Zellatmung. IV. Mitteilung: Uber den Oxydationsmechanismus der Kartoffeln. Von A. vy. Szent-Gyérgyi. (Aus dem physiologischen Laboratorium der Reichsuniversitat zu Groningen.) (Hingegangen am 15. Juli 1925.) In den vorhergehenden Mitteilungen!) wurde die Theorie ent- wickelt, daB im héheren tierischen Organismus der aktivierte Wasser- stoff durch den aktivierten Sauerstoff verbrannt wird, daB aber hierbei der Sauerstoff nicht in diffuser Weise zu einem gewissen erhéhten Oxydationspotential erhoben wird, durch das nun der aktive Wasser- stoff unmittelbar wegoxydiert wird, sondern daB die Sauerstoffakti- vierung die Funktion eines Ferments sei, deren Wirksamkeit in relativ scharfer Weise gegen bestimmte Substanzen gerichtet ist, die durch das Ferment nur ganz oberflichlich unter Verlust von Wasserstoff- atomen oxydiert und die dann durch den aktiven Wasserstoff wieder zur Ausgangssubstanz reduziert werden. Es wurde gezeigt, daB eine dieser Substanzen, die im Wesen also. Wasserstofftransporteure darstellen, ein aromatischer Kérper sein muB?). Die definitive Stiitze dieser Theorie scheint mir in der Isolierung und Identifizierung dieser intermediaren Wasserstofftransporteure zu liegen, die dann auch die Méglichkeit eréffnet, die chemischen Ver- 1) Mitteilung I diese Zeitschr. 150, 195, 1924; Mitteilung II ebendaselbst 157, 50, 1925; Mitteilung TIT ebendaselbst 157, 67, 1925. *) Auf Grund mancher Erfahrungen scheint es auch nicht unwahr- scheinlich, daB das Succinoxydon von Battellt und. Stern, d,h. das Ferment, das Bernsteinsiure zu Fumarsiure oxydiert, ebenfalls die Oxydase eines derartigen Oxydationssystems darstellt, in der ein bernsteinsiéure- ahnlicher Korper als Wasserstofftransporteur fungiert, der unter Abgabe und Aufnahme von zwei Wasserstoffatomen abwechselnd in seine unge- sattigte (Fumarsiiure) bzw. gesiittigte Form iibergeht. 400 A. v. Szent-Gyorgyi: anderungen festzustellen, die das Molekiil des Transporteurs unter Einwirkung der Oxydations- bzw. Reduktionsfermente erleidet. Meine mit Eifer durch langere Zeit vorgenommenen diesbeziiglichen Versuche scheiterten aber an der groBen technischen Schwierigkeit, die das tierische Material in diesem Gebiet dem Forscher bietet. Die hier bestehenden starken Reduktionswirkungen sind namentlich in hohem MaBe geeignet, die Wirkung der relativ so empfindlichen Oxydasen zu verdecken,. die nicht in befriedigender Weise frei von Wasserstoff- aktivierungsfermenten, Brennstoffen und sonstigen stérenden Bei- mengungen prapariert werden konnte. Ergab aber die Arbeit an diesem Material auch nicht die erwiinschten Resultate, so fiihrte sie doch zu manchen fiir die weitere Arbeit wert-- vollen Einzelbeobachtungen. Einen sehr tiefen Eindruck hierbei machte dann auch die weitgehende Analogie zwischen den Oxydationsprozessen der Pflanze und Tiere, die uns an so vielen Punkten in so markanter Weise entgegentrat, und dann auch den Gedanken einfléBte, vor dem weiteren Angriff des so verwickelten tierischen Materials zunachst einige Erfahrungen am pflanzlichen Material zu sammeln, das bei der Analyse dem tierischen Material gegentiber sehr weitgehende technische Vorteile bietet. Im folgenden seien einige dieser Erfahrungen wieder- gegeben. 1. Die Guajakreaktion. Wird eine frische Schnittfliche einer Kartoffel mit Guajaktinktur benetzt, so sieht man als Zeichen der Oxydation des Harzes die be- kannte prachtvolle grime Farbe auftreten. Diese Reaktion bildet seit mehr als 100 Jahren den Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, die zum Ziele haben, eine tiefere Hinsicht in den Oxydationsmechanismus der Pflanzen zu gewinnen?), Durch die Arbeiten von J. Wol/f?), Wolff und N. Rouchelmann®), M. W.Onsiow*) und M. H. Robinson®) ist in den letzten Jahren in die Auffassung dieser Reaktion ein wesentlicher Umschwung gekommen, Durch die Arbeiten ist es namentlich deutlich geworden, daB bei dem Zustandekommen dieser Reaktion neben den Oxydationsfermenten Brenz- catechinderivate eine wesentliche Rolle spielen. Die Arbeiten von Wolff und seiner Mitarbeiterin beziechen sich eigentlich nicht auf die Guajak- reaktion, sondern beschaéftigen sich mit der analogen Jod-Starkereaktion. 1) Uber die Geschichte dieser Reaktion lese man die so lesenswerte schéne Monographie von J.H. Kastle: The Oxidases. Treas. Dep. Pub. Health and Mar.-Hosp. Service U. 8. Hygien. Lab. Bull. 59. 2) J. Wolff, Ann. Inst. Past. 31, 92, 1917. 3) J. Wolff und N. Rouchelmann, ebendaselbst 31, 96, 1917. 4) M. W. Onslow, Biochem. Journ. 18, 1, 1919; 14, 535, 1920; 14, 541, 1920; 15, 107, 1921; 15, 113, 1921. 