|VN995s 1869 *.¥#*** &*%* *# '/':*!- * Ä^ ♦;'"'' ,#*■ •/"' ■':•%:"' ! V" ' ) ^ '' ** "% ?.*! )A-'.V* ,■•,*!* „^ "J äF# J ry&*- v V! >^ -~teC*l iiirgeon GGneral's Office . ;| y "*** T ftf"^ 'W4 jA. _i%cJ Qt\> '4).*^_/;j»Vo )( Pt1 !S ^7 N« *2-.T?/ :fc,---!_:: ■Mi1 r? =*N*^ •«Xk- >;■•■ STUDIEN über FBBRIS RECURRENS nach Beobachtungen der Epidemie im Jahre 1868 zu Breslau von Dr. 0. WTSS, Ausserordentlichem Professor und Director der Poliklinik zu Zürich und Dr. C. BOCK, s. Z. Assistent der medic. Klinik zu Breslau. Mit 5 Tafeln. BERLIN 1869. Verlag von August Hirschwald, Unter den Linden 6S. WC p.Jn> rsjo. £><£&£ ^o. J~ Dem Andenken ~W\ Grriesiiiger s. Yorwort. TT enn wir es wagen, diese Blätter dem Andenken un- seres hochverehrten Lehrers zu widmen, so tragen wir dadurch nur einen kleinen Theil des Dankes ab, den wir ihm schulden. Er hat uns beide in Zürich vom Beginn unserer medizinischen Studien bis zu deren Abschluss ge- leitet, er hat uns gelehrt, am Krankenbett zu beobachten, zu denken und zu handeln, und hat uns späterhin, als wir von ihm getrennt waren, immer ein freundliches An- denken bewahrt in Geist, in Wort und in That. Bei dem Beginn einer Epidemie von Febris recur- rens, welche im vergangenen Jahre in Breslau herrschte, hatten wir einige specielle Puncte zum Gegenstande un- serer Untersuchungen gemacht, die in den folgenden Blät- tern ausführlicher besprochen werden sollen, wie der Modus der Ausbreitung, die Verhältnisse der Temperatur, VI der Urinsecretion. Wir haben indess auch die übrige Symptomatologie in den Kreis unserer Darstellung gezogen und fügen die freilich nur sparsamen pathologisch-anato- mischen Untersuchungen an. Die prophylaktischen und sanitätspolizeilichen Massregeln, als wichtigsten Theil der Therapie, führen wir namentlich deshalb ausführlicher an, weil diese Puncte noch immer nicht genügende Berücksich- tigung finden. Das Material zu dieser Abhandlung haben wir als Assistenten der Breslauer medizinischen Poliklinik und Klinik selbstständig bearbeitet; eine Arbeit, die, neben unserer officiellen Beschäftigung ausgeführt, eine dadurch vielfach unterbrochene gewesen ist. Es sind daher auch nament- lich die Untersuchungen über den Stoffwechsel lückenhaft. Wir waren aber nicht im Stande, die vorhandenen Lücken auszufüllen, da wir mit Schluss des Sommersemesters un- sere Untersuchungen abbrechen mussten und später nicht wieder aufnehmen konnten. Beginn und anfängliche Ausbreitung der Epidemie wurden durch wiederholte Besuche an Ort und Stelle von uns selbst festgestellt, für die weitere Verbreitung be- nutzten wir die gütigst überlassenen Berichte des Polizei- Präsidiums, für welche wir dem Herrn Polizei-Präsidenten Freiherrn von Ende unseren Dank aussprechen. Den- selben sagen wir allen den verehrten Herren Colle- ge n, besonders Herrn Dr. Hennes, Herrn Sanitätsrath Dr. Grätzer, Herrn Dr. Körner u. a. m., die uns durch ihre gütigen Mittheilungen unterstützt haben. VII Schliesslich bleibt uns die Pflicht, dem Geheimen Medizinalrath Herrn Professor Dr. Lebert, Director der medizinischen Klinik und Poliklinik, unseren Dank zu sagen dafür, dass er uns gestattet hat, diese Beobachtun- gen selbstständig zu machen und dass er uns dieselben, nachdem wir sie vollendet, zur eigenen Publication über- lassen hat. Breslau, den 28. März 1869. Die Verfasser. Inhalt. Seite Einleitung.................... 1 Aetiologie.................... 6 Beginn der Breslauer Epidemie ........ — Sociale Verhältnisse............. 12 Lebensmittel................ 22 Witterungsverhältnisse............ 28 Ausbreitung der Epidemie........... 38 Symptomatologie.................. 67 Uebersicht des Krankheitsverlaufes; Stadien, Dauer und Ausgang........ ....... — Analyse der Symptome................ 87 Lage................... — Symptome des Nerven- und Muskelsystems..... — Sinnesorgane................ 98 Schlaf................. 99 Temperaturverhältnisse............101 Puls...................112 Subjective Fiebersymptome..........116 Beschaffenheit der Haut ...........118 Digestionsorgane..............126 Respirationsorgane..............136 Circulationsorgane..............138 Blut und Blutungen.............139 Weibliche Genitalien.............144 Ernährungsverhältnisse und Kräftezustand.....145 X Seite Verhältnisse der Urinsecretion. Bemerkungen über den Stoffwechsel...............146 Complicationen und Nachkrankheiten....... 174 Verschiedenheiten des Verlaufes ........200 Pathologische Anatomie...............211 Verhältniss der Recurrens zu anderen Krankheiten.....227 Diagnose.....................229 Prognose und Mortalität...............235 Therapie.....................238 Prophylaxis................238 Behandlung der Krankheit ..........243 Anhang. Krankengeschichten.............247 Tabellen über die Verhältnisse der Urinsecretion......259 Erklärung der Abbildungen..............269 I. Einleitung. JL/ie Febris recurrens (Relapsing-fever; fievre a rechütes; Rückfallsfieber) ist eine Krankheit, die in den nördlichen Ländern meist mit Typhus exanthematicus - Epi- demieen zusammen oder ihnen voraufgehend auftritt. Sie wurde früher mit diesem zusammengeworfen; erst in dem Jahre 1826 machte O'Brien in Dublin1) einen Unterschied zwischen dem Fieber der alten Constitution mit grosser Mortalität (i. e. Typhus exanthematicus) und dem Fieber der neuen Constitution, das wenige Tage dauerte, selten lethal verlief, aber häufig Rückfälle zeigte (i. e. Febris re- currens). Anno 1842 und 1843 wurde die Krankheit von Neuem als vom Typhus exanthematicus verschieden erkannt, und ihr der Name Five or seven days fever (Wardell 1843), Remittent fever (Craigie 1843) und später Relapsing-fever (Patersen 1847) gegeben. ') Vgl. hierüber und über die übrigen geschichtlichen Mitthei- lungen Ausführlicheres bei Griesinger, Infectionskrankheiten, 1. Aufl. 1857. pag. 199'. und 2. Aufl. 1864. pag. 273. Hirsch, Handbuch der historisch-geographischen Pathologie, 1860. Bd. I. pag. 168 und ff. — Murchison, A treatise on the continued fevers of Great-Britain. Lon- don 1862. pag. 291 sq. Murchison, die typhoiden Krankheiten, übers. von Zülzer. Braunschweig 1864. pag. 276. Bock u. Wyss, Febris recurrens. 1 — 2 — Wie aus zuverlässigen Nachrichten hervorgeht, hat die Febris recurrens schon im vorigen Jahrhundert in Irland, England und Schottland wiederholt epidemisch geherrscht und zwar, wie Rufty berichtet, zuerst im Herbst 1739 und 1741 in Dublin; ferner in Plymouth (1741) und wahrschein- lich auch in Newcastle (1777). Häufiger sind im jetzigen Jahrhundert Epidemieen von Relapsing-fever constatirt wor- den. So herrschte es in den Jahren 1797 bis 1801 und von 1817 bis 1819 in Irland; 1817 in London und Edin- burgh. 1826 kam in Irland wieder Recurrens epidemisch vor und 1827 auch in Edinburgh. Hierauf verschwand das Relapsing-fever aus England, Schottland und Irland und erst im Jahre 1842 trat es wieder in Irland und in grosser Ausdehnung auch in Schottland, wie es scheint in beiden Ländern ziemlich gleichzeitig, auf und herrschte epidemisch bis 1844. Schon 1846 erschien es von Neuem in vielen Orten Irlands, gleichzeitig in Edin- burgh, Leith, Glasgow, in andern Orten Schottlands und in London, Croydon, Liverpool, Manchester, und ver- schwand erst nach 1848. In Glasgow und London hielt sich die Seuche noch einige Jahre, erlangte 1851 eine etwas grössere epidemische Ausbreitung, und verschwand 1855 vollständig, ohne dort bis jetzt wieder epidemisch auf- zutreten. Iu andern Ländern ist die Febris recurrens gleichfalls öfters beobachtet worden und zwar Anno 1847 in Ober- schlesien, wo nach Dum ml er's1), Bärensprung's2) und ') Ueber den oberschlesischen Typhus. Archiv für pathologische Anatomie von Virchow u. Reinhardt. Bd. 2. 1849. p. 334. 2) Der Typhus in Oberschlesien im Jahre 1848. Archiv für die gesammte Medicin von Häser. Band 10. 1849. p, 448 und ff. — 3 - Suchanek's1) Angaben offenbar ausser Typhus exanthe- maticus auch eine Recurrens-Epidemie geherrscht hat.2) Suchanek spricht von Typhusfällen, in deren Ver- lauf Wechselfieber hinzugetreten sei; Fälle, die er selbst jedoch nicht als Typhus, sondern als Wechselfieber aufge- fasst haben will; er hebt die Milzschwellung hervor. Bären- sprung erwähnt Erkrankungen, die er unregelmässige Wechselfieber nennt, die sich durch kein Symptom von dem herrschenden Typhus unterscheiden, als durch den Mangel an Roseola und durch das Auftreten von Herpes labialis, und Dümmler endlich schildert wahre und falsche Recidive des Typhus, letztere durch Diätfehler bedingt, erstere hat er bis 4 Mal beobachtet (offenbar Re- lapse!). Das Bild, das Dr. Dümmler von seiner eigenen Erkrankung entwirft, kann man offenbar viel eher auf eine schwere Form von Recurrens, auf ein biliöses Typhoid, als auf Typhus exanthematicus beziehen.3) Es tritt kurz vor J) Mittheilungen über die Typhus - Epidemie im Teschener Kreise von Dr. Suchanek. Prager Vierteljahrsschrift. 6. Jahrgang 1849. Band 21. p. 107—117. 2) Die englischen Aerzte sprachen sich ganz bestimmt dahin aus, dass in Oberschlesien auch Recurrens geherrscht habe, so z.B. Jenner, der sagt, dass die Epidemie vorwiegend aus Rel. fev. bestanden habe, in Oesterreich mit Typhus gemischt, in Prag überwiegend Typhus. Wahrscheinlich verhielt es sich an verschiedenen Orten und besonders auch zu verschiedenen Zeiten verschieden. Virchow sah offenbar meist, vielleicht nur Typhus exanth., während andere ausserdem mehr oder weniger zahlreiche Relapsing - Fälle beobachteten, aber sie mit Typh. exanth. zusammenwarfen. Jedenfalls können wir Häser in sei- nem Vorwurf den englischen Aerzten gegenüber (Epid. Krankheiten 1865. p. 818) nicht beistimmen. 3) Dies lässt sich mit der Bemerkung Virchow's (Archiv für patholog. Anatomie, Bd H., p. 231 sq.) sehr wohl vereinigen, wonach Dr. D. vor einigen Jahren in Prag Typhus bekommen, sich dann nach Berlin 1* — 4 — einer Krisis, die unter Schweiss erfolgt, Jcterus auf; die Leber und Milz sind gross, nach der Krisis baldiges Ge- fühl von Besserung, Nasenbluten. Es erfolgt ein zweiter Anfall, welcher nach vorherigem Schüttelfrost ebenfalls un- ter profusem Schweiss zu Ende geht. Während des Fie- bers heftige Glieder- und Gelenkschmerzen, von Neuem im zweiten Anfalle Leber- und Milzschwellung und Schmerzen im Bereiche dieser Organe. Diarrhoische, bisweilen blutige Ausleerungen stören die Reconvalescenz, die unterbrochen wird durch einen kurzen dritten Anfall, welcher auch unter profusem Schweisse abschliesst. Es hat ferner Recurrens wahrscheinlich und zwar zum Theil in schweren Formen, als biliöses Typhoid, 1816 auf den griechischen Inseln, Cephalonia, Corfu, St. Maura, Port Mahon (Minorca), Malta, 1817 in Dalmatien geherrscht; später in- Griechenland selbst, in Athen 1835, in Constan- tinopel 1843, ferner in Kleinasien, möglicherweise auch in Nubien, Vorderindien u. a. a. O. Es liegen sichere Nach- richten über die Ausbreitung der Recurrens in Moskau von 1840 bis 41, in Königsberg anno 1847 bis 48, in Port Novo Archangelsk auf der Insel Sitka vor; es scheint, dass sie in den zwanziger und dreissiger Jahren auch in ein- zelnen Theilen Frankreichs und 1830 sogar in der Schweiz, in Wetzikon im Ct. Zürich, vorgekommen sei. Im Anfang und gegen Mitte der Vierziger Jahre herrschte sie in der Buckowina epidemisch, und 1850 und 1851 machte Grie- singer seine bekannten Beobachtungen über Relapsing- fever in seinen leichten und schweren Formen, welch letz- geschleppt hatte, wo er die Krankheit unter einer sehr ausgedehnten Eruption durchmachte. In Chelm (im Plessener Kreise) erkrankte er wieder und hatte eine sehr schwere und späte Reconvalescenz." Letz- tere Erkrankung also halten wir für einen schweren Fall von Relap- sing-fever. — 5 — tere er mit dem Namen des biliösen Typhoids belegte, ob- wohl er — und wir müssen dies ausdrücklich betonen — schon damals die Zusammengehörigkeit beider Krankheiten ganz richtig erkannte. In der neueren Zeit hat das Relapsing-fever wieder eine grössere Ausbreitung gefunden. Zuerst wurde die Krankheit 1863 in Odessa1) beobachtet; seit 1864 ist sie in Petersburg epidemisch und lieferte namentlich 1865 und 66 eine enorme Zahl von Erkrankungen. Im Sommer und Herbst 1865 kam sie in Brügge und Blankenberghe, in Krakau2) (V), in Paris3) im Dec. 1866 und Jan. 1867, in Omsk in Sibirien, im Januar bis März 1867 in Algier und anno 1865 und 1867 auf der Insel Reunion (an der Ostküste von Afrika), an den indischen Küsten und wahrscheinlich auch auf Mauritius vor. ■) Bernstein, Gazette de Paris 3 Ser. XX. 28. Juillet 1865. Schmidt's Jhb. 1866. p. 91. 2) Rosenberg, Wiener med. Presse, 1865. 23. Juni. 3) Dr. Worms beobachtete eine kleine Epidemie in den Caser- nen zu St. Cloud (Gaz. hebd. 2 Se>. IL (XII.) 1865. p. 133 u. 34, und Dr. Saveran in der Caserne de Lourcine zu Paris (Gaz. hebd. 2 S^r. II. (XU.) 1865. 317. 15. Sept.). — Vgl. Schmidt's Jahrb. Band 129. p. 93. II. Aetiologie. 1. Beginn der Breslauer Epidemie. Der erste Fall von Recurrens, der uns zur Beobach- tung kam, betraf den am 1. April 1868 auf die medicinisch- klinische Abtheilung des Allerheiligenhospitals aufgenom- menen Georg Kriener. Der Wichtigkeit des Falls wegen theilen wir in Kürze seine Krankengeschichte mit. Febris recurrens. 1. Abfall am 7. Tage. Relaps vom 16.— 18 Tage. Georg Kriener, 16 Jahr, Arbeiter, der früher nur wegen Erfrierung der Zehen im Hospitale längere Zeit zu- gebracht hatte, war gesund bis zum 28. März 68. An diesem Tage bekam er Vormittags 10 Uhr einen massig starken Schüttelfrost, der ihn zwang die Arbeit auszusetzen und sich in's Bett zu legen. Es stellte sich starke Hitze, die später öfter mit Frostgefuhl abwechselte, ein; der Schlaf war ge- stört; heftiges Kopfweh, grosse Schwäche und am 31. tra- ten Kreuzschmerzen ein. Starker Schwindel, Flimmern vor den Augen, kein Appetit, viel Durst, seit dem 28. März angehaltener Stuhl. — 7 — Stat. präs. am 1. April. Matter Gesichtsausdruck; Schmerzen im ganzen Kopf, im Genick und Kreuz. Gesicht stark injicirt; Haut trocken; Puls mittelvoll, weich, 140; R. 32; Temp. 40,4° C. Kein Husten. Zunge durchweg dünn weiss belegt; feucht. Kein Appetit; viel Durst. Ab- domen flach. Ileocoecalgegend auf Druck nicht schmerz- haft, daselbst Gurren; Epigastrium auf Druck empfindlich. Die Milzdämpfung ist vergrössert, geht bis zum Rippen- bogen. Keine Dämpfung über den Lungen. Erster Herz- ton überall schwach blasend. 0 r d. Acid. phosph. Kalte Umschläge auf den Kopf. Ol. Ricini. 2. April. P. 124. R. 26. Tp. 39,4° C. 1 Stuhl. Abends P. 128. R. 28. Tp. 40,2° C. 3. April. P. 116. R. 28. Tp. 39,4° C. Zeitweise Schlaf; weniger Kopfschmerzen. Puls ziemlich voll und weich. 2 dünne gelbe Stühle. Abdomen flach. Milz gross. Abends P. 84. R. 20. Tp. 37,6° C. 11. April. P. 80. R. 20. Tp. 36,3° C. 3 dünne Stühle. Kein Fieber. Zunge reinigt sich. Milz bereits kleiner ge- worden, reicht noch bis zur vorderen Axillarlinie. Abends Tp. 36 ° C. In der folgenden Zeit besserte sich das Be- finden rasch so gut, dass Pat. am 11. April das Bett verlassen konnte.* Am 12. April erkrankte er am Vormittag wieder mit Frösteln und fieberte Abends stark, er hatte eine Tp. von 41,5° C. 13. April. P. 96, Tp. 39,2° C. Milz wieder vergrös- sert, schmerzhaft. 2 dünne Stühle. Abends P. 132. R. 36. Tp. 40,8° C. 14. April. P. 76. R. 28. Tp. 36,4° C. Abends P. 120. R. 36. Tp. 41,2° C. — 8 — 15. April. P. 72. R. 20. Tp. 35,9° C. 2 dünne Stühle. Abends P. 76. R. 24. Tp. 36° C. 16. April. P. 68. R. 18. Tp. 36,4° C. Abends P. 64. R. 24. Tp. 36,2° C. 17. April. P. 60. R. 16. Tp. 36,8° C. 1 Stuhl; guter Schlaf; Appetit besser. Abends P. 64. R. 20. Tp. 36,8° C. Die Milz reicht bis 3 Cm. vor die hint. Axillarlinie. Höhe der Dämpfung 7 Cm. 18. April. P. 60. R. 20. Tp. 36,4° C. 1 Stuhl. Schlaf gut. Abends P. 60. R. 24. Tp. 38,4° C. 29. April. Pat. hat sich erholt; die Milz ist abge- schwollen; wird den 5. Mai 68 geheilt entlassen. Dieser Kranke hatte, ehe er in's Hospital eintrat, in dem Hause No. 4 der kleinen Rosengasse, einer Strasse im nördlichen Theile Breslau's, gewohnt; einem Hause, in wel- chem nach seiner Angabe damals Niemand krank war. Er gab an, er habe sich nie ausserhalb Breslau's aufgehalten und sei mit keinem zugereisten oder in Breslau wohnenden Kranken zusammengekommen. Er hatte keine bestimmte Beschäftigung gehabt, bald da bald dort Arbeit genommen und im Uebrigen sich als Vagabund in den Strassen Bres- lau's umhergetrieben. Gleichwohl war sein Ernährungszu- stand keineswegs ein schlechter zu nennen. Wir können also nicht angeben, warum der Genannte plötzlich in einer Bevölkerung, in der noch niemals Erkrankungen an Recurrens bekannt geworden waren, an einer so „neuen Krankheit" erkrankte. So wahrschein- lich es auch ist, dass die Krankheit eingeschleppt wurde, d. h. dass sie von einem kranken Individuum oder durch inficirte Effecten auf den Kriener übertragen wurde, so ist doch unklar, von woher jene gekommen sein mochten, da vor dem 28. März 1868, so viel wir in. Erfahrung gebracht — 9 — haben, auch in der Provinz keine Fälle von Recurrens vor- gekommen sind. Die beiden Kranken, deren Hist. morb. Riess1) mittheilt, datiren ihre Erkrankung auf eine spätere Zeit zurück; und zwar war der Schmiedegeselle, der Ende März angeblich Mittelschlesien verlassen hatte, in Striegau am 13. April erkrankt und der zweite Kranke, der gleichfalls aus Schlesien kam, auf der Reise von Frankfurt a. d. O. nach Berlin am 21. April. Gleichwohl glauben wir ganz bestimmt, dass die Re- currens in Breslau nicht spontan entstanden sei; um so mehr, als sie seit 1864 in Russland herrscht, und von dort aus sich nach dem Westen hin ausgebreitet hat. Dafür spricht Vieles. Mosler hat einen Fall von Recurrens in Greifswald im März 1868 beobachtet, der einen 45jährigen Schornsteinfegergesellen betraf, welcher auf der Reise in Hinterpommern am 5. März erkrankte und der sich ver- muthlich dort irgendwo angesteckt hatte; von ihm aus brei- tete sich aber die Krankheit nicht aus. — Spätere Nach- richten über das Vorkommen von Recurrens in den nach Russland hin hegenden Ländern sind mehrfache vorhanden; so aus der Stadt Posen (Swiderski2) und Mizerski3), aus Stettin4), Kulm5); in Marienwerder hat nach münd- lichen Mittheilungen des Herrn Professor Heidenhain die !) Riess, Typhus recurrens in Berlin. Berl. klinische Wochen- schrift 1868. No. 2. 2) Mittheilungen von der Dresdener Naturforscher-Versammlung. 3) Ein Fall von Febris recurrens in Posen. Klinika (in War- schau) Bd. III. No. 11. *) Steffen, Vier Fälle von Febris recurrens. Journ. f. Kinder- heilkunde. N. F. Bd. 2. p. 61 und ff. 5) Vgl. Schles. Zeitung vom 9. Sept. 1868. Ein polnischer Arzt, Dr. Czapla in Kulm, schreibt dem hiesigen Dziennik, dass aen pol- nischen Aerzten diese Krankheit wohlbekannt sei, da sie in Westpreus- sen auch in diesem Jahre wieder häufig aufgetreten, indem sie gemein- — 10 — Recurrens höchst wahrscheinlich ebenfalls geherrscht. Auch aus Bad Jastrczemb (Oberschlesien) sind uns von Herrn Dr. Faupel einige Erkrankungen mitgetheilt worden und aus Ossig bei Grottkau in Oberschlesien solche durch Herrn Dr. Stieg er t.l) Diese Umstände deuten darauf hin, dass die Epidemie in den an Russland grenzenden Theilen Preussens theils epidemisch, theils in vereinzelten Fällen vorgekommen ist. In Warschau herrscht seit October 1868 eine massig starke Recurrensepidemie nach mündlicher Mittheilung des Herrn Dr. Switlitzki, Assistenten an der dortigen med. Klinik; und laut brieflicher Mittheilung von Herrn Dr. Stopiersinski in Kaiisch sind daselbst und in dessen nächster Umgebung mehrere Erkrankungen im vorigen Jahre vorgekommen. In Dorpat war schon anno 1866 Relapsing-fever aufgetreten.2) Ebenso sind in Böhmen seit dem Jahre 1867 vereinzelte Fälle bekannt geworden, die weiterhin an Zahl zunahmen.3) hin mit dem Typhus zusammen erschien; sie sei oftmals für diesen ge- nommen worden; übrigens betrage die Summe der Sterblichkeit bei bösartigem Character der Krankheit 8 pCt., im besten Falle 4 pCt. ') Dr. Stiegert in Koppitz hat nach mündlichen Mittheilungen, nachdem er im vorigen Sommer hier die ßecurrenz studirt hatte, im Monat August 3 unzweifelhafte Fälle in Ossig bei Grottkau beobachtet. Es betraf die Erkrankung (typhöse Erkrankung mit plötzlichem Auf- hören des Fiebers unter Schweiss am 5. bis 6. Tage; Milztumor; Wie- dereintritt des Fiebers nach 4 bis 5 Tagen mit Schüttelfrost und dann definitive Heilung) einen Mann und seine Frau, sowie einige Leute, welche in der Nachbarschaft der ersteren wohnten und jene während ihrer Krankheit gepflegt hatten. 2) Eine Hausepidemie von Febris recurrens in Dorpat von Dr. E. Behse. Die erste Erkrankung hatte am 9. Febr. 1866 statt; die letz- ten im *April desselben Jahres. St. Petersb. med. Zeitschrift. 8. Jahrg. 14. Band. 1868. 1. Heft. p. 1. 3) Dr. Pribram, 2 Fälle von Recurrens von der zweiten in- — 11 — Da sämmtliche uns bekannt gewordenen Erkrankungs- fälle an Recurrens in Schlesien (ausserhalb Breslau), in Posen, in der Provinz Preussen und in Russland (Ka- iisch und Warschau), mit Ausnahme des Mosler'sehen Fal- les, der von Hinterpommern ausging und mit Ausnahme der kleinen Dorpater Epidemie anno 1866, in eine spätere Zeit fallen, als der Beginn der Epidemie in Breslau, so liegt die Annahme sehr nahe, dass die Importation des Recurrens-Contagiums direct vom nördlichen oder westlichen Russland durch Menschen oder Waaren — wir haben hier namentlich Hadern (Lumpen) im Auge, die zur Papier- fabrikation in grosser Menge aus Russland bezogen wer- den — vermittelt worden sei; dass das „Land" vollständig übersprungen wurde, weil die Verhältnisse für die Ent- wicklung der Krankheit nicht günstige waren, oder weil keine Gelegenheit zur Infection vorlag, z. B. bei blosser Durchfuhr der Waaren; dass dann erst in Breslau's elende- sten Quartieren die Saat einen günstigen Boden fand und die ganze schlesische und möglicherweise auch die Posener und Stettiner Epidemie nur als von Breslau aus ausge- gangen angesehen werden muss. Möge es einem andern Forscher gelingen, hierüber noch mehr Angaben zu sam- meln und den Zusammenhang aller kleineren Epidemieen in ihrem richtigen Verhältniss zur Petersburger Epidemie zu zeigen. nern Abtheilung des Prof. Holla in Prag. Sitzungsberichte des Ver- eins pract. Aerzte. April 1867. — 12 — 2. Sociale Verhältnisse. Von Wichtigkeit für das Verständniss der Ausbreitung der Seuche ist die Kenntniss der Beschaffenheit der Loca- litäten, in denen sie ihre häuptsächliche Ausbreitung gewann. Sie herrschte Anfangs nur in einem einzigen, dann in einigen Häusern der kleinen und der grossen Rosengasse und einem benachbarten Hause des Viehmarktes; später in einem grösseren Theile der Häuser dieser Strassen und in zahl- reichen Häusern der übrigen Stadt. Es ist die grosse Rosengasse eine von Süd nach Nord verlaufende, an ihrem nördlichen Ende die Grenze des Weichbildes des auf dem rechten Oderufer gelegenen Theile Breslau's berührende, in radiärer Richtung gegen die Mitte der Stadt hingehende Strasse. Sie ist am südlichen Ende 120 Ruthen (450 Meter) vom Hauptarm der von Ost nach West fliessenden Oder entfernt; 60 Ruthen (225 Meter) von einem kleinen Arme derselben, einem Canale, abliegend. Weiterhin nördlich von ihr fliesst in einem Abstand von 275 Ruthen (1034 Meter) die „alte Oder", ein im Sommer sehr kleiner, wasserarmer Oderarm von Ost nach West vorbei, so dass man also auch sagen kann, sie liege etwa in der Mitte einer grossen Insel, auf der' der nördliche Stadttheil Breslau's liegt. Die Länge der grossen Rosengasse beträgt ca. 90 Ruthen (338 Meter), ihr nördliches Ende ist also 210 Ruthen oder 790 Meter von dem Hauptarme der Oder entfernt; ihre Breite ist meist bloss circa 1 Ruthe (3,7 Meter); nur an einer Stelle erreicht sie 2V2 Ruthen (9 Meter). Die kleine Rosengasse geht von der grossen unter einem rechten Winkel, etwa in der Mitte der ersteren ab, und — 13 — ist eine breitere 274 Ruthen (8V2 Meter) breite, kurze, 20 Ru- then (75 Meter) lange Gasse. Die beiden Strassen liegen sehr tief; die grosse Rosengasse an ihrem südlichen Ende 20' 2", an ihrem nördlichen Ende nur IV 4" über dem Nullpunct des Oderpegels; die kleine Rosengasse am west- lichen Ende 16' 9", am östlichen Ende 19' 6" über dem- selben Puncte. Der niedrigste Wasserstand im August 1868 war 12' 6" über dem Nullpunct des Pegels; es lag also die grosse Rosengasse an ihrem nördlichen Ende V 2" unter, die kleine Rosengasse 4' 3" über dem Oderspiegel. Anfang März 1868 dagegen bei hohem Oderstande von 20' 8" lag nicht bloss die grosse Rosengasse 9' 4" unter dem Oder- spiegel, sondern auch die kleine Rosengasse war 3' 11" tiefer als die Wasserfläche der Oder. Die grosse Rosengasse ist eine alte, schon lange be- stehende Strasse, zählt 22 Häuser, die nur in dem südlichen Theile der Strasse je eins dicht neben das andere gebaut sind; im äusseren, nördlichen Theile stehen die Häuser meist isolirt, bald in grösserer bald in geringerer Entfernung von einander. Während die erstgenannten Häuser meist 2 und mehrstöckig sind und in ihrem Bau den neueren städtischen Habitus zeigen, so ist dies bei den letzteren nicht der Fall und sind dieselben meist nur zweistöckig. Die kleine Ro- sengasse zählt 5 Häuser, die fast sämmtlich frei stehen; unter ihnen zeichnen sich No. 1 und 5 schon äusserlich durch besseres Aussehen aus, während No. 2 ein kleineres, No. 3 ein grosses, casernenähnliches, vernachlässigtes, zwei- stöckiges, und No. 4 ein im höchsten Grade schlecht ge- haltenes, unregelmässig gebautes, kleines, zweistöckiges Haus ist. Alle Häuser der kleinen und der grossen Rosengasse sind mit sehr zahlreichen Stuben ver- sehen. In diesen meist engen und dunklen, häufig nur mit einem kleinen, oft mit Papier verklebten Fenster ver- — 14 — sehenen Räumen, wohnen eine oder mehrere Familien zu- sammen. Der Schmutz ist darin überall in Ekel erregen- der Menge aufgehäuft; er überzieht in fast gleicher Weise Fussboden, Wände, Fenster, Bettstücke, wenn solche da sind, Kleider und Haut der Bewohner. Ein Ofen dient zum Kochen und zum Erwärmen der Stube; ein Tisch, ausnahmsweise noch ein Bett und ein oder ein Paar Stühle bilden das Mobiliar. Die Nachtlagerstätten werden Abends am Boden auf Stroh und einigen Lumpen construirt; in einigen Schlafstellen, d. h. Räumen, in die nur Abends Leute hinkommen, um da zu nächtigen, bleibt das Stroh continuirlich liegen und wird Monate lang und vielleicht noch länger nicht durch neues ersetzt. Die Fenster werden in den meisten Wohnungen jahraus jahrein nie geöffnet, oder genügen auch, wenn sie es sind, nicht zur Ven- tilation. Die Thüren führen entweder nur in benachbarte Stuben, so dass die Bewohner nur durch des Nachbars Wohnung in ihre eigene gelangen können, oder sie führen auf den eben so schlecht gelüfteten und zu lüftenden, meist dunklen, engen, immer sehr schmutzigen Corridor oder direct auf die Treppe; in einem Hause kann man nur mit- telst einer vor dem Hause angestellten Leiter in die von sehr zahlreichen Menschen, Schlafburschen und Schlafwei- bern, bewohnte Dachkammer gelangen. — So bieten diese Wohnungen schon unter gewöhnlichen Verhältnissen ein höchst trauriges Bild. Wie viel trauriger haben wir dieses aber gesehen, als die Insassen dieser Wohnungen schwer erkrankt waren! Bei unseren wiederholten gemeinsamen Wanderungen trafen wir in dunkler, dumpfiger Stube auf dem Boden auf etwas Stroh und ein Paar Lumpen nackt nur mit einigen alten schmutzigen Lappen nothdürftig be- deckt, eine Mutter in der heftigsten Fieberhitze, mit jagen- — 15 — den Pulsen, baumrindenähnlicher, trockener Zunge, umsonst nach einem Trünke Wasser lechzend, theilnahmlos neben ihrem nicht minder schwer kranken Kinde liegen; daneben, in einer Ecke, fieberte der Bruder der erwähnten Frau, gleichfalls auf Stroh und hülflos; und während wir uns mit den Kranken beschäftigten, ihnen zuredeten, dass sie sich in's Hospital transportiren lassen sollten, erhob sich hinter uns die herculische, halbnackte, geschwärzte Gestalt des Familienvaters aus einer andern dunklen Ecke, fluchend und schimpfend, nicht mehr Herr seiner Muskeln in Folge des übermässigen Schnapsgenusses. Wir fanden anderorts eine erwachsene Tochter neben ihrem jüngeren Bruder in einem ganz schmalen, elenden Bette liegen, das von den unwillkürlichen Ausleerungen des letzteren durchtränkt und beschmutzt war und von Niemand gereinigt werden konnte. Auf demselben Flure trafen wir ein anderes Mal eine Mutter mit ihrem Kinde, beide an Recurrens krank, eingeschlossen, ohne jegliche Hülfe; nur 2—3 Mal im Tage kam flüchtig eine Frau in die Stube. Anderorts fanden wir Kranke im Freien, im Hofe liegend, theils allein, theils umgeben von den weinenden Angehörigen. Es ist hervorzuheben, dass in Haus Nr. 2, 3 und 4 der kleinen Rosengasse und in Nr. 17, 19, 20 u. a. m. der grossen Rosengasse, in Haus Viehmarkt Nr. 12 in allen Stockwerken alle Stuben der obigen Schilderung entsprechen; nicht Eine reinlich gehaltene Stube, nicht Eine, einen freund- lichen Eindruck machende, weniger bevölkerte Wohnung haben wir da gefunden. Es unterscheiden sich diese Häuser in der Rosengasse von den Wohnungen der Armen in an- dern Stadttheilen wesentlich dadurch, dass an andern Orten z. B. in den neugebauten, an der Grenze der Stadt gelege- nen Strassen wie Scheitnigerstr., Laurentiusstr., Adolfstr., — 16 — Friedrichsstr. u. a. m. im ersten und zweiten, häufig auch im dritten und vierten Stock neben den verwahrlosten Woh- nungen auch reinlicher gehaltene und wohnlich aussehende, weniger bevölkerte eingestreut sind, zum Theil auch die Mehrzahl bilden; dass hier die Häuser alle neu sind, mit grösseren steinernen Treppen und luftigen Corridoren ver- sehen; dass sie grössere Fenster haben und überall gute Ven- tilation besitzen oder doch wenigstens gestatten. Das näm- liche, mit Ausschluss des letzteren Punctes gilt auch von den von Armen bewohnten Strassen und Gassen im Innern der Stadt (Graben-, Groschengasse, Weissgerber- und Neue Weltgasse etc.) Es muss ferner betont werden, dass die gewöhnlichen sanitätspolizeilichen Vorschriften in Bezug auf Wegschaffung von Abfällen, Thierresten etc. überall besser befolgt werden, als auf der Rosengasse. Es existirte z. B. in dem Keller des Hauses kleine Rosengasse Nr. 4 bis Ende des vorigen Sommers eine ,,wilde", nicht concessionirte, Hundeschlächterei, wo die Reste der Tbiere massenweise zusammen gehäuft waren, wo ausserdem Hunde gezüchtet und gemästet wurden. Die oft mephitischen Ausdünstungen dieses Kellers wurden von vielen Bewohnern des Hauses Nr. 4 als Ursache der „Krankheit" angeklagt. Die Hofräume der erwähnten Häuser der Rosengasse waren zum kleineren Theile geräumig und in Bezug auf Reinlichkeit befriedigend; zum grösseren Theile fanden wir sie enge und — wenigstens bei unserem ersten Besuche — mit haufenweisem Schmutz bedeckt. Dies gilt namentlich im höchsten Maasse von dem Hause kleine Rosengasse Nr. 4, wo sich auch der Abtritt in sehr schlechtem Zustande be- fand. Der Brunnen, den die Bewohner des Hauses Nr. 4 benutzten, ist im Hofe des Nachbarhauses Nr. 5; nur durch eine Mauer wird der Abtritt des Hauses Nr. 4 von dem — 17 — Brunnen des Hauses Nr. 5 geschieden, und ist nur wenige Schritte von ihm entfernt. Weit besser verhielt sich in dieser Beziehung das sonst gleichfalls sehr schlechte Haus kleine Rosengasse No. 3, wo sich der Brunnen circa 12 Schritte weit vom Hause entfernt, mitten in dem geräumigen Hofe, und etwa ebenso weit von den noch weiter vom Hause entfernten Abtritten, befand. — Die Brunnen bieten indess überall gutes, wohlschmeckendes, klares Trinkwasser; selbst der dem Abtritt des Hauses kleine Rosengasse No. 4 sehr ungünstig nahe Brunnen in dem reinlichen Hofe des Nachbarhauses; das Wasser des letzteren blieb, auch als wir es lange Zeit stehen Hessen, vollkommen klar und geruchlos. Die Bevölkerung dieses Stadttheils entspricht natürlich vollständig den Wohnungen: es ist das niedrigste Proleta- riat Breslaus, das hier haust. Der stationäre Bewohner, der Familienvater in dieser Gegend, ist Tagarbeiter (Tag- löhner), der bald da bald dort in der guten Jahreszeit ar- beitet; häufig z. B. bei öffentlichen Bauten guten Lohn hat; 10 —13 Silbergroschen im Tag erwirbt; ja einzelne ver- dienen nach eigener Angabe zeitweise bis täglich einen Thaler. Von diesem verdienten Gelde lässt er aber oft seinem Weibe und seinen Kindern nichts zukommen, da er schon im Lauf der Woche, namentlich aber am Zahltag seinen Lohn in Form von Spirituosen, meist den schlechtesten Sorten, verbraucht. Im Winter und Frühjahr und oft auch in andern Jahreszeiten ist er „feirig", arbeitslos; alsdann treibt er sich in den Strassen der Stadt herum oder er sitzt im Gefängniss seine Strafe für irgend einen Dieb- stahl oder Raubanfall, durch den er sich Subsistenzmittel auf leichtere Art verschaffte, ab. Hat Letzteres nicht Statt, so liegt er seinem Weibe zur Last, das ausser sich selbst Bock u. Wyss, Febris recurrens. 2 — 18 — den Mann und die Kinder ernähren muss. Die Frauen sind daher den ganzen Tag wenig zu Hause; sie arbeiten im Lumpenschuppen oder in Fabriken, wo sie für die Ar- beit von früh 5V2 Uhr bis Abends 6V2 Uhr 6—6V2 Silbex- groschen verdienen; andere verkaufen auf dem Markte Leimruthen, Strohdecken etc. und betteln, oder eine schlim- mere Sorte vertrödelt die von Gesinnungsgenossen gestoh- lenen Waaren. Dass ihnen zur Erziehung der Kinder keine Zeit bleibt, ist ganz natürlich. Letztere sind daher von Morgens bis Abends vollständig sich selbst überlassen; sie wachsen auf ohne dass sich Jemand um sie kümmert, oder werden, wenn die Mutter nicht arbeitet, systematisch zum Betteln und Stehlen abgerichtet, die Töchter aber so früh als möglich zur demi-monde gestempelt. — Die meisten dieser Familien halten „Schlafbursche" oder „Schlafmädchen", d. h. Abends finden sich jüngere und ältere Subjecte bei ihnen ein, um gegen ein kleines Entgeld in der Stube über- nachten zu können. In einigen Häusern sind sogenannte „Schlafwirthschaften" eingerichtet. Hier hat je ein Weib eine Stube gemiethet, in der sich Abends zum Nachtquartier die Schlafgäste einfinden. Letztere bezahlen für jede Nacht circa 1 Silbergroschen, und erscheinen häufig nur wenige Male an einem Orte, um dann wieder anderswo ihr Quar- tier zu suchen. Die Schlafgäste sind zum grösseren Theile Männer vom 16. Jahre ab, die theils Herumtreiber, theils Arbeiter, theils beides zusammen sind, je nach den verschie- denen Jahreszeiten. Sie verdienen in guten Zeiten dasselbe wie die erwähnten Arbeiter, in schlechten fehlt ihnen Alles. Sie ersparen nichts in den besseren Tagen; denn um zu arbeiten, müssen sie, wie sie sagen, gut essen und trinken, und was ihnen etwa noch übrig bleibt, nehmen ihnen die mit ihnen zusammen wohnenden Dirnen der schlimmsten Sorte ab. — Die Beschützer der letztern endlich bilden — 19 — einen weiteren Bestandtheil der Bevölkerung dieser Strasse; kräftige Männer, die gar nichts arbeiten und welche als die gefährlichsten Subjecte nicht bloss diesen Stadttheil, sondern auch andere Gegenden unsicher machen. Was die Nahrung der Weiber und Kinder anlangt, so besteht diese zum Frühstück und Mittag aus schlechten Suppen meist ohne Fleisch, den Tag über erhalten die Kinder oft nur ein Stück Brot oder einige Dreier, für welche sie sich dann selbst das Mittagsbrot beschaffen oder erbetteln müssen; Abends giebts wieder Suppe; bei besser Gestellten Kaffee. Branntwein wird schon Kindern oft in so grosser Quantität beigebracht, dass Knaben von 12 bis 15 Jahren als Säufer zu bezeichnen sind. Die Männer dagegen ge- messen durchweg bessere Kost; meist täglich Fleisch und die nöthige Menge Fusel. Pferde- und Hundefleisch sind Delicatessen. Fragen wir, ob sich die socialen Verhältnisse in die- sem Bezirke in den letzten Jahren verschlimmert haben, so müssen wir dies nach allem, was uns vorliegt, nach amt- lichen und privaten Mittheilungen, verneinen. Früher war die Schlafstellen wir thschaft ausgedehnter, die Zusammen- häufung grosser Menschenmengen auf einen engen Raum noch bedeutender. Ob durch das Wegfallen des Einzugs- geldes beim Einzug in die Stadt die Menge des Proletariats in Breslau gesteigert wurde, ist nicht nachgewiesen, obwohl wahrscheinlich; es ist aber nicht zu vergessen, dass in den letzten Jahren neue Arbeiterwohnungen in sehr grosser Zahl gebaut worden sind. Wir glauben daher nicht, dass die Bevölkerung in den Rosengassen sich so gemehrt habe, dass man hierauf die Ursache der Entstehung, oder die Ausbreitung der Seuche schieben könnte. Ja unsere Beobachtungen sprechen sogar direct dagegen, auch können wir keineswegs die Beobachtung englischer Autoren be- 2* — 20 — stätigen, die nachgewiesen haben, dass in England haupt- sächlich Individuen befallen wurden, welche sich kürzere Zeit an dem inficirten Orte aufhielten (vgl. Murchison, die typhoiden Krankheiten, übersetzt von Zülzer, pag. 286 und 293). Es waren von 90 unserer Kranken: Immer in Breslau 58 { *leid i 64,4 % Ueber 30 Jahre in Breslau 1 » 1,1 % 21—30 „ „ „ 4 » 4,4 % 11—20 „ „ „ 10 „ 11,1 % 6—10 „ „ „ 4 V 4,4 % 1— 5 „ „ „ 11 „ 12,2 % unter 1 „ „ „ 2 ,, 2,4 % Weitaus die meisten unserer Patienten waren also von Jugend auf in Breslau; dass mehr Individuen, deren Aufenthaltsdauer unter 20 Jahr betrug, erkrankten, als solche, die länger als 20 Jahr am Ort waren, erklärt sich daraus, dass im höheren Alter die Recurrens überhaupt wieder seltener wird. In Bezug auf Alter und Geschlecht vertheilten sich unsere Kranken folgendermaassen: Im Alter von 1— 5 Jahren 2 M., 3 W., Summa 5 6—10 11—15 16—20 21—25 26—30 31—35 36—40 14 5, 4„ „ 9 ! 