blutung u. Rei- zung d. Rücken- J markes beginnen ] gleichzeitig. I 42 53, 61 70 66,5 63 Druck in Millimetern Hg. 18 19,3 19,3 17,4 11,6 Sa. 87,6 = 1,30 p.C. des Kpgw. Die Blutung be- ginnt 45 Sec. nach beend. Rei-1 zungd.Rückenm. I 87 63 61 49 44 40 Druck in Millimetern Hg. 20 18 15,3 14, / 14 Sa. 82 r= 1,27 p.C. des Kpgw. Die Blutung be- ginnt 130 Sec. j nach beend. Rei-! zungd. Rmarkes. 46 40 37 36 34 33 Druck in Millimetern Hg. 20 15,3 15,3 16,/ 10 Sa.\7,3 = 1,18 p.C. des Kpgw. Hund. Körpergewicht 5770 Gramm. 0 5 10 15 20 25 30 35 Secunden. Die Reizung des j Rmarkes beginnt] 10 Sec. nach An- | fang der Blutung. I 24 18 1 7 21 29 41 Druck in Millim. Hg. 13,3 8 6 8 9,3 Sa. 44,6 Ccm. Die Reizung des / Rmarkes beginnt J 15 Sec. nach An- J fang der Blutung. ( 33 30 29 27 32 42 49 Druck in Millim Hg. 13,6 11 9,4 9,3 10 10,7 Sa. 64 Ccm. Die Reizung des / Rmarkes beginnt) 15 Sec. nach An-1 fang der Blutung. | 44 37 33 29 30 36 45 53 Druck in Millim. Hg. 14,6 8,7 11,3 10,7 9,3 8 10 Sa. 72,6 Ccm. DER MITTLEREN STRÖMUNG DES BLUTES etC. 677 Um den Gang der Blutung deutlich hervortreten zu lassen, sind die Zahlen, welche ihn angeben, fett gedruckt worden. Obwohl sie, wie mir scheint, schon genügend für sich allein sprechen, so empfiehlt es sich doch noch, auch eine der Beobach- tungen in der Form wiederzugeben, in welcher sie unmittelbar gewonnen sind. Dieses geschieht durch den nachstehenden Holzschnitt, auf welchem die natürlichen Curven der Caroliden- drücke und der Ausflussgeschwindigkeiten der drei ersten Beob- achtungen des Hundes von 4860 Gr. Körpergewicht durchge- paust sind. Ausflussmenge während der Rei- zung des R.-M. 95 Sec. nach be- endeter Rzg. VorRzg. d. R.-M. Druck während der Rei- zung des R.-M. 95 Sec. nach be- endeter Rzg. VorRzg. d. R.-M. Secunden Zu den mitgelheilten Versuchen füge ich die Bemerkung, 678 Dr. Kronid Slavjansky, Die Abhängigkeit dass in dem Metallrohr, so oft es während des Verlaufs einer Beobachtung herausgenommen, keine Spur eines Gerinnsels vor- handen war; die Versuche sind also in dieser, wie in jeder anderen Beziehung als vollkommen gelungene anzusehen. Es wird kaum der Bemerkung bedürfen, dass mich das Glück nicht immer so begünstigt hat. Nicht wenige Beobachtungen mussten der eingetretenen Gerinnung wregen verworfen werden. In keiner der weniger gelungenen Beobachtungen, deren ausführliche Mit- theilung ich unterlasse, ist.jedoch ein Fall enthalten, welcher mit den Resultaten der vorgeführten im Widerspruch stände. Wenn man das Ergebniss, welches die Zahlen liefern, in Worten zusammenfassen will, so muss man die Veränderungen in der ausgeflossenen Blutmenge von denen scheiden, die sich in der Carotidenspannung ausprägen. Aus der Betrachtung der entleerten Blutmenge ergiebt sich, dass die Geschwindigkeit des Ausflusses ebensowohl von dem Reizungszustande der Nerven, wie auch von der Menge schon vorher abgelaufener Flüssigkeit bedingt ist. Die Bedeutung des letzteren der genannten Factoren tritt rein hervor, wenn der Versuch bei nicht gereiztem Rückenmark angestellt wird. In diesem Falle nimmt die Geschwindigkeit des Ausflusses stetig ab, eine Erscheinung, welche ihre zureichende Erklärung in der ab- nehmenden Spannung der Venenwurzeln findet, die ihren Inhalt entleeren, ohne dass ihnen ein entsprechender Ersatz von den Capillaren aus zugeführt wird. Die Wirkung, welche die Tetanisirung des Rückenmarkes ausübt, lässt sich dagegen dahin aussprechen, dass der Reizungs- zustand der Gefässnerven, welchen sie hervorruft, eine Beschleu- nigung des Ausflusses bedingt, welche so lange anhält, als die Erregung der Nerven selbst dauert. Vermulhungsweise wäre hiezu die Ergänzung zu fügen, dass die Geschwindigkeit des Ausflusses in irgend welchem Verhältnisse mit der Stärke der Erregung im Zunehmen begriffen sei. — Für den ersten Theil der ausgesprochenen Abhängigkeit treten die Zahlen mit voll- kommener Deutlichkeit ein, denn es ergiebt sich aus ihnen, dass der Ausfluss nicht bloss im Beginn der Reizung oder nur so lange zunahm, als die Tetanisirung des Markes andauert, son- dern dass dieses auch noch kurze Zeit nach Entfernung des Reizes geschieht und zwar so lange, als die sogenannte Nach- wirkung desselben anhält, von deren Bestehen wir namentlich DER MITTLEREN' STRÖMUNG DES BLUTES etc. 679