5) M. BE. Robinson, ebendaselbst 18, 543, 1924. Zellatmung. IV. 401 Sie erbringen den Beweis, da8 die pflanzlichen Gewebe den Jodwasserstoff nur in Gegenwart von Brenzcatechinderivaten zu Jod zu oxydieren vermigen, und zeigen zugleich, daB bei dieser Reaktion die natiirlichen Brenzcatechin- derivate durch kiinstlich zugesetztes Brenzcatechin ersetzt werden kénnen. Die ausgedehnten schénen Arbeiten Onslows erbringen denselben Beweis dann auch ftir die Guajakreaktion. Die experimentelle Grundlage obiger Arbeiten gibt aber keine weitere Aufklérung iiber den Mechanismus der Reaktion, die dann auch von Wolff und Onslow in verschiedener Weise gedeutet wird. Wolff nimmt an, daB durch das Oxydationsferment das Brenyzcatechin zum Chinon oxydiert wird, das dann unmittelbar den Jodwasserstoff oxydiert. Onslow hingegen sieht durch ihre Versuche den folgenden Reaktionstnechanismus bewiesen: bei der Reaktion sind zwei verschiedene Fermente im Spiele. Das erste bewirkt die Oxydation des Brenzcatechins zu einem Peroxyd (Oxygenase), das dann, mit einem zweiten Ferment, einer Peroxydase, in Reaktion tretend, das Guajak oxydiert. Mit dieser Auffassung wird eigentlich nur der alteren Bach-Chodaischen Theorie eine neue Form gegeben. Nach diesen Theorien ist es also eine Peroxydase, die die cigentliche Oxydation ausiibt und der der wesentliche Anteil bei den Verbrennungen zukommt. Die Oxygenase hat eben nur fiir dieses' Ferment das Peroxyd vorzubereiten. Um dieser prinzipiell so bedeutenden Frage naiher zu treten, habe ich zunachst mit dem Kartoffelmaterial die Wolf/schen und Onslowschen Versuche wiederholt und kann beide vollauf bestatigen. Werden die Fermente von Brenzcatechinen frei prapariert, so vermégen sie nicht das Gaujakharz anzugreifen. Wird hingegen Brenzcatechin zugesetzt, so sieht man bald die blaue Farbe erscheinen, die dann allmahlich zu einer tiefblauen Farbe anwichst. Zweifelsohne ist der primiare Vorgang in diesem Proze8 die Oxydation des Brenzcatechins durch das Ferment. Was mir aber durch die Onslowschen Versuche noch ganz unbewiesen erschien, war, daB dieses Oxyd des Catechins tat- sachlich ein Peroxyd sei, das unter Mitwirkung von besonderen Fer- menten, der Peroxydasen ihre Oxydationskraft entfaltet. Um diese Frage zu entscheiden, wurde folgendermafen vorgegangen: Das Brenz- catechin wurde mit dem Ferment 10 Minuten lang ohne Guajak be- briitet, dann wurde das Ferment prazipitiert, wobei das Oxyd des Catechins in Lésung blieb. Nun wurde dieses fermentfreie Oxyd mit Guajak versetzt. Sogleich zeigte sich eine blaue Farbe, die sehr rasch dunkelte und die im Laufe 1 Minute dieselbe Farbentiefe erreichte als die Kontrollproben, in denen Guajak mit Ferment und Brenzcatechin 10 Minuten lang bebriitet wurde. Dieser Versuch besagt in unzweideutiger Weise, daB an der Blauung des Guajaks keine Fermente beteiligt sind. Die gesamte Reaktion besteht also aus zwei Phasen, aus der Oxydation des Brenzcatechins durch eine Oxydase und dann der unmittelbaren Oxydation des Guajaks durch dieses Oxyd des Brenzcatechins. Eine Peroxydase ist also nicht im Spiele; das einzige Ferment, das sich an der Reaktion beteiligt, ist 402 A. v. Szent-Gydrgyi: die Oxydase, die das Brenzeatechin unter Einwirkung des Luftsauer- stoffs zu seinem Oxyd oxydiert. , Was die Form dieses Oxydes anbelangt, so miissen wir auf Grund der Arbeit von Willstdtter und Miller!) in erster Linie an ein Chinon denken, und zwar an die Diketoform des Chinons, da die Peroxydform wegen ihrer Labilitat kaum in Betracht kommen kann?) Es fragte sich nun, ob die Oxydationskraft dieses Chinons in der Tat genitigend stark sei, um diese starke oxydative Wirkung zu erklaren. Der Versuch ergab, das die Oxy- dationskraft des nach Willstdtter und Miiller prijparierten Chinons Guajak gegentiber tatsichlich mit der Oxydationskraft des durch Kartoffeloxydase gewonnenen Chinons tibereinstimmt. Die Guajakreaktion l48t sich also folgenderma8en formulieren: die Phenoloxydase oxydiert das Brenzeatechin zum Diketo-Chinon, das ohne Mitwirken eines Fermentes das Guajak unmittelbar oxydiert. Peroxydasen haben keinen Anteil an der Reaktion®). 1) Willstdtter und Miiller, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 41, 2580, 1908. 2) /\=0- vr L /=0 y 6 a . Diketo-Chinon Peroxyd-Chinon 3) Ich kann hier die Bemerkung nicht unterdriicken, daB, trotz der ausgebreiteten Peroxydaseliteratur mir das Bestehen won Peroxydasen ganz unbewiesen, ja sogar in hohem MaBe zweifelhaft erscheint. Alle Oxydasen, die verschiedene Substanzen durch den Sauerstoff der Luft oxydieren, miissen in ihrem Molekiil Atomgruppierungen haben, die zum Binden und Ubertragen des molekularen Sauerstoffes geeignet sind. DaB derartige Atomgruppen, so wie z. B. im Hamoglobin, auch denihnen von Per- oxyden kiinstlich aufgezwungenen aktiveren Sauerstoff ebenfalls tihertragen kénnen, kann kein Wunder nehmen und ist kein Beweis fiir eine biologische Peroxydasefunktion, ebensowenig, wie man vorn Hamoglobin sagen wird, daf es eine Peroxydase sei, weil es auch-den Sauerstoff von ktinstlich gugesetzten Peroxyden zu tibertragen vermag. Eine weitere fliichtige Analogisierung der Oxydasen mit dem Hamoglobin ist meiner Ansicht nach ausreichend, um das weitere Tatsachenmaterial, das das Bestehen der Peroxyde stiitzt, zu erklaéren. Nimmt man an, daB bei der Oxydase, ebenso wie beim Hamoglobin durch