5 , - 2„ „ 7 ; 23 H , , 5„ >, 16 ' 6, 4„ „ 10 j 20 3, 7 „ „ 10 i 5, 1 „ » 6 ) 15 3, 6„ ,» 9 ( 40 „ 32 „ „ 72 — 21 — Transport 40 M., 32 W., Summa 72 41—45 Jahren 3 „ 7 „ » 10 ) 46—50 » 4„ 2„ >, 6 1 51—55 ,, o„ 5» ,» 5 | 56—60 ,, 1 „ o„ „ 1 | 61—65 >, o„ o„ „ 0 ) 65—70 „ o„ 1 „ „ 1 i 48 M. 47 W., Summa 95. Wir hatten somit etwa gleich viel Männer und Weiber in Behandlung; die grösste Erkrankungsziffer bot das Alter von 16—20 Jahren; die Jahre von 5—10, 11—15, 21—25, 26—30 etc. bis 45 lieferten etwa gleich viel Erkrankungen; etwas weniger die Jahre unter 5 und über 46; jenseits des 56. Jahres hatten wir nur 4 Patienten, davon war der älteste 65 Jahre. Dass Kinder sehr leicht erkranken müssen wir mit Griesinger (Infectionskrankheiten, 2. Aufl. p. 276) anderen Autoren gegenüber ganz besonders her- vorheben. Wir schliessen hieran eine Uebersicht der Berufsarten unserer Patienten, besonders um zu zeigen, dass auch wir bestätigen können, dass es hauptsächlich Individuen mit precärer Existenz sind, welche an Recurrens erkranken (vgl. Murchison pag. 293). Unter unsern 95 Erkrankten waren 31 Arbeiter, 10 Arbeiterfrauen, 7 Arbeiterwittwen, 5 Arbeiterinnen, 20 Schulkinder, oder noch nicht in die Schule gehende oder vor Kurzem aus derselben entlassene Kinder; je 2 Lumpenschuppenarbeiterinnen, Scorta, Dienst- mädchen, Hospitalgehilfinnen, Hospitaldienerfrauen; je 1 Bahntechniker, Buchbinderfrau, Kinderfrau, Koch, Korb- machergeselle, Nätherin, Pferdeknecht, Schenkmädchen, Schifferfrau, Schlosserlehrling, Spinnarbeiterin, Waschfrau — 22 — im Hospital. — Eine vereinzelte Erkrankung in den bessern Ständen theilte uns Herr College Dr. Reinhardt mit, eine Pastorstochter (in Neudorf einer Vorstadt) betreffend. 3. Lebensmittel. Von weit grösserer Wichtigkeit für das Zustande- kommen der Epidemie müssen wir die allgemeine Theuerung, welche in den letzten und in diesem Jahre in Breslau und Schlesien Statt hatte, halten. Es ist bereits von Grätzer (Ueber die öffentliche Armen- Krankenpflege und die Cholera Breslaus im Jahre 1867 etc. von Sanitätsrath Dr. Grätzer. Breslau 1868) auf diese Veranlassung zu der sich auffallend mehrenden Zahl der Versorgungsbedürftigen hingewiesen, worden und wir müs- sen den nämlichen Punct als das hauptsächlichste der die Entstehung und Ausbreitung der Epi- demie befördernden Momente ansehen. Dass in der That die einzelnen Lebensmittel in der letzten Zeit theuerer geworden sind und dass sie sehr rasch und sehr bedeutend im Preise stiegen, mögen folgende, den Berichten der Handelskammer zu Breslau entnommene, (amtlich fest- gestellte) Preise der Cerealien in den letzten 6 Jahren zeigen. Wir fügen die Preise einiger anderer wichtiger Lebensmittel hinzu, die theils der Grätzer'sehen Schrift entlehnt sind, theils (für 1868) sich auf zuverlässige anderweitige Quellen stützen. Es kostete: weisser Weizen, gelber, Roggen, Gerste, Erbsen,Kartoffeln 1863 71,68 69,28 49,13 37,66 48,63 ? 1864 62,33 62,16 41,10 36,14 51,29 — 23 — 1865 4V2 1866 4% 1867 45'6 1868 51). weisserWeizen, gelber, Roggen, Gerste, Erbsen,Kartoffeln 1865 68,14 63,67 67,04 35,67 59,77 17sgr. 1866 74,80 72,52 54,95 44,85 58,49 21 „ 1867 98,86 97,43 77,66 57,13 68,46 33 „ 1868 Rindfleisch, Kalbfleisch, Schweinefleisch, Hammelfleisch pro Pfund in Silbergroschen. 1V„ 4% 4V12 4V8 5%, 4V4 4V12 5V2 4Vu Noch deutlicher wird ein Blick auf die folgende Ta- belle der monatlichen Preise der Cerealien lehren, dass in den ersten Monaten dieses Jahres diese Hauptnahrungs- mittel im Preise sehr gestiegen sind, und ihr Maximum er- reichten. Es kostete: Weisser Weizen, Roggen, 1867 Juni 96,62 81,06 Juli 99,52 83,7 August 97,52 74,3 Septbr. 101,20 78,0 Octbr. 110,00 85,4 Novbr. 109,77 85,6 Decbr. 106,50 85,5 1868 Januar 113,38 90,2 Febr. 116,04 94,2 März 115,9 90,5 April 118,25 85,2 Gerste, Erbsen 56,0 68,4 58,1 71,6 55,4 72,0 56,0 69,0 61,2 72,0 60,9 78,7 58,9 75,1 61,5 74,0 64,7 78,4 63,3 78,0 62,8 73,2 ') Die Fleischpreise pro 1868 kamen um einige Pfennige höher zu stehen, als im Vorjahre; amtliche Mittheilungen hierüber fehlen — 24 — Weisser Weizen, Mai 108,2 Juni 103,28 Juli 98,70 August 85,00 Septbr. 85,00 Octbr. 85,00 Novbr. 78,64 Decbr. 76,20 Gerste, Erbsen 56,4 67,4 53,8 61,3 53,8 58,0 56,7 58,6 56,8 61,8 56,8 61,8 58,0 65,0 56,0 64,7 Roggen, .75,1 69,3 65,4 67,6 68,81 68,8 65,52 59,6 Die hohen Preise sind zum Theil bedingt durch die im Ganzen nicht günstigen Ernten der letzten Jahre, bei welchen namentlich die Kartoffelernte seit mehreren Jahren in Schlesien ungünstig ausfiel, indem dieselbe 1863 0,82 % (gute Qual.), 1864 0,92%, 1865 0,99% (nicht gute Qual.), 1866 0,72% (Preis um 50 % gestiegen!), 1867 0,85% (gu£e Qual.) betrug; 1868 war sie etwas geringer als im Vorjahre. Auch die Cerealien Hessen in den letzten Jahren zu wünschen übrig; es geht dies aus folgender Zusammen- stellung der verschiedenen Erntedurchschnittszahlen für Schlesien (nach den Angaben des Staatsanzeigers, die wir den erwähnten jährlich erscheinenden Berichten der Handels- kammer entnehmen) unzweideutig hervor. Erntedurchschnittszahl für Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Erbsen, 1863 1,02 1,03 0,98 0,96 0,89 1864 0,86 0,97 0,93 0,96 0,56 1865 0,85 0,78 1,00 1,03 0,92 1866 0,85 0,81 0,84 0,86 0,93 1867 0,89 0,89 0,86 0,98 1,05 1868 1,01 0,82 0,76 0,80 0,94 Von Wichtigkeit ist, dass die Missernten der Vorjahre nicht durch günstige Ernteerträge anderer Provinzen Preus- — 25 — sens gedeckt wurden. Wir lassen vergleichshalber nur die Durchschnittszahlen für die Ernteerträge im ganzen preus- sischen Staate für die letzten zwei Jahre folgen: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Erbsen, Kartoffeln, 1867 0,74 • 0,74 0,87 9,97 0,91 0,77 1868 0,99 0,94 0,80 0,79 0,69 0,95 Fassen wir die Schwankungen der Preise der Lebens- mittel innerhalb eines Jahres in's Auge, so zeigt es sich, dass sie in den früheren Jahren naturgemäss nach der Ernte fielen, und dieses Sinken machte sich namentlich dann deut lieh geltend, wenn in den Monaten vor der Ernte die Preise eine mehr als gewöhnliche Höhe erreicht hatten, so 1863. Schon im Jahre 1866 hatte die Ernte eine entgegengesetzte Wirkung; in den Herbst- und Wintermonaten stiegen die Preise fast continuirlich und ebenso im Jahre 1867; hier bedingte die Ernte kaum ein Sinken der Preise, und sehi" bald erfolgte das Ansteigen derselben. Unter continu- irlichem Steigen erlangten sie von Februar bis April 1868 die höchste Höhe, um dann allmählich aber continuirlich bis December zu fallen, so dass sie zwar immer noch hoch, aber doch nicht mehr höher als Ende 1866 sind. Andere Lebensmittel, wie Obst, Butter, Spiritus, Bier etc. erlitten in den letzten Jahren ganz ähnliche Stei- gerungen im Preise; das Obst war 1866 und 1867 eben- falls missrathen, ersetzte also in keiner Weise die Amyla- ceen, abgesehen davon, dass es für Schlesien als Nahrungs- mittel kaum in Betracht kommt; die Cerealien und Kar- toffeln sind für die uns interessirende Bevölkerunng die weitaus wichtigsten. Obwohl es auf der Hand liegt, dass als Folge der gesteigerten Preise der Nahrungsmittel der Consum sich einschränkt, so halten wir es doch für zweckmässig, die — 26 — von Grätzer (1. c.) mitgetheilten Zahlen hierüber anzu- führen. Er giebt an, dass auf den Kopf der Breslauer Bevölkerung kam: 1) An Weizen im Jahre 1865 174 Pfund ltf Loth, 1866 161 „ 27 „ „ 1867 145 „ 22 „ 2) An Roggen (mit Ausschluss der zu Bier und Brannt- wein verwendeten Mengen): im Jahre 1865 198 Pfund 22 Loth, 1866 196 „ 23 „ „ 1867 193 „ 18 „ 3) An Fleisch im Jahre 1865 103 „ 24 „ 1866 100 „ 6 „ „ 1867 98 „ 16 „ 4) An Bier im Jahre 1865 79,46 Quart, 1866 78,14 „ 1867 74,89 „ Wir dürfen wohl ganz bestimmt annehmen, dass in den ersten 4 Monaten des Jahres 1868 der Consum pro Kopf noch mehr gesunken sei, und sein Minimum erreicht habe. Es coincidirt also die Zeit, in welcher der höchste Preis der Lebensmittel und der geringste Consum derselben Statt hatte, mit dem Eintritte der Epidemie und deren Ausbreitung; oder wohl richtiger gesagt, die Krankheit bricht aus und verbreitet sich unter der durch mangelhafte Ernährung herunter- gekommenen, geschwächten, gegen äussere Einflüsse und — 27 — namentlich gegen Contagien weniger als in „guten Zeiten" resistenten Population. Wir können uns nicht ent- schHessen anzunehmen, dass die Recurrens direct aus dem Mangel hervorgegangen sei, dass der Mangel an Nahrung das Krankheitscontagium erzeugt habe, oder dass in Folge des Mangels bei Manchem ein fieberhafter Zustand einge- treten sei, aus dem sich Recurrens ausgebildet habe. Wir heben hervor, dass die Noth in dem geschilderten Stadttheile keineswegs einen so hohen Grad erreicht hatte, dass ledig- lich in Folge des Hungers Menschen erkrankt wären, in einen Status fameHcus verfielen, wie dies vor Jahren Vir- chow im Spessart und in Oberschlesien beobachtet hat. Dagegen dürfen wir wohl gewiss behaupten, dass die Po- pulation jener Strassen im vorigen Frühjahre herunterge- kommen und geschwächt war; dass sie namentlich gegen Contagien leicht empfänglich gewesen sein dürfte und dass daher, als zufällig ein Erkrankungsfall an Recurrens vor- kam, diese Krankheit sich rasch ausbreitete. In den nächsten Monaten Mai, Juni, Juli, sanken zwar die Lebensmittel- preise, aber dennoch griff die Epidemie rasch um sich und hörte erst im October und November wieder auf. Es er- klärt sich dieser Umstand dadurch, dass der Ernährungs- zustand der einzelnen Individuen sich nicht in wenigen Wochen so zum Bessern ändern konnte, dass sie nun gegen das Contagium plötzlich weniger empfänglich waren, um so mehr, als sich Infectionsheerde mit concentrirterem, inten- siver wirkendem Krankheitsgifte gebildet hatten. Erst nach- dem die Menschenmenge, die dort wohnte, wo das Contagium am intensivsten wirkte, vollständig durchseucht war, und als in den übrigen Stadttheilen die gesund Gebliebenen sich gekräftigt hatten, erst dann nahm die EmpfängHchkeit für das Contagium, die Leichtigkeit der Infection ab, und es en- dete die Epidemie. Zweifelsohne wäre sie noch nicht er- — 28 — loschen, wenn die Theuerung in gleicher Weise fortbestanden hätte, wie im Februar und März 1868, oder wenn sie noch bedeutender geworden wäre. 4. Witterungsverhältnisse. Obwohl es uns von vorn herein unwahrscheinlich er- schien, dass die Witterungsverhältnisse einen bedeutenden Einfluss auf den Verlauf der Epidemie hatten, da man so- wohl in heissen und trockenen, als auch in kalten und nassen Jahren, im Winter wie im Sommer Epidemien beobachtete, so schien es uns gleichwohl geboten zu sein, auf diese Ver- hältnisse einzugehen; einerseits, weil die Epidemie in Ober- schlesien 1848 im Gegensatz zur jetzigen von feuchter, nasskalter Witterung begleitet war, andererseits, weil Vir- chow nicht abgeneigt ist, diese Witterung als ein causales Moment für die Entstehung der oberschlesichen Epidemie aufzufassen. Der Winter 1867/68 war ein ziemlich milder gewesen; die niedrigste Temperatur in Breslau wurde am 31. De- cember erreicht und betrug —14°R. Im März war das Monatsmittel etwas höher, als es sonst zu sein pflegt (+ 2,9 ° R.); die Temperatur sank nur noch an 7 Tagen un- ter 0° R. Am 28. März hatte die erste Erkrankung an Recurrens Statt. Im Monat April, in welchem die Erkrankungsfälle nur vereinzelt auftraten (wir kennen 9 Fälle), betrug das Monatsmittel 6,4° R.; während für die ersten zwei Drittel des Monats die Temperatur eine für diese Jahreszeit nor- male war, erschien sie für das letzte Drittel schon recht be- deutend erhöht und stieg im Schatten einmal (am 23.) über 20 ° R., während sie am 3. früh noch — 2,4 ° R. war. — 29 — Auch im Mai war die Temperatur, mit Ausnahme der ersten Woche, in der sie gemässigt war und in der keine Erkrankungsfälle vorkamen, immer und nicht selten un- gewöhnlich hoch, so dass die normale Mitteltemperatur er- heblich überschritten wurde. Das Monatsmittel = 13,5 ° R. An 10 Tagen stieg die Temperatur schon auf oder über 20° R. Die Zahl der Erkrankungsfälle betrug 27. Der Juni war angemessen warm; in der ersten Hälfte noch ziemlich schwankend (bis 24 Erkrankungen in der Woche), in der zweiten nicht selten sehr hoch (bis 28 Er- krankungen in der Woche, Summe der Erkrankungen im Juni 86). Das Monatsmittel = 14,8 ° R. Das Temperatur- maximum am 24. war 26,1 °R. Im Juli, dem Monat, in welchem die meisten Erkrankun- gen vorkamen, blieb Anfangs die Temperatur massig, zu- weilen niedrig, die niedrigste am 6. Juli war 9,5° R.; die Erkrankungszahl in der ersten Woche, vom 29. Juni bis 4. Juli, war 20; in der zweiten vom 5. bis 11. Juli 21. Mit dem 10. hob sich die Temperatur merklich und blieb unter häufigen und oft erheblichen Schwankungen (um 3—4 Grad) bis zum Ende sommerlich, an einzelnen Tagen recht heiss. Die höchste von 28,8 °R. wurde am 23. beobachtet, das Monatsmittel betrug 15,6°R. In den letzten 2/3 des Monats häuften sich die Erkrankungsfälle sehr; ihre Zahl überstieg meist in der Woche 30, so dass die Gesammtzahl in diesem Monat 151 erreichte. Der August zeigte Anfangs mittlere sommerliche Wärme (vom 2. bis 8. 43 Erkrankungen); dann bis zum 20. anhaltend grosse Hitze, so dass die mittlere Tagestemperatur stets 20° R. überschritt. Von 9. —15.: 35, vom 16.—22.: 42 Erkrankungen. Das letzte Drittel des Monats brachte wieder eine gleichmässige Temperatur, die Zahl der Er- krankungen nahm merklich ab; vom 23. bis 29. war sie — 30 — 15. Das Monatswärmemittel überstieg dasjenige des Juli; es war 16 °R.; der höchste Thermometerstand von 26° R. fiel auf den 11. der niedrigste von + 9° R. auf den 27. August. Die Gesammtzahl der Erkrankungen war 135. Im September war die Temperatur der Jahreszeit angemessen, nur noch an 5 Tagen überstieg sie 10 °R.; das Monatsmittel war 13,i06R., die höchste Temperatur 20,9 ° R. Die Zahl der Erkrankungen war im ganzen Monat 52, wovon circa % auf die erste Hälfte des Monats fallen. Der October begann sehr warm; bis zum 16. war eine massige, der Jahreszeit entsprechende Temperatur, die öftere Schwankungen zeigte (bis 7,23° R. im Tage); vom 17. bis 20. stieg die Luftwärme wieder bedeutend, und dann erst stellte sich kühleres Herbstwetter ein. Das Monats- mittel betrug 7,9° R.; die höchste Temperatur am 2. October war 20,67° R., die niedrigste am 10. October + 1,4° R„ Die Krankenzahl im ganzen Monat war 14, davon erkrankten 9 vom 4. bis zum 10. October. Es treffen jedoch vielfach grosse Hitze und hohe Er- krankungszahl zusammen, besonders im Juni, Juli, August; es folgten öfters auf die heissesten Tage (z. B. im August) auffallend zahlreiche, auf die kühlsten dagegen weniger Erkrankungen. Dies gilt aber keineswegs für alle Monate. Da wir aber für % der Erkrankten nicht die t>aten des Erkrankungstages, sondern bloss diejenigen der polizeilichen Meldung besitzen, die ja verschieden lange nach der Erkran- kung gemacht wurde, und da das letzte % der Erkrankun- gen, von dem wir jeden Erkrankungstag kennen, zur Ent- scheidung dieser Frage nicht genügen kann, so müssen wir es dahingestellt sein lassen, ob nicht vielleicht ein zu- fälliges Zusammentreffen der hohen Lufttemperatur mit der hohen Erkrankungszahl vorliegt. Ziemlich gleiche Bewegungen wie die Temperatur der — 31 — Luft machte die Dunstmenge derselben; je wärmer, desto mehr Wasserdämpfe enthielt sie; je kühler, desto weniger. Daher war auch in den Monaten, in denen die meisten Erkrankungen vorkamen, und in denen die Temperatur der Luft die höchste war, im Juli und August, auch die grösste Quantität Wasser in der Luft in Dunstform ent- halten. Es enthielt: im März 1 Cbfuss Luft, im Mittel 0,0101 Loth Wasserdunst, 0,0125 0,0175 „ im April im Mai im Juni im Juli im August im September im October 0,0206 0,02k 0,0229 0,0195 0,0151 Eine Vergleichung der einzelnen Tage, die sich durch auffallend hohen oder andererseits durch besonders niedri- gen Dunstgehalt der Luft auszeichneten, mit den Erkran- kungsziffern, ergab in keiner Weise übereinstimmende, mit- zutheilende Resultate. Aehnliches gilt vom Barometerstande. Derselbe war im März im Durchschnitt 331,399 April Mai Juni Juli August September October 330,688 333,08 333,092 331,997 331,839 331,594 331,954 Die höchsten mittleren Stände fallen also auf Mai und Juni, auf Monate, die vor der Höhe der Epidemie zu Ende gingen; im Juli und August war ein mittlerer Barometer- — 32 — stand, Avie etwa im März, und wie er später im October wieder kam. Im Juni und Juli war der Stand des Baro- meters in der ersten Hälfte des Monats mit geringen Schwankungen tiefer als in der zweiten; im August war er mit geringen Schwankungen normal, nur am 8. —10. etwas höher. Im ersten Drittel des September stand er hoch; in der Folge tief, und im October traten häufige und lebhafte Oscillationen im Luftdruck ein. Der letztere hatte eine Beziehung zur Ausbreitung der Epidemie entschie- den nicht. Ebensowenig hatte die Menge der Niederschläge einen Einfluss auf dieselbe und wir müssen in Bezug darauf dem Regen, den Gewittern, einen reinigenden Einfluss auf die Luft absprechen. Gewiss liegt es nahe, anzunehmen, dass durch den fallenden Regen die Luft von in ihr schwebenden Orga- nismen (dem Contagium?) gereinigt würde, aber ein Ver- gleich der monatlichen Regenmengen mit den monatlichen Erkrankungszahlen spricht dagegen, und noch mehr ein Vergleich der wöchentlichen Erkrankungszahl mit der Zahl der in der Woche beobachteten Regentage. Die Regen- menge in Breslau betrug im Monat im März 207 pariser Cbzoll auf IDF. „ April 375 „ „ Mai 83 „ „ Juni 414 „ „ Juli 212 „ „ August 471 „ „ September 142 „ „ October 216 „ Folgende Tabelle giebt die Zahl der wöchentlichen Erkrankungen und die Zahl der in der Woche vorgekom- menen Regentage wieder: — 33 — Im Mai 1. Woche 1 Regentag und 1 Erkrankung, 2. » — 77 6 77 3. 77 3 7) 9 77 4. 3) 2 77 11 73 Juni 1. 77 3 77 16 73 2. 3) 4 73 24 77 3. 73 — 33 28 77 4. 77 2 37 18 77 Juli 1. 37 3 73 20 73 2. 33 3 77 21 73 3. 77 3 73 31 77 4. 73 — 77 35 37 5. 77 1 77 44 77 August 1. 77 4 77 43 37 2. 73 2 77 35 77 3. 73 3 77 42 77 4. 73 4 73 15 73 Septbr. 1. 77 3 73 13 77 2. 73 12 77 22 77 3. 33 2 77 7 77 4. '7 2 77 5 77 5. 33 2 77 5 77 October 1. n 1 7? 9 77 2. 77 2 77 3 77 3. 73 3 77 2 77 4. 77 5 ») — 77 Aus dieser Tabelle lassen sich zwar einige regenarme Wochen mit vielen Erkrankungsfällen (z. B. Juli, 4. und 5. Woche, August, 2. Woche, September, 2. Woche) und einige regenreiche Wochen mit geringer Erkrankungsziffer Wyss u. Bock, Febris recurrens. 3 — 34 — (August, 4. Woche, September, 1. Woche) hervorheben; aber man kann auch auf das Entgegengesetzte, auf Wochen mit mehreren Regentagen und zahlreichen Erkrankungen (Juli, 3. Woche, August, 1. und 3. Woche) und auf regenarme Wochen mit wenigen Erkrankungen (3. Woche im Juni) hinweisen, wodurch hinlänglich die oben erwähnte Ansicht bewiesen wird. In ähnlicher Weise müssen wir der Inten sität und der Richtung des Windes einen Einfluss auf die Krankheit absprechen. Möglicherweise vermögen Stür- me das Krankheitscontagium etwas zu zerstreuen, so dass darauf die Erkrankungsziffer sinkt. So folgte auf einen Sturm am 28. August ein zweiter am 30. August und ausserdem herrschte in der Woche vom 30. August bis 5. September viel Wind (zwei Tage mit massig starkem und einer mit starkem Wind): es erkrankten nur 13 Menschen, während in der folgenden Woche, die geringe Luftbewe- gungen bot, 22 Fälle vorkamen. Jedoch schon in der Woche vom 23. bis 29. August war bei geringer Luftbewegung (ab- gesehen von dem Sturm am 28. August, der nicht in Be- tracht gezogen werden darf, da er auf das Ende der Woche fiel) die Erkrankungszahl auf 15 gesunken; die Epidemie nahm entschieden ab, so dass wahrscheinlich darauf die niedrige Erkrankungsziffer in der Woche vom 30. August bis 5. September zu beziehen ist. Obwohl ferner in der Woche vom 12. zum 18. Juli an 5 Tagen massig starker Wind, und in den beiden folgenden Wochen je an drei Tagen massiger Wind und je an einem Tage starker Wind beobachtet wurde, so blieb doch die Krankenzahl zwischen 31 und 44, und ganz ebenso war sie 43 in der Woche vom 2. bis 8. August, in welcher nur an einem Tage massi- ger Wind herrschte. — 35 Es hatten statt: Ta£ fe Sturm 28. März b is 4. April — 19. April , 25. April — 3. Mai „ 9. Mai — 10- '„ „ 16. „ — 17- ,, , 23. „ — 24 „ „ 30. „ — 31. Mai , , 6. Juni 2 7. Juni , , 13. „ — 14. „ , 20. „ — 21. „ ,= 28 „ — 29. Juni , 4. Juli — 5. Juli , 11. „ — 12. ,; , 18. „ — 19- ,, , 25. „ — 26. JuH „ 1. August — 2. Aug. , 8. „ — 9- 7, ,3 15. „ — 16- ,, „ 22. „ —■ 23. „ „ 29. „ 1 30. Aug. „ 5. Septbr. 1 6. Sept. „ 12. „ — 13. „ „ 19. „ — 20. „ „ 26. „ 1 27. Sept. „ 3. October — 4. Oct. „ io. „ — H. „ ,, 17. „ — 18. „ „ 24. „ 1 25. „ „ 31. „ 1 — 36 — Die Windrichtung kam im März meist aus Süd; dann aus West und Ost; selten aus Nord; nie aus Nord- ost, der Richtung, aus welcher am wahrscheinlichsten das Contagium hergetrieben worden wäre, wenn der Wind es hätte mitbringen können. Im April herrschten Süd- und Westwind vor; äusserst selten Nord, Nordost und Ost. Im Mai Südost und Ost, West zuweilen, Nord selten und am wenigsten Süd. Im Juni wechselten Nord- und Ostwinde; im Juli alle Winde ziemlich gleich, nur Südwest und Süd- ost selten; Süd nie. Der August brachte vorherrschend Ost und West und nur wenige andere Richtungen; ebenso der September, in welchem selten Süd und Nord vorkamen. Im October dagegen herrschte West vor; ziemlich oft Ost und Süd; nicht selten Nord, während Nordwest, Südwest und Nordost weniger beobachtet wurden. Ziehen wir endlich noch den Wasserstand der Oder während der Epidemie mit in unsere Betrachtungen, so hatte im Anfang März der Oderspiegel seinen Frühjahrshöhe- punct erreicht, der dies Jahr nicht auffallend hoch war, nämlich 20' 8" über dem Nullpunct des Pegels. Das Wasser sank sodann, und stand Ende April nach einigen Schwan- kungen zwischen 18' 2" und 18' 11". Dann fiel die Oder weiter und zwar, wie folgende Tabelle zeigt, in welcher die von uns nach den Mittheilungen des Breslauer Handels- blattes für 1868 berechneten wöchentlichen mittleren Stände angegeben sind, ziemlich continuirlich bis zu Anfang Juli; es trat bis zum 18. ein Steigen ein, dem aber bald wieder ein Sinken folgte. Der Wasserspiegel fiel bis zum 20. August immer mehr, erreichte an diesem Tage seinen tiefsten Stand (12' 6"), um dann wieder wenig ansteigend, immer noch tief, auf circa 13 Fuss, bis Ende October stehen zu bleiben. Allmählich stellte sich wieder höherer Wasser- stand ein. — 37 — Datum. Mittlerer Oderstand Erkrankungs- über dem Pegel. zahl in d. Woche 2. Mai bis 9. Mai 17 Fuss 7 Zoll 1 11. „ ,3 15- 77 16 7 , 6 17. „ „23. 77 16 — , 9 24. „ ,, 30. 77 15 8 7 11 2. Juni 37 5. Juni 15 — , 16 8. „ ,7 13- 77 15 2 , 24 15. „ „20. 77 15 3 , 7 28 22. „ „27. 77 14 2 , 18 29. „ ,, 4. Juli 13 5 , 20 6. Juli 73 H. 77 14 6 , 21 13. „ „ 18. 77 15 8 , 7 31 20. „ „25. 77 15 2 , 35 27. „ 3, 1- August 13 77 8 , 44 3. Aug. „ 8. 73 13 3 , 7 43 10. „ ,, 15. 37 13 73 1 , 35 17. „ „22. 37 12 8 , 7 42 24. „ „29. 77 13 — , 15 31. „ „ 5. September 13 3 , 13 7. Sept. „12. 77 13 73 1 , 7 22 14. „ ,, 19- 77 13 »7 — , 7 21. „ „ 26. 77 13 6 3 5 28. „ ,, 3. October 12 11 , 5 5. Oct. ,7 10. 77 13 — , 3 9 12. „ ,, !?• 77 13 — , 3 3 19. „ „24. 77 13 3 , , 2 25. „ „30. 77 15 — , , — Bei einer Vergleichung des mittleren wöchentlichen Wasserstandes mit der wöchentlichen Erkrankungsziffer finden wir im Juni und in der ersten Woche des JuH aller- dings ein mit dem Sinken der Oder coincidirendes Steigen — 38 — der Erkrankungszahl; im Juli aber bei steigendem Wasser eine Zunahme der Erkrankungen und Ende Juli und An- fang August bei wieder eingetretenem Sinken des Oder- standes die Höhe der Epidemie mit circa 40 Erkrankungen in der Woche. Beim tiefsten Wasserstande, vom 17. bis 22. August finden zahlreiche Erkrankungen Statt; Ende August, im September und October, wo der Oderspiegel nur wenig höher ist, nimmt dennoch die Epidemie rasch ab. — Wir müssen also dem Wasserstande der Oder einen Ein- fluss auf die Entwicklung und Ausbreitung der Recurrens- Epidemie absprechen. Wichtiger wäre noch ein Vergleich des Verlaufs der Epidemie mit den Schwankungen des Grundwassers. Aus dem Mitgetheilten darf man indess mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass dasselbe kaum einen Einfluss auf die Aus- breitung der Krankheit gehabt habe. Leider liegen uns keine Beobachtungen zu einem Vergleiche vor. — 5. Ausbreitung der Epidemie. Wie bereits erwähnt worden ist, waren in früheren Jahren die Rosengassen in hygieinischer Beziehung eher schlechter als jetztl) und sie waren daher schon früher die Brutstätten gewisser Epidemien. Es kamen von 25 im Jahre 1855 in's Hospital zu Allerheiligen aufgenommenen Typhus- kranken 8 aus diesem Rosen-, und 3 aus dem benachbarten Dreilindenbezirke. Von den 1856 aufgenommenen Typhus- kranken kamen 228 aus dem Rosenbezirk, 95 aus dem nahen Dreilindenbezirk, 136 aus dem gleichfaHs nahen ') Vgl. Ebers, die Epidemie des exanthemat. Typhus in Breslau 1856—57. Günsburg's Zeitschrift für klin. Med. IX. 1858. p. 41. — 39 — Elftausend Jungfrauenbezirk. Auch im Jahre 1857 wurden von 237 Typhuskranken relativ am meisten aus diesem Stadttheil ins Hospital gebracht; aus dem Rosenbezirk 31, dem Dreilindenbezirk 10, dem Elftausend Jungfrauenbe- zirk 27.l) Ja, wir finden in den sorgfältigen, verdienst- vollen Grätzer'sehen Arbeiten2) sogar den Nachweis, dass Häuser, welche bei der vorjährigen Recurrensepidemie die meisten Erkrankungen Heferten, schon damals durch zahl- reiche Erkrankungsfälle sich auszeichneten. Grätzer sagt 1. c.: „Ausser dem Hause No. 20 der Kirchstrasse, aus wel- chem allein 51 Typhuskranke zum Allerheiligen-Hospitale gebracht wurden, ohne dass die dem Hause benachbarten Wohngebäude davon heftig berührt worden sind, scheint das Haus No. 17 der Rosengasse der speeifische Pestheerd gewesen zu sein. Es kamen von dort nicht bloss die relativ meisten Typhuskranken zum städtischen Hospital, sondern es wurden auch die nächst gelegenen Häuser, zumal No. 10 und No. 12 am stärksten mitergriffen." Dass diese Stadttheile auch von der Cholera stark befaUen wurden, lehren uns gleichfalls die Arbeiten Grätzers. Nach diesen kamen von den im Jahre 1849 in Breslau notirten 1680 Choleraerkrankungen 201 und 177 also 378 auf die zwei Medicinalbezirke XIV und XV, welche den Elftausend Jungfrauen-, den Sand-, Dom-, Drei- linden- und Rosenbezirk umfassten.3) Ferner waren nach demselben Autor4) auch 1855 der Elftausend Jungfrauen- !) Ebers, 1. c. pag. 101 und 102. 2) Grätzer, über die öffentliche Armen-Krankenpflege Breslau's im Jahre 1856. (Separat-Abdr. a. d. Verhdl. der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.) pag. 8. 3) Dr. J. Grätzer, über die Organisation der Armen-Kranken- pflege in grössern Städten. Breslau, 1851. p. 51. 4) Ueber die öffentliche Armen - Krankenpflege Breslau's im Jahre 1855.) Sep.-Abdr. aus d. Verhdl. d. Schles. Ges. f. Cultur.) p. 8. — 40 — und Rosenbezirk unter diejenigen zu rechnen, in welchen die meisten Erkrankungen vorkamen. Aehnliches lehrten die neueren Choleraepidemieen. 1866l) kamen in der kleinen Rosengasse (also in 5 Häusern) 20 Choleraerkrankungen mit 14 Todesfällen vor. Von diesen erkrankten 8, starben 5 in Haus No. 2; 5 resp. 3 in Haus No. 3; 4 resp. 3 in Haus No. 4, während in den beiden übrigen Häusern No. 1 und 5 nur 3 tödtlich endigende Choleraerkrankungen vor- kamen. In 17 Häusern der grossen Rosengasse erkrankten 56, und starben 42 Menschen. Die am meisten ergrif- fenen Häuser waren No. 2 (7 Erkrankungen, 7 Todte), No. 12 (7 Erkrankungen, 4 Todte), No. 17 (8 Erkrankungen, 5 Todte); alles Häuser, welche schon früher als Pestheerde (cf. Grätzer 1. c.) bezeichnet worden waren und welche auch die zahlreichsten Erkrankungen an Recurrens lieferten. — Auch 1867 blieben die beiden Gassen wiederum von Cholera- erkrankungen nicht verschont; in der kleinen Rosengasse kamen nur in Haus No. 3 und 4 je eine (in Tod endende) Erkrankung vor; in der grossen Rosengasse No. 13 7 Todesfälle; befallen waren ferner No. 2, 12, 17, und ausserdem No. 5, 7 und 8, 14, 20.) — Der erste sicher constatirte Erkrankungsfall an Re- currens ist, wie bereits erwähnt, in dem Hause kleine Rosen- gasse No. 4 am 28. März 1868 vorgekommen. Ihm folgte sehr bald ein zweiter im gleichen Hause, Christian Pichnig, erkrankt am 2. April. Hierauf verfloss eine ziemliche Zeit, bis uns aus diesem Hause neue Krankheitsfälle zukamen; es sind aber im Laufe des April noch 5 Erkrankte in's ') Grätzer, über die öffentl. Armen-Krankenpflege etc. im Jahre 1866. Breslau, 1867. 2) Grätzer, Ueber die öffentliche Armen - Krankenpflege und die Cholera Breslau's im Jahre 1867 etc. Breslau, 1868. — 41 — Hospital zu Allerheiligen aufgenommen worden-1) Wir beobachteten sodann im Anfang des letzten Drittels des Monats April zwei Recurrenserkrankungen in der Stadt, in beträchtlicher Entfernung von der Rosengasse, den einen, Rosina Fischer, Schustersfrau, auf dem Neumarkt Nr. 18, den andern auf dem dem Allerheiligenhospitale benach- barten Burgfelde, die Frau eines Hospitaldieners (vgl. unten!) betreffend. Am 25. April nahm endlich Herr Dr. Hennes, Armenarzt des Rosenbezirks, noch eine Recurrenskranke in dem Hause kleine Rosengasse 4 in Behandlung, so dass auf den Monat März 1, auf den April 9 Recurrenserkran- kungen kommen. Anfang Mai erkrankte die 18jährige Tochter jener auf dem Neumarkt wohnenden Schusterfrau (Anna Fischer), am 11. Mai erkrankte in dem Hause kleine Rosengasse 4 ein Mann, der später auf die medicinisch-klinische Abtheilung des Hospitals kam (Wilhelm Rösner, 22 Jahr); und bald darauf noch 2 Personen, die Dr. Hennes behandelte: Fr. Johanna Kalosche und Gustav Mischge, der Sohn einer „Schlafmutter", der Schlafstellenvermietherin Mischge. Am 11. Mai hatte sich ein weiterer Kranker, Paul Walter, aus dem Hause grosse Rossengasse No. 2 bei Herrn Dr. Hennes gemeldet, und es erkrankte die 28jährige Pauline Stäche, die zur Zeit ihrer Erkrankung auf der Neuen Weltgasse No. 44 wohnte, kurz vorher aber die Rosengasse, ihren bisherigen Wohnsitz, verlassen hatte. Am 14. Mai erkrankte der 17jährige Bäckersohn Carl Becker, Hirschgasse No. 6, ziemlich weit von der Rosengasse entfernt wohnhaft, an Relapsing-fever, und kam auf die klinische Station des Hospitales. ') v. Pastau, Mittheilung in der med. Section der schles. Ges. für vaterl. Cultur am 26. Juni 1868. — 42 — In der folgenden Woche vermehrten sich die Er- krankungen in dem Hause kleine Rosengasse No. 4 erheblich. Dr. Hennes nahm am 17. Mai die beiden Kinder der am 25. April recipirten Frau Clara Jungmann, nämlich den 7jährigen Paul und den 5jährigen Wilhelm Jungmann in seine Behandlung; ferner am 22. Mai den ebenda wohnenden Johann Michael, und am 25. Mai die in dem Hause grosse Rosengasse No. 2 wohnende Anna Walter. Am 26. Mai erkrankte ein Mann, Joseph Grosspietsch, 35 Jahr, in einem etwa V'2 Stunde von der Rosengasse entfernten Stadttheil, der Sonnenstrasse No. 9. Endlich nahmen wir um diese Zeit, am 25. Mai, einen auf der Weissgerbergasse No. 56 (etwa in der Mitte der Stadt, auf dem linken Oder- ufer) wohnenden 7jährigen Knaben, Hugo Larisch, in poli- klinische Behandlung Massenhafter wurden die Erkrankungen in der Woche vom 31. Mai bis 6. Juni. In dem Hause kleine Rosengasse No. 4 erkrankten nicht weniger als 8 Individuen; 3 am 1. Juni (Anna Gassman, 44 Jahr; Wilhelmine Koch, 50 Jahr; Ferdinand Krambas 34 Jahr; sämmtlich auf der Klinik behandelt); am 2. Juni, August Siech 30 Jahr (poliklinisch behandelt); und ferner am 4. Juni, Karl Petschke 44 Jahr, (Klinik) dessen Frau und zwei andere Individuen, Tilgner und Wuttge. Aber auch in andern Häusern kamen nun zahlreichere Erkrankungen vor; so in dem Hause grosse Rosengasse No. 17 drei: am 31. Mai die 53jähr. Frau Josepha Walter; am 2. Juni die 40jähr. Frau Kurz; am 4. Juni die Frau Rosina Capelle. Ferner in dem bis dahin fast verschont gebliebenen Hause Vieh- markt No. 12 (es war hier Ende Mai ein Kind an Recurrens krank) an einem Tage, am 1. Juni, zwei Erkrankungen, Ida Bischoff, 18 Jahr, und Hermann Kretschmer, 38 Jahr alt; endlich erkrankten in dem Hause kleine Rosengasse — 43 — No. 2 Mann und Frau Vogt; im Hause No. 56 der Weiss- gerbergasse der 14jähr. Paul Larisch am 30. und die 8jähr. Ida Larisch am 31. Mai. — Ebenso häuften sich die Erkrankungen in der Woche vom 7. bis 13. Juni. Im Hause No. 17 der grossen Rosen- gasse erkrankte am 7. Juni Ida Mende, am 11. Juni Her- mann Kurz, 19 Jahr; am 12. Juni der 37jähr. Franz Stanizek und am 13. Juni die 29jähr. Frau Emilie Glotz. Im Hause kleine Rosengasse No. 3. erkrankten am 10. Juni die in einer Stube wohnenden Frau Louise Oschätzki, 42 Jahre, deren Kind Reinhold Oschätzki 8 Jahr, (beide in die Klinik aufgenommen) und ihr Bruder Robert Reuter. Am 12. Juni erkrankte im Hause kleine Rosengasse No. 4. Joseph Uhlich; am 12. Juni im Hause grosse Rosengasse No.20. die 67 jähr. Caroline Neupert und am 13. Juni der Sohn der genannten Eheleute Vogt, Wilhelm Vogt. Im Hause Weissgerbergasse No. 56., der 47jähr. Mann Karl Larisch. So nahmen in den folgenden Wochen die Erkran- kungen mehr und mehr zu, so dass es uns bei unserem beschränkten Beobachtungsmaterial nicht mehr möglich war die weitere Entwicklung der Epidemie zu verfolgen, und sie vollständig zu übersehen. Es mögen die folgenden Tabellen, welche die monatlichen und wöchentlichen Er- krankungsziffern zeigen, ein ungefähres Bild von den Di- mensionen der Epidemie abgeben. Leider kann die Ta- belle der wöchentlichen Erkrankungen nicht Anspruch auf absolute Genauigkeit machen, da nur V5 der gesamm- ten Kranken in den Kreis unserer Beobachtung fiel, wir daher von % oder doch von 3/4 den Tag des Beginnens nicht genau kennen. Glücklicherweise gelangten bis Mitte Juni mindestens V2, wenn nicht noch mehr der Er- krankten in unsere Behandlung; die übrigen Erkrankungs- resp. Aufnahmstage in die ärztliche Behandlung verdanken _ 44 — wir Herrn Collegen Hennes, oder es gelang uns bei unsern Besuchen in der Rosengasse die Erkrankungstage der Einzelnen festzustellen. Unbekannt blieb uns der Krankheits-Beginn der meisten derjenigen Patienten, welche auf anderen Stationen des Allerheiligen-Hospitals verpflegt wurden. Von Pastau berichtet1), dass er im April 5, im Mai 11, vom 1. bis 23. Juni 39 Recurrenskranke behandelt habe; ferner, dass er bis zum 15. Juli 116 Er- krankungen2), also vom 24. Juni bis 15. Juli 51 Fälle beobachtete. Diese letzteren Fälle vertheilten wir auf die Zeit vom 24. Juni bis zum 15. Juli, nach Abzug der vom 1—15. Juli vom Hospital aus polizeilich gemeldeten Erkrankungsfälle, etwa gleichmässig, auf jede Woche und ähnlich verfuhren wir mit den Erkrankungen der vorange- gangenen Monate. Die spätem Zahlen, vom 15 Juli ab, basiren sich hauptsächlich auf die polizeiliche Meldungsliste, die wir Dank der Liberalität des Herrn Polizeipräsidenten von Ende zur Durchsicht und Benutzung erhielten; wir rechneten dazu noch diejenigen unserer Beobachtungen, wel- che aus irgend welchen Gründen nicht zur polizeilichen Mel- dung gelangt waren. Im Ganzen erkrankten in Breslau an Recurrens im Monat März 1 Transport 274 V April 9 im Monat August 135 V Mai 27 » September 52 » Juni 86 » October 14 V Juli 151 » November 1 Latus 274 Summa 476 J) Mittheilung in der med. Section der schles. Ges. für vaterl. Cultur am 26. Juni 1868. 