verschiedene schiadliche Faktoren zuerst die Fahigkeit verloren geht, molekularen Sauerstoff zu iibertragen, waihrend dessen die Fahigkeit, den Sauerstoff der Peroxyde zu iibertragen, noch lange erhalten bleiben kann, so wird man in einfacher Weise auch ohne Annahme von Peroxydasen begreifen, da es gelingt, nach langer Behandlung mit Alkohol (Bach und Chedat, Linossier, Aso) oder hcherer Temperaturen ,oxydasefreic Peroxydasen“ zu erhalten. Da zahlreiche Pflanzen Guajak eder Jodstirke nur nach Zugabe von Peroxyd, nicht aber ohne dieses bléuen kénnen (nach der alten Auffassung also nur Peroxydasen und keine Oxydase enthalten) 148t sich nun auf Grund der Arbeiten von Wolff und Onslow auch ohne Peroxydase ungezwungen erkléren. Ob das Gewebe die genannten Reagenzien farbt, ist woh] in erster Reihe nur von der Frage abhangig, ob die Pflanze neben der Oxydase auch ein Brenzcatechin enthalt. Zellatmung. IV. 403 Das Fermentprdparat wurde fiir diese Versuche, anlehnend an Onslow, folgendermafen hergestellt: ’ Junge Kartoffeln wurden gewaschen, dann an einem mit einem Messer montierten Schabebrett, das im Haushalt gebraucht wird, in diinne Scheiben zerschnitten. Das Messer des Brettes wurde so gestellt, da die Scheiben sehr diinn waren. Nur die fermentreicheren peripheren Teile der Kartoffeln wurden verarbeitet. Die zentrale Masse, die ungefahr die Halfte bis zwei Drittel des Gewichtes der Kartoffel ausmachte, wurde verworfen. Die derart hergestellten Scheiben fielen vom Brette unmittelbar in einen groBen alkoholhaltigen Becher, der einen Liter 96 Proz. Alkohol enthielt. Nach- dem so 330g Kartoffeln im Becher gesammelt wurden, wurde etwa eine halbe Stunde lang mit einem dicken, scharf abgeschnittenen Glasstabe gertihrt und gestampft. Dann wurde die Masse an einer grofen Biichner- kerze filtriert, der Rest tiichtig ausgepreBt, nochmals in einem Becher mit 500 com Alkohol etwa ein halbe Stunde lang in obiger Weise tehandelt, dann durch ein Tuch filtriert, ausgepre8t und der Rest an der Buchnerpresse mit 300 Atm. Druck ausgepreBt. Der praktisch trockene Rest wurde in einer Miihle zu einem feinen Pulver zermahlen. Das derart gewonnene Pulver wird als Fermentpriparat gebraucht. Das Praparat ist zum Arbeiten sehr angenehm, und es léBt sich langere Zeit im Vakuumexsikkator mit unveranderter Wirksamkeit bewahren. Es wurde von diesem Fermentpriparat zu einem jeden ‘Versuch ein kleines Spatelchen voll (+ 30mg) genommen und in Wasser oder 0,2 mol. Phos- phatlésung von der entsprechenden py suspendiert (KH, P O, und Na,HPO, bzw. Mischungen beider). Dieser Suspension wurde dann, wo nétig, stets ein Tropfen einer 1 proz. frischen Guajaktinktur zugesetzt, und zwar wurde die Tinktur stets nach dem Ferment zugesetzt, da ohne Ferment das Guajak zum gréBten Teile rasch ausflockt. Die Versuche wurden alle in kleinen, 6cem fassenden Becherchen ausgefiihrt. Wird nun in dieser Weise das Ferment (80 mg) in 1 com Wasser suspendiert, dann 1 Tropfen Guajaktinktur zugesetzt, und dann Arbeitet die Pflanze an Stelle des Systems Oxydase—Brenzcatechin mit Oxydase —Hydrochinon, so wird man natiirlich eine Blauung des Guajaks nur nach Zugabe von Peroxyd beobachten kénnen. Nehmen wir zuletzt an, da die Oxydasen, ebenso wie das Hamoglobin, aus einem leicht spalt- baren hochmolekularen, kolloidalen und einem niedrigmolekularen, diffu- siblen, mehr lipoidléslichen Teil bestehen {Globin und Hamatin), von welchen letzterer den Sauerstoffakzeptor tragt, der aber an und fiir sich, so wie das Hamatin nur noch Peroxyd-Sauerstoff, nicht aber mehr molekularen Sauerstoff tibertragen kann, so wird man auch die Trennbarkeit von Oxydase und Peroxydase durch Alkohol (Aso), Ultrafiltration (Bach) und die Diffusibilitét der Peroxydasen (Bach und Chodat), sowie die Aktivierung der Oxydasen durch ,,Peroxydase“ (Bach und Chodat) ungezwungen erklaéren kénnen. Ich meine hiermit natiirlich nicht, das Nichtbestehen von FPer- oxydasen beweisen zu kénnen, Ich méchte nur darauf hinweisen, daB sich das Tatsachenmaterial, das das Bestehen der Peroxydasen stiitzt, sich auch ungezwungen ohne die Annahme besonderer Fermente in viel einfacherer Weise erklaren lat und somit die ganze Frage aus diesem Standpunkte einer Revision bedarf,. . 404 A. v. Szent-Gyérgyi: im Thermostaten bei 37° bebriitet, so zeigt sich nach 10 Minuten nur eine sehr geringe blaue Verfarbung. Wird hingegen noch 1 Tropfen einer verdiinnten Brenzcatechinloésung zugesetzt, so zeigt sich bald eine tiefe blaue Farbe. Es lag im allgemeinen Interesse, erst die optimalen Bedingungen dieser Reaktion aufzusuchen. Die Konzentration des Brenzcatechins sowie die Wasserstoffionen- konzentration haben einen sehr starken EinfluB auf den Gang der Reaktion. Der Hinflu8 der Konzentration des Brenzcatechins sei durch folgenden Versuch illustriert: Es wird eine Reihe von Becherchen mit je 1 ccm einer wisserigen Brenzcatechinlésung versetzt. Im ersten Becher ist die _ Konzentration des Phenols 5 Proz., im folgenden 2,5 Proz., im dritten wieder halb so stark usw. Dann wird in jedes Becherchen ein Spatelchen Ferment und dann ein Tropfen Guajaklésung getan und die ganze Reihe 10 Minuten lang bei 37° bebriitet. Das Resultat ist in folgender Reihe dargestellt, wobei die Kreuze die relative Intensitat der blauen Farbe angeben: 0, 0, 0, 0, 0, +, -&, +, +, ++, +44, ++, ++, +, +.-+,-+,0. Der Versuch ergibt also, daB die Reaktion eine optimale Konzentration hat, die ungefahr bei 0,006 Proz. liegt. Bei 0,0001 Proz., also in einer Konzentration von 1: 1000000, ist die Reaktion noch positiv. Ebenso auffallend ist aber auch die starke Reaktionshemmung bei héheren Konzentrationen. Diese kommt nicht durch die Hemmung der Fermentfunktion zustande, da die tiefbraune Farbe der Filissigkeiten die weitgehende Oxydation des Catechins beweist. Es sei vorausgreifend bereits hier festgestellt, daB die Hemmung der Oxydation durch die Hemmung der zweiten Reaktion, der Oxydation des Guajaks durch das Chinon zustande kommt, da aller Wahrscheinlichkeit nach das entstandene Chinon mit dem ’ Uberschu8 des Catechins unter Bildung minder aktiver Verbindungen reagiert. Ebenso stark ist der Einflu8 der Wasserstoffionenkonzentration. In sekundirem Natriumphosphat kommt die Reaktion gar nicht zu- stande. In einer Phosphatmischung von p,7,4 kommt sie relativ rasch zustande, hat aber eine starke Neigung, bald zu verblassen. Minder rasch kommt und verblaBt die Reaktion bei pg 7. In primirem Phosphat kommt sie relativ langsam zustande, ist aber dann auch relativ stabil, so daB die Reaktion nach 10 Minuten langer Bebriitung in der Regel in primérem Phosphat deutlich starker ist als bei py 7 (oder in ungepuffertem Wasser). Wahrscheinlich kommt die Reaktion zwischen Chinon und dem unverinderten Brenzcatechin mit steigeadem Py stets leichter zustande. Bei 10 Minuten langer Bebriitung scheint das Reaktionsoptimum fiir die Guajakreaktion etwa bei pg 6,4 zu liegen, die Reaktion, die dem wiederholt gemessenen normalen pq der Kartoffelzellsifte entspricht. Zellatmung. 1V. 405 Es wurde nun folgende Versuchsreihe wiederholt ausgefiihrt: a) lecm primares Phosphat wird mit 1 Tropfen 0,1] proz. Brenz.- catechinlésung, 30mg Ferment und 1 Tropfen I proz. Guajaktinktur versetzt und 10 Minuten lang bebriitet. Blaue Farbe -+-1-.. b) lccem prima&res Phosphat wird mit derselben Menge Ferment und Brenzcatechin aber ohne Guajak 10 Minuten lang bebriitet. Dann werden 4ccm Methylalkohol zugesetzt (das Ferment prazipitiert), an einer kleinen Biichnerkerze mit gehirtetem Filterpapier filtriert, das Filtrat beim Vakuum der Wasserstrahlpumpe in dem a.a. 0. be- schriebenen1) Kélbchen unter sehr gelindem Erwaérmen auf 1 com eingedampft. Trotz der Erwarmung bleibt hierbei die Flissigkeit unter Zimmertemperatur. Die alkohol- und fermentfreie Flissigkeit wird nun in ein Becherchen gegossen und mit 1 Tropfen Guajak versetzt. Sogleich zeigt sich eine Blaufarbung, die in einer Minute ihr Maximum erreicht, das der Farbentiefe des obigen Versuchs a) entspricht. c) Derselbe Versuch wird wiederholt mit dem Unterschied, daB der Tropfen Brenzcatechin erst nach der Bebriitung, nach der Zugabe von Alkohol zugesetzt wurde. Weiter wird vorgegangen wie oben. Die Flissigkeit zeigt weder direkt, noch nach 10 Minuten langer Be- briitung eine blaue Farbe. Dieser Kontrollversuch zeigt, daB das Ferment tatsichlich quantitativ prazipitiert wurde, und daB das oxydierende Produkt aus dem Catechin nur unter Einwirkung des Ferments entsteht. AnschlieBend an diese Versuche wurde festgestellt, daB die alkoholische Chinonlésung beim Stehen bald inaktiv wird. Auch beim Erwarmen der wisserigen Lésung wird das Chinon bald inaktiv. 10 Minuten langes Bebriiten bei 37° wird vom Chinon noch gut er- tragen. Wird aber vor der Bebriitung iiberschiissiges Brenzcatechin der wasserigen Chinonlésung zugesetzt, so verliert sie bald ihre Wirk- samkeit, Es fragte sich nun, ob sich in diesen Versuchen tatsachlich ein Di- ketochinon fiir die Oxydation des Guajaks verantwortlich machen lieB, da doch in allen diesen Versuchen nicht mehr als 0,005 Proz. Brenz- catechin verwendet wurden. Um zuentscheiden, ob mit ciner so geringen Menge des Chinons eine so tiefe Firbung des Guajaks bewirkt werden konnte, wurde nach Willstditer und Miiller?) das Diketochinon her- gestellt, in primirem Phosphat gelést und in verschiedenen Konzentra- tionen mit Guajak versetzt. Es zeigte sich hierbei, daB bei einer Konzentration von 0,005 Proz. sich noch ungefahr dieselbe tiefe Farbung 1) A. v. Szent-Gyérgyi und Ty. Tominaga, diese Zeitschr. 146, 232, 1924. 