2) Bericht an das Königliche Polizei - Präsidium vom 19. Juli: „Es sind an Relapsing-fever im hiesigen städtischen Krankenhause O. S. - 45 — Wöchentli che Erkrank un gen. Vom 2*. März bis 4. April 2 Pei rsonen, n 19. April „2b. April 8 » ij 3. Mai „ 9. Mai 1 n 11 10. Mai „ 16. Mai 6 11 11 17. Mai „ 23. Mai 9 n 11 24. Mai „ 30. Mai 11 11 11 31. Mai „ 6. Juni 16 u 11 7. Juni „ 13. Juni 24 n 11 14. Juni „ 20. Juni 28 n 11 21. Juni „ 28. Juni 18 11 11 29. Juni „ 4. Juli . 20 11 11 5. Juli „ 11. JuH . 21 11 11 12. Juli „ 18. Juli . 31 n 11 19. Juli „ 25. Juli . 35 11 11 26. Juli „ 1. August 44 n ?> 2. August „ 8. August 43 11 7) 9. August „ 15. August 35 n » 16. August „ 22. August . • 42 n J> 23. August „ 29. August. 15 n 11 30. August „ 5. September 13 n 11 6. September „ 12. September 22 11 11 13. September „ 19. September 7 11 » 20. September „ 26. September 5 11 » 27. September „ 3. October 5 n » 4. October „ 10. October 9 n » 11. October „ 17. October 3 11 „ 18. October „ 24. October 2 n » 8. November „ 15. November 1 11 Sumnc ta 476 Personen. bis zum 15. Juli incl. aufgenommen worden: 116 Kranke, davon ge- heilt entlassen 39, gestorben 2, in Behandlung 75." — 46 — Wir ersehen aus dem Mitgetheilten bereits, wie die Epidemie sich bildete, wie sie allmählich aus den einzelnen Krankheitsfällen, wie aus dem allerersten Falle hervorging. In demselben Hause, welches den ersten Fall lieferte, er- folgten in den nächsten Wochen noch immer die meisten Erkrankungen, aus anderen Häusern kamen Anfangs nur vereinzelte Fälle, an die sich freilich häufig später auch mehrfache oder zahlreiche Erkrankungen anschlössen. So erkrankten im Haus:*) 5 * ^ Cfi CO p CD CD cd £. H 83 83 3 CD 83: p D* CD fr CD p 5" p1 3 83 CS M« tr P c*' ö PS P P CD i-s" >s 83 3 5" CG p; P o >"S •-♦a cd' P C? p CD 1 P P CO ** !> P P P P P CO Pi T3 P i-i P 1 P: CS CD p- g CD 5" 83 P p 3 CD >-»s 83 P w CD ET 83 3 83 p p; CS ST P p" p" B «■ <» J (D Hl M. P <*" CO " N S » p p QTQ 0*5 3T? QTQ pr |>r -i <-i >-t i-i ►—•. j— i-T; '-s 7s |-s {—■ W g w ö p o S 5° ~ - ~ 00 to p 5T p W [^ p O W jss to ^l Jn2 tO rf^ I I l I I I I I I u I I II I I I I I es 2 co g 09 isS .© 00 (^ CO I I I I I I I to H W S1 H ü* o* OS I p W Oi bc w ^ I too 1—' to ca I 03 co k Ca oi to tOl-kÜ^WGOtOtOWOi bO os ca o w rf^ if»- os 11*1 tO I H* | H 05 W m I II I I I I CO Ci ca to ca to c to tO -d to >t>. ffl H Ctf «1 Ol OS os 03 t-ä. .© OS OS os w < '-' -* ^3 09 » 00 09 o ^ 09 O o 09 — 47 — Wo also einmal ein Fall von Recurrens vorgekommen ist, da treten sehr leicht wieder Erkrankungen auf; es bil- den sich Krankheitsheerde, welche für Gesunde gefährlich werden. Diese Heerde können sich unter den verschieden- sten äusserlichen Verhältnissen bilden, namentlich aber dort, wo viele Menschen in engen Räumen, in schmutzigen Loca- litäten zusammen wohnen. Wir haben sie keineswegs nur in den Rosengassen, sondern auch in andern Stadttheilen, freiHch dann immer in beschränkterem Grade beobachtet. Da diese Krankheitsheerde stets an einen ersten, ver- einzelten Erkrankungsfall sich anschHessen, resp. sich aus diesem entwickeln, da niemals, die Stubenepidemie einleitend plötzlich zwei oder mehrere Erkrankungen vorkommen, wie z. B. bei Epidemieen von Typhus abdominaHs *), da sich die erste Erkrankung bei genauer Nachforschung immer auf eine Verschleppung der Krankheit aus einem schon bestehenden Infectionsheerde zurückführen lässt, so müssen wir annehmen, dass die Febris recurrens eine rein contagiöse Krankheit sei, dass sie nicht erzeugt wird durch ein Miasma, welches sich im Boden, in Wohnungen etc. unabhängig von Kranken entwickelt, sondern dass sie fortgepflanzt wird durch einen Stoff, welchen das kranke Individuum reproducirt und an seine Umgebung abgiebt. Es ist dies ein Satz, der schon wiederholt ausgesprochen worden ist, doch aber wieder angefochten wurde; jedenfalls ist derselbe richtig, denn ausser den bereits angeführten dafür sprechenden That- sachen werden wir noch weitere Beobachtungen beibrin- gen, die dies beweisen. Vor allem werden wir zeigen, wie die Krankheit in einzelnen Häusern von Individuum ») Vgl. Murchison, die typh. K. pag. 426. — 48 — zu Individuum, von Familie zu Familie, von Stube zu Stube sich verbreitet hat. In dem Hause kleine Rosengasse No. 4 erkrankten nicht nur die Kameraden des erst Erkrankten, sondern bald auch die „Schlafmütter" mit ihren Kindern, so z. B. kam Frau Jungmann am 25. April in ärztliche Behand- lung, und ihre beiden Kinder Paul und Wilhelm Jung- mann am 17. Mai. Ferner wurde von Dr. Hennes am 15. Mai der 13jährige Gustav Mischge und dessen Mutter, die gleichfalls Schlafstellenvermietherin war, etwa um dieselbe Zeit in Behandlung genommen. Dass die bis dahin gesunden Schlafgäste der letzteren, mit denen sie zu 6 Personen in einer einfenstrigen, sehr schmutzigen Stube zusammen schlief, alsdann erkrankten, war zu er- warten, und in der That erkrankte am 1. Juni die 50 jähr. Wilhelmine Koch, am 4. Juni der 44jähr. Arbeiter Petschge und bald dessen Frau, und am 12. Juni der 40jähr. Joseph Uhlig, der am 25. Mai in die Stube eingezogen war, sowie am 25. Juni der 31 jähr. Anton Heilmann, nachdem er 14 Tage in der Stube gewohnt hatte. In unserer Epidemie hielt sogar das Publikum die Krankheit für ansteckend und die Bewohner des Hauses grosse Rosengasse No. 17. behaupteten, dass die Frau Jungmann, die früher in dem Hause kleine Rosengasse No. 4. gewohnt hatte und dort krank gewesen war (s. oben), die Krankheit mit in ihre spätere Wohnung, grosse Rosen- gasse 17, eingeschleppt habe. Dies ist allerdings sehr wohl möglich, da zur Zeit ihres Umzugs, Anfang Juni ihre beiden Knaben noch krank waren während vorher in dem Hause nur ein zweifelhafter Fall, ein Mädchen Marie X. die ins Hospital gebracht worden war, vorgekommen sein soll. Nach ihrem Einzüge brach aber bald die Hausepidemie aus, und zwar in demjenigen Quartier, in welchem nach — 49 — Angabe der Hauswirthin die Frau Jungmann, ehe sie ihre eigene Stube bezog, für einige Tage gewohnt hatte. An- fang Juni erkrankte am 2. Frau Kurz und am 4. Juni die von Dr. Hennes in Behandlung genommene Schlaf- stellenvermietherin Frau Rosina Capelle, die in diesem Hause 1 Treppe hoch wohnte; am 11. Juni der bei ihr wrohnende Hermann Kurz, Sohn der genannten Frau; am 12. Juni im gleichen Zimmer der 37jährige Franz Stani- zek; ferner am 3. Juli der Sohn der Frau C, August CapeUe; den 18. Juli Ferdinand Schwiderke; am 21. JuH die gleichfalls dort wohnende Amalie Gläser; am 24. Juli der zweite Sohn der Frau C, Franz Capelle und Mitte Juli noch Caroline Wetzel, aufgenommen in's Hospital den 15. Juli. Eine zweite Schlafstellenwirthschaft war auf demselben Flur bei Mende's. In dieser Familie erkrankte zuerst die 8 jährige Ida (recpt. von Dr. Hennes den 7. Juni) ferner die 29 jähr. Frau Emilie Glotz am 13. Juli und sodann den 27. Juli der 19 jähr. Lothar Gärtner. Im gleichen Hause, 2 Treppen hoch, wohnte der Fa- brikarbeiter Sens. Bei ihm erkrankte den 18. Juli der Schlafbursche Franz Barsch; am 22. Juli Frau Caroline Gniechwitz; am 26. Juli das bei ihrer kranken Mutter im gleichen Bett schlafende Kind Anna Gniechwitz. Am 14. August erkrankte der Mann August Gniechwitz, am 18. August dessen Sohn Carl Gniechwitz an Relapsing-fever. Ebenso soll Frau Sens selbst krank gewesen sein. In gleicher Höhe wohnte ferner die Familie Jäschke, die mit der Familie Capelle verwandt war, und mit ihr viel verkehrte. Die Frau Theresia Jäschke, Schwester der Frau Capelle, erkrankte am 4. Juli, und soll am 13. Juli an Recurrens gestorben sein. Am 17. August erkrankte Wyss u. Bock, Febris recurrens. 4 — 50 — der 21jährige Sohn Reinhold Jäschke, dessen Schwestern, zwei Dirnen, schon vorher erkrankten, und ins Spital ge- bracht worden waren. Grosse Rosengasse 17 wohnte in einer Stube parterre die Schlafstellenvermietherin Frau Rosina Walter. Diese erkrankte selbst am 13. Juli, nachdem vorher bei ihr 5 Leute erkrankt waren, und kam ins Hospital. Am 21. Juli erkrankte sodann ihre Tochter, Louise Walter; den 23. Juli ein Schlafbursche, Carl Gimmler; den 1. August die bei ihr wohnende Schwester Josepha Lorke und andere Per- sonen mehr, namentlich mehrere Schlafburschen. Auf dem gleichen Flur mit Frau Walter wohnte seit Mitte Juli die 40jährige Johanna Bungale, deren 6j ähriges Töch- terchen am 5. August an Recurrens erkrankte, während die Mutter selbst den 21. August den Anfall bekam. Noch interessantere Data lieferte uns die Epidemie im Haus Viehmarkt No. 12. In demselben, dem Hause grosse Rosengasse 17 benachbart, befindet sich eine Bier- und Branntweinwirthschaft, in welcher die Bewohner der Rosengassen viel verkehrten, dort diente die 18jähr. Ida Bischof, deren 9jähr. Bruder zuerst im Hause Ende Mai erkrankte. Am 1. Juni erkrankte Ida Bischof selbst an Recurrens und am gleichen Tage noch der im 1. Stock wohnende Hermann Kretschmer. Von letzterem ging keine weitere Ansteckung aus, offenbar, weil er zeitig ins Hospital gebracht wurde; dagegen erkrankte am 14. Juni die Mutter der genannten Bischof sehen Kinder, welche öfters neben ihrem kranken Knaben im Bett gelegen hatte. Um der Krankheit zu entgehen, reiste am 14. Juni der äl- tere Bruder der Ida Bischof, ein 20jähriger Korbmacher- geselle nach Oels (einem Städtchen 3 Meilen von Breslau in dem keine Fälle von Recurrens vorgekommen waren) erkrankte aber dort dennoch an Recurrens; er machte den — 51 — 2. Anfall zum Theil noch in Breslau, wohin er wieder zurückgekehrt war, im Hospitale (klinische Station) durch. Am 25. Juni endlich erkrankte noch der 11jährige Joseph Bischof. Viel mit der Bischof sehen Familie verkehrte während der Krankheit der Kinder die 18jährige Bertha Wiesner, deren Mutter und Geschwister auf dem gleichen Flure mit Bischofs, in dem Hause Viehmarkt 12 parterre wohnten. Bertha W. erkrankte am 30. Juni zuerst in ihrer Familie, offenbar in der Nachbarstube inficirt. Nun erkrankten nach einander ihre Schwester Emilie Wiesner, den 7. Juli; dann die Mutter, Auguste Wiesner, geborne Rein, und end- lich deren älteste Tochter, Auguste Wiesner, am 14. Juli, welche gekommen war ihre Mutter während der Krankheit zu pflegen, sonst aber in der kleinen Rosengasse 4. wohnte. Sie hatte ihr kleines Kind mit sich genommen; dieses er- krankte schon am 12. Juli und schien als die Mutter ins Hospital gebracht wurde, gesund, weil fieberlos, und kam desshalb nicht mit, sondern wurde einer Frau Salewski, in dem Hause grosse Rosengasse Nr. 16 zur Verpflegung übergeben. Auf dem gleichen Flure wohnte in einem anderen Zimmer eine Familie, Franke, von der eine Tochter, Emihe Franke, (aufgenommen in's Hospital den 7. Juli,) dann ein 7jähr. Knabe, Reinh. Franke, den (28. Juli auf- genommen), und am 30. Juli die Mutter, Pauline Franke, erkrankte. Noch während die ganze Familie Bischof im Hospitale lag, wurde ihre Wohnung wieder vermiethet und noch im JuH von einer Familie Schade bezogen. Von dieser er- krankten nun nach einander fast alle Mitglieder; den 31. Juli ging die Frau in's Hospital, dann erkrankten 3 Kinder, von denen der 8jährige Albert Schade und die 4* — 52 — 16jährige Auguste Schade auf die Klinik kamen; nur der Vater und 2 Kinder blieben gesund. Wir haben oben erwähnt, dass die Auguste Wiesner vor ihrem Eintritt in's Hospital ihr Kind zu einer Frau Salewski, grosse Rosengasse 16, in Pflege gegeben habe. Dort erkrankte es von Neuem, d. h. es bekam den Relaps. Während diese Familie bis dahin gesund geblieben war, erkrankten nun nach einander alle Mitglieder; am 2. August nahm Dr. Hennes die Marie und Anna Salewski in Be- handlung; am 5. August wurde die Erkrankung des 45jäh- rigen Tischlergesellen polizeilich gemeldet. — Im gleichen Hause waren allerdings jedoch auch in anderen Quartieren einige Erkrankungen vorgekommen und zwar waren den 2. Juni Gottfried Wagner, 55jähriger Tischler, den 26. Juni Anton Nobeck, 71jähriger Arbeiter, den 29. Juni die 49jäh- rige Wittwe Rosina Steinert polizeilich gemeldet worden; den 30. Juli erkrankte ihr Sohn, Adolf Steinert; am 13. August wurden die beiden Schwestern Clara und Marie Steinert als an Relapsing-fever erkrankt, polizeilich gemeldet, und am 2. September nahm Dr. Hennes noch die Ottilie Steinert in Behandlung. Auch in den übrigen Häusern waren zahlreich ganze Familien erkrankt, so dass Stubenepidemien entstanden. Wir wollen z. B. aus Haus No. 2 die Familie Scheifler, die in toto erkrankte (Marie Scheifler, 3 Jahr; Carl Scheifler, 7 Jahr; Minna Scheifler, 30 Jahr; Hermann Scheifler, 5 Jahr; Carl Scheifler 30 Jahr; und 2 Kostkinder Kaps) erwähnen. Die zahlreich bewohnte, etwas weniger schmutzige, aber enge, einfenstrige Stube, 1 Stiege hoch, konnte entschieden nicht hinreichend gelüftet werden. Neben dieser Stube wohnte der 13jährige Oskar Hartlob der die Scheifler'sehe Familie während ihrer Krankheit oft be- suchte; auch er erkrankte, von seinen Zimmergenossen — 53 — aber Niemand, offenbar, weil er schon am 2. Krankheitstage in's Hospital ging. Auch in dem Hause grosse Rosengasse 20 Hess sich der Zusammenhang des Krankheitsausbruches mit der klei- nen Rosengasse 4 nachweisen. Es war nämlich aus letz- terem Hause eine ältere Frau, Auguste Mühling nach dem Hause grosse Rosengasse 2U Anfang Juni eingezogen; die Frau selbst wurde am 12. Juni an Recurrens krank in's Hospital aufgenommen, und nach ihr die Insassen, die in der- selben Stube und in den Nachbarzimmern wohnten. So am 15. Juni die 67jährige Caroline Neupert; am 24. Juni Auguste Scholz; am 27. Juni Caroline Tietze u. a. m. An diese Beispiele, die alle mehr oder minder dringend für die Contagiosität der Recurrens sprechen, reihen wir noch einige aus der übrigen Stadt an; vor Allem einige Stubenepidemieen. Eine solche beobachteten wir in dem Hause Weissgerbergasse No. 56, 1 Treppe. Hier wohnte in einer ärmlichen, unreinHchen, jedoch lüftbaren Stube, deren Fenster nach der Ohle, einem seit 2 Jahren allmäh- lich zugeschütteten Nebenflusse der Oder, hin gerichtet waren, der Tagarbeiter Larisch, dessen 7jähriger Knabe am 25. Mai in poliklinische Behandlung genommen wurde. Seine Krankheit war unzweifelhaft Recurrens, wenn auch nicht durch die Temperatur, so doch durch die 2 Fieber- anfälle, den Milztumor, transitorische Albuminurie und durch das allgemeine Verhalten nachgewiesen. Woher er die Krankheit bekommen, Hess sich nicht ergründen; wir heben aber hervor, dass zwischen der Bevölkerung der Weissgerber- und Rosengasse wegen der Aehnlichkeit der- selben in jeder Beziehung viel Verkehr besteht; und da besonders die Frau Larisch und ihre Kinder hinsichtlich ihrer Gesinnung und Anschauung über Erwerb und Eigen- thum mit den gefährlicheren Bewohnern der Rosengasse — 54 — nahe verwandt waren, so dürften sehr wohl Berührungen zwischen dem Knaben Larisch und Bewohnern aus der Rosengasse angenommen werden, durch welche letzterer infi- cirt wurde. Es erkrankten nun der Reihe nach alle Familien- mitglieder: Paul Larisch, 14 Jahr, am 30. Mai; Ida Larisch, 8 Jahr, am 31. Mai; Carl Larisch, 47 Jahr, am 10. Juni; Marie Larisch, 6 Jahr, am 19. Juni; Caroline Larisch, 48 Jahr, am 20. Juni; Rosalie Larisch, 4 Jahr, am 4. Juli. — Gesund blieb nur die älteste, 18 jährige Tochter, eine Dirne, welche eine Treppe tiefer wohnte und sich durch Gleich- gültigkeit gegen die Ihrigen auszeichnete, namentlich die Nächte hindurch nie dort blieb, und sich am Tage nur ab und zu blicken Hess. Eine fremde, ältere Person, Emilie Förster, die häufig Tag und Nacht bei der Familie Larisch als Krankenwärterin war, namentlich, als auch die Mutter zu Bette lag, erkrankte gleichfalls an Recurrens am 22. Juni, ausserdem Niemand im Hause; es verkehrte aber auch fast Niemand mit dieser traurigen Familie. Eine ähnliche isolirte Familienepidemie hat uns Herr College Dr. Körner vom Graben, einem anderen Ar- men-Quartier in der Mitte der Stadt, mitgetheilt, an- schliessend an einen Fall den wir auf der Klinik beob- achteten. Es erkrankte hier von einer Familie Holz- apfel: 1. Anna Holzapfel, 12 Jahr alt, am 21. Juli, und blieb krank bis zum 30. Juli, der Rückfall kam am 8. August und dauerte 2 Tage. 2. Frau Holzapfel 45 Jahr, vom 31. Juli bis 10 August; Relaps den 19. August und ver- schleppte Genesung bis zum 27. August. 3. Max Holzapfel 5 Jahr, 11. August bis 18. August leichte Erkrankung ohne Relaps. 4. Ida Holzapfel 18 Jahr, den 19. August wurde auf der med. klinischen Station behandelt. Der Familienvater war der Einzige, der gesund blieb. Wie in diesem Falle die Infection des erst Erkrankten zu — 55 — Stande kam, können wir leider nicht angeben; wir müssen aber darauf hinweisen dass Verwandte der Frau Holzapfel auf der Rosengasse wohnten, welche an Recurrens er- krankt waren. Dagegen können wir den Ursprung folgender kleinen Stubenepidemie verfolgen. Der Besitzer des Hauses kleine Rosengasse 4 wohnte Mathiasstrassc No. 38a. am aller- äussersten Ende Breslau's, etwa V4 Stunde von der Ro- sengasse entfernt, in einem ziemlich freistehenden Hause. Er besuchte und pflegte täglich seine, in der kleinen Ro- sengasse No. 4. wohnende Tochter, als diese am „Fieber" (Rel. f.) erkrankt war. Während der Reconvalescenz seiner Tochter erkrankte er nun selbst in seiner Wohnung an Recurrens, er bekam den Rückfall am 9. August und starb. Seine Concubine Frau Gnerlich, die mit ihm das Zimmer theilte, erkrankte am 10. oder 11. August, ihr Stiefsohn, der mit jenen die nämliche Stube bewohnte", erkrankte am 12. August und wurde am 14. als an Recur- rens leidend auf die medizin.-klin. Abtheilung des Allerhei- ligenhospitals aufgenommen. Aehnliche Stubenepidemien aus sonst gesunden Stadt- theilen könnten noch mehrere namhaft gemacht werden. Wir haben noch die Frage zu beantworten, wie sind die Einzelerkrankungen, die schon im Anfang der Epidemie, später aber in grösserer Zahl vorkamen, zu erklären. Vor Allem müssen wir darauf aufmerksam machen, dass häufig Kranke falsche Angaben betreffs ihrer Wohnung machten, dass z. B. Individuen, die auf der Rosengasse nächtigten, angaben, sie wohnten auf der Neuen Welt- oder Weissgerber- gasse, wo sie nie, oder vielleicht längere Zeit vorher gewohnt hatten. Andere kamen in der That aus den von ihnen bezeich- neten Strassen, aber die weitere Nachforschung ergab, dass sie dort erst wenige Tage oder 1—2 Wochen wohnten, nach- — 56 — dem sie von der Rosengasse weggezogen waren (z. B. Pauline Stäche). Andere dagegen, welche nie auf der Rosengasse gewohnt hatten, standen mit den Bewohnern dieses Stadt- theiles in irgend einem Connex, kamen mit ihnen in nähere Berührung, und es gelang uns, bei möglichst genauen Er- kundigungen, die ausserordentlich häufig mit den grössten Schwierigkeiten verbunden waren, weil uns die Leute sehr häufig absichtlich belogen, in einer grossen Zahl von Fällen den Weg, auf dem die Infection wahrscheinlich Statt ge- funden hatte, aufzufinden. Ein Beispiel: Es fiel auf, dass wiederholt Dienstmädchen anständiger Familien mitten in den besten Stadttheilen, an Relapsing fever erkrankt, in's Hospital kamen. Eines derselben, das auf die klinische Abtheilung kam, berichtete uns, dass die Herrschaft im Sommer quartier gewohnt habe. Auf dem Wege dorthin passirte das Mädchen die Rosengasse, wo sie wohl gelegent- lich mit Kranken oder mit Gesunden, welche das Contagium mit sich trugen, in Berührung gekommen sein dürfte. Andere Individuen, welche sicher nie in inficirte Räum- lichkeiten hinein, oder mit Kranken zusammenkamen, er- krankten, nachdem sie mit Gesunden, welche mit Kranken in Berührung gekommen waren, verkehrt hatten. Diesen Modus der Infection haben wir wiederholt beobachtet. Zu- erst bei der Hospitaldienerfrau Christiane Grosspietsch, deren Mann täglich mit Recurrenskranken in Contact ge- rieth, indem er diese mit Hülfe anderer Hospitaldiener aus ihren Wohnungen abholte und in's Hospital trug. Sehr oft kam er beim Herausnehmen der Kranken aus ihren Lager- stätten und beim Legen derselben auf das Tragebett in directe und innige Berührung mit denselben; in den freien Stunden ging er in seine nahe Wohnung ohne die Kleider zu wechseln. Seine Frau hatte vor wenigen Wochen eine schwere Zwillingsgeburt durchgemacht und war durch die- — 57 — selbe noch sehr schwach Dies Letztere war offenbar für ihre Erkrankung ein günstiges Moment; sie war gegen geringe Mengen des Contagiums sehr empfindlich und er- krankte am 26. Mai. Dass sie nur durch ihren damals vollkommen gesunden Mann, welcher selbst viel später, Mitte Juli, an Recurrens erkrankte (polizeiliche Meldung den 20. Juli), resp. durch dessen Kleider inficirt wurde, müssen wir annehmen, da ausserdem Niemand im Hause, weder damals, noch später an Recurrens erkrankt war; da diese keinen Kranken besucht hatte, weil sie seit der Entbindung noch nicht aus der Stube gekommen war. Bemerkenswerth ist noch, dass ihre beiden Zwillingskinder rasch nach einander an Convulsionen starben, möglicher- weise an Recurrens; leider haben wir die Kinder weder beobachten noch seciren können. Ein weiteres Beispiel von Uebertragung des An- steckungstoffes von Kranken durch ein gesundes und ge- sund gebliebenes Individuum ist folgendes. Der Hospital- diener Bormann, der die nämliche Aufgabe hatte, wie der erwähnte Grosspietsch, ging wöchentlich zweimal, Abends von 7 bis 10 Uhr, zu seiner Familie, die auf der Fischer- gasse, einer im westlichen Theile Breslau's, befindlichen Strasse wohnt, wo sonst keine Erkrankungsfälle von Re- currens vorgekommen sind. Ganz bestimmt sind keine Erkrankungen in dem ziemlich kleinen, von nur wenigen Familien bewohnten Hause, in welchem die B.'sche Fa- milie wohnte, nachzuweisen gewesen Der Vater unter- hielt sich bei den Besuchen mit seinen beiden Kindern, er nahm sie auf die Knie und spielte mit ihnen' oder er legte sich, angezogen, wie er gekommen war, schlafen, und neben ihm schliefen die Kinder. Das jüngere Mäd- chen Anna, 4V2 Jahre alt, erkrankte am 11. Juli an Relap- sing-fever. Sie war sicher mit keinem Kranken in Beruh- — 5s _ rung gekommen, namentlich war sie nie im Hospitale ge- wesen; sie blieb, da die zweifenstrige Stube leicht zu lüften und nicht übervölkert war, und sie allein in einem Bett schlief, die einzig Erkrankte in der Familie und in dem Hause. Auch hier sehen wir ausserdem, dass das schwäch- lichere, jüngere (sonst aber vorher ganz gesunde) Kind des B. wahrscheinlich auf eine minimale Menge des aufgenom- menen Infectionsstoffes reagirte, und erkrankte, während das etwas ältere kräftigere Schwesterchen derselben, die mit dem Vater ebenso verkehrte, gesund blieb. Eine dritte Erkrankung, vermittelt durch den Hospi- taldiener Neumann, betrifft die Frau dieses letzteren. Sie erkrankte am 20. August an Recurrens und war angeblich mit keinem Kranken in Berührung gekommen, sie wurde frühzeitig in's Hospital geschafft. Ihre Wohnung wurde von uns evaeuirt, d. h. die Leute, die noch bei ihr wohnten, wurden veranlasst, sofort auszuziehen, es erfolgte unter den letzteren keine Erkrankung. Den besten Beweis dafür, dass von Recurrenskranken beschmutzte Wäsche die Ansteckung vermitteln . könne, lieferte uns die Hospitalwaschfrau Theresia Graumann. Diese hatte im Frühjahre 1868, nachdem kurz vorher einige Fälle von Typhus exanthematicus vorgekommen waren, eine schwere Erkrankung an letzterem durchgemacht. Während des ganzen Sommers hatte sie die unreine Wä- sche der Recurrenskranken vom Wäscheboden, einem sehr schlecht ventilirten, engen Räume, genommen und nach dem Waschhause dirigirt. Oefters war ihr bei dieser Be- schäftigung wegen des intensiven Geruchs, den die Wä- sche von sich gab, „fast übel geworden"; sie erkrankte indess erst am 7. October an Recurrens. Zu erwähnen ist dass auch sie niemals mit Kranken selbst in Berührung gekommen war, dass sie nicht im Hospitale wohnte, sondern — 59 — in einem Hause, einer benachbarten Gasse aus welchem uns trotz Nachfrage keine Recurrenserkrankungen bekannt geworden sind. Ausgehend von der Voraussetzung, dass die Recurrens contagiös sei, Hessen wir, um Ansteckungen in den Kran- kensälen zu verhüten, continuirlich und energisch ventiliren; die Fenster blieben Tag und Nacht offen stehen, häufig zugleich die Thüren, und wir hatten die Freude, dass lange Zeit, viele Wochen hindurch keine Ansteckung auf der Station erfolgte, obgleich viele Recurrenskranke unter andern Kranken in den Sälen lagen, so während längerer Zeit 10 — 11 Recurrenskranke mit 2 — 3 andern Kranken zu- sammen. Aber eines Tages (den 21. Juli früh 11 Uhr) erkrankte plötzlich eine der Wärterinnen, die 23j. Emilie Röthig, seit 3/4 Jahren im Hospitale, mit Schüttelfrost und allen übrigen Initialsymptomen an Recurrens. Und warum war sie erkrankt? Sie hatte sich gegen das ärtzliche Ver- bot, neben Fieberkranken länger als nothwendig zu bleiben, während einer Nacht, in der sie den Krankendienst hatte, zu der dreijährigen Marie Scheifler, die im ersten Anfall sehr stark fiebernd unruhig dalag, um die Kleine zu be- schwichtigen, auf's Bett gelegt, war eingeschlummert und hatte längere Zeit unmittelbar den Athem der Kleinen, die ihr auf der Brust mit zugewandtem Gesichte lag, eingeathmet. Dies geschah in der Nacht vom 15. zum 16. JuH und am 21. Juli, also 5 Tage später, erkrankte die R.' an Relapsing-fever. Aehnlich erkrankte die zweite Wärterin, eine 40jähr. Frau Auguste Kalotschge. Diese hatte einen 14jährigen Sohn, August K., der täglich in's Hospital kam, seine Mutter zu besuchen. Obwohl er nie in's Krankenzimmer gekom- men sein soll, erkrankte er doch am 9. August an Re- currens, und wurde auf die Station aufgenommen. Er — 60 — lag in einer Ecke des Saales, in welcher die geringste Ventilation Statt hatte, und seine Mutter, die auf der nämlichen Station Krankenwärterin war, blieb, wenn sie die Nachtwache hatte, gegen das ärztliche Verbot die grösste Zeit bei ihrem Sohne. Sie erkrankte am 26. August an Relapsing-fever. Wir weisen endlich noch darauf hin, dass sowohl In- dividuen, die aus gesunden Gegenden in die inficirten Stu- ben hineinkamen, erkrankt sind, als auch solche, welche gesund die Infectionsheerde verliessen, und in gesunde Gegenden kamen. Als Beispiele für den ersten Punct führen wir an: 1) Ferdinand Krambos, 34jähriger Arbeiter, lag vom 31. März bis 25. Mai wegen einer Kniegelenksverletzung auf einer chirurgischen Station des Allerheiligen-Hospi- tals, auf welcher keine Recurrenserkrankungen vorgekom- men sind, und die sich in einem Hause befindet, in wel- chem nur äusserlich Kranke verpflegt wurden. Nach seiner Entlassung aus dem Hospitale suchte er sich eine Wohnung in dem Hause kleine Rosengasse No. 4., und blieb dort in einer Stube (bei Frau Mischge) in der bis dahin mindestens 1, wahrscheinlich aber noch mehr Er- krankungen stattgehabt hatten; Krambos erkrankte an Recurrens den 1. Juni, also nach 8tägigem Aufenthalte daselbst. 2) Der 31jährige Anton Heilmann, welcher früher im Kohlenhofe der Oberschlesischcn Eisenbahn gearbeitet und desshalb in einer anderen Gegend der Stadt gewohnt hatte, zog, da er Arbeit bei dem Bau der rechten Oder- uferbahn genommen hatte, nach der kleinen Rosengasse Nr. 4 zu derselben Frau Mischge, wie der obige. Nach- dem er 14 Tage dort gewohnt hatte, erkrankte er den 25. Juni an Recurrens. — 61 — 3) Karoline Wetzel kam gesund in die Wohnung der Frau Capelle, grosse Rosengasse Nr. 17, 1 Treppe, bei welcher bis dahin mindestens 7 Erkrankungen vorgekommen waren und erkrankte daselbst nach dreitägigem Aufenthalt. Für den zweiten Punct, dass nämlich Individuen, welche in Infectionsheerden gewohnt oder verkehrt hatten, anscheinend gesund dieselben verliessen und in ganz ge- sunde Gegenden gingen, woselbst sie nach 6 bis 9 Tagen erkrankten, führen wir folgende Fälle an: 1) Der 20jährige Korbmachergeselle Adolf Bischof, der bis dahin bei seiner Familie (Viehmarkt Nr. 12 par- terre) gewohnt hatte, verliess, nachdem in seiner Familie bis dahin 3 Erkrankungen vorgekommen waren am 14. Juni Breslau, um der Krankheit zu entrinnen, und ging nach Oels, wo nach brieflicher Mittheilung des Herrn Collegen Werner keine Recurrenserkrankungen ausserdem beobachtet worden sind. B. erkrankte dort 9 Tage, nach- dem er Breslau verlassen hatte, und wurde in das städtischen Krankenhaus aufgenommen. „Er klagte damals über Kopfweh und Eingenommenheit des Kopfes, über grosse Schwäche der Glieder, über Mangel an Appetit; er hatte eine massig belegte feuchte Zunge, weder Diarrhoe noch Verstopfung, beträchtliches Fieber. Ich erwartete, dass die Krankheit sich zum Typhus ausbilden würde und Hess ihn kalte Umschläge auf den Kopf machen und Acid. hydrochl. innerfich gebrauchen. Am 30. Juni hatte der Zustand sich schon sehr gebessert, am 1. Juli war kein Fieber mehr vor- handen; es stellte sich guter Appetit ein und die Kräfte kehrten wieder, so dass ich den Kranken auf seinen Wunsch am 2. Juli als geheilt entliess. Eine Weiterverbreitung der Krankheit, eine Infection durch diesen Kranken habe ich nicht beobachtet." So schreibt uns Herr College Werner. — Der Adolf B. verliess Oels, als er zum zweiten Male — 62 — am 8. Juli erkrankt war und wurde am 11. Juli in die medi- cinische Klinik aufgenommen, wo er alle Erscheinungen eines Recurrenskranken im zweiten Anfalle darbot und wir die Diagnose auf diese Krankheit stellen konnten, ohne dass wir von der Erkrankung in Oels etwas Bestimmtes wussten, da Patient selbst darüber nichts Sicheres mittheilte. 2) Der 48jährige August Gniechwitz arbeitete die Woche hindurch in einer Ziegelei in einem Dorfe bei Bres- lau, in welchem keine Erkrankungen bekannt geworden sind. Er pflegte Sonnabends und Sonntags seine Familie, welche in der Stadt grosse Rosengasse Nr. 17 wohnte, zu besu- chen. Dies geschah auch am 8. bis 9. August, zu welcher Zeit bereits Frau und Tochter an Recurrens krank lagen und ausserdem in der Stube mehrfache Erkran- kungen vorgekommen waren. Anscheinend gesund ver- liess er Breslau wieder, arbeitete noch mehrere Tage wie gewohnt und erkrankte dann am 14. August an Re- currens, und wurde, nach Breslau zurückgekehrt, in's Hos- pital, aufgenommen. 3) Die 28jährige Pauline Stäche, welche auf der Ro- sengasse gewohnt hatte, und nach der Neuen Weltgasse Nr. 44 gezogen war, erkrankte daselbst zu einer Zeit, in welcher aus diesem Stadttheil noch keine Recurrens-Erkran- kungen bekannt waren. 4) Die 28jährige Arbeiterwittwe Christiane Pattnek wohnte in dem Hause Viehmarkt Nr. 10, sie zog nach der grossen Scheitnigerstrasse zu einer hier schon drei Monate wohnenden 37 jährigen Arbeiterfrau Johanna Liedel. Acht Tage nach dem Einzüge der Ersteren erkrankte Letztere an Recurrens, und allmählig alle Stubenbewohner. Diese Beobachtungen beweisen, dass die Recurrens- kranken einen Infectionsstoff produciren und durch die Respirationsluft, höchst wahrscheinlich auch durch die — 63 — Haut, nicht aber durch Harn und Stuhl, an die Aussenwelt, namentlich an die sie umgebende Luft und Kleidungsstücke, Wäsche etc. abgeben. Die letztern fixiren das Krankheits- gift in analoger Weise, wie poröse Körper gewisse Gase in sich aufnehmen. Von der Luft und von den Kleidungs- stücken aus kann der Krankheitskeim auf Gesunde über- tragen werden. Von Natur schwächliche, durch Krankheiten geschwächte, oder durch mangelhafte Ernährung herunter- gekommene Individuen und Kinder erkranken leichter; schon bei Aufnahme einer Quantität des Contagiums, die einem ganz Gesunden keinen Schaden bringen würde. Auf- nahme einer grossen Menge des Contagiums beschleunigt wie es scheint nur den Ausbruch der Krankheit bei dem inficirten Individuum, erzeugt nicht eine schwerere Er- krankung. Einmalige Aufnahme des Contagiums genügt zum Zustandekommen der Erkrankung. In schlecht ven- tilirten engen Räumen und bei Anhäufung mehrerer Kran- ken in denselben wird der Gehalt der Stubenluft an „Krankheitsgift" bedeutender und für Gesunde um so gefährlicher, je längere Zeit sie darin verweilen; je weniger Ventilation besteht, d. h. je weniger die das Contagium enthaltende Luft durch reine Luft verdünnt und dadurch weniger „giftig" gemacht wird. Solche Stuben kann man wohl als Infectionsheerde, als Pestheerde bezeichnen; und sind viele solche Stuben in einem und demselben Hause vor- handen, so kann diese Bezeichnung auch für das ganze Haus gelten. Es lehren uns ferner die angeführten Beobachtungen, dass die ganze Epidemie sich bei genauer Betrachtung in eine grosse Zahl von Stubenepidemieen und Einzelerkrankun- gen auflöst, welche letzteren alle vom ersten oder von einem seeundären Infectionsheerde aus durch directe oder indirecte Uebertragung hervorgegangen sind. Die Stubenepidemieen — 64 - schlössen sich immer einer ersten vereinzelten Erkrankung an, oder richtiger, sie wurden durch diese hervorgerufen. Je mehr Verkehr zwischen den Bewohnern einer Stube, in welcher Erkrankungen vorgekommen waren (einem Infec- tionsheerde) , und einer Wohnung mit gesunden Insassen bestand, desto sicherer konnten letztere auf Erkrankung zählen; je mehr Verkehr zwischen zwei Häusern, von denen in dem einen Erkrankungen vorgekommen waren und im anderen nicht, um so sicherer konnten dem letzteren Er- krankungsfäUe vorausgesagt werden. Da nun auf den bei- den Rosengassen alle diese die Ausbreitung der Epidemie begünstigende Momente: alte winklig gebaute Häuser, mit engen, niedrigen, kaum ventilirbaren und nie ventilirten Stuben mit kleinen Fenstern, Anhäufung vieler Menschen in allen Wohnungsräumen eines Hauses, Schmutz, lebhafter Verkehr zwischen den einzelnen Stuben und Häusern, häu- figer Wechsel des Logis der Schlafgäste etc. vorhanden waren, so entstanden hier sehr viele Familien- oder Stubenepide- mieen, sehr viele Infectionsheerde, sehr zahlreiche Erkran- kungen. In andern Stadttheilen fand das Contagium hier und da ebenfalls günstige Verhältnisse zur Entfaltung seiner Wirkungen, daher auch hier vereinzelte Familienepide- mieen. Anderorts konnten sich aber keine Heerde bilden, besonders dort, wo die Einzelerkrankungen in nicht über- völkerten, luftigen, ventilirbaren, reinlichen Stuben vorkamen, oder wo die Kranken bald in die Anstalt geschafft wurden. Da nun, wie bereits oben erwähnt, in den übrigen Armen- quartieren Breslau's im Gegensatze zu den Rosengassen in denen viele Arme wohnen, immerhin minder bevölkerte, reinliche, luftigere Stuben unter die bevölkerten, schmutzi- gen Wohnräume eingestreut sind, der Verkehr zwischen den einzelnen Familien weniger rege ist, indem die „bes seren Leute", Handwerker etc. sich von den tiefer stehenden — 65 — absondern, so erkrankten in der Stadt keine „ganzen Häuser" wie in der Rosengasse, sondern es beschränk- ten sich die Erkrankungen auf Stubenepidemieen und Einzelfälle. Die Incubationsdauer, die nach Einwirkung des Contagiums bis zum Ausbruch der Krankheit verstreicht, konnten wir in einigen Fällen festsetzen. Wie schon oben erwähnt, erkrankte der 21jährige KorbmachergeseUe am 9. Tage, nachdem er zum letzten Male mit Kranken in Berührung gewesen war; der 48jährige Arbeiter Gniechwitz 6 Tage später. AUerdings ist in diesen Fällen der Termin der Ansteckung selbst nicht zu bestimmen, da beide Indi- viduen auch vorher schon mit Kranken in Berührung ge- wesen waren; die angegebene Zwischenzeit entspricht daher nur dem Minimum einer Incubation. Eine wahrscheinliche Dauer von 5 bis 6 Tagen ist auch bei der 23jährigen Krankenwärterin Emilie Röthig anzunehmen, die in der Nacht vom 15. zum 16. JuH einige Stunden bei einer kleinen Recurrenspatientin im Bett gelegen hatte. Die Er- krankung fand am 21. Juli statt. Das Verhältniss zu früheren, acuten Krank- heiten, welche die Patienten durchgemacht hatten, war ein sehr verschiedenes. 