2 le, Biochemische Zeitschrift Band 162, 27 406 A. v. Szent-Gyérgyi: des Guajaks erreichen lieB wie im Kartoffeloxydaseversuch bei der- selben Brenzcatechinkonzentration. Ahnlich wie das durch Oxydase- wirkung erhaltene Chinon zeigte auch das nach Willstétter und Miller praparierte Chinon eine ziemlich groBe Labilitit, und wurde in seiner Wirksamkeit durch tiberschiissiges Brenzcatechin stark gehemmt. Es lag pun an der Hand, neben dem Brenzcatechin auch noch andere Phenole auf ihr Aktivierungsvermégen zu priifen. Auch Onslow berichtet tiber derartige Versuche, in denen er feststellt, daB im Gegen- satz zum Brenzcatechin Adrenalin und Tyrosin unwirksam waren. Ein positives Resultat konnten sie hingegen mit dem p-Kresol erhalten. Unsere Resultate, die mit diesen Onslowschen Angaben gut tiberein- stimmen, sind in folgender Tabelle zusammengestellt. Es sei bemerkt, daB zu diesen Versuchen ein Fermentpraparat zur Verwendung kam, das mit Alkohol nicht volistandig extrahiert war, daher noch geringe Reste des natirlichen Brenzcatechins enthielt und imstande war, auch ohne besondere Zugabe das Guajak in deutlicher Weise zu bliuen. KeHPO, Nap HP Og 0,25 | 0,06 [0.015 (0,004[0,001] 0 1:2 Lésungsmittel .....- 0,2 mol, KH, PO, 0,2 mol. — Konz. Phenol in Proz. . . 0,25 | 0,06 |0,015 | 0,004 | 0,001 | 0 ++l++ + ++ ++ Phenol ...... Ly ++ p-Kresol ..... +++ + m-Kresol ....- + ++ Tyrosin..-.-. Adrenalin ..... Dopa (3,4 Dioxy- phenylalanin) Hydrochinon . Pyrogallol. .... p-Amidophenol p-Phenylendiamin , m-Phenylendiamin , o-Phenylendiamin . Inkubationszeit 10 Minuten. — Gebraucht wurden auf 1 ccm Phenollésung 50mg Ferment und 1 Tropfen 1 proz. Guajaks. + ++ ++ FEET E+ FEF+44 eoeooooco oot ecoceceo oo+Ht++ Seo0000 ootH 44+ Co00SSS HOHH+H Hooosos HHHH+H HeECEPEFFHeHE EEE eoooooo cof ++ eoooeseo oH++ eoooesso oH eooocoo+ HH++ ecooooH+ H++4+ Wir wir aus der Tabelle ersehen, wurde mit Phenol und p-Kresol eine Aktivierung erhalten, die aber an Intensitét noch weit hinter dem Brenzcatechin zurickbleibt. Viel minder, aber noch deutlich war die Reaktivierung beim m-Kresol, die dann beim o-Kresol ganz ausblieb; in Ubereinstimmung mit der Tatsache, da die Oxydierbarkeit der drei Kresole durch das Ferment in derselben Reihenfolge abnimmt. AuBer dem Brenzeatechin enthalt die Tabelle noch zwei Brenz- catechinderivate, die ebenso wie das unsubstituierte Catechin zwei freie OH-Gruppen in Orthostellung enthalten, also theoretisch ebenfalls zur Aktivierung geeignet sein miissen (Dopa und Adrenalin). Wie wir Zellatmung. IV. 407 sehen, ist dies aber nicht der Fall, so daB wir die Konklusion ziehen kénnen, daB auSer den OH-Gruppen auch die Substituenten einen ent- scheidenden HinfluB auf das Reaktivierungsvermégen einer Verbindung ausiiben. Hinen weiteren analogen Fall sehen wir auch im Phenol bzw. p-Kresol und Tyrosin (Onslow). Wie wir sehen, ist dem o-Dioxybenzol gegeniiber das p-Dioxy+ benzol ganz inaktiv, trotzdem auch diese Verbindung, ebenso wie das Brenzcatechin, durch das Ferment wahrscheinlich zum Diketochinon oxydiert wird. Um den Grund dieses negativen Resultats festzustellen, wurde das Verhalten des p-Chinons (das von Kahlbaum bezogen wurde) dem Guajak gegeniiber untersucht. Es zeigte sich, daB dieses Chinon, im Gegensatz zum o-Chinon, in stirkerer Verdinnung das Guajak nicht zu blauen vermag. Das Oxydationspotential dieses Chinons scheint hierzu nicht auszureichen. Auf Grund dieser wie weiter oben besprochenen Beobachtungen kénnen wir also feststellen, daB eine Verbindung reaktivierend wirkt, wenn 1. sie von der Oxydase tiberhaupt angegriffen wird, 2. wenn ihr Oxyd bei dem betreffenden py eine ge- niigend starke Oxydationskraft besitzt, um das Guajak zu oxydieren, 3. wenn der Uberschu8 der Verbindung bei dem betreffenden pq mit dem primaren Oxyd keine inaktiven Verbindungen eingeht, und 4. wenn natiirlich zwischen Guajak und Oxyd keine besonderen Reaktions- hemmungen bestehen. Unter diesen Gesichtspunkten l&Bt sich dann auch die aus der Tabelle hervorgehende interessante Beobachtung ohne weiteres erkléren, da die meisten Verbindungen, die selbst keine Aktivierung des Ferments gaben, die natiirliche Blauung des Guajaks durch das Ferment stark hemmten. Dementsprechend wurde auch gefunden, da8 z. B. schon sehr geringe Mengen Pyrogallol die Oxydations- kraft des o-Chinons (ebenso des synthetischen, wie des durch das Ferment dargestellten) dem Guajak gegentiber augenblicklich aufheben. AnschlieBend an die obige Tabelle sei noch erwahnt, daB, auBer beim o- und m-Kresol, bei allen Versuchen die starke Verfarbung der Flissigkeiten die Oxydation des betreffenden Phenols durch das Ferment andeutete. Auffallend stark und rapid war die Verfirbung beim Dopa. Ii. Das Oxydationssystem der Kartoffeln. Das Tyrin. Verschiedene Beobachtungen leiteten auf die Vermutung, dai neben dem Brenzcatechin noch eine andere, wahrscheinlich aromatische Substanz im Oxydationssystem der Kartoffeln eine bedeutende Rolle spielen muB. Um diese Substanz naher zu untersuchen, wurde versucht, sie in soweit wie méglich reinem Zustande von den anderen Extrakt- stoffen abzuscheiden. Zu diesem Ende wurde der alkoholische Extrakt von Kartoffeln mit Barium gefallt, wobei eine groBe Menge schleimiger 27 * 408 A, v. Szent-Gyérgyi: Substanzen abgetrennt wurde. Dann wurde das natiirliche Brenz- catechin, das bei der Guajakreaktion die so