14 hatten „als Kind" Morbilli, 8 ebenso Scarlatina überstanden, 3 vor einigen Jahren Pneumonieen. Am „Ty- phus" hatten vor 2, 3 und mehr Jahren 19 unserer Pa- tienten gelitten, doch bfieb es fraglich, ob es stets Typhus abdominalis war; mehrere gaben das Jahr 1856 an, in welchem sie die Krankheit überstanden hatten, ein Jahr, wo in Breslau der exanthematische Typhus epidemisch ge- herrscht hatte. In einem Falle war im Mai 1868 exanthemati- scher Typhus auf der KHnik behandelt worden, einige Monate später wurden die Patienten mit Recurrens aufgenommen. Wyss u. Bock, Febris recurrens. 5 — 66 — Intermittens hatten meist vor Jahren 17 über- standen. Variola ebenfalls „vor Jahren" oder als Kin- der 14. An der Cholera waren 2 Jahre früher, während der Epidemie des Jahres 1866, 10 der Patienten krank ge- wesen; einer in einer früheren Epidemie des Jahres 1852. Ueber das Verhältniss der Febrisrecurrens zum Typhus exanthematicus siehe weiter unten. III. Symptomatologie. Uebersicht des Krankheitsverlaufes. Wir geben in den folgenden Seiten eine möglichst genaue Analyse des Verlaufes und der Symptome unserer Krankheitsfälle. Bietet eine Krankheit, die für unsere Ge- genden, zum Mindesten in der Ausdehnung wie sie hier vorkam, neu ist, schon grosses Interesse, so wird dasselbe noch gesteigert durch die in der letzten Zeit constatirte weitere Ausbreitung über Deutschland. Mit den grossen Zahlen der Petersburger Epidemieen können die unsrigen nicht in Vergleich gezogen werden; es ist aber bei der kleinen Zahl leichter möglich gewesen genauere Studien zu machen. Ausserdem bietet jede Epidemie ihr besonderes Interesse durch besondere Eigenthümlichkeiten des Ent- stehens, des Verlaufes, der Symptome, so dass eine ein- gehende Schilderung gerechtfertigt erscheint. Von der Petersburger Epidemie der letzten Jahre unterscheidet sich die unsrige wesentlich durch die geringere Intensität im Krankheitsverlaufe und durch die verhältnissmässig be- schränkte Ausbreitung, da nach einigen Monaten schon die Krankheit erloschen ist. 5* — 68 — Wie bereits erwähnt ist die Febris recurrens eine epidemisch auftretende, ansteckende Krankheit. Dieselbe charakterisirt sich hauptsächlich durch den plötzlichen Be- ginn eines fieberhaften Anfalles mit sehr hoher Temperatur und beschleunigtem Pulse, mit heftigen Kopfschmerzen und Schmerzen in allen Muskeln, dabei häufiger Schweiss. Das Sensorium ist meist frei, der Schlaf verhältnissmässig gut. Der Appetit fehlt vollkommen, öfter beobachtet man Er- brechen ; Durchfall und Verstopfung sind wechselnde Symp- tome. Charakteristisch ist eine früh auftretende, oft sehr bedeutende Vergrösserung der Milz und Leber mit heftigen Schmerzen in diesen Organen. Nachdem diese Symptome, nach unseren Beobachtungen am häufigsten 4 — 7V2 Tag, mehr weniger intens angehalten haben, tritt unter profusem Schweisse ein collapsartiger Nachlass aller Erscheinungen ein, es beginnt eine fieberlose Zeit, jedoch nur scheinbarer Convalescenz. Die Kranken bekommen Appetit, stehen auf, Leber und Milz werden kleiner. Plötzlich, nach durch- schnittlich 6—7 Tagen tritt ein zweiter Anfall ein, der denselben Symptomcomplex zeigt, wie der erste; wieder besteht ein anhaltender Fieberzustand, und von Neuem tritt Anschwel- lung von Milz und Leber auf. Dieser fast stets kürzere zweite Anfall endet wie der erste mit einer solennen Krisis. Selten tritt ein dritter und vierter Rückfall ein, oder die Krankheit war mit dem ersten Anfalle beendet. Die de- finitive Convalescenz wird zuweilen durch verschiedene Nachkrankheiten gestört. Die Mortalität ist gering, jedoch finden sich schwerere Formen der Krankheit: Febris re- currens biliosa, biliöses Typhoid (Griesinger), bei denen dieselbe viel grösser wird. Auch hier findet sich als her- vortretendes Symptom „der Verlauf des Leidens in getrennten Anfällen", aber weniger scharf abgeschnitten; mehr weniger - 69 — hochgradiger Icterus entsteht oft schon in den ersten Krank- heitstagen; schwere Hirnsymptome treten auf. Stadien, Dauer und Ausgang der Recurrens. Ganz naturgemäss lassen sich bei der Recurrens, wie dieselbe gewöhnfich zu unserer Beobachtung kam, vier Stadien unterscheiden: der erste Anfall, die Intermission, der zweite Anfall oder Relaps, die Reconvalescenz. In Uebereinstimmung mit allen Beobachtern fanden auch wir, dass Prodrome zu den nicht gewöhnlichen Er- scheinungen gehören. Unter unsern 95 Fällen haben wir dieselben 14 Mal verzeichnet; sie bestanden in Abnahme des Appetites, der zuweilen einige, bis 5 Tage vorher schon nachgelassen hatte, meist jedoch nur 12 bis 24 Stunden vor dem eigentlichen Beginn weniger gut war. Gleichzeitig klag- ten die Kranken über allgemeines Unbehagen, über Abge- schlagenheit, zuweilen schon über geringe Schmerzen in den Gliedern, doch auch die letzteren Erscheinungen bestanden nur kurze Zeit vorher, höchstens 12 Stunden. Weitere Beschwerden, die Gegenstand der Klagen der Patienten waren, bestanden in Eingenommenheit des Kopfes und in geringen Kopfschmerzen, ebenso war der Schlaf in der letzten Nacht dann meist etwas gestört. Einmal trat die Krankheit auf, nachdem vorher 7 Tage lang Schnupfen und Husten vorangegangen war. Die Prodrome gingen aber niemals allmählich, wie so häufig beim Abdominaltyphus in einen schwereren Krank- heitszustand über, sondern plötzlich traten, ebenso wie in denjenigen Fällen, in denen die Gesundheit bis dahin eine ganz vollkommen gute gewesen war, die schweren Symptome ein, die den definitiven Beginn angaben. Meist war derselbe — 70 — so deutlich ausgesprochen, dass wir ihn bis auf die Stunde ermitteln konnten. Es fiel die Erkrankung in die Morgen- und Vormittagsstunden von früh 6 Uhr bis gegen 11 Uhr 33 Mal; gegen Mittag, den Stunden von 11 Uhr bis etwa 3 Uhr, erkrankten 17; 26 Mal wurde uns der Be- ginn in den Nachmittags- und Abendstunden angegeben. Von den letzteren trifft eine Erkrankung auf Abends 11 Uhr, wo der während des Schlafes eintretende Schüttelfrost den Patienten erweckte. Ein Kind das noch vollkommen gut während der Nacht geschlafen hatte, erwachte am Morgen krank. Diese beiden Fälle sind die einzigen, in denen die Erkrankung nicht im Laufe des Tages vorkam, denn auch in den noch übrigen 17 Fällen, in denen wir keine die Stunde betreffenden Aufzeichnungen gemacht haben, war doch festzustellen, dass sie im Laufe des Tages erfolgt war. Während ein Theil der Kranken noch in ihrer Wohnung befallen wurde, hatten die meisten, um ihren Geschäften nachzugehen, dieselbe bereits verlassen und erkrankten auf dem Wege zur Arbeit, oder schon während der letzteren. — Bei mehr als der Hälfte unserer Patienten, von 95 waren es 53, wurde die Krankheit durch einen deutlich beschriebenen Schüttelfrost eingeleitet, andere, 15 an der Zahl, gaben im Beginne nur leichtes, kurz andauern- des Frösteln, ein „Schauern" oder „Rieseln über den Rücken" an, das sich öfter, mit Hitzegefühl abwechselnd, wiederholte. In 25 Fällen wurde jedes Frostgefühl in Abrede gestellt, in 2 Fällen fehlen uns die Angaben. Die Dauer des starken Frostes war eine verschieden lange; 10 Minuten bis V2, bis 2 Stunden sollte das „Zähneklappern" angehalten haben, es folgte dann entweder Hitze mit oder ohne Schweiss, oder aber das Kältegefühl hielt weniger intens noch längere Zeit, bis 12 Stunden an, ehe subjective Hitze eintrat. — Hatte die Krankheit mit Frost oder Frösteln begonnen, so war — 71 — dies in der Regel das erste Symptom, jedoch fast gleich- zeitig stellten sich die übrigen Beschwerden ein, bestehend in heftigem Schwindelgefühl, Kopfweh, und Schmerzen in sämmtlichen Gliedern, die Kranken klagten über Kreuzweh; der Schwindel und die Gliederschmerzen waren oft so stark, dass die Patienten unter Ohnmachtsanwandelungen zuweilen zusammensanken und hinfielen. Trat die Erkrankung im Hause ein, so mussten die Betroffenen mit wenigen Aus- nahmen gleich das Bett hüten, Versuche dasselbe zu ver- lassen, konnten nur mit Mühe ausgeführt werden; erkrankten die Patienten während der Arbeit, oder auf der Strasse, so schleppten sie sich mit grosser Anstrengung nach ihren Woh- nungen und brauchten dann zu Entfernungen von 1/i Stunde wegen der grossen Hinfälligkeit eine Zeit bis 2 Stunden. Wir haben nur 2 oder 3 Mal erfahren, dass bei schweren Erkrankungsformen den Patienten noch möglich war, in den ersten 1 bis 2 Tagen herumzulaufen. Der eine be- suchte selbst schon krank seine Frau im Hospitale, in das er sich erst am folgenden Tage aufnehmen Hess. Der Ver- such , der gewöhnten Beschäftigung nachzugehen, miss- glückte aber stets. In's Hospital mussten die Kranken meist mit einem Tragbett abgeholt werden, besser Situirte fuhren, gelaufen sind nur wenige, alle mit grosser Mühe und vielen Ruhepausen. — Mit dem initialen Frost verlor sich der Appetit vollkommen; Uebelkeit, zuweilen Er- brechen wurde im Beginn einige Male beobachtet, heftiger Durst stellte sich ein. Auf den Frost folgte dann stets mehr weniger intensives Hitzegefühl, in einzelnen Fällen ausserdem noch starker Schweiss. — Ein Symptom, das wir vergeblich bei den Berichterstattern der verschiedenen Epidemieen gesucht haben, war eine bald nach der Er- krankung eintretende Müdigkeit, die wir bei Kindern be- sonders beobachteten, aber auch einzelne andere Kranke — 72 — schliefen von Beginn an viel. — Aehnlieh war das Ver- halten und die Klagen der Kranken, wenn der initiale Frost oder Frösteln fehlte; unter plötzlich eintretendem Schwächegefühl bis zur Ohnmacht gesteigert, unter heftigem Schwindel, Kopfweh und Gliederschmerzen trat dann Hitze- gefühl auf. Nachdem so das Leiden ganz acut begonnen hatte, hatte man schon am ersten oder zweiten Tage den Ein- druck einer sehr schweren Krankheit. Mattigkeit und Hin- fälligkeit sind früh schon ausgesprochen. Die Kranken befinden sich in einem anhaltenden Fieberzustande, der zu verschiedenen Tageszeiten mehr weniger tiefe Remis- sionen macht, die Temperatur erreicht schon am ersten Tage 39,5—40° C. und darüber, der Puls geht bis 120, ist Anfangs noch von mittlerer Völle, weich, celer, die Respi- rationsfrequenz ist eine gesteigerte. Die Haut fühlt sich heiss an, ist jedoch nie vollkommen trocken, sondern stets weich, duftend und zuweilen bei hohen Temperaturen an- haltend und stark schwitzend. Eine Eruption eines charak- teristischen Exanthems haben wir nie beobachtet. Wie schon erwähnt ist der Appetit vollkommen verschwunden, und zwar in allen unseren Fällen während des ganzen Anfalls. Erbrechen grünlicher, wässriger Massen tritt bald in den ersten Tagen, bald erst im weiteren Verlaufe auf; die Zunge ist dick weiss belegt, feucht, nur selten mit bräunlichen Massen bedeckt, und später trocken. Der Durst ist andauernd sehr heftig. Schmerzhaftigkeit eines oder beider Hypochondrien fehlt fast niemals, und wird dieselbe durch Druck und durch Percussion noch vermehrt. Durch letztere constatirt man am 2. bis 3. Tage schon die für Re- currens wichtigsten und mit am Meisten charakteristischen Veränderungen an Leber und Milz. Es entwickelt sich oft ziemlich plötzlich eine Anschwellung dieser Organe — 73 — die bis gegen Ende des AnfaUs noch zunimmt, namentlich wird die Grösse der Milz eine viel beträchtlichere als in allen andern fieberhaften, acuten Krankheiten. Geringer Icterus entsteht zu verschiedenen Zeiten, ohne dass die Fäces ihre gallige Beschaffenheit verlieren. Das Abdomen ist meist flach, der Stuhl im Beginn und im weitern Ver- lauf bald retardirt, bald diarrhoisch. Am unangenehmsten aber sind für alle Kranken die heftigen, mehr weniger an- haltenden, reissenden, stechenden Schmerzen in den ver- schiedensten Muskelgebieten und zuweilen in den Gelenken. Bald hier, bald da auftretend sind sie am häufigsten in den Oberschenkeln, den Waden, im Kreuz, im Genick. Die meisten Klagen der Kranken beziehen sich auf diese Schmer- zen, die ihnen nach überstandenem Leiden als das unange- nehmste Symptom in der Erinnerung bleiben. Gegen diese Schmerzen tritt das Kopfweh, das ebenfalls als sehr heftig angegeben wird, doch zurück. Nasenbluten, von wenigen Tropfen bis zu bedeutenden Mengen nur einmal, zuweilen öfter auftretend findet sich zu verschiedenen Zeiten des An- falls, wie überhaupt, abgesehen von Leber- und Milzschwel- lung, die mannigfachen Symptome bald im Beginn, bald erst im weiteren Verlaufe gegen das Ende hin eintreten, ohne dass sich in ihrer Aufeinanderfolge eine bestimmte Regelmässigkeit auffinden Hesse. — Das Sensorium ist in der Regel vollkommen frei, nur selten treten in nicht com- plicirten Fällen Delirien auf. Der Schlaf ist oft gestört, besonders durch heftige Schmerzen; zeitweise aber voll- kommen gut und ruhig, in allen Fällen besser als bei Typhus abdominalis und exanthematicus. Der Urin, in wechselnder Menge entleert, enthält gegen Ende des Anfalls häufig Spuren von Eiweiss und Cylindern. Binnen wenigen Tagen ist eine bedeutende Abmagerung und mit derselben zunehmende Schwäche eingetreten. — 74 — So bleibt das schwere Krankheitsbild ein ziemlich gleiches während des ganzen Anfalls, nur die Prostration nimmt besonders bei profusen Diarrhöen sehr zu; zu ver- schiedenen Zeiten aber kommen im Laufe des Tages Re- missionen der Temperatur, des Pulses vor und in diesen, zuweilen unter leichtem Schweisse, Nachlass des Kopfwehes und der Gliedschmerzen. Ausser diesen Tagesschwankun- gen, denen sich nächtliche anschliessen, kommen aber ferner an verschiedenen Tagen des Anfalls grössere Remissionen vor, zuweilen sogar so bedeutende, dass Puls und Temperatur vollkommen normal werden und die Kranken sich subjectiv wohlfühlen. Wir müssen hervorheben, dass wir solche be- deutendere Remissionen hauptsächlich an dem Tage, der dem Abfall voranging, beobachtet haben, während der dritte Krankheitstag uns nicht den Nachlass der Erschei- nungen zeigte, den englische Beobachter 1843 gefunden haben. *) Während in der Regel die Schwere der Krankheit gegen Ende des Anfalls eine bedeutendere wird, so kom- men anderseits Fälle vor, in denen die schlimmsten Er- scheinungen, die beobachteten Temperatur- und Pulsmaxima auf einen früheren Tag fallen. Meist jedoch tritt eine Stei- gerung aller Symptome gegen den 5. bis 7. Tag ein; grosse Unbehaglichkeit, Unruhe, Klagen über die heftigsten Glie- derschmerzen, über zunehmendes Kopfweh, bedeutendes Oppressionsgefühl bei einem Steigen der Temperatur zu ganz ungewöhnlicher Höhe, bis 42° C. und darüber, zu- nehmende Frequenz des allmählig kleiner und weicher ge- wordenen Pulses, zuweilen profuse Durchfälle, heftiges Nasenbluten, scheinen den Zustand zu einem sehr bedenk- lichen zu machen und dringend zu eingreifender Therapie ') Murchison, 1. c. p. 350. — 75 — aufzufordern, da mit einem Male tritt ganz plötzlich ein Nachlass der Erscheinungen ein, es bricht profuser Schweiss im Gesicht anfangend aus und während desselben, der ver- schieden lange, von wenigen bis 12 Stunden, anhält, fällt die Temperatur, die Pulsfrequenz mehr weniger schnell, alle übrigen Symptome, die eben noch den Kranken be- lästigten, lassen gleichfalls nach und subjectives Wohlbefin- den folgt diesem collapsartigen Zustande. Die Dauer des ersten Anfalles bis zur eingetretenen Fieberlosigkeit betrug nach unseren Beobachtungen im Durchschnitt 5,82 Tage1), im Maximum 11, im Minimum 3, am häufigsten 4 bis 7V2 Tage. Aehnliche Zahlen sind in den verschiedensten anderen Epidemieen zu verschiedenen Zeiten und Orten angegeben worden, besonders ist die häufigste Dauer des Anfalles ziemlich constant auf 5 bis 7 Tage berechnet worden, so in verschiedenen englischen Epidemieen2) des vergangenen und dieses Jahrhunderts. Nach den Petersburger Beobachtungen betrug nach Zorn3) die Dauer 5—6—7 Tage, Zülzer4) hat aus einer grösseren Zahl die durchschnittliche Dauer auf 61 2 Tag berechnet, die etwas grösser ausfällt als die unsrige. Dass während der verschiedenen Zeiten und der verschie- denen Ausbreitung der Epidemie das durchschnittliche Ver hältniss der Dauer des Anfalles sich änderte, hat sich aus unseren Beobachtungen nicht ergeben. Unter unseren aller- dings nur wenig zahlreichen Fällen kamen während der ') Unter „Tag" verstehen wir stets einen Zeitraum von 24 Stunden. 2) Murchison, 1. c. pag. 350. (Deutsche Ausgabe S. 337.) 3) Petersburger medic. Zeitschrift, 1865. 7. u. 8. Heft. p. 19. *) 1. c. pag. 681. — 76 — ganzen Zeit der Epidemie promiscue längere und kürzere Anfälle vor. Ob das Contagium stärker eingewirkt hat, oder wodurch die verschiedene Dauer bedingt und beein- flusst wird, können wir nicht entscheiden. Ein Einfluss von Alter und Geschlecht machte sich nach unsern Er- fahrungen nicht geltend. Die Dauer des Abfalles, nach den Temperaturmessun- gen bestimmt, war eine verschieden lange, in der Regel eine kritische, nur einige Male beobachteten wir bei auch sonst etwas abnormen Fällen eine lytische; stets aber war in unseren Fällen der Anfall ein scharf begrenzter, ausser etwa, wenn Complicationen hinzutraten. — Die „solenne Krisis" wurde weitaus am häufigsten durch den Eintritt eines mehr weniger profusen Schweisses eingeleitet, welcher bald von Beginn des Abfalls, bald erst gegen das Ende dessel- ben eintrat und verschieden lange (2—3—12 Stunden) an- hielt, nur in 7 Fällen (von 95) constatirten wir ein voll- kommenes Fehlen des Schweisses. Die Temperatur, der Puls sanken continuirlich, die Differenzen waren in kurzen Zeiträumen so bedeutende, wie dieselben bei keiner anderen Krankheit bisher beobachtet wurden. Oft trat der Abfall während des Schlafes über Nacht ein, die Kranken, die am Abend noch heftiges Fieber ge- habt hatten, erwachten, noch profus schwitzend, vollkommen fieberlos mit dem Gefühle subjectiven Wohlseins; jedoch auch am Tage schliefen einzelne Kranke, besonders Kinder, während des ganzen Abfalls. Oefter haben wir eine schon in früheren Epidemieen gemachte Beobachtung constatiren können, dass nämlich zuweilen unmittelbar vor dem Ab- falle ein leichtes Frösteln oder selbst ein stärkerer Schüttel- frost doch nur von kürzerer Dauer voranging, der mit einem Ansteigen der Temperatur des Pulses oft bis zum — 77 — Maximum der während des Anfalles beobachteten Höhe, verbunden war. (Perturbatio critica.) Während der Schweiss ein fast constantes Symptom im Abfall war, waren andere seltener auftretende das schon erwähnte Nasenbluten; ferner sahen wir einmal bei fehlendem Schweisse eine sehr reichliche Urinentleerung eintreten. Der Stuhl bot keine constanten Verhältnisse, wir haben zur Zeit des Abfalls ebenso wie zu anderen Zei- ten diarrhoische Ausleerungen beobachtet. Nur selten traten spontane dünne Stühle mit dem Abfall ein und ver- schwanden ebenso schnell und ohne Medication nach dem- selben (kritische Ausleerungen). Häufige 10—12 dünne und reichliche Ausleerungen waren einige Male bei fehlender Schweisssecretion vorhanden, in andern Fällen war bei fehlendem Schweisse der Stuhl retardirt, oder es bestand profuse Diarrhoe neben profusem Schweisse. In dem auf den Abfall folgenden fieberlosen Zeitraum, der Intermission, ist die Temperatur in den ersten Tagen meist subnormal, der Puls wird oft sehr langsam, wir haben eine Frequenz von 44—48 nicht selten beobachtet, sehr leicht findet bei den geringsten Bewegungen eine Ver- mehrung der Pulsschläge Statt. Die Respiration ist eben- falls langsamer geworden. Während das Kopfweh im ganzen Verlaufe der Intermission fehlt, treten dagegen ohne febrile Erscheinungen die im Abfall verschwundenen Schmerzen in verschiedenen Muskeln oft mit grosser Heftig- keit, im Uebrigen ganz in derselben Weise wie im Anfall, auf, dieselben lassen besonders ebenso schneU nach und wechseln ihren Sitz. Die Zeit des Auftretens ist keine con- stante, bald am ersten Tage nach dem Abfall, bald erst später belästigen sie den Kranken sehr, und auch die Gelenke Bind zuweilen schmerzhaft. Sehr bald reinigt sich die Zunge, die vollkommene Anorexie schwindet, die Patienten bekom- — 78 — men Appetit und können ohne Bedenken gut genährt wer- den; der Stuhl wird bei normalem Verlaufe vollkommen regelmässig, und sehr leicht lässt sich ein Abschwellen der Leber und Milz constatiren, und zwar ein so be- deutendes, dass besonders die Milz bis fast zur normalen Grösse zurückkehrt; die Schmerzhaftigkeit der Hypochon- drien ist nicht mehr vorhanden. Trotz der oft ziemlich beträchtlichen Anämie (häufig hört man am Herzen und den Halsgefässen accidentelle Geräusche), trotz der bedeu- tenden Abmagerung, die sich eingestellt hat (das Körper- gewicht nimmt schnell ab), erholen sich viele Kranke bei längerdauernder Intermission so weit, dass sie das Bett verlassen und sich einige Zeit ausserhalb desselben aufhalten können. Noch andere fühlen sich so kräftig, dass sie sich im Freien bewegen, ja, 2 unserer Patienten verliessen sogar, trotz unserer Gegenvorstellungen das Hospital, um ihren Beschäftigungen nachzugehen, bis sie der 2. Anfall wieder zu uns führte. Obgleich die Temperatur in der zweiten Hälfte der Intermission sich zuweilen etwas über die Norm erhebt, bleibt doch das subjektive Befinden ein gutes, und in der Regel vollkommen ungeahnt tritt ohne Prodrome ein zwei- ter fieberhafter Anfall, der erste Relaps ein. Die Dauer der Intermission vom vollendeten Abfall bis zum Beginn des neuen Anfalls gerechnet, fanden wir im Durch- schnitt 6,9 Tage, am häufigsten 5V2 bis 8% Tage, im Minimum 1, im Maximum 972- In einigen Fällen aber ging die Intermission in die Convalesenz über; nach einer Beobachtung, die sich zuweilen über mehrere Wochen er- streckte, sahen wir keinen 2. Anfall eintreten. Douglas berechnete eine Durchschnittsdauer der Intermission auf — 79 — 7,15 Tage.1) Zorn fand am häufigsten eine fieberfreie Zeit von 7, nächstdem 6 und 8 Tagen,2) und dasselbe giebt nach einer Zusammenstellung von über 400 Fällen Zülzer für die Petersburger Epidemie von 1864 65 an.3) Warum in einzelnen Fällen, von denen später aus- führlich berichtet werden soll, der 2. Anfall fehlt, dafür müssen wir eine Erklärung schuldig bleiben. Bei gleicher Einwirkung des Contagiums in einer FamiHe, bei gleicher Lebensweise, gleichem Ernährungszustande, bei gleicher Schwere des ersten Anfalls sahen wir bei einem Schwester- paare bei der einen einen schweren zweiten Anfall folgen, und warteten bei der zweiten vergeblich auf den Eintritt desselben. Vom Beginn der Erkrankung an gerechnet fiel unter 85 Fällen das Eintreten des zweiten Anfalls auf den 9. Krankheitstag in 1 FaU, 10. - 2 11. - 8 12. - 16 13. - 16 14. - 16 15. - 11 16. - 7 17. - 4 18. - 2 20. - 1 24. - 1 Es ergiebt sich aus dieser Tabelle, dass der 2. Anfall am häufigsten am 12., 13. und 14. Krankheitstage (in je 16 Fällen) sich einstellte, während die äussersten Grenzen auf ') Murchison, 1. c. pag. 351. *) 1. c. pag. 27. ») 1. c. pag. 683. — 80 — den 9. und 24. Tag fielen. In der Regel ohne alle Pro- drome trat plötzlich der Anfall ein, so dass die Kranken in den verschiedensten Situationen davon überrascht wur- den. Zuweilen hatten sie das Bett noch nicht verlassen bei kurzdauernder Remission, andere gingen schon mehrere Tage im Zimmer umher oder hielten sich bei schönem Wetter im Garten auf. Unter 83 Beobachtungen mit den betreffenden Angaben fiel der Beginn 11 Mal auf die Nachtstunden, theils erwachten die Patienten beim Eintritt der Erkrankung, theils erst am Morgen mit schon hoher Temperatur. 18 Mal fiel der Eintritt des Relapses auf die Morgen- und Vormittagsstunden bis gegen 11 Uhr, 14 Mal auf die Mittagsstunden bis gegen 3 Uhr, in der Mehrzahl auf die späteren Nachmittags- und Abendstunden, nämlich in 40 Fällen. Auffallend war uns, dass viele der Kranken am ersten Tage, nachdem sie das Bett für einige Zeit verlassen hatten, oder nachdem sie zum ersten Male im Garten gewesen waren, vom Rückfall er- griffen wurden, in 5 Fällen unserer Beobachtung folgte der letztere fast unmittelbar auf heftige Gemüthsaffekte, es war dies aber zur Zeit der am meisten verhängniss- vollen Tage 12 bis 14. In mehr als der Hälfte von 83 Fällen, in 48, wurde der zweite Anfall durch Frost eingeleitet, der meistens (38 Mal) nur als „leichtes Schaudern", „kurz andauerndes Frösteln", „kaltes Rieseln über den Rücken" angegeben wurde, während nur 10 Mal ein kurzer meist V4 bis V2 stün- diger, selten 1 stündiger Schüttelfrost den Beginn der neueu fieberhaften Periode anzeigte. In 35 von unseren genauer beobachteten Fällen fehlte jeder Frost; entweder klagten die Kranken über plötzliches Hitzegefühl, dem zuweilen Schweiss folgte, mit „Ziehen" und andern abnormen Sen- sationen in den Gliedern, Symptome, die auch bei vornan- — 81 — denem Froste nach demselben eintraten, oder es war zu- weilen das subjective Befinden trotz höherer Temperatur bis 39° C. Anfangs ein vollkommen gutes, und sehr viele Kranke hatten im Beginn noch ungestraft guten Appetit, so dass wir Diätfehler überhaupt nicht als ein den Relaps begünstigendes oder bedingendes Moment ansehen können. Gestaltet sich so der Beginn des 2. Anfalls auch etwas anders als der des ersten, so ist doch der Verlauf dem- selben ziemlich gleich, wenn auch im Allgemeinen der Ein- druck, den die Kranken machten, trotz grösserer Schwäche und grösserer Abmagerung der einer leichteren Erkrankung war. — In der Regel steigt das Fieber weniger schnell an, die Temperatur, der Puls geht weniger rasch als im Krank- heitsbeginn in die Höhe; es fehlt im Anfange des Rückfalls noch die Prostration, das Kopfweh, die Gliederschmerzen, und erst am folgenden Tage treten diese Symptome in den Vordergrund. Der Appetit verschwindet wieder vollkom- men, die Zunge bekommt einen dicken Belag, im weiteren Verlaufe tritt zuweilen Erbrechen auf, heftiger Durst besteht anhaltend. Am wichtigsten sind die von neuem auf- tretende Anschwellung von Leber und Milz, die wir nur bei leichten, später genauer zu erörternden Anfällen fehlen sahen, die sonst aber ausnahmslos eintritt; gleichzeitig werden die Organe wieder schmerzhaft. Nasenbluten stellt sich ebenso wie im ersten Anfall ein, ebenso gestalten sich die Verhältnisse der Stuhlausleerungen, des Urins. Auch im 2. Anfalle treten regelmässig zu den ver- schiedenen Tageszeiten mehr oder weniger constante Remis- sionen der Temperatur, des Pulses mit Nachlass des Kopf- weh's, oft unter leichten Schweissen, ein; ausser diesen Tagesschwankungen kommen aber im 2. Anfall nicht gerade selten sehr tiefe Remissionen vor, die so bedeutend sind, dass man glauben möchte, es mit einem ausgesprochenen Wyss u. Bock, Febris recurrens. " — 82 — Abfalle zu thun zu haben, wenn nicht von Neuem nach wenigen Stunden der fieberhafte Zustand wieder ein- träte. Es sind dieselben nicht als Collapszustände aufzu- fassen, denn dafür fehlen die Erscheinungen, sie sind nicht bedingt durch profuse Diarrhoen, durch Nasenbluten oder derartige Complicationen, die beim Abdominaltyphus z. B. eine oft sehr beträchtliche Herabsetzung der Temperatur bedingen könnnen. Derartige Remissionen, wenn auch nicht immer so erheblich, kommen ziemlich häufig am Tage vor dem Abfall zur Beobachtung. Ehe derselbe eintritt, kommt es auch beim zweiten Anfall zu einer Zunahme der sub- jektiven Beschwerden des Kranken und zu einer Steigerung der objektiven Fiebersymptome, zu einer Endgipfelung wie dieselbe für den ersten Anfall schon auseinander gesetzt wurde. Nicht gerade immer entspricht dieser Zustand, besonders die Temperatur, dem Maximum des Anfalls, eine Verschlimmerung vor dem Abfall ist aber die Regel. Ueber das Verhältniss der Schwere des zweiten An- falls zum ersten und zu der Intermission lässt sich soviel angeben, dass dasselbe ein sehr wechselndes sein kann, bald ist ein schwerer erster Anfall gefolgt von einem schweren, bald von einem leichten zweiten, und umgekehrt. Die Dauer der Intermission ist keine von der Dauer oder Schwere der Anfälle abhängige; dagegen ist die Dauer des zweiten Anfalls in der Regel eine weit kürzere, als die des ersteren; dieselbe betrug in unseren Fällen: im Durchschnitt, gewöhnlich, im Minimum, im Maximum 3,58 Tage. 2% bis 5. einige Stunden. 8 Tage. Zum Vergleich führen wir nochmals die entsprechen- den Zahlen für den ersten Anfall an: im Durchschnitt, gewöhnlich, im Minimum, im Maximum 5,82 Tage. 4 bis 7 72. 3 Tage. 11 Tage. — 83 — Die Dauer des Relapses giebt Murchison1) auf 3 bis 5 Tage als gewöhnlich an, während selten der zweite Paroxysmus nur unter 24 Stunden und bis 7 und 8 Tage, wie auch in unseren Beobachtungen, dauert. Zorn2) findet meistentheils 3, 2 und 4 Tage. Der 2. Abfall erfolgt unter denselben Erscheinungen wie der erste, fast regelmässig kritisch durch profusen Schweiss. Letzterer fehlte in 6 Fällen, in denen er im ersten Abfall eingetreten war. Die Zeit des Abfalls fiel auffallend häufig auf die Nachtstunden, und zwar in 34 Fäl- len, d. h. vom Abend bis zum nächsten Morgen, während die Patienten schliefen. Ganz gleich wie im ersten Abfall und nach demselben gestaltet sich das Verhältniss auch beim zweiten. Die noch mehr abgemagerten Kranken fühlen sich zwar sehr schwach, aber sonst voUkommen wohl; die subjectiven Beschwerden des Kopfweh's und der Gliederschmerzen haben wieder nachgelassen, Puls und Temperatur werden wieder subnormal. Die nun beginnende Convalescenz ist eine verhältnissmässig langsame, obgleich die Patienten sehr bald guten Appetit entwickeln; die Ab- magerung verschwindet nur sehr allmählig, und selbst bei guter, kräftiger Kost erreichten unsere nach längerer Zeit entlassenen Patienten nicht das Körpergewicht wieder, das sie bei Aufnahme, im Beginne der Krankheit, gehabt hatten. In den ersten Tagen nach dem zweiten Abfall, selten durch längere Zeit noch anhaltend, treten wie in der Intermission zuweilen die bekannten lästigen Schmerzen in den ver- schiedensten Muskeln auf, die wir jedoch nicht auf tiefere Veränderungen des Muskulatur beziehen möchten, da sie so schneU entstehen, vergehen und ihren Sitz ändern. Die ') 1. c. pag. 352. (Zülzer, p. 339.) 2) 1. c. p 19. 6* — 84 — Anämie macht sich noch sehr fühlbar in der ersten Zeit, die accidentellen Geräusche am Herzen, die während der Fieberanfälle schon beobachtet wurden, haben wir oft noch längere Zeit hören können; nicht selten kam es vor, dass die Kranken über Ohnmachtszufälle, über „Schwarzwerden" vor den Augen klagten. Geringe Oedeme der Knöchel und höher bis zum Knie kamen öfter vor. — Die Dauer der ganzen Krankheit betrug, selbst in leichteren Fällen, 4 bis 5 Wochen, ehe sich die Patienten einiger Maassen erholt hatten um ihrer Arbeit nachgehen zu können. Compli- cationen, von denen später ausführlich die Rede sein soll, traten während der verschiedenen Stadien der Krankheit ein, und durch dieselben wurde der Verlauf oft ein sehr langwieriger, dass einige Patienten Monate lang im Hos- pital behalten werden mussten. Der Krankheitsprozess hatte bei fehlenden Compli- cationen sein Ende nach dem zweiten Abfall erreicht; wir haben deutlich ausgesprochene weitere Anfälle unter unseren Beobachtungen nicht gesehen. Murchison erwähnt, einen dritten Anfall oder zweiten Relaps nach einer grösseren Zusammenstellung in 106 von 1463 Fällen; derselbe beginnt und endigt wie die ersten beiden Paroxysmen; der Verlauf ist ein leichterer, die Dauer selten über 48 Stunden. Auch Zorn führt das Eintreten von meist nur 2 bis 3 Tage an- haltenden dritten Anfällen als ein selteneres Vorkommen an. Es können aber noch öfter leichtere Rückfälle ein- treten. Die Petersburger Beobachter erwähnen deren bis 5, ebenso Murchison, dass also im Ganzen 6 Anfälle zur Beobachtung kamen. Letzterer hebt hervor, dass die späte- ren Anfälle sehr leicht seien, und meist einer gewöhnlichen „Febricula" gleichen. Derartige, sehr schnell, oft schon nach einigen Stunden vorübergehende, fieberhafte Zu- stände haben wir ebenfalls beobachtet und müssen sie — wo- nach der Analogie mit diesen weiteren Anfällen als leichte dritte Anfälle auffassen, wenn sich auch vielfache Be- sonderheiten zeigen. Die in den obigen Seiten gegebene Schilderung ent- spricht dem Verlaufe der Krankheit, wie dieselbe uns am häufigsten zur Beobachtung kam, und wie dieselbe, so weit wir in Erfahrung gebracht haben, überhaupt in Breslau aufgetreten ist. Es waren dies meist Fälle einfacher Febris recurrens mit geringer Mortalität; Uebergänge zu den schwe- ren Formen der Febris recurrens biliosa, dem biliösen Typhoid kamen uns einmal vor. Biliöses Typhoid scheint auch in den englischen, irischen "Und schottischen Epidemien selten vorgekommen zu sein, abgesehen davon, dass früher derartige FäUe für „gelbes Fieber" gehalten worden sein mögen, (Griesinger1). Murchison2) glaubt, dass das biliöse Typhoid nicht in Beziehung mit Relapsing zu brin- gen sei, sondern dass man es als ein remittirendes Malaria- fieber auffassen müsse. Die Beobachtungen der seit 1864 in Petersburg herrschenden Epidemie haben aber den Con- nex beider Formen ausser allen Zweifel gestellt. (Vgl. die citirten Abhandlungen von Herr mann, Zorn etc.) Von der verschiedenen Häufigkeit dieser schweren Formen mag es zum Theil wohl herrühren, dass die Mortalität zu den verschiedenen Zeiten der Petersburger Epidemie eine so verschieden grosse gewesen ist. Der Ausgang war in unsern 95 Fällen ein günstiger. Durch die Complicationen wurde derselbe zwar verzögert, aber selbst Fälle, in denen profuse blutige Stühle einge- treten, in denen Parotitiden zur Entwickelung gekommen waren, endeten schliesslich doch mit Heilung. Nur 2 Mal *) Infektionskrankheiten, 2. Aufl. p. 286 in der Anmerkung. 2) 1. c. pag. 301 und 302. — 86 — beobachteten wir einen tödtlichen Ausgang. Nach den zahl- reichen Petersburger Beobachtungen tritt der Tod meist im zweiten Anfalle, seltener schon im ersten oder zu ver- schiedenen anderen Perioden ein, und zwar erfolgt derselbe auf der Höhe des Anfalls durch „Herzparalyse mit ihren begleitenden Symptomen". Das bis dahin freie Sensorium wird benommen, der Puls sehr schnell und klein, und unter schnellem Verfall der Kräfte erlischt das Leben. Mehr allmählich ist dieser Collaps, wenn der Tod nach stattge- fundenem Abfall eintritt; anstatt sich nach dem profusen Schweisse zu erholen bleibt der Kranke schwach, sein Puls wird kleiner und kleiner, und unter zunehmender Er- schöpfung geht er schliesslich zu Grunde. — Urämische Erscheinungen, Coma und Convulsionen bei stockender Urinsecretion sind ebenfalls zuweilen Ursache des Todes, ferner subarachnoideales Oedem. Blutbrechen, profuse Nasen- blutungen, die gar nicht zu stillen sind, bedingen ebenfalls zuweilen den lethalen Ausgang. Abgesehen von diesen angeführten Ursachen, die während der Krankheit selbst zum tödtlichen Ende führen, bedrohen noch verschiedene Nachkrankheiten das Leben (Zorn 1. c), unter denen be- sonders hartnäckige chronische Darmkatarrhe gefährlich werden können. Chronischer Milztumor mit andauernden Fieberbewegungen und Schüttelfrösten ist zuweilen- die .Folge von Milzabsecssen, die bei Durchbruch nach der Bauch- oder Brusthöhle tödtlich werden. Analyse der einzelnen Phänomene. Lage. Besprechen wir zuerst mit wenigen Worten die Lage und Haltung der Kranken, so war dieselbe meist eine passive Rückenlage, aus der sie sich aber selbst bei grös- serer Prostration nach verschiedenen Seiten wenden konn- ten. Oft jedoch in Folge von Schmerzen im Genick, in den Gliedern war die Haltung eine etwas steife, den Kopf nach hinten gezogen wagten sich die fiebernden Patienten dann kaum zu rühren. Die meisten lagen still und ruhig, ohne zu stöhnen. Grössere Unruhe mit Jactationen stellte sich zuweilen in Fällen ein, wo das Fieber einen sehr hohen Grad erreichte, oft ziemlich plötzlich warfen sich die Kran- ken mit dem Ausdrucke grosser Angst hin und her, nah- men wegen des bedeutenden Oppressionsgefühles die sitzende Stellung ein, bis mit dem Temperaturabfall, dem derartige Zustände voraufgingen, ein schneUer Nachlass eintrat. Symptome des Nerven- und Muskelsystems. Das Symptom, über welches alle Kranke ausnahmslos, selbst unser kleinster Patient von 3 Jahren, und zwar von Beginn der Erkrankung an, klagten, ist der heftige Kopf- — 88 — schmerz. — Schon im initialen Schüttelfrost oder wo dieser fehlte, oft auch als erstes Symptom auftretend, wurde der- selbe als sehr heftig, als „stechend", „drückend", „klopfend", oder als „dumpfer Schmerz" bald im ganzen Kopfe, bald nur auf einzelne Theile beschränkt angegeben, am häufig- sten war der Sitz in der Stirn und in den Schläfen, seltener in Scheitel und im Hinterkopf. — Die Schmerzen hielten intensiv während des ganzen ersten Anfalls an, einen Nach- lass derselben konnten wir jedoch sehr häufig am Morgen constatiren und fiel uns öfter auf, dass dieser Nachlass mit den Remissionen der Temperatur und mit gleichzeitig auch im Uebrigen etwas besserem Befinden verbunden war. Ge- gen Abend traten Exacerbationen ein; im Laufe des Tages war der Schmerz zeitweise, besonders beim Ansteigen der Temperatur, wieder heftiger, wurde aber sehr gemildert durch Anwendung von Eisüberschlägen. Das Kopfweh er- reichte gegen Ende des Anfalls mit Steigerung der übrigen Erscheinungen, besonders mit dem Maximum der Tem- peratur, die grösste Höhe, im Abfall Hess es sehr schnell nach und war mit dem Ende desselben vollkommen ver- schwunden. In der Apyrexie war der Kopf stets frei und öfter auch noch im Beginn des zweiten Anfalls, bald trat das Kopfweh von Neuem auf, auch bei nur kurzen Anfällen. Selten war es so heftig wie im ersten Anfall, und einmal fehlte es vollkommen. Wieder Hess es mit Nach- lass der Fiebererscheinungen nach, sei es, dass dieselben nur eine ungewöhnlich tiefe Remission darstellten, sei es, dass der definitive Abfall erfolgte. Weiterhin klagten die Patienten nicht mehr. Nach dem ganzen Verlaufe der Schmerzen, besonders nach den Remissionen und nach vollkommenem Nachlass mit dem Fieber müssen wir dieselben wohl als durch letz- — 89 — teres bedingt ansehen. Schwere palpable Gehirnerkrankun- gen sind von uns nicht beobachtet worden. Unter den subjectiven Symptomen trat, als für die Kranken sehr lästig, ein bedeutendes Schwindelgefühl ein, oft als erstes Symptom überhaupt, das zuweilen ein- trat, bevor noch der Frost'sich eingestellt hatte. Dasselbe war so intensiv, dass sich Viele deshalb nicht auf den Bei- nen halten konnten, sondern hin und her schwankten und selbst hinfielen; das Gehen wurde dadurch sehr erschwert und glich dem eines Betrunkenen, ein Vergleich, der von den Kranken auch ohne Befragen oft gemacht wurde. Auf dem Wege nach Hause, wenn sie bei der Arbeit erkrankt waren, mussten sich die Kranken, zum Theil wenigstens wegen des Schwindels oft hinsetzen, sich anhalten und konn- ten sich überhaupt nur noch mit Mühe langsam und schwan- kend weiter bringen. Im Verlauf bestand wohl ausnahms- los das Gefühl des Schwindels mehr weniger intensiv, viele konnten nicht aus Bett ohne Gefahr zu laufen hinzufallen; viele gaben es auch beim Aufsetzen an. Im zweiten An- fall kehrte das Symptom wieder, doch weniger regelmässig als während des ersten. Es blieb bisweilen noch in den ersten Tagen der Apyrexie bestehen. Abgesehen von Complicationen mit Delirium tremens war das psychische Verhalten unserer Kranken in der Regel nicht gestört. Mit etwas mattem Ausdruck ruhig daliegend, gaben die Patienten vollkommen richtig über die Art ihrer Erkrankung, über ihren augenblicklichen Zu- stand Auskunft; viele, die ziemlich anhaltend auch am Tage ruhig schliefen, waren leicht aus dem Schlafe erweckt und antworteten sachgemäss. Die Benommenheit, die im Ver- laufe des Typhus abdominalis und Typhus exanthematicus so regelmässig eintritt, fehlte fast stets, und nur in einzel- — 90 — nen Fällen wurden bei anhaltend sehr hoher Temperatur vor dem Abfall die Kranken benommen; mit stierem Blick, sehr erschöpft daliegend, fuhren sie mit den Händen in der Luft herum, antworteten nicht auf Anrufen, waren aber für andere Reize empfindlich. Auch diese schweren Zustände gingen in unsern Fällen in Genesung über, mit dem bald darauf eintretenden Abfall Hessen sie allmählich nach. In der Intermission wurden die Kranken weiterhin frei, sehr bald theilnehmend, lebhaft. — Im Beginne des zweiten Anfalles bemerkten wir die Mattigkeit noch nicht, erst etwa 24 Stunden später stellte sich dieselbe wie- der ein. Delirien waren trotz des hohen Fiebers in unseren Fällen ein selten beobachtetes Vorkommen. Allerdings gaben einzelne Patienten an, vor Aufnahme in das Hospital „phantasirt" zu haben, die weitere Beobachtung constatirte dies nicht mehr, und nur in 4 Fällen kamen Delirien vor, jedoch in ganz anderer Weise, als beim Typhus abd.; nur vorübergehend traten sie für einige Stunden auf, ein- mal bei einem Mädchen von 6 Jahren am Abend des 2. Krankheitstages, einmal traten dieselben vor dem zweiten Abfall und zwei Mal vor dem ersten Abfall ein. Oefter dagegen haben wir notirt, dass die Kranken während des nur zuweilen etwas unruhigen Schlafes plauderten, dass sie zuweilen zusammenschreckten, und dass die Kinder beson- ders aufschrieen. Diese Erscheinungen, die Folgen von lebhaften Träumen, sind vom Delirium zu trennen. Ueber Complicationen mit Delirium tremens berichten wir weiter unten. No. 67. August Gniechwitz, 48 Jahr, Arbeiter, aufgenommen am 17. August 1868, entlassen den 14. September. Erkrankte nach einer nachweisbaren Incubationsdauer von mindestens 5 Tagen am 14. August 1868 Abends 4 Uhr mit ein- — 91 — stündigem Schüttelfrost gefolgt von Hitze und Schweiss. Kopfweh, heftiges „Reissen und Schmerzen" in allen Gliedern, kein Appetit, viel Durst, täglich 1 bis 2 dünne Stühle. Schleppte sich mühsam in's Hospital. • Status präs. am 17. August Abends. (Beginn des 4. Krankheitstages) Kräftig gebaut, Kopfweh, heftige Glieder- schmerzen. Sensorium frei. Puls 116, regelm. celer. Resp. 28. Temp. 39,8 ° C. Zunge dünn belegt, feucht, Ränder roth, viel Durst, kein Appetit. Milz 11 Ctm. hoch, bis zur vorderen Axillarlinie über 15 Ctm. lang, Abdomen flach, Epigastrium gedämpft. Leber in der Medianlinie 10 Ctm. hoch, in der Parasternallinie 12 Ctm. in der Papillarlinie IIV2 Ctm. und in der vorderen Axillarlinie 11 Ctm. Herztöne rein, auf den Lungen hinten beiderseits etwas Rasseln, geringer Husten. Ord.: Eisblase. Acidum muriat. 18. August früh. Guter Schlaf, weniger Kopfweh, 2 dünne gelbe Stühle. Puls 100. Resp. 26 Temp. 39,8° C. Abends (5. Krankheitstag). Puls 120. Resp. 32. Temp. 40,4° C. Stärkeres Kopfweh, weniger Gliederschmerzen. 19. August früh. Puls 104. Resp. 28. Temp. 39,4° C. Im Schlafe etwas gesprochen. 2 dünne Stühle. Abends. Puls 100. Resp. 28. Temp. 39,4° C. (Mittags 1 Uhr Temp. 40,7.) Seit 3 Uhr mit Unterbrechungen Blutung aus beiden Seiten der Nase, gegen 400 C. C, die dann vollkommen steht. 20. August. Puls 88, ziemlich klein. Resp. 28. Temp. 38,4 ° C. Patient wurde gegen Morgen plötzlich sehr unruhig, sprach von seiner Arbeit, dabei verstört, lacht viel, wollte zum Bett heraus. Blutung steht. Ord. Branntwein. Abends 5 Uhr. Temp. 41 ° C. Sensorium vollkommen frei, nur bedeutende Prostration. Puls gegen 6 Uhr 84. Resp. 28, schwitzt etwas. 21. August. Unter gutem Schlaf und massigem Schweiss Abfall der Temp. 36,2. Puls 78. Resp. 24. Subjectiv wohl, 2 dünne Stühle. Während der Intermission ging am 25. August, am Ende des 11. Krankheitstages der Puls bis 52 zurück, derselbe war sonst meist 60 bis 76. Gliederschmerzen stellten sich vorübergehend ein, Milz und Leber wurden ziemlich beträchtlich kleiner; geringe Oedeme beim Umhergehen am 12. Krankheitstage Am 30. August Abends trat ohne Frost der Rückfall mit Temp. bis 41,5 ° C. ein, der unter starkem Schweiss am 20. Krank- heitstage über Nacht vom 2. zum 3. September zu Ende ging. Das psyehische Verhalten war im weiteren Verlaufe nicht mehr gestört gewesen. Geheilt entlassen am 14. September 1868. Ein zweiter hierher gehöriger Fall, bei welchem sich die Verwirrtheit bis in die fieberfreie Zeit fortsetzte, ist folgender: No. 25. Joseph Bischof, 11 Jahr, Schulknabe. Aufgenommen am 27. Juni 1868, — 92 — Hatte im Jahre 1866 Cholera, im Jahre 1867 „Typhus" mit seiner ganzen Familie überstanden. Schnupfen und Husten bestand einige Tage vor seiner Erkrankung; letztere erfolgte am 25. Juni Abends 8 Uhr. Patient fiel auf der Strasse hiil; kurzer Schüttel- frost, gefolgt von Hitze und Schweiss Kopfweh und Schwindel, heftige Schmerzen in Armen und Beinen, so dass Patient kaum laufen konnte. Kein Appetit, 4 bis 5 Mal Erbrechen am Tage vor der Aufnahme. — Wurde ganz verwahrlost in's Hospital getragen. Status präsens am 27. Juni Abends. (Beginn des 2. Krankheitstages.) Schlecht genährt, mattes Aussehen, beträcht- liche Prostration. Injicirte Wangen, heisse trockne Haut. Abge- sehen von Flohstichen, kein Exanthem. Puls klein, regelmässig, 120. Resp. 32. Temp. 5 Uhr 40,8° C. Aus der Nase fliesst reichlich dünnes Secret, Husten ohne Auswurf. Klagt über heftiges Stirn- und Schläfenkopfweh, über heftige Schmerzen in den Waden, den Oberschenkeln, in beiden Armen; die Brustmuskeln sind auf Druck sehr empfindlich, ebenso das flache Abdomen. Zunge dick weiss belegt, kein Appetit, hat nicht mehr gebrochen. Kein Stuhl. Milz 5 Ctm. hoch bis zur vorderen Axillarlinie, Epigastrium nicht ge- dämpft, beide Hypochondrien schmerzhaft. — Herztöne rein, auf den Lungen keine Dämpfung, hinten unten sparsame Rassel- geräusche. Ord. Eisblase auf den Kopf, und indifferente Behandlung. 28. Juni. Schlaf gut, auch am Tage viel. Ab und zu plaudernd. Puls 132. Resp. 36. Temp. früh 7 Uhr 40° C. Abends (4. Krankheitstag). Puls 128. Resp. 28. Temp. 5 Uhr 40.2° C. 29. Juni. Puls 128. Resp. 28. Temp. früh 7 Uhr 39,6 °C. Im Schlafe etwas geplaudert, schläft auch am Tage. Die Milz ist grösser geworden, nach vorn geht dieselbe bis zur Papillarlinie, nach unten über den Rippenbogen. Höhe 9X/2 Ctm. Leber in der Medianlinie 7 Ctm., Papillarlinie 10 Ctm., vorderen Axillarlinie 10 Ctm. Epigastrium gedämpft. Gliederschmerzen, heftiges Kopfweh. Abends (5. Krankheitstag). Puls 104. Resp. 28. Temp. 41,0° C. Wurde im Laufe des Tages sehr unruhig; liegt mit geschlos- senen Augen im Bett, aber nicht schlafend, und schwatzt alle möglichen Dinge durch einander; bald sieht er verschiedene Gegenstände, nach denen er greift, bald Männer, die ihn schlagen wollen; voll- kommen verwirrt. 30. Juni (6. Krankheitstag.) Puls 104. Resp. 30. Wäh- rend der Nacht sehr unruhig, hat sich viel hin- und hergeworfen und viel unverständliches Zeug geschwatzt. Früh 7V4 Uhr heftiger Schüttelfrost von einer Viertelstunde, Temperatur in der Achselhöhle 42,0° C. Im Laufe des Tages findet dann der Abfall statt, fast ohne jeden Schweiss. Abends (6. Krankheitstag.) Puls 76. Resp. 24. Temp. im Rectum 36,0 ° C. Patient verhält sich ruhiger, sehr schwach. Etwas Urin in's Bett. Kopfweh, die Gliederschmerzen haben nachgelassen. — 93 — 1. Juli. War in der Nacht wieder sehr unruhig, wollte zum Bett hinaus, so dass er festgeriemt werden musste, hat viel geschwatzt Urin in's Bett. Fieberlos. Puls 72. Resp. 20. Temp. im Rectum 37,0° C. Abends. (7. Krankheitstag.) Noch immer unruhig, schreit beständig, sieht alle möglichen Gestalten, Menschen, Thiere, geht zum Bett hinaus, kein Schlaf am Tage. Puls 72. Resp. 20. Temp. in der Achselhöhle 36,9 ° C Ordin Tinct. Opii spl. 3 Tropfen. 2. Juli. (9. Krankheitstag.) Hat gut und ruhig geschlafen und schläft am Tage noch viel. Keine Delirien mehr. Letztere treten während der Apyrexie nicht mehr ein, der kleine Patient bekommt bald Appetit. »Milz verkleinert sich mehr und mehr, ist am 3. Juli (am 9. Krankheitstage) nur 4 Ctm. hoch, bis kaum zur hinteren Axillarlinie reichend, auch die Leber ist kleiner geworden, sie geht nur bis zum Rippenbogen. Die Höhe der Dämpfung be- trägt in der Papillarlinie 6V2 Ctm. Epigastrium tympanitisch. Der Relaps tritt am 7. Juli Abends 6 Uhr, am 13. Krankheitstage, ein. Im Verlaufe desselben schwellen Milz und Leber von Neuem an, der Appetit verliert sich, es besteht Durchfall. Patient klagt über Gliederschmerzen und heftiges Kopfweh. Der Schlaf ist aber stets gut und ruhig, das psychische Verhalten vollkommen ungestört. Am 10. Juli (15. Krankheitstag) schiesst eine Herpesgruppe am linken Mundwinkel auf. Auf Brust- und Bauchdecken sehr reichlich Miliaria porcellanea mit saurem Inhalt, hatte am Tage vorher stark geschwitzt. Im Laufe des 11. Juli (Ende des 16. Krankheitstages) Abfall unter starkem Schweiss, Patient schläft dabei. Durchfall bestand vor und während des Relapses (Folge der Medication). Patient erholt sich allmählich, Milz und Leber schwellen ab, ge- heilt entlassen am 31. Juli. Noch intensivere derartige Fälle erwähnt auch Herr- mann1) mit eigenthümliehen krampfartigen Erscheinungen; derselbe beobachtete ferner in seltenen Fällen acute fieber- lose Geistesstörung von nur kurzer Dauer, Zustände, die er wegen des schnellen Wechsels, dem sie unterliegen, weniger einer tiefen Erkrankung der Centralorgane, als vielmehr abnormen Ernährungs- und Innervationsstörungen, bedingt durch eine uns unbekannte Blutalteration, zuschreiben möchte. Als äusserst lästig den Kranken noch lange in unan- genehmer Erinnerung sind uns die heftigen Glieder- l) Petersburger med. Zeitschrift 1867, Heft 1, pag. 9 u. ff. — 94 — schmerzen wohl von allen ohne Ausnahme angegeben worden. Unmittelbar im Beginn während des Frostes fin gen dieselben häufig schon an, die ausser dem Schwindel- gefühl das Gehen noch mehr erschwerten. Die Kranken fühlten sich wie „zerschlagen" im wahren Sinne des Wor- tes, sie fühlten sich „müde, als wenn sie zehn Meilen ge- laufen wären". Ausnahmslos hatten die Schmerzen in der Muskulatur der Unterextremitäten ihren Sitz, besonders waren die Adductoren, die Waden, spontan und bei Be- wegung und noch stärker bei Druck schmerzhaft. Nicht in der Häufigkeit waren die oberen Extremitäten befallen, ebenso die verschiedenen Theile des Rumpfes, viele Patien- ten klagten über heftige Kreuzschmerzen, Schmerzen, die sich zuweilen bis in die Nackenmuskulatur erstreckten, oder es waren die Brustmuskeln, die Bauchdecken empfindlich. Die Schmerzen waren zuweilen so heftig, dass die Kranken sich nicht zu rühren wagten, da jede Bewegung eine Zunahme derselben bedingte. Dieselben traten oft plötzlich ein und wurden als „reissende", „bohrende" ge- schildert, oder die Kranken verglichen sie am häufigsten mit der Schmerzempfindung nach bedeutender Uebermüdung. Mehr weniger anhaltend im Laufe einiger Stunden bis eines Tages wechselten sie doch öfter ihren Sitz und ihre Inten- sität, so dass sie an einem späteren Krankheitstage aus den Oberschenkeln z. B. vollkommen verschwunden und in den Brustmuskeln, den oberen Extremitäten aufgetreten waren. Schon dieser Umstand, den wir einige Male mit Sicherheit constatiren konnten, spricht gegen eine alleinige tiefere Er- krankung der Muskulatur, wie dieselbe für Typhus abdo- minalis etc. von Zenker und Anderen gefunden wurde vielmehr müssen wir annehmen, dass eine veränderte Blut- mischung und abnorme Umsatzproducte in den Muskeln selbst der Grund der vorHegenden Erscheinung sind; auf- — 95 — fallend war uns die oft angegebene Uebereinstimmung mit den Schmerzen nach grosser Ueberanstrengung. Verschiedene Gelenke waren ebenso Sitz heftiger Schmerzen. In denselben traten sie jedoch im Ganzen sel- tener und erst im weiteren Verlaufe der Krankheit auf. An den Extremitäten haben w7ir alle Gelenke befallen ge- sehen, am öftesten die Knie und Ellenbogen ohne Röthung und Anschwellung; es waren Bewegungen und Druck em- pfindlich, oft so schmerzhaft, dass der Schlaf gestört war. In anderen, aber selteneren Fällen waren auch andere Ge- lenke, Schulter, Hand- und Fussgelenke befallen, ebenso selten die Gelenke der Mittelhand, der Finger und Zehen. Die Affection der kleinen Gelenke war stets mit mehr weniger beträchtlicher Anschwellung verbunden. Diese Anschwellung fand sich auch in einem Falle, wo während der Intermission eine beträchtliche Schmerzhaftigkeit beider Kniegelenke eingetreten war. Erst der Eintritt eines Re- lapses stellte in diesem Falle die Diagnose sicher. Den zeitlichen Verlauf der Gliederschmerzen betref- fend traten dieselben theils als erstes Symptom bei fehlen- dem Frost, theils mit letzterem gleichzeitig ein. Mehr weniger an Intensität zu- oder abnehmend, selbst für einige Zeit vollkommen verschwindend, blieben dieselben jedoch, ihren Sitz wechselnd, während des ganzen ersten Anfalls bestehen; vor dem ersten Abfall wurden sie oft äusserst intensiv, verschwanden aber während des letzteren voll- kommen. Jedoch kehrten die Schmerzen bei übrigens voll- kommenem Wohlbefinden ohne Fieber oft ganz plötzlich und unerwartet, ohne nachweisbaren äusseren Anlass in verschiedenen Muskeln der Extremitäten, des Stammes oder in verschiedenen Gelenken öfter zurück, hielten während des ersten und zweiten Tages der Apyrexie sehr heftig an, — 96 — dann Hessen sie meist vollständig nach und fehlten in un- seren Beobachtungen in der zweiten Hälfte der Intermission. Im zweiten Anfall waren die ersten 12 bis 24 Stunden meist frei von Schmerzen in den Gliedern, doch weiterhin stellten sie sich in denselben Muskelgebieten in derselben Weise ein, wie im ersten Anfall. Sie Hessen im zweiten Abfall nach, ebenso auch bei bedeutenderen Remissionen der Temperatur. In den ersten Tagen der Convalescenz traten sie zuweilen von Neuem auf, um dann in unseren Fällen bald vollständig zu verschwinden. Eine bedeutende Muskelschwäche, die sich schon während des ersten Anfalls geltend gemacht hatte, blieb noch längere Zeit zurück und glich sich allmählich aus. Die Muskel- und Gelenkschmerzen waren nächst dem Kopfweh die Hauptklage der Patienten, der Eindruck grös- serer Schwere unserer Fälle hing vielfach von grösserer Heftigkeit der Gliederschmerzen ab. Gerade dieser Schmer- zen wegen empfanden die Patienten bei dem freien Sen- sorium das Leiden als ein sehr schweres und schildern es als ein viel unangenehmeres, als z. B. Typhus exanthema- ticus, den nach Febris recurrens einige Kranke kurze Zeit später bei uns überstanden. Dass die Muskeln Sitz dieser Schmerzen sind, geht besonders daraus hervor, dass die Bewegungen schmerzhaft sind und dass die Hautempfindlichkeit nicht gesteigert ist. Nur in wenigen (2—3) Fällen haben wir bei allge- meiner sehr bedeutender Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen eine Hyperaesthesie auch der Haut constatiren können. No. 29. Bertha Wiesner. 18jähr. Arbeiterin, auf- genommen den 3. Juni 1868. Erkrankte am 30. Juni um 2 Uhr Nachmittags bei der Ar- beit nach vorherigem vollkommenem Wohlbefinden mit Schüttel- frost von einer Stunde, Hitze, Schweiss. Plötzlich stellte sich gleich- zeitig Kopfweh ein, Schwindelgefühl und heftige Schmerzen aller Glieder, so dass Patientin am Abend schwankend, „wie betrunken" — 97 — nach Hause ging, wo sie sich sofort legen musste. Der Appetit war verschwunden, viel Durst. Durchfall bestand vom ersten Tage bis 5 Mal täglich. Der Schlaf war gut, auch viel am Tage. Status praes. am 3. Juli Abends 14. Krankheits- tag). Kräftig gebaut, matte Rückenlage, klagt über Kopfweh und anhaltende stechende Schmerzen in den Oberschenkeln, den Waden und beiden Armen bei Bewegungen und bei Druck. Ueberall ist aber auch das Aufheben einer Hautfalte sehr empfindlich. Das Abdomen, besonders Leber- und Milz- gegend, sind sehr schmerzhaft. Puls 136, klein und weich. Resp. 36. Temp. um 5 Uhr 41,1° C. Der Appetit fehlt, die Zunge ist dick belegt, das Abdomen wenig gewölbt, seit gestern 5 dünne gelbe Stühle. Milz 7—8 Ctm. hoch, fühlbar; die Leber geht nur bis zum Rippenbogen. Auf den Lungen hinten unten etwas Ka- tarrh, am Herzen schwach systolisches Blasen. Ord. Acid. phosph. Eisblase auf den Kopf. Im weiteren Verlaufe des Anfalls wurde die sehr gesteigerte Empfindlichkeit auch der Haut wiederholt constatirt, das Liegen im Bett, Berührungen waren der Kranken sehr unbehaglich, der Zustand wurde aber erleichtert durch den guten auch am Tage anhaltenden Schlaf. Die Leber zeigte im ersten Anfall keine deutliche Vergrösserung, die Milz war gross. Am Tage vor dem Abfall waren 10 bis 12 dünne, gelbe Stühle eingetreten, im Abfall und nach demselben nur einer. Der Urin enthielt schon am vier- ten Tage, vom 3. bis 4. Juli, eine Spur Eiweiss und reichliche hyaline und dunkle Cylinder, spec. Gew. 1011,5 bei 20° C, er war gelbroth, sauer, trübe; Chlor fehlte vollkommen, Cylinder und Ei- weiss verschwanden am nächsten Tage; das Chlor fehlte vollkom- men bis nach dem Abfall. Letzterer erfolgte am 5. Tage von Abends um 8 Uhr, Temp. 41,5° C, Puls 128, Resp. 28 bis zum nächsten Morgen früh 7 Uhr, Temp. 36,7° C, Puls 84, Resp. 20 unter nur geringem Schweiss. Pat. fühlte sich ganz wohl nach dem Abfall. Bald nach demselben traten die Menses, etwas stärker als gewöhnlich, zu früh ein, da dieselben erst 14 Tage vorher da- gewesen waren. Ohne Störung verlief die Intermission; nach einer heftigen psychischen Aufregung über die Erkrankung der Mutter trat am 10. Juli (dem 11. Krankheitstage) ohne Frost der Relaps ein. In demselben wird die Milz wieder grösser, die Leber ist diesmal ebenfalls grösser nachweisbar, das Epigastrium ist in grösserer Ausdehnung gedämpft. Dünne Stühle stellen sich im Anfall ein als Folge der Medication (Natron subsulfurosum), da sie mit Weg- lassen des Mittels noch im Anfalle cessiren. Im zweiten Anfall tritt keine Albuminurie ein, das Chlor verschwindet aber gegen Ende desselben vollständig. Die Schmerzhaftigkeit der Glieder war während des ganzen Paroxysmus eine viel gerin- gere gewesen, die Empfindlichkeit der Haut war nicht mehr zu constatiren. Der Abfall erfolgte am 14.Krank- heitstage über Nacht. Am 13. Juli Abends 8 Uhr Temp. 42,3 ° C. im Rectum, um i) Uhr 41,7° C. im Rectum, um 10 Uhr 40,5° C. Wyss u. Bock, Febris recurrens. « — 98 — Die gleichzeitig gemessenen Temperaturen der Achselhöhle waren entsprechend 0,5 bis 0,8 niedriger, am folgenden Morgen früh 6 Uhr Temperatur in der Achselhöhle 35,7° C. Der Puls fiel von 124 bis 60. Die Kranke schlief wie im zweiten Anfall noch in den nächsten Tagen viel, erholte sich aber bald. Entlassen den 24. Juli. Von krampfhaften Erscheinungen kam stärkeres Zittern bei freiem Sensorium selten vor, einige Male be- obachteten wir bei Säufern Delirium cum tremore (s. sp.). Zusammenschrecken des ganzen Körpers bei lebhaften und ängstlichen Träumen, Verziehungen des Gesichts, wohl wegen heftiger Schmerzen, waren selten und ohne Bedeutung. Intensivere theils mehr partielle, theils allgemeine Krämpfe fehlten in unseren Beobachtungen. Es werden dieselben öfter erwähnt, z. B. von Herrmann, welcher bei den plötzlichen Störungen des Sensoriums epileptiforme, tetanus- artige partielle und allgemeine Krämpfe, die theils vor theils nach dem Abfall eintraten und schnell vorübergingen, be- obachtete. Allgemeine Convulsionen sind ausserdem als urämische bei bestehender Nierenerkrankung in früheren Epidemieen zuweilen vorgekommen. Sinnesorgane. Selten gaben uns die Kranken an, dass ihr Gehör im Beginn der Krankheit etwas schlechter geworden sei, wir haben nur fünf derartige Fälle notirt, doch erreichte die Schwerhörigkeit einen sehr geririgen Grad und ging schnell vorüber. — Ohrensausen kam nicht sehr häufig vor. Mehr zufällig bestand in den ersten Krankheitstagen eine geringe Conjunctivitis in zwei Fällen, dieselbe verschwand bald; eine stärkere Injection und Secretion der Conjunctiva haben wir im Uebrigen nicht beobachtet. Ein- — 99 — mal bestand vom 3. bis 6. Krankheitstage während des ersten Anfalls stärkere Lichtscheu, dass sich die Kranke beständig ein Tuch vor die Augen hielt. An der Con- junctiva, am Bulbus Hessen sich dabei keine Abnormitäten wahrnehmen. Die von englischen Beobachtern als Nach- krankheit erwähnten Ophthalmieen sind uns in unserer Epidemie nicht vorgekommen. Schlaf. Der Schlaf war zwar gestört, besonders gaben uns die Kranken an, vor Aufnahme in's Hospital bei mangeln- der Pflege auf ihren schlechten Lagerstätten, wegen der Kopf- und Gliederschmerzen nicht geschlafen zu haben. Wir haben andauernde, vollständige Schlaflosigkeit im Ho- spital niemals beobachtet. Den Wärterinnen war gerade deshalb die nächtliche Pflege selbst einer grösseren Zahl von Recurrenskranken viel weniger anstrengend, als die von nur wenigen Typhuskranken; wir selbst haben uns von dem ruhigen Schlafe der Patienten zu den verschie- densten Stunden der Nacht oft überzeugt. — Die Kran- ken, die Abends noch über heftiges Kopfweh klagten, schliefen mit der Eisblase ein, die Gliederschmerzen Hessen bei passenden therapeutischen Maassnahmen ebenfaUs nach (vielleicht bedingt durch nächtliche Remissionen der Tem- perat.), und wenn auch der Schlaf zuweilen unruhig wurde, besonders bei höherer Temperatur, wenn auch einzelne Kranke für einige Zeit wegen Exacerbationen der Schmer- zen wach blieben, so war dies nie während der ganzen Nacht der Fall. Durch häufigere diarrhoische Stühle wurde ebenfalls zuweilen die Nachtruhe vorübergehend ge- stört. Wir sind auf diese Verhältnisse etwas näher oin- 7* — 100 — gegangen, weil gerade dadurch, besonders im Beginn, ein wichtiger Unterschied von Typhus abdominalis und exan- thematicus gegeben ist. Während des Abfalls schliefen, wenn derselbe über Nacht eintrat, alle Kranken gut und ruhig, oft auch wenn sich derselbe im Laufe des Tages einstellte; viel schliefen die Kranken in der ersten Zeit der Apyrexie. Nicht selten jedoch haben wir ausserdem beobachtet, dass während der fieberhaften Anfälle einzelne anhaltend Tag und Nacht schliefen, nur erweckt durch Gliederschmerzen oder um zu trinken. Dieses Verhalten zeigten die meisten Kinder, Er- wachsene seltener. Der Schlaf war dabei ein vollkommen normaler, zuweilen so fest, dass er beim Zählen des Pulses nicht gestört wurde; der Zustand war kein somnolenter, nach dem Erwachen war das Sensorium vollkommen frei und klar. Unter unseren 95 Fällen kam dieses Verhalten 22 Mal während des ersten Anfalls und 10 Mal während des zweiten zur Beobachtung. No. 64. Gustav Steinert, Schulknabe, 9 Jahr. Auf- genommen am 13. August 1868. Erkrankte am 12. August früh gegen 8 Uhr in der Schule mit Schüttelfrost, der Va Stunde anhielt, und von Hitze gefolgt war; heftige Schmerzen in den Waden, konnte nur mit Mühe nach Hause gehen. Schmerzen in beiden Armen, den Ellenbogengelenken. Viel Durst, kein Appetit, einmaliges Erbrechen, 1 dünner Stuhl. Am zweiten Krankheitstage Ausbruch eines Herpes labialis. Status präsens am 1 3. August Abends. (2. Krankheits- tag ) Ziemlich gut genährt. Puls 140, regelmässig, weich, celer, Resp. 30. Temp. 39,8° C. Haut heiss, feucht; an der linken Oberlippe zwei kleine Herpesgruppen, eine grössere nach aussen vom linken Mundwinkel. Zunge dünn belegt, wenig Appetit. Milz fühlbar, empfindlich, 10 Ctm. lang, 8 Ctm. hoch. Epigastrium tympanitisch, Abdomen flach. Acid. mur. Eisblase auf den Kopf. 14. August. (3. Krankheitstag.) Hat viel geschlafen. Schmer- zen in den Hypochondrien, 1 dünner Stuhl. Puls 132. Resp. 32. Temp. 39,8° C. Abends. Schläft sehr viel, erwacht beim Pulszählen nicht. Puls 128. Resp. 24. Temp. 40,6° C. 15. August. (4. Krankheitstag.) Fortwährender Schlaf. Wenig Klagen, 3 dünne Stühle. Puls 132. Resp. 32, Temp. 39,2 ° C. — 101 — Abends. Puls 112. Resp. 32. Temp. 40,0° C. Anhalten- der Schlaf. 16. August. (5. Krankheitstag.) Beständiger Schlaf. Herpes abgetrocknet. Milz deutlich fühlbar bis zum Rippenbogen. Epi- gastrium gedämpft. 5 dünne Stühle, zum Theil in's Bett. Abfall unter massigem Schweiss. Puls J04. Resp. 24. Temp. 37° C. Abends. Puls 104. Resp. 24. Temp. 37,8° C. 17. August. (6. Krankheitstag.) Puls 96. Resp.20. Temp.36°C. 4 dünne Stühle. Abends. Puls 84. Resp. 20. Temp. 37,7° C. 18. August. (7. Krankheitstag.) Puls 104. Resp. 18. Temp. 37,2° C. Milz nur noch bis zur vorderen Axillarlinie, ist kleiner geworden. Epigastrium noch gedämpft. Schläft im Laufe des Tages weniger. Im Laufe der Intermission steht Patient bald auf, hat guten Appetit, regelmässigen Stuhl; am 9. Krankheitstage geringe Oedeme der Knöchel. Leber ist kleiner geworden; ebenso die Milz: 6 Ctm. hoch, 8 Ctm. lang. Am 24. August (13. Krankheitstag) früh nach 8 Uhr Frösteln, Kopfweh. Temperatur am Mittag hoch. Patient schläft auch während des zweiten Anfalls, der am 27. August (16. Krankheits- tage) unter starkem Schweiss zu Ende geht, wieder sehr viel. Nach dem Abfall erholt sich Patient bald und wird am 7. Sep- tember entlassen. Temperaturverhältnisse.*) Die Körpertemperatur der Recurrenskranken ist zwar bereits in der Petersburger Epidemie von Herrmann, Zorn, Botkin etc. studirt worden und wurde auch in der Epidemie in Algier von Arnould berücksichtigt; dennoch haben wir dem Verhalten derselben grössere Aufmerksam- !) Ueber die Verhältnisse der Temperatur, so wie über einige andere Ergehnisse unserer Untersuchungen ist bereits vor Abschluss der Epidemie berichtet worden. Vgl. Vortrag von Dr. Wyss in den Verhandlungen der Schweizerischen Naturforsch. Gesellschaft zu Ein- siedeln am 24., 25. und 26. August 1868. 52. Jahresversammlung. Jah- resbericht 1868. pag. 76—81. Einsiedeln bei Gebr. Benzinger. — 102 — keit zugewendet. *) Im Allgemeinen stimmen unsere Be- obachtungen mit dem bereits Bekannten überein; nämlich, dass im ersten Anfall hohe, in der Remissionszeit niedrige, im zweiten Anfall wieder abnorm hohe Temperaturen vor- kommen; dass ferner in dieser Krankheit die höchsten Temperaturen auftreten, welche überhaupt vom mensch- lichen Organismus ohne Nachtheil ertragen werden; dass innerhalb weniger Stunden die Temperatur um viele Grade ansteigen und ebenso schneU, oder noch schneller um viele Grade sinken kann, ein Verhalten, das in dieser Ausdehnung bei keiner andern Krankheit constatirt wurde; denn selbst bei Intermittens finden so bedeutende Temperaturdifferenzen in so kurzer Zeit nicht Statt. Entsprechend den Symptomen der verschiedenen Sta- dien der Krankheit, zeigt die Temperatur im ersten Anfalle den Typus der Febris continua remittens; in der Intermission ist dieselbe Anfangs subnormal, später normal; während des Relaps stellt sich wiederum eine intensive Febris continua remittens ein, die sehr häufig erheblich tiefere Remissionen zeigt, als im ersten Anfall, worauf das Stadium der Reconvalescenz bezüglich seines Temperatur- verlaufs in ähnlicher Weise wie das der fieberfreien Inter- mission sich anschliesst. Die Dauer der einzelnen Stadien der Krankheit ver- hielten sich nach dem Temperatur verlauf in unseren Fällen folgendermaassen. Es dauerte: ') Die Messungen wurden mit sorgfältig verglichenen Thermo- metern in der Achselhöhle mit allen Vorsichtsmaassregeln von den sehr geübten und zuverlässigen Wärterinnen ausgeführt, eine grosse Zahl von Messungen haben wir controlirt oder selbst ausgeführt. 