bedeutende Rolle spielt, als Bleiverbindung abgetrennt. Der Rest der gelést gebliebenen Stoffe, die weder eine unlésliche Barium- noch Bleiverbindung gaben, wurde in eine acetonlésliche und einer acetonunlésliche aber methylalkohol- lésliche Fraktion zersetzt. Letztere acetonunldsliche, aber in Methyl- alkohol glatt lésliche Fraktion enthalt den gesuchten Kérper. Im einzelnen war der Vorgang beim Praparieren der folgende: 330g fein zerschnittener neuer Kartoffeln werden in der eingangs beschriebenen Weise in 1000 cem Alkohol gebracht. Der Alkohol wird mit 3 Tropfen Eisessigsiiure angesiiuert und dann unter stetem Riihren aufgekocht. Dann wird der Becher in kaltes Wasser gestellt. Nach gentigen- der Abkiihlung wird an einer Biichnerkerze filtriert, der Rest tiichtig aus- gepreBt. Nun wird die fiir die Neutralisation von 3 Tropfen Essigsiure nodtige Menge Ammoniak zugesetzt. Dann wird unter stetem Riihren in kleinen Portionen eine gesittigte Bariumacetatlésung zugesetzt, bis kein weiterer Niederschlag entsteht. Uberschu8 wird vermieden. Der voluminése flockige Niederschlag wird abzentrifugiert. Die klare Fliissigkeit wird nun mit Plumbum aceticum Bas. Sol. (der Pharmakopae) versetzt, bis kein Niederschlag mehr entsteht (kein UberschuB!). Die Reaktion der Flissigkeit in diesem Stadium ist gegeri Lackmus neutral oder schwach sauer. Das Prazipitat, das das natiirliche Brenzcatechin der Kartoffeln enthalt, wird scharf abzentrifugiert. Fraktion 1 (unlésliche Bleiverbindungen). Die Flissigkeit wird vom Prazipitat moglichst vollstandig abgegossen und fiir die weitere Verarbeitung bewahrt. Das Prazipitat wird in etwa 300 com Wasser suspendiert, das mit Ameisensiure angesdiuert wurde. Das Prazipitat wird méglichst vollstandig suspendiert. Es wird nun noch weiter Ameisensaure zugesetat, bis die Fliissig- keit Kongorot bleibend bliut. Nach starkem Riihren und Durcharbeiten der Suspension mit einem mit Gummi montierten Glasstabe wird an einer Biichnerkerze filtriert. Das Filtrat wird nun mit etwas basischem Bleiacetat versetzt und mit Ammoniak neutralisiert. Das entstehende Prazipitat wird an der Biichnerkerze abgetrennt, mit Wasser gewaschen, in etwa 100 ccm, mit 1 Tropfen Essigsiure angesiuertem Wasser suspendiert, mit Schwefelwasserstoff zersetzt, filtriert, das Filtrat im Vakuum unter Durch- leitung von Luft aus einer sehr diinnen Kapillare bei niedriger Temperatur tiichtig ausgekocht, bis der Schwefelwasserstoff ganz entfernt ist. Die derart gewonnene klare Fiiissigkeit, die das natiirliche Brenzcatechin der Kartoffeln enthilt, gibt mit Ferrichlorid eine tiefgriine Farbe, gibt mit Ferrosulfat, durch Natriumacetat schwach alkalisiert, die fiir Brenzcatechine charakteristische tiefviolette Farbe, die bei starkerer Alkalitét ins Bordeauxrot umschlagt. Die Flissigkeit gibt eine positive Millonsche Reaktion. Die Fhissigkeit vermag das Fermentdem Guajak gegeniiber stark zu aktivieren. In neutraler oder alkalischer Lésung verliert die Flissigkeit bald diese Aktivitat. Fraktion 2 (acetonléslich). Die klare alkoholische Fliissigkeit, die nach der ersten Prazipitierung mit Bleiacetat gewonnen wurde (s. weiter oben), wird tropfenweise mit Schwefelsiure versetzt, bis eine kleine entnommene Probe mit Schwefelsiure nunmehr nur ein geringes Prazipitat gibt. Das Priazipitat, das alles Barium und das meiste Blei enthalt, wird abge- sondert, die Fliissigkeit in vacuo bei ungefiéhrer Zimmertemperatur bis Zellatmung. IV. 409 auf etwa 300 ccm abdestilliert. Der Rest (300 ccm) wird filtriert, dann mit Schwefelwasserstoff behandelt, filtriert, der Schwefelwasserstoff in obiger Weise entfernt, der Rest bei niedriger Temperatur in vacuo auf etwa 10 cem eingeengt. Dann werden unter starkem Schiitteln in kleinen Portionen etwa 100 ccm Aceton eingegossen, nochmals tiichtig durchgeschiittelt, dann etwa eine halbe Stunde stehengelassen. Hierbei scheidet sich eine dicke, dlige Fliissig- keit ab. Das stets noch triibe Aceton wird so vollistandig wie méglich in ein Zentrifugenrohr abgegossen, abgedreht, das Aceton vom Zentrifugat abgegossen. Der Rest im Destillierkolben wird nochmals mit etwa 50 ccm Aceton tiichtig durchgeschiittelt, das Aceton in das erst gebrauchte Zentri- fugenrohr gegossen, hier mit dem obigen Zentrifugat gut durchgeschiittelt und abgedreht. Das Aceton wird abgegossen. Die vereinigten aceton- haltigen Fitissigkeiten bilden die Fraktion 2. Diese Fraktion 2, die nicht weiter unser Interesse beschaéftigen wird, scheint neben Essigsiure und anderen Substanzen einen phenolartigen Kérper in grdBerer Menge zu enthalten. Sie reduziert das zugegebene Ferrichlorid, gibt positive Millonsche Reaktion und zeigt, mit Lauge erwirmt, eine braune Farbe. Fraktion 3 (acetonunléslich). Das Zentrifugenrohr und der Destillier- kolben enthalten nun eine dicke, halbfeste Substanz. Der Kolben wird nun mit etwa 20ccm Methylalkohol ausgespiilt, in dem sich der Rest volikommen lést. Der Methylalkohol wird in das Zentrifugenrohr