103 — Tag der 1 . Anfall die Intermission der 2. Anf 1, 2 0 Mal 0 Mal 2 Mal 1 #0 - 1 - 0 - 2 0 - 0 - 5 - 2V2 0 - 1 - 6 - 3 1 - 1 - 13 3% 1 - 1 - 10 - 4 7 - 1 - 19 4V, 6 - 0 - 7 - 5 12 - 1 - 5 - 5% 9 - 5 ■ 1 - 6 13 - 10 - 1 - 61/, 7 - 11 - 0 - 7 5 - 12 - 0 - 71/ 5 - 3 - 0 - 8 1 - 14 - 1 - 8V2 2 - 5 - 0 - 9 2 - 3 - 0 - 9V2 0 - 1 - 0 - 11 1 - 0 - 0 - Im Mittel Dauer Derlnter- des 2. An- des 1. Anfalls: 5,82Tage, mission 6,9 T. falls: 3,58 Tag. Es ergiebt sich hieraus, dass der erste Anfall am öftesten 4 bis 7V2j im Mittel 5,8 Tage dauerte; dass die kürzeste Dauer 3, die längste 11 mal 24 Stunden betrug. Bemerkenswerth ist, dass er allerdings sehr häufig 5 und 6mal 24 Stunden dauerte, aber es ist dies keineswegs in der Mehrzahl der Fälle beobachtet worden (five und six days fever). Wir bemerken, dass wir zum ersten Anfall auch noch die Zeit des Abfalls eingerechnet haben. Die fieberfreie Intermission vom vollendeten Abfall bis zum Ansteigen im zweiten Anfalle hielt durchschnittlich etwas — 104 — länger an, als der erste Anfall; meist 51/2 01S 8V2 ^age5 im Minimum 1 Tag, im Maximum 9% Tage, im Mittel 6,9 Tage. Der zweite Anfall (Relaps) war«rheblich kürzer, als die beiden früheren Stadien, meist 2V2 bis 5 Tage; im Minimum einige Stunden, im Maximum 8 Tage, im Mit- tel 3,58 Tage. Leider haben wir keine Messungen aus den ersten Stunden der Krankheit, z. B. unmittelbar nach dem initialen Schüttelfrost. Aus Analogie ähnlicher fieberhafter Krank- heiten müssen wir schliessen, dass die Temperatur, welche den Initialfrost abschliesst, schon eine erheblich gesteigerte ist, und wohl in den meisten Fällen 39,5 bis 40 ° C. oder mehr erreichen dürfte. Dasselbe ist auch in den Fällen, in denen der Schüttelfrost fehlte, anzunehmen. Wahr- scheinlich remittirt bald darauf die Temperatur um einige Zehntel bis vielleicht um einige Grade. Die Messungen, die wir im Laufe des ersten Tages ausgeführt haben, spre- chen wenigstens dafür. Es sind folgende: Marie Larisch, 6 Jahre. Erkrankte am 19. Juni, nachdem sie im Laufe des Vormittags noch vollständig munter gewesen war, Abends 6 Uhr plötzlich unter Klagen über Kopf- und Glieder- schmerzen, mit dem Wunsche, zu Bette zu gehen, weil sie nicht mehr gehen könne. Sie hatte Mittags noch mit gutem Appetit, jedoch etwas weniger als gewöhnlich gegessen. Temperatur in der Achselhöhle am 19. Abends 8»/2 Uhr: 38° C.; den 20. früh 9 Uhr; 39,5° C; den 20. Abends 4 Uhr: 40,9° C. Rosalie Larisch, 4 Jahre alt. Am 4. Juli erkrankte sie, nachdem sie vorher vollkommen wohl und munter gewesen war und mit gutem Appetit noch gefrühstückt hatte, plötzlich mit Kopfweh, Schmerzen in den Schultern und Beinen Vormittags 10 Uhr. Tem- peratur Nachmittags 4 Uhr im Rectum: 40,2° C; um 8 Uhr Abends: 41,1° C; am 5. Juli früh 8V2 Uhr: 38,6° C. Emilie Röthig, erkrankt den 21. Juli früh 11 Uhr mit Schüttelfrost, den sie verheimlichte. Temp. Abends 7 Uhr 40,8° C; um 8 Uhr: 40,9°C; am 22. Juli früh 6 Uhr: 39,5° C; um 10 Uhr: 39,9° C. Diese Beobachtungen lehren, dass schon im Laufe des ersten Tages sehr hohe Temperaturen vorkommen können, bis 41,1° C. im Rectum; dass aber auch Remissionen um — 105 — 2,5° C. bei Kindern, und um 1,5 ° C. bei Erwachsenen vor- kommen. Dieselben zeigen ferner, dass die Remissionen .vorzüglich auf die Morgenstunden fallen. Aus dem Laufe des zweiten Tages liegen uns eine grössere Reihe, und zwar 8 mit zahlreicheren Messungen, vor. Sie zeigen, dass die Temperatur des zweiten Tages im Ganzen dieselbe ist, wie am ersten; vielleicht in den Abendstunden etwas höher ansteigt und in den Morgen- stunden in ähnHcher Weise remittirt. (Vergl. die Curven- tafeln.) In den folgenden Tagen gestaltet sich der Verlauf so, dass die Temperatur Abends meist 40 bis 40,5° C. über- schreitet, Morgens um 0,5 bis 1,5° C, seltener um mehr remittirt. In der zweiten Hälfte des ersten Anfalls steigt in der Mehrzahl der Fälle die Abendtemperatur noch höher, meist bis 41° C. und darüber, während die Morgenremis- sionen oft viel bedeutender werden. Jedoch ist dieses Ver- hältniss durchaus kein constantes. Wir haben Fälle be- obachtet, in welchen in der ersten Zeit die Abendtemperatur höher und die Morgenremission bedeutender war als in der zweiten Hälfte des ersten Anfalls. Die Morgenremissionen betrugen dann meist weniger als 1 ° C., ziemlich häufig 1 bis 1,9° C., seltener 2 bis 2,9° C, und nur einige Male 3 bis 3,9 ° C. Bemerkenswerth ist, dass diese grösseren Remissionen meist auf den Tag des Abfalls fielen, oder den diesem vorhergehenden Tag, so dass alsdann ein Sinken der Temperatur, selbst bis auf 38 ° C., beobachtet wurde und dass man eine derartige bedeutende Remission als den Temperaturabfall ankündigend auffassen kann. Wir haben daher die niedrigsten Temperaturen im Verlaufe des ersten Anfalls meist am Tage des Abfalls beobachtet; weit seltener in den ersten Tagen der Erkrankung. DieTem- peraturmaxima, welche 6 Mal 42 bis 42,3° C, und 37 — 106 Mal 41 bis 42° C. betrugen, trafen meist auf den Tag des Abfalls, unmittelbar vor den letzteren, und bildeten so eine Endgipfelung (No. 54, 16), Perturbatio critica, wie sie bei, anderen acuten mit Krisen endigenden Krankheiten schon lange bekannt sind. In vielen Fällen traf aber die höchste Temperatur auf einen der früheren Tage (cf. Curve No. 24, 36), einmal sogar wie es scheint auf den ersten Tag, oder es war die Temperatur während des Fastigiums schon ein oder mehrere Male vorher erreicht worden (Vgl. No. 58, vor dem Abfall 41,5, am 6. Tag Abends und am 4. Tage ebenfalls 41,5). War aber Letzteres auch der Fall, so ging, wenigstens in den Fällen, von denen wir stündliche Messungen besitzen, welche hier allein als maass- gebend gelten können, dem Abfalle eine mehr oder weniger hohe Temperatursteigerung (Endsteigerung) voran, z. B. Fall 36, 58, 24. Wie bereits erwähnt, folgt auf die Endgipfelung oder Endsteigerung der Temperatur am Ende des Fastigiums die Defervescenz, die nicht über 12 Stunden zu dauern pflegt. Nur ganz selten erstreckt sie sich über mehr, über 48 Stunden hinaus (Fall 60). Die Defervescenz hatte in etwa der Hälfte unserer Fälle im Laufe des Tages, etwa in der Hälfte während der Nacht Statt; genauer genommen, erfolgte der Abfall der Temperatur von Morgens bis Mit- tags 5 Mal, von Mittags bis Abends 13 Mal; vom späteren Nachmittag bis am späten Abend 8 Mal; von Morgens bis Abends 11 Mal; von Mitternacht bis Morgens 4 (?) Mal und im Laufe der übrigen Nacht 23 Mal. Die Dauer der Entfieberung ist 2 bis 12 Stunden; meist ist sie auf 3 bis 8 Stunden, nach Fällen, in denen stündlich gemessen wurde, festzusetzen. Es ist zu bemerken, dass constant in den ersten Stunden nach der Endsteigerung oder Endgipfelung ein rascheres Sinken der Temperatur — 107 — beobachtet wurde als in den späteren Stunden (vergl. Curve No. 54, 59); nur selten wurde das continuirliche Sinken durch ein Stationärbleiben der Temperatur während einiger Zeit, oder durch kleine Steigerungen um einige Zehntel- grade unterbrochen (cf. Curve 24, 16). Die Temperatur fällt in weitaus der Mehrzahl der Fälle unter das Normale, indem sie um 3 bis 6°C, seltener um 6 bis 7 ° C., oder selbst mehr als 7 ° C. (7,1 ° C. in Beobachtung No. 54) her- unter geht, auf 36 ° C. und tiefer, auf 35 und sogar darunter, bis 34,8 und 34,7 ° C. in der Achselhöhle, im Rectum 35,6 ° C. Es steigt bald darauf die Temperatur wieder etwas an; oder sie fäUt Anfangs nur bis 37 oder 38° C. und sinkt dann erst, besonders wrenn der Abfall im Laufe des Tages Statt gehabt hatte, während der Nacht unter die Norm und bleibt dann 1, 2 bis 3 Tage auf dieser geringen Höhe, gewöhnHch mit geringen Tagesfluctuationen, bisweilen mit etwas grösseren Abendsteigerungen, so dass die Abendtemperatur die nor- male Höhe (über 37 ° C.) erreicht. Seltener geht eine solche Abendsteigerung schon am 1. oder 2. Tage nach dem Ab- fall auf oder über 38 ° C.,' wie z. B. in Fall No. 90 (38,7 ° C), in No. 78 (38,4° C), in No. 71 (38,2° C.) Derartige Steigerungen sind dagegen häufiger in der Mitte oder der zweiten Hälfte der Remissionszeit, wo meist die Tagesschwankungen der Temperatur circa 1 ° C, häufig auch darüber betragen. Da in dieser Zeit die Morgen- temperaturen in der Regel normale sind, über 36° C. und sehr häufig über 37 ° C. liegen, so sind Abendtemperaturen von 38 bis 38,5° C. nicht selten, freilich nicht die Regel. Der zweite Anfall beginnt seltener mit einem sehr raschen Ansteigen der Temperatur, sondern diese steigt meist im Laufe mehrerer Stunden allmählig an. Selbst wenn derselbe durch einen Schüttelfrost eingeleitet wird, steigt die Körperwärme nur während des Frostes rasch bis - 108 — auf eine massige Höhe, um nachher noch um einige Zehntel- grade bis einen Grad zu steigen. Die Temperaturerhöhung im Beginn des zweiten Anfalls betrug meist in 4, 6 bis 12 Stunden 2 bis 4 ° C.; selten weniger, selten mehr, z. B. in Fall No. 21: 4,8° C, in No. 19: 4,3° C. Das Ansteigen erfolgte in der Mehrzahl der Fälle im Lauf des Tages, in einer geringeren Zahl während der Nacht, und zwar geschah letzteres in 2/5 der Fälle, ersteres in %. Der zweite Anfall unterscheidet sich in seinem Tem- peraturverlauf nicht wesentlich vom ersten. Die Durch- schnittstemperatur ist bald höher, bald niedriger, als im ersten Anfalle und ebenso die Temperaturmaxima; häufig, aber keineswegs immer, sind die Remissionen bedeutender und betragen meist 1,5 bis 1,8° C.; oft mehr; wir sahen wiederholt Remissionen um 3 bis 4° C., selbst um 4,4 bis 5,3° C. und einmal sogar um 5,9 °C. (Fall 95). Die Dauer dieser Remissionen beträgt einige, höchstens 6 bis 8 Stunden; sehr selten, wie z. B. in Fall 18, 24 Stunden. Auch im zweiten Anfall kann man, wie im ersten, häufig am Tage vor dem Abfall, oder am Morgen des Tages, an welchem sich im Lauf des Nachmittags oder Abends die Defervescenz einstellt, eine erheblichere Remission bemerken als sonst, z. B. No. 54. Die höchste Temperatur, welche im Durch- schnitt höher ist als im ersten Anfall, (indem wir unter 68 Fällen 10 Mal eine Temperatur von 42° C. und darüber bis 42,3° C. in der Achselhöhle, im Rectum bis 42,7 ° C. (z. B. Fall 59) constatirten, und in 31 Fällen eine Tem- peratur von 41 bis 41,9° C. fanden) wird meist am Ende des Anfalls in der Endgipfelung erreicht, häufig auch im Verlauf desselben am 3. 4. und 5. Tage, selten früher die niedrigsten Temperaturen, die meist niedriger sind als die niedrigsten im ersten Anfall, meist am Tag des Abfalls vor der Endsteigerung oder auch am Tage vorher. Constant — 109 — kommt dann, wenn die höchste Temperatur im Verlauf des zweiten Anfalls auch nicht auf den letzten Tag desselben fällt, doch an diesem Tage eine dem Abfall vorhergehende Endsteigerung vor. Der zweite Abfall erfolgt in ganz gleicher Weise wie der erste; meist kritisch, innerhalb weniger Stunden bis eines halben Tages; selten zieht sich die Defervescenz über 18 Stunden (wie in Fall 81 und 72) oder über 24 Stunden (wie in Fall 57 und 75) hin. Beim gewöhnlichen Modus der Defervescenz fällt gerade -wie im ersten Abfall die Temperatur unmittelbar, nachdem die höchste Temperatur der Endgipfelung oder Endsteigerung erreicht ist, rasch in 1 bis 3 Stunden bis auf die Norm, um nachher langsamer noch mehr zu sinken (Vgl. Fall 58, 16). Auch hier ist der Abfall continuirlich, nur ganz selten durch kleine Steigerun- gen unterbrochen (z. B. Fall 36). Auffallend ist, dass in unseren Beobachtungen der zweite Abfall häufiger auf die Nacht, d. h. in die Zeit vom Abend bis zum Morgen fiel, als auf den Tag; während nämlich im Lauf des letztern 18 Mal (hiervon 6 Mal von Morgens bis Abends, 5 Mal von Morgens bis Mittags, 7 Mal von Mittags bis Abends) der Temperaturabfall Statt hatte, so geschah dies in der Nacht (incl. einen Fall, wo dies von Abends 7 bis 12 Uhr Statt fand, No. 45) 34 Mal. Wie beim ersten Abfall führt die Defervescenz zu ab- norm niedrigen Temperaturen, die durchschnittlich zwischen 35,5 und 36,5° C., bisweilen einige Zehntelgrade höher oder tiefer liegen. Diese subnormale Temperatur hält 1/2, bis 1 bis 2, selten 3 Tage an, und steigt dann wieder auf die normale Höhe. Ueber den Verlauf der Körpertemperatur innerhalb 24 Stunden, über die Tagesfluc- t u a t i o n der Temperatur während des ersten und — 110 — während des zweiten Anfalls haben wir mitzutheilen, dass diese im ersten und zweiten Anfalle die nämlichen sind, dass sie in regelmässig verlaufenden Fällen sehr regel- mässig und constant sind, dass häufig am Tage vor dem Abfall, und häufiger noch am Tage des Abfalls selbst, Ab- weichungen von dem gewöhnlichen täglichen Temperatur- verlauf vorkommen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen ist am Morgen um 6 Uhr die niedrigste Temperatur des Tages vorhanden; sie steigt dann im Laufe des Vormittags all- mählig an bis um 10 Uhr, meist bis um 11, seltener bis um 12, oder gar um 1 Uhr. In vielen Fällen sinkt von 6 Uhr früh die Temperatur noch bis um 7, 8, selten bis um 9 Uhr, und steigt von da ab bis zum Mittag. In den ersten Nachmittagsstunden tritt eine geringe, nur einige bis fünf Zehntel Grad betragende Remission ein; auf sie folgt eine in den Abendstunden zwischen 5 und 6 Uhr, selten früher, schon um 4 Uhr, oder später, erst um 7 Uhr das Maximum erreichende Steigerung, wobei das Tagesmaximum erreicht wird. Nach 6 bis 8 oder 9 Uhr fällt die Tempe- ratur wieder, um dann bis gegen die Mitte der Nacht, 12 bis 1 Uhr, wieder zu einer bedeutenden Höhe anzu- steigen; von dieser erfolgt alsdann continuirliches Sinken bis am Morgen. Störungen in diesem Gang der Temperatur werden hervorgebracht durch den Transport der Kranken, z. B. No. 16 am 6. Tage, No. 36 am 3. Tage. Ferner durch den bevorstehenden Abfall, wodurch die Gipfelungen ent- weder verfrüht werden; z. B. in Fall No. 16 stellte sich am 2. Tag des zweiten Anfalls schon Abends 8 bis 9 Uhr starkes Ansteigen ein, anstatt um Mitternacht; am 3. Tage trat das Tagesmaximum schon Nachmittags um 2 Uhr an- statt wie gewöhnlich um 5 bis 6 Uhr ein; oder die Gipfelungen traten verspätet ein, z. B. in Fall 57 am — 111 — ersten Tag im zweiten Anfalle; die Irregularität des Verlaufs kann dadurch hervorgerufen werden, dass die Mittagsgipfelung die Abendgipfelung überragt, z. B. No. 49 zweiter Tag des zweiten Anfalls: Mittagsgipfel mit 41,7° C, Abends 41,5° C; ferner N. 50, 6. Tag des zweiten Anfalls. In manchen Fällen wird der Temperatur- verlauf dadurch verändert, dass die Remissionen und Ex- acerbationen sehr gering sind und das Fieber eine wahre Febris continua continens wird, z. B. Nr. 24 während des 3. und 4. Tages des ersten Anfalls; in anderen Fällen wer- den die Schwankungen durch continuirliches Ansteigen der Temperatur ausgeglichen, so am Tage des Beginns des zweiten Anfalls oder mitunter an den Tagen des Abfalls, an denen die Temperatur von früh bis zu der Mittags oder Abends erreichten Endgipfelung continuirlich ansteigt, (vgl. z. B. Nr. 36. zweiter Anfall 1. Tag; Nr. 54. letzter Tag des ersten Anfalls). In anderen Fällen aber macht sich trotz dieses continuirHchen Ansteigens doch die Nachmittags- remission bemerkbar, Nr. 54 am letzten Tage des zweiten Anfalles. In Fällen mit Complicationen ist besonders im Ver- laufe des zweiten Anfalls (an den sich die Complicationen gewöhnlich anschliessen) der Temperatur verlauf innerhalb 24 Stunden ein unregelmässiger, z. B. Fall 19; im zweiten Anfall 2. Tag wird Mittags 11 Uhr die höchste Temperatur erreicht, auf die Nachmittags bis 5 Uhr die Temperatur bis auf 37,6° C. sinkt, um nachher bis Abends 10 Uhr wieder auf 40° C. anzusteigen. Am folgenden Tage war früh 6 Uhr das Tagesmaximum 42° C, eine Mittag- und Abendsteigerung ist vorhanden, erreicht aber nur 41 resp. 41,4° C. Auch die folgenden zwei Tage zeigen AnomaHeen im Temperaturverlauf. Ebensolche Unregelmässigkeiten in den Tagesschwankungen beobachteten wir in den Fäl- - 112 — len Nr. 11 und 12, wo Complication mit wahrscheinlichen Milzabscessen und Complication mit Nephritis parenchymat. et interstitialis vorlag. — Wie nach der Entfieberung nach anderen Krankheiten, so beobachtet man auch bei Recurrenskranken nicht selten eine plötzlich, sich einstellende, einige Stunden anhaltende und dann rasch wieder nachlassende Temperatursteigerung, die häufig von Schüttelfrost eingeleitet, immer von den gewöhnlichen Fie- bersymptomen begleitet wird. Wir sahen in diesen kurzen Temperatur Steigerungen die Temperatur über 40° C, ein- mal auf 41° und einmal sogar auf 42° C. (im Fall Nr. 32) steigen. Diese Ephemera trat seltener in der Intermissions- zeit ein (Beobachtung 15), wo sie am 3. Tage nach dem ersten Abfall, am 9. Krankheitstage erschien; meist stellte sie sich erst nach dem zweiten Abfall ein und zwar einmal am ersten Tage darauf (Nr. 8), am 23. Krankheitstag; am häufigsten am zweiten Tage nach der Defervescenz (im Fall Nr. 92, 93, 74, 32); einmal am 4. Tage (Nr. 31), ein- mal am 11 Tage und einmal am 14. Tage nach dem zwei- ten Abfall. Ohne Zweifel können wir diese kurzen Fieberanfälle als leichte dritte Anfälle, als zweite Relapse auf- fassen und zwar um so mehr, als wir in einigen Beobachtun- gen auch den zweiten Anfall (den ersten Relaps) durch eine solche Ephemera gewissermaassen ersetzt gesehen haben. Puls. In den Fieberanfällen der Recurrens ist der Puls frequent, und zwar erreicht die Frequenz schon imAnfang der Krankheit eine beträchtliche Höhe. Am ersten Tage, 8 bis 9 Stunden nach Beginn, beobachteten — 113 — wir bei Erwachsenen einen Puls von 116, in anderen Fällen am zweiten und dritten Tage 120, bei einem 9jährigen Kinde am ersten Tage 140, bei einem 4jährigen sogar 164. Auf der Höhe des ersten Anfalls schwankt der Puls bei Erwachsenen meist zwischen 100 und 120, und entspricht in seiner Frequenz der Höhe der Temperatur, demgemäss zeigt er am Morgen in der Regel einige Schläge, 8 bis 12, weniger als am Abend; bei tiefen Remissionen sinkt der Puls selbst bis auf 80 und 72 Schläge. Der Temperatur- gipfelung entspricht dann ebenso auch die höchste Puls- frequenz, so steigt namentHch kurz vor dem Abfall der Puls über 120 bis 132, 140, 148 ohne schlimme prognostische Bedeutung. Mit dem Temperaturabfall sinkt auch die Puls- frequenz, und zwar oft binnen wenigen Stunden. Um 20 bis 30 und 40 Schläge, selbst um 60, einmal sogar um 72 Schläge, haben wir nach vollendetem Abfall die Puls- frequenz abnehmen sehen. Im Anfang der Remission sinkt jedoch in unseren Fällen die Zahl der Pulsschläge meist nur auf die dem Alter des Individuums entsprechende normale, also bei Erwachsenen auf 60 bis 80, bei Kindern auf 80 bis 90. In der zweiten Hälfte der Remissionszeit, in der die Temperatur wieder die normale Höhe erreicht hat, tritt häufig eine Pulsverlangsamung ein, bei welcher der Puls auf 48 und 44 Schläge heruntergeht, bei Kindern auf 88 bis 64. Dieses Verhalten des Pulses ist nach unseren Beobachtungen die Regel, seltener tritt eine bedeutende Verlangsamung schon unmittelbar nach dem Abfall ein, bisweilen fällt auch der Puls schon vor dem Abfall der Temperatur, oder er bleibt über die Norm frequent in den ersten Tagen der Intermission, um erst allmählig langsamer zu werden. Oefter fällt auf, dass bei geringen Bewegungen der Kranken, beim Aufsetzen im Bett, die Frequenz sehr steigt; es ist dies im Anfall zu constatiren, der Puls ging Wyss u. Bock, Febris recurrens. 8 — 114 — während der Untersuchung bei einer 25jährigen Frau von 134 auf 156; ganz gewöhnlich aber ist eine erhebliche Be- schleunigung während der fieberfreien Zeit bei nur geringen Anstrengungen der Patienten, bei psychischen Affecten. Der Puls steigt um 10 bis 20 Schläge, einmal zählten wir in liegender Stellung 52 und beim Aufsetzen 84. Ohne alle schlimmen Folgen wird bei dieser Verlangsamung der Puls zuweilen für kurze Zeit irregulär. Auf der Höhe der Anfälle haben wir dies nur äusserst selten und nur in schweren Fällen vorübergehend gesehen. Während im ersten Anfall die Pulsfrequenz der Höhe der Temperatur conform war, so war dies Verhalten im zweiten Anfalle zwar die Regel, doch haben wir Fälle beobachtet, die bei einer nicht so erheblichen Temperatursteigerung eine höhere Pulsfrequenz dar- boten, und umgekehrt waren die Temperaturen zuweilen sehr hoch, ohne dass der Puls dem entsprechend in die Höhe ging; wir zählten z. B. bei einer Temperatur von 42,2 ° C. nur eine Pulsfrequenz von 104. Vor dem Beginn des zweiten Anfalls ist der Puls zuweilen 1 bis 2 Tage etwas beschleunigt, vielleicht darauf zu schieben, dass die Patienten längere Zeit ausser Bett waren, wenigstens haben wir diese Erscheinung gerade bei solchen constatirt; in anderen Fällen steigt er erst kurze Zeit nach dem An- steigen der Temperatur; die Regel ist, dass mit dem Be- ginn des Anfalls eine schnelle Zunahme der Pulsfrequenz eintritt. Die Abnahme derselben beim zweiten Abfall ge- staltet sich in derselben Weise wie beim ersten; die Ver- hältnisse der Convalescenz wie die der Intermission. Die späteren schnell vorübergehenden Steigerungen der Tem- peratur (die kurzen dritten Anfälle) sind meist von einer ebenfalls schnell vorübergehenden Beschleunigung des Pulses begleitet gewesen. Der Puls stieg einmal in einem der- — 115 — artigen Falle von 84 auf 120, und sank dann von 104 auf 78. Was die Qualität des Pulses anlangt, so ist der- selbe im Beginn des Paroxysmus ziemlich voll, celer, aber leicht comprimirbar; weiterhin verliert sich die VöUe, die Celerität bleibt aber stets deutlich; nur selten wurde der- selbe undulirend und ebenso selten war ein Dicrotismus, höchstens in 3 bis 4 unserer Fälle, vorübergehend fühlbar; besonders durch die letzteren beiden Momente unterscheidet sich der Puls wesentlich von dem des Typhus. Die sphygmographische Darstellung des Radial- pulses mittelst eines sehr guten Br eguet'sehen Sphygmographe de Marey (Fabrik-Nummer 35901) zeigt, dass derselbe Ver- änderungen erleidet, wie bei anderen acuten fieberhaften Erkrankungen mit entsprechend beschleunigtem Pulse und intaktem Circulationsapparate. Die Pulswelle ist bei ganz normalen Fällen gross, deutlichen Dicrotismus zeigend. Zwar findet man den vollkommenen Dicrotismus, d. h. die Form der Curve, bei welcher die grosse Incisur die Curven- basis erreicht, (vgl. z. B. Pulscurve, Fig. I) nicht gar häufig, und namentlich nicht so häufig als man erwarten müsste, wenn Wolff's Ansicht richtig wäre, dass die pathologischen Veränderungen der Normalpuls curve gleichen Schritt halten mit dem Fieber, resp. der Temperaturerhöhung.1) Es ist die eben erwähnte Curve nämlich gezeichnet bei einer 37jährigen Arbeiterfrau, Johanna Liedel, No. 92, am 17. Krankheitstage während des Relapses bei einer Tem- peratur der Axillarhöhle von 41,5° C, einer Pulsfrequenz von 108 und einer Respiration von 36, und doch sind nur einzelne Wellen vollkommen dicrot, die übrigen alle nur ') Vergl.: O. I. B. Wolf f. Charakteristik des Arterienpulses. Leipzig, 1865. pag. 37. 8* — 116 — unvollkommen, d. h. die Grossincisur reicht nicht bis zur Curvenbasis hinab. In noch höherem Grade zeigt dasselbe Verhalten die Curve Fig. II, die von einem freilich schon 43jährigen Mann am zweiten Tage des Relaps (Puls 104, Resp. 28, Temp. 41,0 ° C.) herstammt. Einen überdicroten Puls haben wir nie beobachtet, wohl aber den monocroten Typus bei der 23jährigen Emilie R. (No. 45) am dritten Tage des Relaps, bei 124 Pulsen, 36 Resp. und 41,4° C. in der Achselhöhle. Bei einem Mädchen, das an Insuff. der valvul. mitral, litt, und dessen Pulscurve unter ge- wöhnlichen Verhältnissen sehr kleine flache Wellen bot, bildete sich im Relaps bei( 40,0 ° C, 100 Pulsen, 40 Resp. eine ganz deutlich dicrote Pulscurve aus, ähnlich der Fig. I. Dass senile Veränderungen auch dem Zustandekommen des Dicrotismus hinderlich sind, lehrt die Curve Fig. III, die bei der 50jährigen Frau Graumann (No. 93) gezeichnet wurde (Puls 104, Resp. 24, Temp. 41,5° C.); die nur eine Andeutung der zweiten Welle zeigt, noch weniger war dies an dem Tags zuvor gezeichneten Pulse7 der Fall gewesen. Dass wir in der Intermissionszeit sowie in der Recon- valescenz wieder normale Pulsbilder erhielten, sei hiermit noch erwähnt. Subjective Fiehersymptome. Ausser den weiter unten noch zu erwähnenden sub- jectiven Fiebersymptomen ist hier hervorzuheben das Frostgefühl, das sich im Verlaufe des Fieberzustandes einstellt. An den initialen Frost oder das Frösteln schliesst sich zuweilen über einen und selbst zwei Tage andauernd, ein anhaltendes, zuweilen vorübergehendes — 117 — Frösteln an, das von Hitzegefühl gefolgt ist. Auch weiterhin klagen die Kranken über Frostgefühl, und konnten wir einmal constatiren, dass es am Abend mit einem höherem Ansteigen der Temperatur eintrat. Ein zweites Mal, im Verlaufe eines zweiten Anfalls, war das Ansteigen der Temperatur nach einer Morgenrernission mit einem Schüttel- frost verbunden, der eine Viertelstunde anhielt. In einem anderen Falle stellte sich vom ersten bis vierten Krank- heitstage an jedem Vormittage kurzes Frösteln, gefolgt von Hitzegefühl, ein. Von wichtiger Bedeutung für den weiteren Verlauf der Krankheit ist dieses Symptom nicht; ja es traten selbst heftige Schüttelfröste ein, ohne dass dieselben, wie z. B. beim Typhus, eine so üble Erscheinung gewesen wären. Bei der Besprechung des Temperaturverlaufes wurde schon hervorgehoben, dass gegen Ende des Anfalles ein Ansteigen der Temperatur, oft bis zum Maximum, ein- trat; dieses Ansteigen war in einzelnen Fällen verbunden mit einem kurzen, aber heftigen Schüttelfrost, den wir bis 20 Minuten andauern sahen, und während dessen die Tem- peratur so excessive Grenzen erreichte. Es folgte auf die- sen Frost kurzes Hitzegefühl, und unter Schweiss trat der Abfall ein. In anderen Fällen war die Endgipfelung nur von leichtem Frösteln begleitet. Im Ganzen haben wir 10 derartige Fälle beobachtet. Die erwähnten kurzen Temperatur Steigerungen nach dem zweiten Anfalle traten ebenfaUs unter mehr weniger starkem Frieren ein. Für alle diese Fröste Hess sich eine lokale Ursache nicht auffinden, davon zu trennen sind die- jenigen, welche bei CompHcationen zur Beobachtung kamen. Die Mattigkeit war von Beginn der Krankheit eine erhebHche und blieb es während der ganzen Fieber- zeit; die meisten unserer Patienten mussten deshalb sofort — 118 — das Bett hüten, nur in einzelnen wenigen Fällen konnten dieselben am ersten und höchstens am zweiten Krankheits- tage noch umhergehen. Beschaffenheit der Haut. Die Haut fühlte sich, den hohen Temperaturen ent- sprechend, während der Anfälle heiss an, jedoch, wie auch frühere Beobachter erwähnen, war es nicht der Calor mor- dax, wie er bei so vielen Typhuskranken vorkommt; das brennende Gefühl, das die aufgelegte Hand in letzteren Zuständen empfindet, fehlte stets, die Haut war zwar heiss, aber weich, „aufgeschlossen", stets etwas feucht. In einigen Fällen war die Hauttemperatur dem Gefühle nach sehr ungleich, bei heissem Rumpf fühlten sich die Extremitäten vollkommen kühl an; eine Erscheinung, die vielfach als eine sehr ungünstige angegeben wurde. Diese, allerdings stets sehr schweren Formen, sahen wir ebenfalls in Gene- sung ausgehen; leider haben wir keine Temperaturmessungen der verschiedenen Körperstellen angestellt. Die Wangen zeigten stets eine mehr weniger intense Fieberröthe, wenigstens im Beginn der Erkrankung. Wechselnd mit dem Verlaufe der Temperatur glühten bei dem hohen Stande derselben die Wangen, um dann nach dem Abfall eine blasse Farbe anzunehmen, eine Farbe die während des zweiten Anfalls die vorherrschende war ent- sprechend der bedeutenderen Anämie des Kranken. Am Körper zeigte sich bei den heruntergekommenen Individuen, bei denen eine Reinigung nur ausnahmsweise vorkommt, sehr häufig eine dunkle, schmutzig bräun- liche Farbe, herrührend von dem so fest anhaftenden Schmutz, dass derselbe trotz sorgfältiger Reinigung nicht — 119 — entfernt werden konnte. Dicke Blutkrusten auf den zer- kratzten Stellen waren die Folge des Ungeziefers, mit wel- chem die meisten übersäht waren. Die Beurtheilung von vorkommenden Veränderungen auf der Haut erforderte desshalb die grösste Aufmerksamkeit. Ueber icterische Hautfärbung s. w. u. Zu den constantesten Symptomen gehörte auch in unseren Fällen der Schweiss, der mehr weniger profus während der verschiedenen Stadien der Krankheit beobachtet wurde. Oft trat nach dem initialen Schüttelfrost und dem subjectiven Hitzegefühl starker Schweiss auf, auch beim Be- ginn ohne Frost konnten wir dasselbe erfahren, jedoch we- niger constant bei letzterem Verhalten. Während weiterhin im Verlauf des ersten Anfalls ein geringerer Feuchtigkeits- grad der Haut immer vorhanden war, der die erwähnte weiche Beschaffenheit zur Folge hatte, kamen FäUe von andauernd profusem Schweisse während der hohen Tem- peraturen und ohne Einfluss auf dieselben, wo die Kranken für Tage und Nächte in Schweiss gebadet waren, 7 Mal vor; bei anderen brach nur vorübergehend während des Fiebers stärkerer Schweiss aus; dass er vollkommen wäh- rend des ganzen Verlaufs gefehlt hätte, wurde nie beobachtet, häufig waren aber nur einzelne Körpertheile, besonders das Gesicht, mit Schweissperlen bedeckt; andere schwitzten am ganzen Körper. An bestimmte Tageszeiten war im Ver- laufe des Anfalls der Schweiss nicht gebunden, doch müssen wir hervorheben, dass wir auf den Curventafeln öfter ver- zeichnet haben, dass gegen Morgen, und dann entsprechend den Remissionen der Temperatur, die Haut leicht schwitzend gewesen sei. In beiden Anfällen war in Bezug auf Beginn und Verlauf das Verhalten des Schweisses ein gleiches. Der Nachlass des Fiebers erfolgte, mit nur 7 sicher con- statirten Ausnahmen, in denen jeder Schweiss fehlte, in — 120 — beiden Abfällen unter mehr weniger profusem Schweiss. Das Verhältniss des Eintritts und der Stärke desselben war ein verschiedenes; zuweilen war im Beginn des Abfalls die Haut nur feucht und erst gegen das Ende trat eine profuse Secretion ein, in andern Fällen war nur im Beginn pro- fuser Schweiss vorhanden, noch andere waren während des ganzen Abfalls in Schweiss gebadet. Starke Schweisse, wenn auch nur für einige Stunden, waren die Regel, und seltener bestanden dieselben in nur geringem Grade. Mit dem Eintritt der Fieberlosigkeit hörte der Schweiss meist auf, wiederholte sich zuweilen aber noch am nächsten und den folgenden Tagen in geringerem Maasse. Durch einige Tage anhaltende profuse Schweisssekretion nach dem zweiten Abfall kam ein Mal zu unserer Beobachtung. Quantitative und qualitative Bestimmungen des durch Filtrirpapier aufgesammelten Secretes haben wir nicht ausführen können, von Wichtigkeit wäre besonders eine quantitative Bestimmung des ausgeschiedenen Chlornatrium gewesen. In keinem Falle konnten wir das Auftreten eines charakteristischen Exanthems constatiren, wie dies auch Murchison1) für die englischen und irischen Epidemieen angiebt. Die Mehrzahl unserer Kranken, und zwar alle, die aus dem Hauptheerde der Epidemie, dem oben ge- schilderten Stadttheile, in's Hospital gebracht wurden, kamen bedeckt mit zahllosen, selten mit nur sparsameren Petechien auf Brust- und Bauchdecken, auf dem Rücken und den Extremitäten. Es waren kleine, kaum linsengrosse, kreis- runde, scharf abgeschnittene, nicht erhabene Blutaustritte in's Unterhautzellgewebe von dunkel bläulichrother Farbe, mit deutlichem Stichpunkt in der Mitte. Wir mussten die- ') 1. c. pag. 329. — 121 — selben in aUen Fällen für Flohstiche erklären, einmal nach der angeführten Beschaffenheit, ausserdem wurden dieselben nur beobachtet bei Patienten, die eben in's Hospital auf- genommen worden waren, gleichgültig, in welcher Krank- heitsperiode sie sich befanden, so dass wir diese Petechien constatiren konnten bei Kranken, die im ersten Anfall oder in der Intermission, oder erst im zweiten Anfall in unsere Beobachtung kamen, während sie nie während der Beo- bachtungszeit im Hospital sich entwickelten, nie im Hospitale auch nur an Zahl zunahmen, ja im Gegentheil nach einigen Tagen vollkommen verblassten. Ein vollständig gleiches Verhalten sahen wir auch öfter bei anderen Kranken; beim Abdominal- und Flecktyphus konnten wir deutlich die Roseola, die charakteristischen Petechien von den oben erwähnten Flecken unterscheiden. Dass Exantheme vor- kommen können, scheint nach den Berichten verschiedener Autoren sicher zu sein, Zorn1) erwähnt in einzelnen seltenen Fällen Roseola gesehen zu haben in Form und Ausbreitung der des exanthematischen Typhus ähnHch, nur schneller erblassend; einzelne englische Beobachter haben Exantheme aber allerdings nur sehr selten beobachtet; in schwereren Fällen kommen Petechien, grössere Blutaustritte in's Unter- hautzellgewebe vor. (Murchison 1. c.) Unterscheidet sich so durch das Fehlen der Roseola- eruption die Febris recurrens vom Abdominal- und Fleck- typhus, so wird eine weitere Verschiedenheit gegeben durch eine Herpeseruption, (bei den beiden letztgenannten Krankheiten bekanntlich sehr selten) die wir in unseren 95 Fällen öfter, und zwar 21 Mal, beobachtet halben, d. h. in 22,1 % (bei Typhus abdominalis nach Griesinger2) ') 1. c. 1865. Hft. 7 und 8, pag. 37. 2) Infectionskrankheiten, 2. Aufl., pag. 212. — 122 — in etwa 2 %). An den Lippen in verschiedener Aus- dehnung, um die Nasenöffnungen und einmal am linken Ohrläppchen schössen während der verschiedensten Zeiten des Krankheitsverlaufes die Bläschen auf, öfter folgte am Tage nach dem ersten Auftreten noch eine weitere Aus- dehnung der Eruption. Dieselbe war in 2 Fällen sehr aus- gedehnt, um den ganzen Lippensaum, beiderseits an den Nasenflügeln und am Septum narium; in den andern Fällen waren die Gruppen weniger ausgedehnt, meist nur in einen Mundwinkel, an der Unter- oder Oberlippe; nicht immer war der Herpes einseitig, zuweilen waren beide Mund- winkel Sitz einzelner Bläschen. Letztere zeigten das charakteristische Verhalten, der Inhalt wurde trübe, ver- trocknete nach 2 bis 3 Tagen mit der Epidermisdecke zu einem bräunlichen Schorfe, nach dessen Abfällen die Haut normal war. Der Sitz und die Ausbreitung der Bläschen war der eines gewöhnlichen Herpes faciei, die Ausbreitung folgte nicht wie beim Zoster dem Verlaufe der Nerven. Die Zeit des Ausbruches dieses Exanthems, sowie die Fieberverhältnisse waren sehr verschiedene. Während des ersten Anfalls trat dasselbe 17 Mal auf, während des zweiten 5 Mal. Dabei ist ein Fall, in welchem dasselbe in beiden Paroxysmen ausbrach. In 5 Fällen fiel das Entstehen auf den 2. Krankheitstag, ebenso oft auf den 3.; es war dies jedoch kein Zeichen des bevorstehenden Abfalles, letzterer erfolgte trotz der Herpeseruption zuweilen erst am 6. bis 7. Tage. 3 Mal entstanden die Bläschen am 4., 4 Mal am 5. Tage, der Abfall erfolgte auch in diesen Fällen einen oder 2 Tage nach dem Ausbruch. Der Verlauf des Fiebers zeigte bei allen diesen Fällen, die mit Herpes verbunden waren, keine Aenderung, die Temperaturen waren stets hoch. Die Verhältnisse waren zum Theil wesentlich andere wenn das Exanthem nach dem zweiten Anfalle ausbrach. - 123 — Nur einmal trat 24 Stunden vor dem zweiten Abfall bei hoher Temperatur und Pulsfrequenz am 15. Krankheitstage eine Herpeseruption um den Lippensaum ein, die am 16. Tage, demjenigen des Abfalls, sich noch mehr ausge- breitet hatte; in zwei weiteren Fällen brach dieselbe zwei Tage nach beendetem zweiten AbfaUe bei andauernder Fieberlosigkeit aus, einmal 24 Stunden nach dem Abfall. Bei dem einen FaUe mit zweimaligem Auftreten des Herpes traf die erste Eruption auf den dritten Krankheitstag, 48 Stunden vor dem Abfall, die zweite auf den 16. Krank- heitstag, während des zweiten Anfalls zusammen mit einer bedeutenden Remission der Temperatur. Der Abfall er- folgte am 17. Tage. Das Auftreten von Miliaria ist ein verschieden häufiges in einzelnen Epidemieen. In London fand es Or in er od1) so häufig, dass er die Krankheit „MiHary- fever" nannte; wir haben es unter den 95 Fällen 14 Mal beobachtet. Die kleinen mit wasserklarem Inhalte gefüllten von nicht injicirtem Hofe umgebenen zarten Bläschen waren zuweilen nur sparsam über Brust- und Bauchdecken zer- streut, zuweilen aber war der ganze Körper mit Ausnahme des Gesichtes dicht besäet mit den kleinen Bläschen, so dass die Haut, besonders bei Kindern, sich vollkommen rauh anfühlte. Der Inhalt zeigte in mehreren von uns untersuchten Fällen sehr deutliche sauere Reaction. Nur 2 Mal zeigte der Ausschlag die Form der Miliaria rubra. Die Eruption war in den meisten Fällen nur eine einmalige, selten erfolgten am Tage nach dem ersten Auftreten Nach- schübe. Die Zeit des Ausbruches war verschieden, meist gegen Ende des ersten oder zweiten Anfalls, mit dem Ab- faU zusammentreffend, oder nach demselben; nur einmal ') Murchison, 1. c. pag. 332. — 124 — trat im Beginn des zweiten Anfalls bei einem 7jähr. Kinde eine massig reichliche Eruption auf. Die sonstige Be- schaffenheit der Haut war ebenso verschieden, die Kranken schwitzten bald profus, bald war die Haut nur feucht, oder sie fühlte sich, letzteres allerdings am seltensten, trocken an. Der Verlauf der Fälle, bei denen Miliaria ausgebrochen war, war von dem der übrigen nicht abweichend. Selten, nur in 2 Fällen, haben wir den Ausbruch von Urticaria porcellanea gesehen. In einem Falle trat der Ausschlag am 12. und 13. Krankheitstage, kurze Zeit bevor der zweite Anfall sich einstellte, an beiden Vorder- armen auf und ging sehr bald vorüber; eine bestimmte Schädlichkeit Hess sich nicht nachweisen, ebenso wenig bei dem zweiten Falle. Bei dem letzteren hatten sich am 12. Tage ebenfalls vor Beginn des zweiten Anfalls die Quaddeln entwickelt und verschwanden schnell, im Verlaufe der Convalescenz am 39. Tage kamen sie nochmals vor- übergehend anf beiden Vorderarmen. Das Auftreten des erwähnten Exanthems war ein zu seltenes, um daraus irgend welche Schlüsse zu ziehen, vielleicht war es ein rein zu- fälliges. Hervorheben wollen wir aber, dass wir beim Typhus niemals Urticaria gesehen haben. Eine ausgedehnte Abschuppung der Haut in grossen Fetzen, von der Murchison1) berichtet, kam in unseren Fällen nicht vor, dagegen 8 Mal eine mehr weniger ausgedehnte kleienartige Abschuppung, oder höchsens lösten sich nur kleine dünne Fetzen ab. Fünf Mal beschränkte sich dieselbe auf das Gesicht, besonders den Nasenrücken, in drei Fällen war sie auf den ganzen Körper verbreitet. Die- selbe trat ein nach Beendigung des zweiten Abfalls unmit- telbar nach demselben, oder erst einige Tage später und l) 1. c. p. 332. — 125 — hielt kurze Zeit an. Miliaria war einmal voraufgegangen, der Schweiss war bald stärker, bald geringer gewesen. Bei mehreren Patienten, die uns späterhin wieder vor Augen kamen, besonders bei zwei Wärterinnen, trat im weiteren Verlaufe der Convalescenz Anfangs stärkeres Aus- fallen der Kopfhaare ein, das sich allmählich nachlas- send durch Wochen hinzog. Mit der Entwickelung der bedeutenderen Anaemie nach Ablauf der Krankheit fällt das häufigere Entstehen von Oedemen während der Reconvalescenz zusammen, 25,26 pCt. unserer Kranken zeigten dasselbe. Nach län- gerem Verweilen ausser Bett und beim Herumgehen stellten sich gegen Abend geringe Anschwellungen um die Fuss- gelenke ein, die öfter übersehen worden sein mögen, bei Bettlage verschwanden sie über Nacht. Seltener dehnten sich, besonders bei schweren Formen der Krankheit, die Oedeme weiter aus bis zu den Knieen, nur einmal waren sie über die Haut des ganzen Körpers, besonders die Rückenhaut, verbreitet. Eine tiefere Erkrankung anderer Organe war ausgeschlossen in allen diesen Fällen. Meist waren es Individuen, die früher schon elend und schlecht ge- nährt gewesen waren oder die im Verlaufe CompHcationen überstanden hatten, seltener kräftige Männer nach leichtem Krankheitsverlaufe. Das Anasarka trat selten nach Ablauf des ersten Anfalls ein, meist erst nach dem zweiten, am Ende der dritten oder im Beginn der vierten Woche; nach höchstens 8 bis 14 Tagen verschwand es mit der besseren Ernährung der Patienten. Nur in dem erwähnten Falle von weiterer Ausdehnung über den ganzen Körper bei einer 67jährigen Frau, die ausser schweren Anfällen noch eine Parotitis überstanden hatte, dauerten die Oedeme bei längerem Aufstehen noch am 70. Tage nach Beginn der Krankheit an. — 126 — Als Complicationen oder Folgekrankheiten sind Ery- sipele zuweilen in verschiedenen Epidemieen beobachtet. Decubitus tritt selten auf, zuweilen Gangraen einzelner Körpertheile; Complicationen, die wir nicht beobachtet haben. Symptome von Seiten der Digestionsorgane. Abgesehen von den nicht häufigen Fällen, in denen eine kurze Zeit bestehende Appetitlosigkeit mit den anderen oben erwähnten prodromalen Symptomen dem Be- ginne des Fiebers voranging, war es wohl die Regel, dass mit Eintritt des letzteren der Appetit momentan und voll- ständig geschwunden war; derselbe fehlte während des ganzen ersten Anfalls in allen unseren Fällen vollkommen, etwas Suppe und Semmel, am liebsten noch Milch, nahmen die meisten Kranken zu sich, einige wollten nichts geniessen. Sehr schnell aber kehrte nach dem ersten Abfall der Appetit zurück und ungestraft konnten die Patienten oft schon am zweiten und dritten Tage der Intermission besser genährt werden, wir haben nicht beobachtet, dass durch Genuss compacter Nahrungsmittel der Eintritt des zweiten Anfalls hervorgerufen worden wäre. Selbst Roggenbrot der nord- deutschen Bäcker, welches bei Typhuskranken bei schon längere Zeit bestehender Convalescenz so schwer vertragen wird und nach unseren Beobachtungen häufig der Grund eines Recidivs ist, konnten Recurrenskranke ohne Nachtheil geniessen. Gering blieb der Appetit in Fällen, in denen die Intermission nur kurze Zeit anhielt; er wurde es wieder nach Eintritt des zweiten Anfalls, jedoch verlor er sich nicht so plötzlich, als bei dem Krankheitsbeginn, sondern zuweilen erst 12 bis 24 Stunden nach dem Eintritt der Temperatursteigerung. Nur vier Mal klagten die Patienten — 127 — während des zweiten AnfaUs über Hunger und verlangten mehr zu essen, als ihnen bei dem bestehenden hohen Fie- ber gereicht wurde. Nach dem zweiten Abfall wurde wie nach dem ersten der Appetit sehr bald ein guter, im wei- teren Verlaufe der Convalescenz war das Nahrungsbedürf- niss ein so bedeutendes, dass trotz reichlicher und häufiger Mahlzeiten die Kranken doch noch über Hunger klagten. Das Geschmacksgefühl war sehr alterirt. Bald fehlte nach den Angaben der Geschmack vollkommen, bald waren die Speisen „pappig", bald „bitter", und dem ent- sprechend zeigte die Schleimhaut der Zunge einen mehr weniger starken Belag. Schon am ersten Tage trat derselbe ein, nahm allmählich zu, dass dicke weisse Epi- thelmassen sich anhäuften. Die Ränder blieben öfter roth, an der Spitze ein rothes Dreieck. Bei Respiration durch den Mund wurde die Zunge trocken, jedoch in unseren Fällen verhältnissmässig selten, und waren die Zähne, das Zahnfleisch mit bräunlichen vertrockneten Massen bedeckt. Die Trockenheit der Zunge, meist erst gegen Ende des Anfalls eintretend, war dann oft nur am Morgen zu con- statiren, nachdem die Kranken in der Nacht geschlafen hatten, während dieselbe am Abend fehlte. Schnell wurde mit Besserung des Appetites die Zunge rein, im zweiten Anfall trat der Zungenbelag stets von Neuem auf. Eine tiefere Erkrankung der Zunge beobachteten wir einmal bei einer 58jährigen Frau. Am fünften Krank- heitstage zeigte die trockene etwas angeschwollene Zunge tiefere Risse und war sehr schmerzhaft. Bei entsprechen- dem Verhalten besserte sich der Zustand bald. Schmerzhaftigkeit beim Schlingen kam zuwei- len im ersten oder zweiten Anfalle zur Beobachtung, ver- bunden mit einer leichten Affection der Pharynxschleimhaut. Von 8 derartigen Fällen zeigten 6 nur geringe oder etwas — 128 — stärkere Röthung der Gaumenbögen, mit geringer Schwel- lung und Röthung der Tonsillen. Zwei Mal trat am 3ten und 4. Tage eine etwas stärkere Entzündung ein, in deren Verlauf am 5. und 6. Tage kleinere, flache, gelbliche Einlagerungen der hinteren Pharynxwand sich zeigten, die bei geeigneter Behandlung sich jedoch nicht weiter aus- breiteten. Foetor oris wurde einige Male beobachtet neben einem eigenthümliehen nicht näher definirbaren Gerüche des ganzen Körpers, den viele der am meisten ver- wahrlosten Kranken erkennen Hessen. Wie frühere Beobachter haben auch wir Uebelkeit und Erbrechen öfter und zu verschiedenen Zeiten ein- treten gesehen. In 45 unserer Fälle aufgezeichnet, traten diese Symptome bald nach dem Krankheitsbeginn 21 Mal auf. Theils klagten die Kranken nur über Uebelkeit, theils trat auf letztere folgend Erbrechen von dünnen, flüssigen, grünlichen oder gelblichen Massen unter zuweilen sehr hef- tigem Würgen ein, das sich im Laufe des ersten Tages ein bis zwei Mal und nur in einigen Fällen öfter (bis 6 Mal) wiederholte. Im Verlaufe der ersten Anfälle trat mehr weniger häufig Erbrechen auf, es cessirte mit dem Abfall. Während des letzteren haben wir es 20 Mal (5 Mal im ersten) beobachtet, höchstens wiederholte es sich noch am ersten Tage nach demselben. In allen unseren Fällen war das Erbrechen nie von gefahrdrohender Häufigkeit, die subjeetiven Beschwerden waren allerdings den Kranken, besonders wegen des vorangehenden heftigen Würgens, sehr unangenehm. Die Menge der erbrochenen Massen war stets eine nur geringe. Schwarze, blutige Massen1), wie es englische Beobachter erwähnen, beobachteten wir ') Murchison 1. c. p. 337. (Zülzer p. 323). — 129 — nicht. In den Fällen, in denen erst im weiteren Verlaufe Erbrechen auftrat, fiel uns einige Male die Coincidenz mit einer bedeutenden Vergrösserung der Leber auf. Es war diese so geschwellt, dass sie bis weit in's linke Hypochon- drium hinüber ragte, ja dass die Milz- und Leberdämpfung in einander übergingen. Nicht unwahrscheinlich scheint uns, dass durch den Druck dieser vergrösserten Organe auf den Magen das Erbrechen veranlasst wurde. Eine tiefere Erkrankung des Magens müssen wir aber in allen Fällen annehmen, dafür spricht neben den schon hervor- gehobenen Symptomen die Schmerzhaftigkeit des Epi- gastrium, spontan und bei Druck, die auch dann schon vorhanden ist, bevor dieselbe auf den vergrösserten Leber- lappen bezogen werden kann. Ein Mal war unter unseren Beobachtungen das Erbrechen Begleiterscheinung einer als Nachkrankheit sich entwickelnden Nephritis. Der zuweilen sich einstellende Singultus war, ohne ein prognostisch übles Symptom zu sein, den Kranken doch sehr lästig. Die Configuration des Abdomen war in der Mehrzahl unserer Fälle eine normale; es fehlten abnorme Auftreibungen einzelner Parthieen und nur 9 Mal war ein geringer Meteorismus während der Anfälle vorhanden, eine Auftreibung, die meist von diarrhoischen Ausleerungen be- gleitet war und die niemals für längere Zeit anhielt. Das Epigastrium, zuweilen unerheblich vorgewölbt, war aus- nahmslos Sitz von Schmerzen, die, wenn nicht spontan, doch jedesmal auf schon geringen Druck eintraten, und die in einigen Fällen als unerträglich geschildert wurden. Nicht minder waren während der Anfälle verschiedene an- dere Parthieen schmerzhaft, so die Nabelgegend, beide Hypochondrien und die Iloeocoecalgegend. In letzterer constatirten wir 8 Mal beim Druck ein gurrendes Ge- räusch, das auch einmal im Verlaufe des Colon transver- Wyss u. Bock, Febris recurrens. 9 — 130 — sum und einmal im Colon descendens gefunden wurde, gleichzeitig bestanden diarrhoische Ausleerungen. Die Schmerzhaftigkeit der Regio iliaca haben wir in leichteren Fällen beobachtet, während Murchison1) angiebt, dass dieselbe nur bei Dysenterie vorkomme. Die Darmausleerungen boten in unseren Fällen keine constanten Verhältnisse dar. In den ersten Tagen der Krankheit war der Stuhl regelmässig, wie früher, oder retardirt oder auch gleich von Beginn an diarrhoisch. Es stellte sich das Verhältniss aus 95 Beobachtungen etwa so, dass 31 Mal im Beginn Obstipation bestand, die 2, selten bis 5 Tage anhielt; 30 Mal waren 2 bis 5 diarrhoische Ausleerungen vorhanden, die übrigen Fälle zeigten nichts Abnormes. Im weiteren Verlaufe stellten sich gegen Ende des ersten Anfalls ziemlich häufig diarrhoische Ausleerungen ein, die zum Theil auf die angewandten Medicamente (Na- tron subsulfurosum) bezogen werden mussten, in anderen Fällen traten dieselben spontan kurz vor und im AbfaU ein und cessirten mit dem letzteren. Während der Inter- mission war das Verhalten meist ein normales, im zweiten Anfall wurde Diarrhoe gleichfalls als wechselndes Symptom beobachtet; die Convalescenz wurde durch Darmcatarrhe zuweilen verzögert. Ein Theil unserer Fälle zeigte während des gesammten Verlaufes keine erheblichen Abnormitäten der Stuhlausleerungen. Die dünnen Stühle, die bis 16 Mal in 24 Stunden ein- traten, sind dann ziemlich reichlich, meist hellgelb, seltener bräunlich, deutliche Schichtungen, wie bei Typhusstühlen, konnten wir an urinfreien Dejectionen nicht constatiren. Genauere mikroscopische Untersuchungen fehlen uns. Blu- tige Stühle, mit heftigem Tenesmus verbunden, wurden in «) 1. c. pag. 335. — 131 — Fällen beobachtet, die unten genauer mitgetheilt werden sollen. Einige Male erfolgten die Ausleerungen in's Bett. Abgesehen von den mit Delirium tremens complicirten Fäl- len war der Grund davon nur die bedeutende Körper- schwäche, die Schmerzhaftigkeit der Glieder, welche die Patienten hinderte, schnell genug bei der Hand zu sein. Eine Anschwellung der Milz haben wir unter unseren Beobachtungen niemals vermisst, stets war dieselbe vorhanden und zwar erreichte sie oft eine so beträchtliche Grösse, wie wir sie bei anderen Infections- krankheiten niemals beobachtet haben. Der Milztumor war in allen Lebensaltern deutlich nachweisbar, derselbe wurde leicht durch Percussion bestimmt, und erreichte Dimensionen, die in der grössten Ausdehnung der Däm- pfung in der Höhe 8 bis 10 Ctm. (in der vorderen Axillar- linie) bei den Erwachsenen betrugen, nicht selten aber auch 12 und 14 Ctm. erreichten. Bei Kindern betrug die Höhe der Milz 7 bis 8 Ctm., in Maximo einmal 9 Ctm. War die Länge in den ersten Krankheitstagen noch be- stimmbar, so wurde dieses weiterhin mit Genauigkeit nicht mehr mögHch, da sich das Organ nach hinten meist eben so wie nach vorn entwickelte, und dann die hintere Grenze nicht mehr herauspercutirt werden konnte. Jedenfalls sind die Maasse sehr beträchtliche: eine annähernde Länge von über 15 Ctm., oft betrug dieselbe 20 Ctm. und darüber. Bis über die vordere Axillarlinie ging ohne Ausnahme die Dämpfung, sehr häufig bis zum Rippenbogen nach vorn und nach unten, man konnte das Organ sehr deutlich durch Palpation erkennen, besonders in den FäUen, in denen sich der Tumor noch weiter bis zur linken Papillarlinie und abwärts bis zur Höhe des Nabels erstreckte; es waren die für die Milz so charakteristischen Einkerbungen deutHch 9* — 132 — fühlbar. Jedoch auch in Fällen weniger bedeutender An- schwellung konnten wir die Milz sehr oft unter dem Rip- penbogen palpiren. Die Frage, zu welcher Zeit der Krankheit der Milz- tumor sich entwickelte, können wir aus unseren Beobach- tungen beantworten. Unter 13 Fällen, die in den ersten Tagen zur Untersuchung kamen, war nur drei Mal am zweiten Krankheitstage die Milz nicht vergrössert; die Dämpfung betrug bei einem erwachsenen Manne (Nr. 14) 4 bis 5 Ctm. in der Höhe und eben so viel in der Länge; schon Ende des dritten Tages ging die Dämpfung aber bis 3 Ctm. über die vordere Axillarlinie nach vorn bei einer Höhe von 10 Ctm., am vierten Tage reichte sie bis zum Rippenbogen. In allen übrigen Fällen war auch ohne vorher überstandene Intermittens ein mehr weniger bedeu- tender Tumor schon am zweiten Tage nachweisbar, der in den folgenden Tagen schnell zunahm. Bei einem Kinde von 6 Jahren wurde 3 Stunden nach Beginn der Krank- keit die Milz untersucht, eine Vergrösserung war nicht zu constatiren, die Dämpfungshöhe betrug höchstens 2 Ctm., 15 Stunden nach Beginn war die Höhe 5 Ctm., 1 Ctm. über die vordere Axillarlinie nach vorn, und 36 Stunden nach Beginn wurde eine Höhe von 7 Ctm., eine Länge von 8 Ctm. constatirt. In allen Fällen war am dritten' Tage wohl ausnahmslos der Tumor zu percutiren. Es geht dar- aus hervor, dass die Milzschwellung bei der Re- currens schon früh eintritt, ein für die Diagnose nicht unwichtiges Symptom. Gegen Ende des Anfalles hatte die Milzdämpfung ihr Maximum erreicht, und blieb einige Zeit constant. Nach dem Ende des Abfalls traten dann von Neuem Verände- rungen auf, weitaus in der Mehrzahl ging der Tumor in der Intermission zurück, und nur 5 Mal konnten wir keine — 133 — Verminderung desselben nachweisen. Die Abschwellung war schon am zweiten und dritten Tage der Intermission deutlich erkennbar, weiterhin nahm dieselbe noch mehr zu, die normale Grösse des Organs wurde aber mit Ausnahme von 2 Fällen nicht erreicht; dasselbe blieb so gross, dass die vordere Grenze gewöhnlich zwischen die hintere und vordere Axillarlinie fiel. Im zweiten Anfall begann bald, meist schon nach Ab- lauf des ersten Tages deutlich nachweisbar, die Milz von Neuem zu schwellen, und erreichte Dimensionen, die denen des ersten Anfalls gleich kamen, ja dieselben zuweilen noch überragten. Nur bei ganz kurze Zeit andauernden An- fäUen (siehe weiter unten) war eine neue Vergrösserung nicht zu constatiren. Nach dem zweiten Abfall trat weni- ger schnell eine Verkleinerung des Organes ein, als in der Intermission, eine massige Vergrösserung blieb oft noch für längere Zeit bestehen, auch wenn die Kranken früher nicht an Intermittens gelitten hatten. Die erwähnten 5 Fälle, in denen eine Verkleinerung während der Intermission nicht nachgewiesen werden konnte, boten gewisse Abnormitäten des Verlaufes, so war das eine Mal die Milz sehr beweglich, sie fiel bei rechter Seitenlage weit nach vorn, so dass die Bestimmung eine ungenaue wurde. Ein zweites Mal war der sehr grosse Tumor, der bis zum Nabel nach unten reichte, zwar nicht zurückgegan- gen, wohl aber trat im zweiten Anfall eine weitere deutHch nachweisbare Vergrösserung ein. In den übrigen Fällen war die Intermission eine nur sehr kurze gewesen. Rupturen der Milz mit tödtlicher Peritonitis er- wähnen die Petersburger Beobachter. Ueber chronischen Milztumor, Milzabscesse siehe weiter unten. Die Leber bot in unseren Fällen ebenfalls wichtige Veränderungen dar. Sehr häufig war auch an diesem Or- — 134 — gane eine Vergrösserung nachzuweisen, wenngleich nicht so constant, als an der Milz. Es konnte die Anschwellung erst etwas später, als an der Milz, nämlich erst am 3. bis 4. Krankheitstage, constatirt werden, welche zuerst am lin- ken Lappen nachweisbar war: das Epigastrium war in der Regel etwas weiter nach unten als normal und bis in die linke Hälfte hinüber vollkommen gedämpft; in der Mehrzahl unserer Fälle war dann, gegen Ende des Anfalls das Maxi- mum erreichend, das Organ auch im rechten Lappen mehr weniger vergrössert; öfter war der untere Rand deutlich fühlbar. In einzelnen Fällen war die Vergrösserung eine so beträchtliche, dass der linke Lappen bis zur linken Pa- pillarlinie und weiter hinüberragte, zuweilen ging die Leber- dämpfung in die der Milz über. Eine Abnahme des Lebertumors trat in der Inter- mission, wenn dieselbe eine nicht allzu kurze war, deutlich nachweisbar, häufig bis zur normalen Grösse, ein; im zwei- ten Anfall wurde eine neue Anschwellung constatirt, zum wenigsten so, dass das vorher tympanitische Epigastrium wieder gedämpft wurde. In der Reconvalescenz erreichte die Leber die normale Grösse sehr bald und zwar eher als die Milz. Mit der Anschwellung der beiden Organe stellten sich in beiden Hypochondrien fast in allen Fällen spontane oder wenigstens auf Druck Schmerzen ein, die im Verlauf der Anfälle oder auch in den ersten Tagen nach dem Abfall Gegenstand bedeutender Klagen der Pa- tienten würden. Diese Schmerzen waren auch vorhanden, wenn eine Empfindlichkeit der Hautdecken und Muskeln auszuschHessen war, dieselben mögen bedingt sein durch die beträchtHche Spannung der Kapsel, durch Zerrung der Ligamente in Folge der bedeutenden Vergrösserung der Organe, — 135 — Icterus, der in anderen Epidemieen in verschiedener Häufigkeit beobachtet worden ist, war in unseren Fällen selten; für längere Zeit bestand derselbe nur in einem Falle, der sich in seinem ganzen Verlaufe mehr der biliösen Re- currens nähert. In allen übrigen 9 Fällen trat nur für kurze Zeit eine gelbe Färbung ein, die zuweilen nur an der Conjunctiva deutlicher war, zuweilen aber auch an der Haut mit Sicherheit erkannt werden konnte. Der Icterus trat ein bis zwei Tage vor dem ersten Abfall ein und ver- schwand schnell nach dem Sinken der Temperatur. Er kam nur im ersten Anfall vor mit nur einer Ausnahme, wo auch im zweiten Anfall eine einen Tag anhaltende schnell vorübergehende Gelbfärbung der Conjunctiva notirt war. Die Stühle zeigten durchaus keine andere Beschaffen- heit, als gewöhnlich. Den Urin haben wir mehrfach auf Gallenfarbstoff untersucht, doch war es uns zuweilen nicht möglich, bei sicher bestehendem Icterus durch das Gmelin'sche Ver- fahren eine deutliche und unzweifelhafte Farbstoffreaction nachzuweisen. Durch das von Huppert1) angegebene Verfahren gelang es uns aber wiederholt, diesen Nachweis zu führen. War schon dadurch bewiesen, dass es sich um einen Resorptions-Icterus und nicht um einen Blut- icterus handele, so wurde dies auch für die geringeren Grade bewiesen durch den Nachweis der Gallensäuren, der in dem einen Falle geführt werden konnte. Es stellte sich bei einer Patientin am 8. Tage leichter Icterus der Con- junctiva ein, der sich schwach über den ganzen Körper er- streckte und bis zum 10. Tage anhielt. Der Nachweis der Gallensäuren ist nicht immer leicht, er missglückt oft, der positive Befund in dem einen Falle ») Archiv der Heilkunde 1867, pag. 351. — 136 — wiegt die negativen auf, zu denen Prof. Schmidt1) in Petersburg gelangte, so dass wir auch die leichtesten For- men des Icterus bei der einfachen Recurrens als einen hepatogenen Icterus auffassen müssen. Da die Stühle in allen zur Beobachtung gekommenen Fällen stark gallig gefärbt blieben, ist ein Verschluss der Papille des Ductus choledochus wohl auszuschliessen, sehr leicht erklärt sich aber die Aufnahme von geringen Mengen von Gallen- bestandtheilen in's Blut bei einem Katarrh nur eines Theiles der feinen Gallengänge. Respirationsorgane. Die Respiratiosorgane zeigen viel weniger con- stant eine Affection, als beim Typhus abdominalis und beim Flecktyphus. Abgesehen von den Blutungen aus der Nase, die zum Theil gewiss auf eine Erkrankung der Schleim- haut zurückgeführt werden müssen, haben wir eine stärkere katarrhalische Secretion nur selten notirt. In 2 Fällen, beides Kinder, bestand während des ersten Anfalls ein stär- kerer Schnupfen, der das eine Mal dem Krankeitsbeginne 8 Tage voraufgegangen und mit letzterem stärker gewor- den war. Ein drittes Mal trat bei einem 3jährigen Mäd- chen mit Beginn des zweiten Anfalls Schnupfen ein, der sich schnell verlor. Nicht gerade selten klagten die Patienten über ge- ringen Husten, der mit heftigen „Schmerzen der Brust" verbunden war, Schmerzen, die wir stets auf eine Affection l) Beitrag zur Kenntniss der Recurrens und ihrer AnomaHeen von Dr. F. Herrmann. Petersburger mediz. Zeitschrift 1867. Heft 1. pag. 8. — 137 — der Brustmuskeln beziehen mussten. Nicht in allen diesen Fällen konnten durch die Auscultation catarrhalische Er- scheinungen in den Bronchien nachgewiesen werden, so dass der Husten durch eine nur geringe Schwellung der Schleimhaut ohne Secretion bedingt sein musste. Nach- weisbar war ein geringer Katarrh in 37 von unseren 95 Fällen; auf eine Seite beschränkt, seltener auf beiden, hörte man nach hinten und unten einzelne Rhonchi oder spar- same, trockene Rasselgeräusche, Erscheinungen, die meist nur gegen Ende des ersten oder zweiten Anfalls deutlich waren; in der Convalescenz und auch während der Inter- mission war das Athmen vollkommen rein. Die expecto- rirten sparsamen Massen zeigten nichts Besonderes. In einigen Fällen hatten vor Beginn der Recurrens Lungenerkrankungen bestanden, so einige Male geringes Emphysem, einmal vorgeschrittene tuberculöse Erkrankung (rechts vorn Dämpfung, bronchiales athmen mit klingen- den Rasselgeräuschen). Eine erhebliche Verschlimmerung der von früher bestehenden Krankheitserscheinungen konn- ten wdr in diesen Fällen nicht nachweisen. Pneumonie haben wir nur in einem Falle als Terminalerscheinung bei Complication mit acuter Nephritis beobachtet. Zorn erwähnt dieses Vorkommen, ebenso die eng- lischen Beobachter. Selten geht die Pneumonie in Gangraen aus. Selten sind Pleuritis als Complicationen, selten auch Affectionen des Larynx, in unseren Fällen fehlten derartige CompHcationen. Dass die Respirationsfrequenz während der Fieberanfälle ohne jede Erkrankung der Lunge meist sehr beschleunigt war, bis 40 Mal in der Minute, bei Kindern noch schneller, sei noch kurz angeführt, mit den Abfällen wurde die normale Frequenz erreicht. — 138 — Circulationsorgane. Tiefere Erkrankungen des Herzens kamen in unseren Fällen nicht vor; auf eine bedeutende Herz- schwäche müssen wir eine Schwäche und Dumpfheit der Herztöne beziehen; eine Schwäche, die in anderen Epi- demieen zu vollständigem Collaps führte, der oft ganz un- erwartet schnell eintrat und Todesursache wurde. Fälle dieser Art erwähnt Murchison, von Douglas1) beo- bachtet, bei scheinbar ganz leichtem Verlauf trat unter ganz unerwartetem Collaps plötzlicher Tod ein, dasselbe sahen die Petersburger Beobachter. Andeutungen dieses Collapszustandes sahen auch wir in schweren Fällen unmittelbar vor dem Abfall zuweilen, die Herzbewegungen wurden vorübergehend un- regelmässig, der vorher fühlbare Spitzenstoss verschwand. Häufig haben w*r im Verlaufe der Krankheit zu ver- schiedenen Zeiten mehr weniger laute Geräusche am Her- zen gehört, die ohne andere Erscheinungen von Seiten des letzteren Organes eintraten. Diese stets systolischen Geräusche waren in der Regel am lautesten über der PulmonaHs hör- bar im 2. bis 3. Intercostalraum, links neben dem Sternum, nächstdem am lautesten an der Spitze, weniger laut, aber deutlich über dem rechten Ventrikel und über der Aorta. Gleichzeitig war am Halse oft ein Venensausen wahrzu- nehmen. Schon im Verlaufe des ersten Anfalls beobach- teten wir das Auftreten dieser Geräusche in 22 Fällen, 6 Mal trat es erst in der Intermission auf, 4 Mal im zwei- ten Anfall und 8 Mal erst nach dem zweiten Abfall. Die- selben waren selten nur vorübergehend, meist hielten sie längere Zeit in die Convalescenz hinein an und verloren >) 1. c. pag. 355. — 139 — sich erst mit einem besseren Ernährungszustande. Wir müssen diese Geräusche als dieselben accidentellen auffassen, wie sie im Verlaufe anderer fieberhafter Krankheiten oder bei anämischen Zuständen so häufig auftreten. Kurz er- wähnen wollen wir die Gerinnungen des Blutes, die ma- rantischen Thrombosen, welche sich bei geschwächter Herz- kraft etc. auch im Verlaufe der Recurrens entwickeln können. Uns kamen derartige Fälle nicht vor. Bei zwei von unseren Fällen bestanden Klappenfehler, in dem einen eine Insufficienz der Mitralis, im zweiten eine angeborene Erkrankung, wahrscheinHch Stenose der Pul- monaHs mit beträchtlicher Cyanose. Beide überstanden Recurrens, ohne dass ein Einfluss auf das Herzleiden auch späterhin sich geltend gemacht hätte. Die Beschaffenheit des Pulses ist bereits erwähnt. Blnt nnd Blutungen. Wie bei andern Infectionskrankheiten ist auch bei der Recurrens der Nachweis einer beträchtlichen Alteration des Blutes, Abweichungen der Zusammensetzung, oder gar das Auftreten fremder Bestandtheile noch nicht geHefert. Wenn- gleich eine primäre und ganz specifische Erkrankung des Blutes sehr wahrscheinlich ist, die wir uns nach unseren Beobachtungen durch Aufnahme eines „Giftes" durch die Lungen bewirkt denken müssen,1) so können wir leider den Nachweiss der Veränderungen nicht führen. Dass diese in Püzkeimen oder Bacterien ihren Grund haben, wie dies in neuester Zeit für eine Reihe von acuten Infections- krankheiten behauptet worden ist, davon konnten wir uns ') Vgl. pag. 59. — 140 — nicht überzeugen. Oefter haben wir Blut in den verschie- denen Stadien der Krankheit mit allen Cautelen frisch am Krankenbette, auch mit stärkeren Vergrösserungen (Hart- nack, System No. 9) untersucht, die Anwesenheit para- sitischer Gebilde konnten wir niemals constatiren. Wir müssen diese Frage als eine vollkommen offene hinstellen. Vermehrung der weissen Blutkörperchen fiel uns zuweilen bei annähernder Schätzung auf, Zählungen haben wir nicht vorgenommen. Das während der Paroxysmen durch Schröpfköpfe entzogene Blut sahen wir gut und schnell gerinnen, ohne Speckhaut, von dunkler Farbe; heller war das bei Nasenbluten aufgesammelte. An der Leiche sahen wir in einem Falle noch längere Zeit nach dem zweiten Anfall eine dunkle schmierige Beschaffenheit. Das Blut der Leichen, die aus der Intermission stammten, wird als äusserst dünnflüssig und wässrig von Petersburger Be- obachtern bezeichnet. Praktisch wichtiger sind die im Verlaufe der Krankheit auftretenden Veränderungen bei anämischen Zuständen, welch letztere bei unseren Kranken schon nach Beendigung des ersten Anfalls, noch mehr aber nach dem zweiten Abfall sich geltend machten. Die Reconvalescenten sind blass und schwach, zuweilen stellten sich Ohnmachts- anfälle ein, am Cor findet sich das erwähnte systolische Geräusch, an den unteren Extremitäten die geringen Oedeme. Hochgradig anämische Zustände werden durch schwere Com- plicationen, profuse Diarrhöen etc. hervorgerufen. Verhältnissmässig häufig traten im Verlaufe unserer Fälle Blutungen auf, worauf dieselben zurückzuführen sind, ist nicht zu entscheiden; zuweilen traten bedeutende Congestionszustände in den Vordergrund; unbekannte ab- norme Beschaffenheit der Gefässwände, ebenso auch des Blutes könnte man supponiren; letztere würde auch der — 141 — Bildung eines Thrombus hinderlich sein, daher die öfter profusen Blutungen. Nasenbluten kam zu verschiedenen Zeiten der Krankheit vor, dasselbe wiederholte sich zuweilen einige Male, zuweilen trat es nur einmal auf, die Menge des Blutes schwankte von wenigen Cubiccentimetern bis zu so bedeu- tenden Mengen, dass die Tamponade (in 2 Fällen) aus- geführt werden musste. Unter 95 Fällen haben wir in 34, also in 35,78 °/0 Nasenbluten beobachtet, und zwar trat es 8 Mal in beiden Anfällen auf, 18 Mal wiederholte es sich öfter an mehreren Tagen. Nur selten erschien es schon am ersten Tage in geringer Menge, um sich an den fol- genden zu wiederholen, am häufigsten zur Zeit des Abfalls, einige Stunden bis einen Tag vor oder nach demselben, so 16 Mal zur Zeit der ersten Krisis, 13 Mal zur Zeit der zweiten, darunter 4 Fälle, in denen zur Zeit der beiden Krisen Blutungen eintraten. Selten stellten sich dieselben unbedeutend ein in dem weiteren Verlauf der Remission oder während der Convalescenz. Die Tamponade wurde nothwendig in dem folgenden Falle: No. 52. Franz Kapelle, Arbeiter, 16 Jahr. Auf- genommen am 25. Juli 1868. Erkrankte am 24. Juli früh nach dem Aufstehen mit Hitze, ohne Frost, Schmerzen in den Beinen, im Genick, besonders ,,beim Drehen des Kopfes". Bettlägerig mit dem Beginn; kein Appetit, Durst, heftiges Kopfweh Am 25. Juli früh etwas Nasenbluten. Status präsens am 25. Juli 1868 Abends. (Ende des 2. Krankheitstages.) Ziemlich kräftig, blasse Wangen, Haut heiss, etwas schwitzend. Kopfweh, Genickschmerzen, und Schmerzen in den Oberarmen bei Druck und Bewegung. Zunge dick belegt, Appetit fehlt, viel Durst, ein gebundener Stuhl. Milz bis zum Rippenbogen 15 Ctm. lang, 8 Ctm. hoch, fühlbar, schmerzhaft bei Druck. Leber nach links vergrössert, Epigastrium gedämpft, Höhe der Leberdämpfung in der Medianlinie 7% Ctm. Papillarlinie 8 Ctm., vordere Axillarlinie 8#Ctm. Herztöne rein, Lungen frei. Puls 136, regelmässig, celer, mittelvoll, Resp. 36. Temp. 41,0° C. Ord. Acidum muriaticum. Eisblase auf den Kopf. — 142 — 26. Juli. (3. Krankheitstag.) Puls 116, Resp. 40, Temp. 40,0° C. Guter Schlaf. Gegen Morgen etwas Nasenbluten. Abends. Puls 136, Resp. 40, Temp. 41,0° C. Heftigeres Kopfweh. 27. Julh (4- Krankheitstag.) Guter Schlaf. Klagt über Kopfweh und Gliederschmerzen. 50 bis 7 0Cctm. Nasenbluten im Laufe des Vormittags. Etwas Husten, hinten links unten auf den Lungen einzelne Rasselgeräusche. Puls 124, Resp. 3(j, Temp. 38,9° C. Mittags 12 Uhr 41,9° C. Abends. Im Laufe des Nachmittags tritt unter starkem Schweiss und unter Schlaf der Abfall des Fiebers ein. Puls 80, Resp. 28, Temp. 36,7 ° C. Fühlt sich, abgesehen von Schwindel, wohl. 28. Juli. (5. Krankheitstag.) Guter Schlaf, während desselben stellte früh 41/2 Uhr ohne Niesen und ohne sonstige nachweisbare Schädlichkeit sich Nasenbluten ein, welches Anfangs zuweilen für kurze Zeit aufhörte, später aber beständig anhielt und durch unzweckmässiges Verhalten des Patienten verstärkt wurde. Da Patient mindestens 900 Cctm. Blut verloren hatte, und da die Blutung auf andere Mittel nicht cessirte, wurde die Tamponade früh 7 Uhr vorgenommen. Sehr blasses Aussehen. Puls 96, Resp. 24, Temp. 36,2 ° C. Mehr Appetit. 2 Stühle. Abends. Die Blutung steht vollkommen. Puls 92, Resp. 20, Temp. 36,1° C. 29. Juli. (6. Krankheitstag.) Schlaf gestört, Trockenheit im Munde. Einige Tropfen Nasenbluten gegen Morgen. Puls 92, Resp. 20, Temp. 37,5° C. Abends. Im Laufe der Tage kamen noch einige Tropfen Blut aus der Nase. Die Milz nur bis zur vorderen Axillarlinie, kleiner geworden, ebenso die Leber. Der Appetit stellt sich mehr und mehr ein. Die Blutungen aus der Nase cessirten, am 31. Juli (8. Krankheitstag) wurde aus beiden Seiten der Tampon entfernt, ohne dass auch in den folgenden Tagen eine Blutung eintrat. Die Milz wird kleiner, dieselbe geht am 10. Krankheits- tage nur noch bis zwischen die vordere und hintere Axillarlinie. Patient steht am 11. Tage, am 3. August, auf, jedoch sehr schwach. und blass. Der Rückfall stellt sich am 12. Tage, dem 4. August, ein. Patient hatte zum Mittag noch mit Appetit gegessen und klagte später nur über geringe Uebelkeit; ohne Schmerzen, ohne Kälte- oder Hitzegefühl war die Temperatur gestiegen, Mittags 1 Uhr. 38,5° C. Abends 5 Uhr. Puls 128, Resp. 24, Temp. 40,4° C. 5. August. (13. Krankheitstag.) Puls 116, Resp. 20, Temp. 38,9 ° C. Keine Beschwerden. Abends. Puls 112, celer, regelmässig, klein, Resp. 24, Temp. 40,2° C. Milz wieder fühlbar unter dem Rippenbogen, 71/? Ctm. hoch und 14 Ctm. lang, Leber ebenfalls wieder grösser, Epigastrium gedämpft. Keine Gliederschmerzen. Zunge dünn be- legt, kein Appetit mehr, Stuhl regelmässig. 6. August. (14. Krankheitstag.) Guter Schlaf, klagt über Kopf- und Gliederschmerzen. Puls 112, weich, Resp. 32, Temp. — 143 — 38,5° C. Gegen Morgen wieder etwas Nasenbluten, das jedoch auf kalte Umschläge aufhört. Abends. Puls 96, Resp. 20, Temp. 39,8° C. Etwas feuchte Haut, heftigere Gliederschmerzen. 7. August. (15. Krankheitstag) Abfall über Nacht während des Schlafes unter massigem Schweisse. Puls 76, Resp. 16, Temp. 36,0° C. 8. August (16. Krankheitstag.) Puls 76, Resp. 20, Temp. 36,6° C. Appetit besser. Abends. Puls 56, unregelmässig, ab und zu aussetzend. Patient erholt sich in den nächsten Tagen bei gutem Appetit ziemlich schnell, geringe Oedeme der Knöchel (am 20. Tage) ver- lieren sich nach kurzer Zeit. Milz und Leber werden kleiner, die Maasse sind bei der Entlassung für die Milzdämpfungshöhe 6 Ctm. Länge 7 Ctm. Leberdämpfung in der Medianlinie 3l/8Ctm., der Para- sternallinie 5 Ctm. und in der Papillarlinie 6 Ctm. Am 17. August verlässt Patient das Hospital. Der zweite Fall, in welchem wir tamponiren mussten, betraf den 21jährigen Arbeiter Reinhold Jäschke (No. 63), aufgenommen am 10. August 1868. Patient, ein Vetter des letzteren, war am Abend des 7. August mit Schüttelfrost erkrankt. Status präs. am 10. August Abends. (4. Krankheitstag.) Hohes Fieber. Puls 116. Resp. 24, Temp. 40,5° C, massig schwit- zende Haut. Kopf- und Gliederschmerzen, fühlbarer Milztumor, deutliche Leberanschwellung. 11. August. Abends einige Tropfen Nasenbluten, spontan nachlassend. 12. August, Nachmittags 4'/2 Uhr profuse Blutung aus der Nase; da nach Verlust von 300 bis 400 CubCtm. verschiedene Mittel, kalte Einspritzungen und Umschläge, Adstrin- gentia erfolglos angewendet sind, wird die Tamponade ausgeführt. Die Blutung steht. Abfall vom 12. August Abends bis zum näch- sten Morgen während des Schlafes ohne Schweiss. Am 15 August wird der Tampon entfernt. Die Blutungen waren nicht wiedergekehrt. Patient erholte sich während der In- termission, steht auf, nur einmal treten vorübergehend heftigere Schmerzen in den Beinen auf. Während des Relaps vom 13. bis 17. Krankheitstages sind die Temperaturen sehr hoch, bis 41,7° C, es treten heftiges Kopf- weh, Gliederschmerzen, bedeutend fühlbarer Milz- und Lebertumor auf, jedoch keine weiteren Blutungen. Wird am 2. Sept. entlassen. Abgesehen von Epistaxis haben wir keine weiteren Blutungen beobachtet, Zorn1) erwähnt das Vorkommen •) 1. c pag. 36. — 144 — von Magenblutungen, selten von Darmblutung und von Nierenblutung.1) Weibliche Genitalien. Die Menses haben wir in einigen Fällen, wenn die Zeit des Eintritts derselben mit dem Beginn der Krankheit zusammentraf, in normaler Weise verlaufen sehen. Die Uterinblutung war nicht stärker als gewöhnlich, ebenso wenig die Dauer eine längere. In 3 Fällen traf der Ein- tritt aber bis 14 Tage zu früh, die Blutung verlief wie gewöhnlich; einmal stellte sich eine geringe zwei Tage an- dauernde Blutung ein, nachdem erst 8 Tage vor dem Be- ginn der Krankeit die Menses cessirt hatten, und noch in einem weiteren Falle traten mit Beginn des zweiten Anfalls die Menses zum ersten Male wieder ein, nach einer vor 13 Wochen überstandenen schweren Zwillingsgeburt. Metrorrhagie sahen wir einmal. Bei einer 48jähr. Arbeiterfrau hatte vom dritten bis zehnten Krankheitstage die Menstrualblutung wie gewöhnlich bestanden, vom 18. zum 19. Tage war der zweite Abfall eingetreten, am 20. Tage stellte sich bei bestehender Fieberlosigkeit, begleitet von heftigen Schmerzen im Unterleibe, eine einmalige stärkere Uterin- blutung ein, es entleerten sich reichliche Mengen flüssigen und klumpigen Blutes. Ohne weitere Therapie cessirte der Blutverlust. Ueber Abortus bei Recurrens stehen uns keine eige- nen Erfahrungen zu Gebote; die englischen Epidemie- Berichte2) erwähnen aber, dass fast alle schwangeren Frauen, die von Recurrens befallen waren, abortiren und zwar zu verschiedenen Zeiten der Krankheit. Nach einer Zusammenstellung Zuelzer's3) „Ueber Typhus recurrens J) Vergl. noch Murchison 1. c. pag. 355. (Deutsche Ausgabe pag. 343.) 2) Murchison 1. c. p. 361. (Deutsche Ausgabe p. 349). 