gegossen, in dem sich die Substanz ebenfalls lést. Nun wird der Kolben nochmals mit Methylalkohol ausgespiilt, der Alkohol in das Zentrifugenrohr gegossen und hier die Fliissigkeit mit Methylalkohol noch auf etwa 100 ccm auf- gefillt. Der hierbei etwa entstehende Niederschlag wird abzentrifugiert und die klare methylalkoholische Lésung in vacuo bei niedriger Temperatur abdestilliert. Es bleibt hierbei eine dicke, dlige, klare und farblose Substanz zuriick, die nun zum Zwecke der weiteren Versuche in 30 ccm Wasser gelést wird. Wird diése Lésung (also die acetonunlisliche, methylalkohol- lésliche Fraktion) nun mit Natriumacetat schwach alkalisiert und etwa 1/, Vol. gesattigte Chinonlésung zugegeben und in ein Wasserbad von 50° gesetzt, so erscheint sogleich eine tiefe, schéne, bordeauxrote Farbe, die an Intensitat wahrend der ersten 2 Minuten stets deutlich zunimmt. Ebenso schén erscheint die Farbe, wenn man die Flissigkeit mit sekundérem Natriumphosphat alkalisiert und dann mit etwas p-Chinon stehen laBt. Die Flissigkeit enthalt also eine Substanz, die durch Chinon behandelt eine prachtvolle tiefe Farbe gibt. die dann aber beim langeren Stehen in eine schmutzig-braune tibergeht, und die wir, wegen mancher Ahnlichkeit mit dem Tyrosin, im folgenden T'yrin nennen werden. Die tiefe Farbe deutet auf einen aromatischen Charakter, wihrenddessen die analoge Reaktion von Adrenalin und Tyrosin darauf hindeutet, da8 der Farbwechsel auf einer Oxydation der betreffenden Substanz durch das Chinon beruht. Diese Annahme wird durch die Beobachtung gestiitzt, daB die Flissigkeit, wenn man ihr ohne Chinonzusatz etwas Ferrichlorid und Kaliumferricyanid zusetzt, sich nicht blau farbt, als 410 A. v. Szent-Gyérgyi: Zeichen dessen, da das Tyrin die zugesetzten Hisensalze nicht zu reduzieren vermag. Ebensowenig reduziert das Chinon. Wird jedoch das Tyrin in obiger Weise mit Chinon behandelt und dann mit den Eisensalzen versetzt, so erhalt man sogleich einen dicken Niederschlag von Berlinerblau, da das Chinon bei seiner oxydativen Funktion selbst in Hydrochinon iibergeht, das die Eisensalze glatt reduziert. Fir diese Auffassung der Reaktion spricht auch der Umstand, daB die rote Farbe durch Natriumhydrosulfid in reversibler Weise augenblicklich zum Verschwinden gebracht, die Verbindung also in ihre Leukoform zuriickgefiihrt werden kann. Das Tyrin, das mit dem Chinon in seiner oxydierten Form die prachtvolle purpurne Reaktion gibt, 148t sich weder durch alkalische, noch saure Fallungsmittel niederschlagen (basisches Bleiacetat, Baryt, Cu(OH),, Sublimat, Phosphorwolframsaéure, Wolframsiéure, Pikrin- siure), ist in Wasser und Methylalkohol extrem léslich, lést sich etwas minder gut in Athylalkohol, reduziert, wie gesagt, kein Eisensalz und gibt eine negative Millonsche Reaktion, was zugleich ausschlieit, daB wir es hier mit Tyrosin zu tun haben. Beim Eindampfen hinterliBt (auch mit HCl anges&uert) die Liésung eine farblose, harzartige Substanz. Meine Versuche, sie zu kristallisieren, sind bis jetzt fehlgeschlagen. Zam Auftreten der Farbenreaktion ist neben dem Chinon eine Reihe anderer anorganischer Oxydationsmittel versucht worden (Wasserstoffperoxyd, Kaliumchlorat, Ferrichlorid, Kaliumferricyanid, Kalibichromat, Kaliumhypochlorit), es wurde aber mit keinem ein positives Resultat erhalten. Nach meiner Erfahrung spricht dies auch einigermaBen fiir einen aromatischen Charakter. Tyrosin zeigt in dieser Beziehung mit unserer Substanz eine Ahnlichkeit. Das Tyrin scheint in der Pflanzen- und Tierwelt weitgehend ver- breitet zu sein. Hine Substanz mit den gleichen Eigenschaften kann auch aus den Siaugetiergeweben in relativ groBer Menge prapariert werden. Sie wurde in prinzipiell analoger Weise bis jetzt aus Pferde- fleisch, Rinder- und Schweineherz und Schweineleber prapariert. Das aus Rinderherz gewonnene Praéparat zeigte im Kataphoreseversuch bis ~q 4 eine anodische, tiber py 3 eine kathodische Wanderung?). 1) Nachdem Hefe eine stark positive Chinonreaktion gab, ebenso auch das Higelb, nicht aber das HiweiB, weiterhin geschalter Reis eine nur kaum positiv zu nennende Reaktion gab, wahrenddessen das Mehl der Reisschalen stark positiv reagierte, und auch andere Griinde vorlagen, das Tyrin mit dem Vitamin B zu identifizieren, wurden Tauben- versuche vorgenommen. Die Versuche zeigten aber, daB die Gewebe (auch das Gehirngewebe) der avitaminotischen Tauben im primortalen Stadium die Reaktion in normaler Intensitét gaben, so da die Vermutung der Identitét beider Substanzen unwahrscheinlich wurde. Zellatmung. IV. 411 Wird das Tyrin nun mit der Oxydase zusammengebracht, so zeigt sich keinerlei Veranderung. Die Lésungen bleiben ungefarbt als Zeichen dessen, daB das Tyrin durch die Oxydase nicht angegriffen wird. Versuch. Eine Reihe von Becherglaschen wird mit je 1 cem der folgenden Phosphatlésungen versetzt: Na,HPO,, Mischungen von KH,PO, und Na,HPO, von pg 7,4, 7,0, 6,4, und endlich reines KH,PO,. Dann wird einem jeden Becherchen 1 com Wasser und 2 Tropfen der mit starker NaOH. neutralisierten Lisung des Tyrins (Fraktion 3) zugesetzt. Nach der Zugabe von je einem Spatel Ferment wird 10, dann weitere 20 Minuten lang bebriitet. Alle Proben bleiben wahrend dieser Zeit vollkommen farblos. Das Ferment ist also nicht imstande, das Tyrin aus seiner Leukoform zur roten Pigmentform zu oxydieren, Nun wird derselbe Versuch wiederholt, aber an Stelle des Wassers 1 cem der neutralisierten Brenzcatechinlésung (Fraktion 1) zugesetzt. In einer dritten Reihe wird zum Vergleich dieselbe Brenzcatechinlisung zugesetzt, aber das Tyrin (Fraktion 3) weggelassen. In dieser letzten Reihe zeigt sich als Zeichen der Oxydation des Brenzcatechins nach 10 Minuten eine schwache, gelb bis braungelbe Farbe, die in den weiteren 20 Minuten noch etwas deutlicher wird. Hingegen zeigen die Becher mit der zugleich zu- gesetzten Fraktion 3 (Tyrin) eine sehr deutliche rote bis rotbraune Farbe. Ebenso wie bei der Guajakreaktion, so bleibt auch hier die Farbung in reinem sekundéren Phosphat aus. Am staérksten und reinsten ist die Farbe beim natirlichen py 6,4 der Kartoffeln. In reinem priméren Phosphat ist sie bedeutend schwacher. Beim weiteren langeren Stehen geht die rote Farbe auch hier ins Dunkelbraune iiber. Das Tyrin verhalt sich also in unserem Versuch ganz analog der Guajaktinktur. Es wird offenbar nicht direkt durch das Oxydations- ferment angegriffen, wird aber durch dag aus dem Catechin unter Ein- wirkung des Ferments entstandene Chinon aus seiner Leucoform zum Pigment oxydiert. Die drei Substanzen bilden also ein einheitliches System, in dem also letzten Endes unter katalytischer Mitwirkung des Ferments und des Catechins das Tyrin durch den Sauerstoff oxydiert wird. Wird dieses rote oxydierte Pigment unter anaeroben Bedingungen mit Kartoffelgewebe in Kontakt gebracht, so kann man bald wieder ibre Entfairbung beobachten, die augenscheinlich ihre Reduktion zur Ausgangssubstanz andeutet. Das Tyrin scheint also als Glied einer Kette von Reaktionen die Oxydation des aktivierten Wasserstoffs zu vermitteln. Offenbar haben wir es hier mit einem Gliede der von W. Palladin aufgestellten Gruppe der Respirationspigmente zu tun. Im folgenden werden wir der Kiirze halber die reduzierte Leucoform des Tyrins als Leucotyrin, die oxy- dierte Pigmentform als Oxytyrin bezeichnen. Der Gang der Oxydationen in der Kartoffel scheint also der folgende zu sein: Molekularer Sauerstoff + Oxydase + Brenzkatechin > o-Diketochinon, o-Chinon -+ Leucotyrin > Brenzkatechin + Oxytyrin, Oxytyrin + aktiver Wasserstoff > Leucotyrin. 412 A. v. Szent-Gyérgyi: Zellatmung. IV. Hiermit sei natiirlich nicht weggenommen, daf bereits zwischen aktivem Wasserstoff und Chinon direkte Beziehungen bestehen kénnen und dieser durch den aktiven Wasserstoff reduziert werden kann, noch bevor es zur Oxydation des Tyrins kame. Es scheint mir sogar recht wahrscheinlich, daf das Zusammentreffen des Chinons mit dem Glutathion zur Reduktion des ersteren und Oxydation des letzteren fiihren muB1). Moéglicherweise ist dies auch die gesuchte Verbindung des Glutathions und des zugehérigen Reduktionssystems von Hopkins und Dixon mit dem molekularen Sauerstoff. Natiirlich 14Bt sich tiber die funktionellen Verhaltnisse des beschriebenen Oxydase-Brenz- catechin-Tyrinsystems noch nicht mehr mit Sicherheit sagen, als daB sie einer eingehenden experimentellen Erforschung hediirfen. Zusammenfassung. 1. Es wird gezeigt, da in den Kartoffeln der Mechanismus der Guajakreaktion der folgende ist: Durch die Oxydase wird ein Brenz- catechin zum o-Diketochinon oxydiert. Dieses Chinon oxydiert ohne Mitwirken weiterer Fermente unmittelbar das Guajakreagens. Per- oxyde oder Peroxydasen sind nicht an der Reaktion beteiligt. Die Versuche von J. Wolff und M. W. Onslow werden bestatigt. 2. Es wird gezeigt, da8 in den Kartoffeln au®Ber dem Brenzcatechin am System der Oxydation noch ein anderer, wahrscheinlich ebenfalls aromatischer Kérper beteiligt ist, der der W. Palladinschen Gruppe der Respirationspigmente zugehért, der, so wie das Guajak, nicht un- mittelbar vom Oxydationsferment, sondern erst durch das, unter Ein- wirkung der Oxydase vom, Brenzkatechin entstandene Chinon von seiner Leucoform zum Pigment oxydiert wird. Die Substanz, die auch im Warmbliitergewebe in relativ grofer Menge nachgewiesen wurde, wurde mit dem Namen Tyrin belegt. Es werden einige chemische Eigenschaften dieses Kérpers erértert. 1) So z. B. fand ich vor einigen Jahren, da8 die Thioglykolsaiure bzw. ihre Sulfhydrylgruppe durch die Meerrettigwurzeloxydase nicht angegriffen wird. Hingegen kann das Enzym durch die Zugabe von Adrenalin der 8S H- Gruppe gegeniiber aktiviert werden, Aller Wahrscheinlich- keit nach wird nun das Adrenalin zum Chinon oxydiert, das wieder die Thioglykolsiure zum Disulfid oxydiert, wobei das Chinon wieder zum Adrenalin reduziert wird, das somit als Katalysator der Reaktion zwischen Sauerstoff bzw. Oxydase und SH-Gruppe fungiert.