3) Berliner Monatsschrift 31. Bd. 6. Heft 1868. — 145 — bei Schwangeren" scheint bei der letzteren Krankheit das Eintreten des Abortus die Regel zu sein, nächstdem wirkt am stärksten der Abdommaltyphus, am wenigsten der Fleck- typhus. Kurz erwähnen wollen wir noch das Vorkommen von diphtheritischen Prozessen. Eine 36jährige Wittwe überstand im Juni 1868 Recurrens; im Verlaufe desselben bekam die Patientin Schmerzen in der Vagina, es entleer- ten sich nach und nach „fetzige Massen", der Urin floss durch die Scheide ab. Die Kranke wurde am 8. Septem- ber auf die chirurgische Klinik aufgenommen: die vordere Scheidenwand ist total zerstört, ebenso die Mastdarmwand, welche mit der Scheide durch eine thalergrosse Oeffnung communicirt; das Allgemeinbefinden ist dabei gut. — Vor- stehende Mittheilungen verdanken wir der Güte des Herrn Dr. Maas. Ernährungsverhältnisse und Kräftezustand. Dass die Oeconomie des gesammten Organismus auch während der Recurrens aufs Tiefste gestört ist, kann man wohl unbedenklich annehmen, die genauere Kenntniss dieser Abnormitäten ist uns aber vollkommen unbekannt. Ein- zelne Puncte haben wir zum Gegenstande unserer speciellen Untersuchungen genommen (siehe über die Verhältnisse der Harnstoffausscheidung). Die fiebernden Kranken nehmen nur sehr wenig Nahrung auf, fraglich ist es, ob selbst diese genügend verdaut und resorbirt wird. Die oft vor Beginn des Leidens schon sehr herunter gekommenen Individuen werden durch dasselbe noch viel schwächer; profuse Durch- fälle, Schweisse, Blutungen tragen mit dazu bei. Die Ab- magerung und mit derselben der Gewichtsverlust sind schon Wyss u. Bock, Febris recurrens. *" — 146 — am Ende des ersten Anfalls oft erheblich; im Beginn der Intermission noch zunehmend, gleichen sich gegen Ende derselben, wenn sie von längerer Dauer ist, diese Verhält- nisse etwas aus, um im zweiten Anfall von Neuem einzu- treten. In der Convalescenz nahm das Körpergewicht all- mählich wieder zu, die meisten unserer Kranken hatten selbst bei längerem Aufenthalte im Hospital die früheren Kräfte noch nicht erreicht. Verhältnisse der Urinsecretion. Bemerkungen über den Stoffwechsel. Die Menge des in 24 Stunden ausgeschiedenen Harns schwankt ziemlich beträchtlich je nach den verschiedenen Stadien der Krankheit und nach den individuellen Ver- schiedenheiten, sowohl der einzelnen Personen, als auch der verschiedenen Krankheitsfälle. Sie fällt bald unter, steigt bald über das normale Mittel. Ein Gesetz über die Schwan- kungen der Harnmenge, welches für alle Fälle zuträfe, konnten wir nicht auffinden; durch die Menge der bald mehr bald weniger reichlich genossenen Flüssigkeit, durch die Menge des durch unmerkliche Verdunstung und durch Schweiss, sowie durch diarrhoische Stühle abgegebenen Wassers in den verschiedenen Fällen treten ausserordent- liche Schwankungen ein, welche sich bei der Harnsecretion geltend machten. Berücksichtigen wir besonders die Fälle, in denen die Schweisse gering waren oder fehlten, so zeigte es sich, dass im ersten Anfall die Harnquantität meist relativ gering ist (300 bis 450 CCm.); dass sie am Tage des ersten Abfalls der Temperatur öfters vermehrt ist (1300 bis 1500 CCm. bei Erwachsenen) und dass dies öfter am ersten und zweiten Tage nach dem Abfalle Statt — 147 — hat (z. B. 1665 CCm. bei der 10jährigen Marie Oschätzki, 1895 CCm. bei dem 16jährigen Franz Kappelle, 1575 CCm. bei der 25jährigen Emilie Wiesner), während in anderen Fällen um diese Zeit eine Verminderung der 24 stündigen Harnausscheidung vorhanden ist. Im Anfang der Remissions- zeit ist die Harnquantitat häufig eine verminderte, in der letzten Hälfte dagegen oft abnorm vermehrt. Diese ge- steigerte Harnproduction hält nicht selten im Beginn oder während des ganzen zweiten Anfalls an; nur in wenigen Fällen sahen wir im Verlauf oder gegen Ende des zweiten Anfalls eine Verminderung der Harnmenge, die sich in einzelnen Fällen auf zufällige Ursachen oder auf Compli- cationen, z. B. auf Dysenterie zurückführen liess. Auch am Tage des zweiten Abfalls beobachteten wir bisweilen trotz starken Schweisses reichliche Harnsecretion (einmal stieg die Harnmenge bei der 25jährigen Emilie Wiesner auf 3280 CCm.); einmal wurde die abnorm gesteigerte Harnquantität am ersten und zweiten Tage nach dem zweiten Abfall secernirt. (Marie Oschätzki am 19. Tag, 2. Tag nach dem zweiten Abfall: 1840 CCm.) In wenigen Fällen blieb bald nach dem zweiten Abfall die Urinquantität unter dem normalen Mittel; öfters war sie auch späterhin sehr bedeutend gesteigert, so dass während der Reconvalecenz Polyurie bestand. Die Entleerung des Urins war in der Regel eine nicht gestörte, die Kranken verlangten das Glas, selten wurde, abgesehen vom Delirium tremens, der Urin in's Bett gelassen, in 6 Fällen wurde einige Male auf der Höhe des Fiebers ein geringes Brennen und Schmerzen beim Uriniren angegeben, ohne weitere nachweisbare Ver- änderungen. 10* — 148 — Qualitative Veränderungen. Die Reaction des Urins fanden wir, falls derselbe ganz frisch war, constant sauer. In einigen Fällen trat die alkalische Reaction so rasch ein, dass der Gehalt an sauren Salzen nur sehr gering gewesen sein muss. Farbe und specifisches Gewicht waren ungefähr entsprechend der Quantität; je reichlicher die letztere, desto leichter und blasser der Harn; daher zeigt er im ersten Anfall in der Regel ein etwas höheres specifisches Gewicht, 1020—1025 und darüber und eine rothe bis rothgelbe Farbe, während er später blasser und specifisch leichter ist. Wiederholt beobachteten wir einen so starken Dichroismus des 1 bis 2 bis 3 Tage gestandenen und alkalisch gewor- denen Urins, wie er uns bisher noch nie vorgekommen war. Der im durchfallenden rothe bis rothbraune Urin erschien im auffallenden Lichte intensiv smaragdgrün und diese prachtvolle Farbe, die besonders nach der Filtration des Urins, nach Entfernung der Phosphate und Urate, die sich bei der alkalischen Gährung niedergeschlagen hatten, deut- lich hervortrat, blieb längere Zeit beim Stehen des Harns erhalten, wurde durch Kochen nicht verändert, durch An- säuern sofort aufgehoben und durch nachherige Neutralisation wieder hervorgerufen. Wir haben nicht weiter untersucht, welcher Körper sich bei der alkalischen Gährung bildet, der dieses Fluoresciren bedingt. Schönbein1) hat die Vermuthung ausgesprochen, dass ein dem Aesculin ähnlicher Körper dies veranlassen möchte. Die Beschaffenheit des Harns ist nur ausnahms- l) Ueber die Bildung einer fluorescirenden Materie beim Faulen des menschlichen Harns. Journal für practische Chemie. Band 92. pag. 167. — 149 — weise ganz klar; in der Regel erscheint er mehr oder weniger getrübt oder mit geringen Sedimenten versehen. Letztere bestehen aus Pflasterepithelzellen, denen häufig mehr oder minder zahlreiche lymphatische Zel- len beigemengt sind. Selten werden letztere so zahlreich, dass das Sediment als Eitersediment bezeichnet werden konnte; und wenn ein solches besteht, so bleibt es immer gering (falls nicht der Eiter bei Frauen aus der Scheide abstammte). Ebenso haben wir häufig und in verschiedenen Stadien der Krankheit Sedimente von harnsaurem Natron (Sediment, lateritium), von harnsaurem Ammo- niak (stachelige Kugeln und andere unregelmässige Formen) ohne oder mit Tripelpho sphatkrystallen, ferner kry stallinische Harnsäure, Oxalsäuren Kalk gefunden. Von grösserem Interesse ist das Vorkommen von sogenannten Cy lindern im Urin. Wir haben fast con- stant zu irgend einer Zeit der Krankheit im Harn Cylinder aufgefunden; wir vermissten sie nur in ganz vereinzelten Fällen. In etwa l/3 der Fälle fanden wir Cylinder in beiden Anfällen und zwar im ersten Anfall erst vom 3. oder 4. Tage an bis zum Abfall, oder einen, selten mehrere Tage darüber hinaus; in der Remissionszeit verschwanden sie mit wenigen Ausnahmen, um dann sofort mit dem Eintritt der hohen Temperatur im zweiten Anfall wieder zu erscheinen; am Ende des zweiten Anfalls verschwanden sie aber (mit Ausnahme von Fall No. 12, wo eine tiefere Nierenerkrankung bestand) mit oder höchstens einen Tag nach dem Abfall, ja mitunter schon vorher. In etwa dem zweiten Drittel der Fälle fanden wir nur während des ersten Anfalls Cylinder im Harn, im zweiten dagegen keine, und in dem letzten Drittel der Fälle trafen wir sie umge- kehrt im ersten Anfall nich't, sondern nur im zweiten. — 150 — Im ersten Anfalle haben wir meist hyaline, theils ganz blasse, theils mit feinen Körnchen besetzte Cylinder ge- funden; seltener sogenannte Epithelialcylinder von der Be- schaffenheit, wie sie z. B. abgebildet sind bei Neubauer und Vogel Harnanalyse Tab. 1, Fig. 4, die wir für Cylinder halten, welche aus lymphatischen Zellen (farblosen Blut- körperchen) bestehen, und die bisweilen mit einzelnen Harnkanälchenepithelien untermengt sind. Die sogenannten hyalinen Cylinder sind offenbar als fibrinös degenerirte Epithelauskleidungen der Harnkanälchen aufzufassen; es gelang uns einmal, unter zahlreichen hyalinen Cylindern einen aufzufinden, der ganz das Bild der unveränderten Epithelauskleidung der Harnkanälchen bot: man sah über- all die Conturen der Epithelzellen und die Kerne derselben, das Lumen der Röhre. Im zweiten Anfall dagegen trafen wir häufiger neben den erwähnten Formen die stärker mit Körnchen und Fetttröpfchen besetzten, und sogar die anscheinend nur aus Körnchen und Fetttröpfchen zusammen- gesetzten dunklen Cylinder und Cylinderbruchstücke in verschiedener Menge; es fehlten aber die blassen hyalinen Cylinder keineswegs. Wiederholt sahen wir ausser den Cylindern wieder jene langen zum Theil sich gabelig tei- lenden, zum Theil gewundenen Gerinnsel (Schleimgerinnsel aus den Harnkanälchen?) die wir schon früher im Cholera- urin beobachtet haben. (Vgl. Archiv der Heilkunde, 9. Jahr- gang 1868 pag. 232.) Ei weiss, wenn auch in geringer Menge, haben wir fast in allen Fällen entweder im ersten Anfall allein (in etwa der Hälfte der Fälle) oder im ersten und zweiten Anfall (in etwa der Hälfte der Fälle), oder nur im zweiten Anfall und im ersten nicht (in wenigen Fällen) gefunden. Die Albuminurie beginnt am 2., 3. oder 4. Tage der Krank- heit (in Fall No. 54, Pauline Franke, 43 Jahre alt, Hess — 151 — sich schon am 2. Tag Eiweiss im Harn nachweisen; in Fall No. 24, Marie Oschätzki, war der Urin vom 3. Tag noch eiweissfrei, der vom 4. eiweisshaltig); sie dauert in der Regel bis zum ersten Abfall, worauf sie plötzlich auf- hört; selten cessirt sie früher und noch seltener hält sie über den Abfall hinaus an, wie in Fall No. 12, in welchem sie einen, und in Fall No. 54, in welchem sie 3 Tage lang in die Remissionszeit hinein dauerte. Gegen das Ende der Remission sahen wir nur in einem schweren Falle (bei der 67jähr. Caroline Neupert) Wiedereintreten des Eiweissharns; es hielt letzterer in diesem Falle bis über das Ende des zweiten Anfalls hinaus an. — Im zweiten Anfall stellte sich das Eiweiss bald gleich mit dem Beginn, bald nach dem ersten bis dritten Tage des zweiten Anfalls ein, um gleich- falls nur bis zum Abfall der Temperatur anzuhalten. Wie man sieht, kommt die Albuminurie gleichzeitig mit der Aus- scheidung von Faserstoffcylindern vor; Cylinder finden sich aber mitunter ohne Albuminurie; wir haben dies zwei Mal, in Fall 81 und 66 im ersten Anfalle beobachtet. Zuweilen kommt aber auch das umgekehrte Verhältniss vor, Albumi- nurie ohne Cylinder, jedoch mit dem Unterschiede, dass bei vorhandener Albuminurie ohne Cylinder in den folgen- den Tagen Cylinder sich auffinden Hessen, während beim umgekehrten Falle, bei Cylindern im Urin ohne Eiweiss in der Folge nicht constant Eiweiss im Urin auftrat. Dass im Harn stark icterischer Recurrenskranker Gallenfarbstoff vorkomme, hat schon Griesinger1) gewusst; Herrmann2) und Zorn3) bestätigten dies und ') Ueber die Krankheiten von Egypten. Archiv für physiolog. Heilkunde. Zwölfter Jahrgang 1853. pag. 37. 2) Beitrag zur Kenntniss der Recurrens und ihrer Anomalien. St. Petersburger medicin. Zeitschrift 1867. Heft 1. pag. 7. *) Die Febris recurrens. St. Petersb. med. Zeitschr. 1865. p. 34. — 152 — auch wir haben uns von der. Richtigkeit dieser Thatsache überzeugt. Nach Herrmann1) wies Schmidt bereits Gal- lensäuren in demselben nach. Dagegen geben die früheren Autoren übereinstimmend an, dass in den Fällen, in denen der Icterus nur gering ist, der Gallenfarbstoff im Urin fehle. Richtig ist, dass derselbe in den Harnen ganz schwach icterisch gefärbter Kranken durch die gewöhnliche Gme- lin'sche Probe nicht nachgewiesen werden kann. Fällt man aber den Harn mit Kalkmilch aus und untersucht den Niederschlag auf Gallenfarbstoff2), so erhält man, wenn man früh genug untersucht, ein positives Resultat. In einem solchen Urin, der an und für sich die Gmelin'sche Probe nicht gab, aber doch kleine Quantitäten Gallenfarbstoff ent- hielt, gelang es uns sogar, mit Sicherheit Gallensäuren nachzuweisen. 940 CCm. Urin von der 30jähr. J.osepha Lorke (Nr. f 8) vom 8. Tage der Erkrankung. Spec. Gew. bei 15° C. = 1013; React. sauer; Farbe gelbroth; leicht getrübt durch ein reichliches Sedi- ment aus harnsaurem Ammoniak mit einzelnen Tripelphosphat- krystallen. Gelber Schaum an der Oberfläche. Eiweissfrei; die Chloride fehlen vollkommen. Mit roher Salpetersäure tritt die Gmelin'sche Reaction nicht ein. Circa 100 CCm. werden mit Kalkmilch und Chlorcalcium ausgefällt; der schön gelbe Nieder- schlag wird nach leichtem Trocknen mit Alcohol absolut, und eini- gen Tropfen Schwefelsäure gekocht; die prachtvoll smaragdgrüne Lösung giebt mit Salpetersäure die schönste Gmelin'sche Reaction. 400 CCm. Harn werden zur Trockne verdampft, der Rückstand mit absolutem Alcohol gründlich extrahirt, verdampft; der Rück- stand in Wasser gelöst, mit Bleizucker und Blciessig gefällt, die Niederschläge nach dem Trocknen mit kochendem Weingeist aus- gezogen, der Auszug mit kohlensaurem Natron getrocknet und der Rückstand mit absolutem Alcohol extrahirt. Der Auszug hinter- liess beim Verdunsten einen krystallinischen Rückstand von salzig bitterlichem, hernach süsslichem Geschmack, der mit stark ver- dünnter Schwefelsäure (1 : 50) und einer Spur Zuckerlösung ver- dunstet einen schön violettrothen Rückstand in der Schale Hess, ') 1. c. pag. 8. 2) Vgl. Huppert, Gallenfarbstoffprobe. Archiv der Heilkunde 1867. pag. 351. — 153 — der sich in etwas Wasser mit röthlicher Farbe löste; beim Ver- dunsten letzterer Lösung blieb wieder ein rother Rückstand. Diese (Neukomm'sche) Probe haben wir mehrfach wiederholt und immer mit demselben positiven Resultat. Urin vom 9. Tage enthielt keinen Gallenfarbstoff mehr (Huppert'sehe Methode). Derjenige vom 7. Tage war gelbroth gewesen und hatte die Gmelin'sche Gallenfarbstofffraction nicht gegeben. Der sichere Nachweis von Gallenfarbstoff und Gallen- säuren im Urin schwach icterisch gefärbter Recurrenskranker beweist, dass es sich auch hier um einen durch Resorption bedingten Icterus, höchst wahrscheinlich um einen auf ein- zelne Aeste des Ductus hepaticus beschränkten Katarrh und davon herrührenden Icterus handelt. Es ist also die Ansicht, dass der schwache Icterus in typhösen Krank- heiten — und hier berücksichtigte man wohl immer haupt- sächlich die Recurrens — als sogenannter hämatogener Icterus aufzufassen sei, d. h. als bedingt durch den in Folge des Typhusprocesses ausgetretenen und umgewandelten Blut- farbstoff, nicht mehr haltbar und wir müssen auch für diese Icterusformen die mechanische Ursache innerhalb der Leber aufrecht erhalten. Da wir uns durch vielfache Unter- suchungen von der Nichtexistenz des hämatogenen Icterus bei Pyaemie, Phosphorvergiftung, nach Injection von Gallen- säuren in's Blut etc. überzeugt haben, da wir gefunden haben, dass es sich in allen diesen Fällen um einen katarrha- lischen Icterus und zwar meist um einen schwachen Icterus catarrh. handelt, der dadurch hervorgerufen wird, dass die engen Gallengänge innerhalb der Leber durch das zähe, dicke, eitrige, catarrhalische Secret auf eine Zeit lang ver- stopft werden, dass aber später durch die zellenauflösende Kraft der Galle (resp. der Gallensäuren) diese Schleim- pfröpfe nach einiger Zeit wieder verflüssigt werden und die Galle alsdann wieder abfliessen kann, so fällt hiermit — 154 — die letzte Stütze der erwähnten Icterusform und muss der Icterus paradoxus s. haematogenes aus der Pathologie ge- strichen werden. Quantitative Verhältnisse des Harns in der Recurrens. Die Mengenverhältnisse des durch die Nieren aus- geschiedenen Wassers sind bereits erwähnt. Die Mengen der darin enthaltenen festen Bestandtheile variiren, wie aus dem specifischen Gewicht des Urins herrorgeht, ebenfalls ziemlich erheblich. Die procentische Menge der- selben steht constant im umgekehrten Verhältniss zur Harn- quantität, so dass bei grosser 24stündiger Harnmenge die procentische Menge an festen Bestandtheilen geringer, bei kleinerer Harnmenge dagegen bedeutender ist. Wir haben nur zwei Mal die festen Bestandtheile direct durch Ein- dampfen einer bestimmten Harnmenge gesucht; einmal am Tage des Abfalls, das andere Mal (zwei Tage später) in der Remissionszeit. Das erste Mal ergab sich auf 10 CCm. ein Rückstand von 0,4385 Gramms, also auf 100 CCm. von 4,385 Gramms, und für 24 Stunden bei einer Gesammtmenge von gerade 1000 CCm. Harn 43,85 Gramms. Bei der zweiten Bestimmung war der Rückstand auf 100 CCm. be- rechnet — 5,425, also auf die Harnquantität von 680 CCm. 36,892 Gramms feste Bestandtheile. Es ist somit sowohl unmittelbar nach dem Abfall als auch in der Remissions- zeit die Ausscheidung der festen Stoffe durch den Urin vermindert. Harnstoff. Wichtiger als die Frage, welchen Schwankungen die festen Bestandtheile des Urins in toto während der ver- — 155 — schiedenen Stadien der Krankheit unterliegen, schien uns diejenige zu sein, wie sich der Harnstoff verhalte, über dessen Bildung und Ausscheidung im Fieber die Acten noch nicht abgeschlossen sind. Die vor wenig Jahren von Huppert1) wieder so lebhaft vertheidigte Ansicht, dass mit der Temperatursteigerung immer vermehrte Bildung und Ausscheidung von Harnstoff Hand in Hand gehe, hat durch Untersuchungen Rosensteins2) wieder einen harten Stoss bekommen; letzterer kam im Gegentheil zu ähnlichen Resultaten wie Traube und Jochmann, nämlich, dass die Temperatur keinen Einfluss auf die Harnstoffproduction ausübe. Zur Entscheidung dieser Frage schien uns die Re- currens so geeignet zu sein, wie kaum eine andere Krank- heit. Die raschen, innerhalb weniger Stunden stattfindenden Temperaturschwankungen, Dank denen uns derselbe Organis- mus jetzt mit der höchsten überhaupt beim Menschen vor- kommenden Temperatur, 42° und mehr, und nach wenigen Stunden bei 35° oder noch niedrigerer Temperatur zur Untersuchung vorlag, gaben uns Aussicht, diese Frage vielleicht entscheiden zu können, um so mehr, da nach der fieberfreien Zeit mit Bestimmtheit eine neue fieberhafte zu erwarten war, in der die Ergebnisse des ersten Anfalls wieder geprüft werden konnten. Der 34jährige Hermann Kretschmer, der bei seiner Entlassung ein Körpergewicht von 58,6 Kilogramm besass (leider die einzige Körpergewichtsbestimmung, die wir machten) producirte vom 8. bis 9. Krankheitstage, während ') Ueber die Beziehungen der Harnstoffausscheidungen zur Kör- pertemperatur im Fieber. Archiv der Heilkunde. 7. Jahrgang, 1866. pag. 1—55. 2) Virchow's Archiv, 1868. Bd. 43, Heft 3, pag. 399 u. ff. — 156 — des ersten Anfalls und an dem unmittelbar auf den Abfall folgenden Tage ziemlich grosse Mengen Harnstoff, näm- lich 30—44 Gramm pro Tag; im Mittel 35,489 Gramm. Vom 10. bis 16. Tage, wo die Körpertemperatur meist unter der Norm war oder diese nur Abends erreichte, wur- den bloss 20 bis 24 Gramm entleert, ausgenommen am 12. Tage, an welchem die Harnstoffquantität ohne ent- sprechendes Steigen der Temperatur bei gleichzeitig ver- mehrter Harnquantität auf 34 Gramm stieg. Im Mittel war sie 23,2365 Gramm. Nach dem 16. Tage fiel die 24stündige Harnstoffausscheidung noch mehr trotz der ge- steigerten Urinentleerung und reichlicher Nahrung und war auch am Tag vor der Entlassung noch sehr gering. — In diesem Falle entsprechen also den hohen Temperaturen hohe ausgeschiedene Harnstoffmengen. Nur am Tage nach dem Abfall bestand niedrige Temperatur und dennoch ver- mehrte Harnstoffausscheidung, ein Umstand, der offenbar dadurch erklärt werden muss, dass die Harnstoffbildung und Harn Stoffausscheidung zeitlich nicht vollkommen coin- cidiren; es muss die vermehrte Bildung noch auf die vor- hergehenden Tage zurückgeführt werden. Während in dem erwähnten Falle der Relaps aus- blieb, so trat dieser in dem folgenden Falle ein. Der 19jähr. Lothar Gärtner (Nr. 28) war am 2. Juli = 44,36, am 6. Juli = 41,9, am 15. Juli = 40,88, am 20. Juli = 41,95, am 23. Juli = 42,1 Kilogramm schwer. Er schied während der ersten fieberhaften Zeit massig viel Harnstoff, 25 — 30 Grm. pro Tag aus. Diese Menge steigerte sich noch am zweiten Tage nach dem Abfall erheblich, beinahe auf 34 Grm., während am Tage nach dem Abfall die Harnstoff- menge bei gleichzeitig erheblicher Verminderung der Harn- ausscheidung beträchtlich reducirt war. In der fieberfreien Zeit, vom 10. bis 13. Krankheitstage, war die täglich aus- — 157 — geschiedene Harnstoffmenge ziemlich dieselbe wie im ersten Anfall. Gleich im Beginn des zweiten Anfalls stellte sich aber eine merkliche Steigerung der Harnstoffausscheidung ein, welche bis am 18. Tage, d. h. bis zwei Tage nach dem zweiten Abfall anhielt und dann wieder sank.— Ver gleicht man in dieser Beobachtungsreihe nur die erhaltenen Zahlen, so ergiebt sich also nur entsprechend dem zweiten Anfall eine Steigerung der Harnstoffausscheidung. Da aber das rasch abnehmende Körpergewicht auf die gebildete Harnstoffmenge nicht ohne Einfluss sein konnte, so berech- neten wir die täglich ausgeschiedenen Harnstoffmengen auf ein Kilogramm Körpergewicht; indess auch da ergiebt sich noch kein unmittelbarer Parallelismus zwischen Temperatur und Harnstoffausscheid ung, wie die Tabelle auf der folgen- den Seite lehrt. Etwas anders gestalten sich *die Verhältnisse, wenn wir aus den während des ersten Anfalls ausgeschiedenen 24stündlichen Harnstoffmengen ein Mittel ziehen und mit dem Mittel vergleichen, das aus den während der Remis- sionszeit ausgeschiedenen täglichen Harnstoffmengen resul- tirt. Auf diese Weise erhalten wir als Mittel für die erste Fieberzeit 0,7737 Grm. pro Kilogramm Körpergewicht in 24 Stunden; für die Apyrexie 0,6631 Gramm. Im zwei- ten Anfall (unter Hinzurechnung des ersten Tages nach dem Abfall, 17. Tag) ergiebt sich bei gleicher Berechnung ein Mittel pro Kilogramm Körpergewicht = 0,8552 Grm. Harnstoff auf 24 Stunden und für die folgende fieberlose Zeit unter Hinzurechnung des 2. Tages nach dem Abfall = 0,7303; oder wenn man, wie es jedenfalls richtiger ist, diesen Tag noch zur fieberhaften Zeit rechnet, nur = 0,6169. Es kommt also auf ein Kilogramm Körpergewicht in 24 Stunden: — 158 — im ersten Anfall . . in der Remissionszeit im zweiten Anfall . . in der Remissionszeit 0,7737 Grm. Harnstoff, 0,6631 „ 0,8552 „ 0,6169 „ Tag. Durch-schnitts-Temp. Körper-Gewicht. Harnstoff in 24 Stunden in toto. Gramm. Harnstoff in 24 Stunden auf 1 Kilogr. Körpergew. Gramm. 5 6 7 8 40,3 40,2 39,2 36,4 44,36 1 43,7 ( 43,13 / 42,51 ) Differenz - 2,46, pro Tag — 0,615. 20,161J) 27,383 2) 29,99 12,848 0,4544») 0,626 2) 0,6953 0,3022 9 37,2 41,9 \ 33,75 0,8055 10 37,4 41,79 1 27,88 0,653 11 37,3 41,67 1 29,34 0,7041 12 13 14 37,2 37,4 40 41,56 1 41,45 ) 41,33 1 Differenz - 1,02, • pro Tag — 0,1133. 30,20 32,64 30,77 0,7266 0,7874 0,7452 15 40,8 41,22 1 36,42 0,8835 16 39,9 41,11 ] 35,30 0,8586 17 37,5 40,99 / 38,27 0,9334 18 35,4 40,88 ] 35,58 0,8703 19 36,5 41,09 1 Differenz 28,18 0,6858 20 21 36,4 37 41,31 j 41,52 l + 1,07 pro Tag + 0,214. 19,15 0,4635 22 41,74 ) 23 41,95 \ 24 25 26 42,0 J 42,05j 42,1 l Differenz + 0,15 pro Tag 0,05. 34 42,5 ) 29,82 0,7016 ') Menge in 12 Stunden. 2) Menge in 24 Stunden. — 159 — Berücksichtigen wir endlich noch, dass in den ersten Tagen der Beobachtung, d. h. im ersten Anfall die Harnstoffmen- gen zum Theil nicht absolut genau sind, indem einige Male etwas Urin wegen der bestehenden Diarrhoe verloren ging, also etwas zu kleine Zahlen vorliegen, dass in der fieber- losen Zeit die Harnquantität über das Normale stieg und durch diese Vermehrung des Harns allein zweifelsohne eine Vermehrung der Harnstoffmenge bedingt wurde, dass also in der Remissionszeit die Harnstoffmenge etwas zu hoch ausgefallen ist, so wird das gewonnene Resultat von um so grösserem Werthe sein. (Cfr. Tabelle Nr. 1.) In vielen Puncten weicht von der besprochenen Be- obachtung die folgende (Tabelle No. 2) ab. Sie betrifft ein Mädchen von 10 Jahren, Marie Oschätzki, Nr. 24, deren Körpergewicht war: am 26. Juni = 29,5 Kilogr. am 8. Juli = 28,8 Kilogrm. „ 30. Juni = 27,8 „ „ 11. Juli = 26,62 „ „ 4. Juli = 28,35 „ ., 14. Juli = 28,25 „ „ 6. Juli = 29,3 „ „ 20. Juli = 28,6 „ In diesem Falle steigt die in 24 Stunden ausgeschie- dene Harnstoffmenge gegen Ende des ersten Anfalls an, sinkt in der ersten Zeit der Remission, hebt sich dann in der zweiten Hälfte desselben etwas, doch ohne die frühere Höhe wieder erreichen; diese wird aber im zweiten Anfall wieder erreicht und nach einem vorübergehenden Sinken bleibt die Harnstoffmenge selbst am 2. Tage nach dem Abfall trotz sehr bedeutend gesunkener Harnmenge doch noch hoch und sinkt dann allmählich wieder. Genau die- selbe Curve beschreibt die auf 1 Kilogramm Körper- gewicht berechnete Harnstoffmenge, wie folgende Tabelle lehrt: — 160 — Körpergewicht. Kilo. Gcsamnit-Harnstoff-menge in Gramm Harnstoff auf 1 Kilogr. Körpergew. 10,873 0,3689 14,127 0,4867 14,347 0,5007 17,781 0,630 ca. 10—12 2 12,105 0,4325 9,608 0,3422 13,27 0,4704 13,6 0,480 16,27 0,5645 11,458 0,3875 12,61 0,4356 18,274 0,6416 10,211 0.3665 16,63 0,6105 16,148 0,6141 15,074 0,555 11,983 0,433 18,150 0,6424 9,803 0,3462 Kost. 40,23 40,2 40,1 39,6 36,65 37,0 37,0 37,15 37,1 37,3 37,2 37,1 39,5 40,7 41,0 38,0 36,4 36,5 36,9 36,9 29,5 29,02 28,65 28,22 27,8 27,94 28,075 28,213 28,35 28,823 29,3 28,94 28,48 27,86 27,24 26,62 27,163 27,70 28,25 28,31 28,6 Differenz. - 1,7 pro Tag — 0,425 + 0,55 pro Tag + 0,138 + 0,95 pro Tag + 0,472 — 0,82 pro Tag — 0,46 — 1,86 pro Tag — 0,62 + 1,63 pro Tag + 0,543 + 0,35 pro Tag + 0,058 Wenig von der schmalen Kost geniessend, et- was Milch. Die schmaleKost völlig geniessnd, Milch. Extrakost, zwei Portionen Milch und Kaffee am Nachmittage. Geringerer Ap- petit. Isst etwas Brühe zu Mittag. Zwei Portionen Milch. Extrakost. Berechnen wir in ähnlicher Weise wie oben die Mittel- zahlen aus der ganzen Zeit des ersten Anfalls, aus der Re- missionszeit, dem zweiten Anfall und der auf letzteren fol- genden fieberfreien Zeit für die in 24 Stunden ausgeschie- denen Harnstoffmengen und zwar um genauere vergleich- bare Resultate zu erhalten, gleichfalls auf 1 Kilogramm Körpergewicht, so ergiebt sich Für den 1. Anfall auf 1 Kilogr. Körpergew. in 24 Standen 0,4990 Grm. Harnstoff, für die Remissionszeit 0,4446 „ — 161 — für den 2. Anfall auf 1 Kilogr. Körpergew. in 24 Stunden 0,5391 Grm. Harnstoff, (mit dem Tag nach dem Abfall)...... 0,5581 „ für die fieberfreie Zeit nach dem 2. Abfall auf 1 Kilogrm. Körpergew. in £4 Stunden 0,4941 „ „ Es ergiebt sich somit hier das nämliche Resultat, wie in dem vorher erwähnten Falle von Lothar Gärtner, No. 28. Vergleichen wir aber die in kürzeren Zeiträumen bei ver- schiedenen Temperaturen des Körpers entleerten Harnstoff- mengen, so erhalten wir kein so constantes Resultat. Am Tag des ersten Abfalls entleerte die erwähnte Marie Oschätzki bei einem Körpergewicht von 28,225 Kilogr. durch den Urin: Temp. im Grm. Harnstoff Rectum. pro Stunde. von 8—10 Uhr VMtg. 38,2—38,9° C. 1,138 „ 10— 1% „ Mtgs. 37,4—38,6° C. 1,3965 „ l%-6 „ Abds. 36,9—37,5° C. 0,9236 und am Tage des zweiten Abfalls, am 18. Tage der Krank- heit, bei einem Körpergewicht von 27,24 Kilogramm: in Axilla pro Stunde zwischen llu.2Uhr Mtgs.bei39,9—42°C. 0,769Gr. Harnstoff, 2—3% NMg. „ 38,4—39,9° 1,0127 „ 3%—4% NMg. „ 37,5—38,4° 1,390 „ 4%—8 Abds. „ 36,3—37,5° 1,001 Abds. 10%—3 Morg. bei niedriger Temperatur . . 1,65 „ Diese Zahlen zeigen keine gute Uebereinstimraung. Wir sehen hier das eine Mal am Vormittag bei sehr massigem Wyss u. Bock, Febris recurrens. H — 162 — Fieber ziemlich reichliche, um Mittag bei nur wenig über das Normale erhöhter Temperatur noch etwas beträcht- lichere Harnstoffausscheidung; in den späteren Nachmittags- stunden bei normaler Temperatur wieder verminderte Aus- scheidung. Das andere Mal dagegen wurden in den Mittags- stunden trotz hoher Temperatur, oder richtiger, während des Sinkens derselben, doch auffallend geringe Harnstoff- mengen producirt; auf diese folgt am Nachmittag erst eine geringe, dann eine erheblichere Steigerung, und in den späteren Nachmittagsstunden hatte wieder eine Abnahme der Harnstoffbildung Statt (bei normaler Temperatur), während diese in der Nacht auffallend zunahm. Es wurde also im Laufe des Nachmittags, wie unter normalen Ver- hältnissen, der meiste Harnstoff entleert, früh und in den Abendstunden weniger. Sicher besteht keine Coincidenz grösserer ausgeschiedener Harnstoffmengen mit den höheren Temperaturen während des Temperaturabfalls; man möchte eher das Gegen theil vermuthen. Ob die angedeuteten niedrigeren Zahlen für die Harnstoffausscheidung im Beginn des Temperaturabfalls, die besonders in der Reihe 2 auf- fallend hervortreten, mit der verminderten Wärmeproduction, die während des Abfalls Statt haben muss, in Verbindung gebracht werden darf, wagen wir, bei der geringen Zahl bezüglicher Beobachtungen, nicht zu entscheiden; es scheint uns dies aber nicht unwahrscheinlich. Im Falle No. 14, Carl Larisch, finden wir folgende Verhältnisse. Der kräftige, 60,3 Kilogramm schwere, Mann schwitzte während des ersten Anfalls viel und machte im zweiten Anfall eine schwere Erkrankung an Dysenterie durch. Er entleerte mit massigen Mengen Urin (1000 bis 1200 CCm.) täglich 33 bis 50 Gramm Harnstoff während des ersten Anfalls; in der Remissionszeit dagegen bei der- selben Harnquantität nur 21 bis 36 Gramm; im zweiten — 163 — Anfalle fing am ersten Tage die Harnstoffmenge an zu steigen, sank aber dann wegen der sich einstellenden Diarrhoeen. Eine vorübergehende Steigerung machte sich am Tage nach dem zweiten Abfall bemcrklich; später wurden normale Quantitäten, 20 bis 25 Gramm, ausge- schieden. Es war also auch hier eine Steigerung im ersten Anfalle, ein angedeutetes Ansteigen im zweiten Anfalle und am Tage nach dem ersten und zweiten Abfall reichliche Harnstoffausscheidung vorhanden. In ähnlicher Weise haben wir bei dem 20jährigen August Kapelle (Fall No. 31) im ersten Anfall die Harnstoff- ausscheidung entschieden vermehrt gefunden, ferner eine bedeutende Steigerung des Harnstoffquantums am Tage nach dem Abfall, während in dem sehr kurzen zweiten Anfall eine ähnliche Steigerung der ausgeschiedenen Harn- stoffmenge nicht zur Beobachtung kam. Bei Fall No. 20, der einen 19jährigen Mann, Hermann Kurz, betraf, konnte ebenfalls die gesteigerte Harnstoff- ausscheidung je am Tage nach dem Abfall (Harnstoffmenge am Tage nach dem ersten Abfall = 34, nach dem zweiten Abfall = 35 Gramm) bemerkt werden; es zeichnete sich dieser Fall ferner dadurch aus, dass in der Reconvalescenz sich Polyurie ohne eine Steigerung der Harnstoffaus- scheidung einstellte. Jene Vermehrung der Harnstoffausscheidung nach dem ersten Abfall fehlte in Fall No. 12, Anna Gassmann, 44 Jahre alt. Im zweiten Anfall hatte, entsprechchend dem Steigen der Temperatur, entschieden eine Steigerung in der Harnstoffausscheidung Statt; sobald sich im Vorlauf des zweiten Anfalls eine Complication mit Nierenerkrankung einstellte und die Harnmenge rasch sank, fiel auch die Harnstoffausscheidung (und Production) jedoch keineswegs immer entsprechend der Harnmenge. — 164 — In ähnlicher Weise könnten wir noch eine Reihe von Bestimmungen anführen, die das bereits Erwähnte bestätigen. Es ergiebt sich, dass constant am Ende des ersten Anfalls (aus den ersten Tagen haben wir leider keine Unter- suchungen) grosse Harnstoffquantitäten ausgeschieden wer- den; dass im Remissionsstadium die 24stündige Harnstoff- menge sinkt, im zweiten Anfall ^wieder grösser wird und später, wenn die Temperatur wieder normal geworden ist und keine weitere Complication besteht, wieder zurück geht. Sehr häufig hat am Tage sowohl des ersten, als auch des zweiten Abfalls der Temperatur oder am Tage darauf eine auffallende Vermehrung des Harnstoffs Statt. Diese Vermehrung der ausgeschiedenen, resp. pro- ducirten Harnstoffmenge in der Zeit der Anfälle gegenüber der Remissionszeit, gewinnt noch höhere Wichtigkeit, wenn wir berücksichtigen, dass im Anfall selbst die Nahrungs- aufnahme entweder gleich Null oder jedenfalls sehr reducirt und entschieden ungenügend war. Es ist ferner fraglich, ob in den Fällen, wo während der fieberhaften Zeit Nahrungs- mittel genossen wurden, dieselbe Menge verdaut und resor- birt wird, wie unter normalen Verhältnissen. Jedenfalls aber befindet sich der Kranke im ersten und im zweiten Anfalle des Relapsing-fever in einem Hungerzustande und es müsste nothwendiger Weise, namentlich am Ende des etwas länger, 6 bis 8 Tage dauernden ersten Anfalls, er- heblich weniger Harnstoff ausgeschieden werden, als zur Zeit der genügenden Ernährung. Dem ist aber durchaus nicht so, sondern es wird nicht bloss eben so viel, sondern sogar noch mehr Harnstoff ausgeschieden, als in der Remissions- zeit, während welcher die Nahrungsaufnahme eine reichliche ist, mit z. Th. entschieden reichlichem Stickstoffüberschuss. Wenn nun einerseits in der fieberhaften Zeit trotz geringerer Nahrung doch mehr Harnstoff ausgeschieden — 165 — wird, als in der fieberfreien Zeit, so kann andererseits nicht geleugnet werden, dass während des Fiebers mehr Wasser getrunken wird, als während der Apyrexie. Da reichlicher Wassergenuss eine Vermehrung des Harns und Steigerung der Harnstoff- (resp. Stickstoff-) ausfuhr durch den Urin bedingt, so müssen wir uns fragen, ob nicht dieser vermehrte Wassergenuss jene Steigerung erklären könne. Sehen wir daher in Bezug auf diesen Punct unsere Beobachtungen durch, so finden wir allerdings, dass z. B. Carl Larisch am 4. bis 7. Tage täglich sehr viel Wasser, 1800 CCm., getrunken hat und dass auf diese Tage gerade, jedoch bei nicht gesteigerter Harnmenge, die Maximal- ausscheidung des Harnstoffs fällt, während derselbe Kranke am 12. und 13. Tage, an welchem er bei fehlendem Durst sehr wenig trank, bei gleicher Harnquantität viel weniger Harnstoff entleerte; dass ferner Marie Oschätzki (No. 24, Tabelle No. 2) im zweiten Anfalle bei reichlich genossenem Wasser und reichlichen Harnmengen mehr Harnstoff aus- schied als zur Zeit, in welcher der Durst nicht gesteigert und die Harnmenge nicht vermehrt war; dass endlich Lothar Gärtner (No 28, Tabelle No. 1) am 8. Tage, als er kein Wasser trank, nur 500 CCm. mit ca. 13 Gramm Harnstoff ausschied, gegenüber den vorher doppelten Mengen bei reichlichem Wassergenuss. Da wir aber in anderen Fällen, z. B. bei der oben erwähnten Marie Oschätzki (Fall No. 24), am 17. Tage bei reichlichem Trinken 2000 CCm. und grosser Harnmenge, dennoch ein Sinken der Harnstoff- quantität beobachteten, da wir ferner sahen, dass bei völligem Fehlen des Durstes mit wenig Harn viel Harnstoff entleert wurde (Fall No. 20 am 17. Tage), da endlich meist trotz des gemehrten Getränks die Harnmenge in der fieberhaften Zeit nicht vermehrt war, so kann der gemehrte Wassergenuss nicht als Ursache der Harnstoffvermehrung angesehen werden. — 166 — Den Einfluss anderer Körper, z. B. des Kochsalzes, auf die Harnstoffausscheidung können wir um so eher über- gehen, da sie einen erhebliehen Einfluss auszuüben nicht im Stande sind. Die durch Voit beobachtete Vermehrung der Harnstoffausscheidung auf Chlornatriumeinnahme wird durch neuere Beobachtungen wieder in Zweifel gezogen. Nehmen wir Voit's Angaben als die richtigen anr so kann jedenfalls die Vermehrung des Harnstoffs nicht durch das Chlornatrium bedingt sein, da um die Zeit, wo jene Statt hat, in den Anfällen, das Kochsalz im Urin nur spur- weise vorkommt, oder vollständig fehlt. Schweisse haben auf die Ausscheidung des Harnstoffs keinen constanten Einfluss; mitunter beschränkten sie offen- bar die Harnsecretion und mit ihr die Harnstoffausscheidung (Fall 12 am 8. Tage, Fall 15 am 16. Tage); in anderen Fällen aber wurde trotz reichlichen Schweisses doch viel Harn und Harnstoff ausgeschieden (Fall 31, am 6. u. 7. Tage). Seitdem wir unsere mitgetheilten Untersuchungen über den Stoffwechsel bei Recurrens gemacht haben, sind experi- mentelle Studien über die Harnstoffproduction im Fieber bekannt geworden, und zwar die Arbeit Senator's1) und kürzere Mittheilungen von Naunyn2). Beide lehren, dass in dem durch Infection von Eiter oder Jauche unter die Haut erzeugten Fieber die Harn Stoffausscheidung gestiegen ist. Es stieg dieselbe in Naunyn's Versuchen von 0,28 und 0,26 Gramm Harnstoff im Hungerzustande pro Stunde und Hund auf 0,42 und 0,48 Gramm Harnstoff pro Stunde im Fieber; ganz ähnlich in Senator's Versuchen von 2,54 und 2,24 Gramm Harnstoff pro Tag für den 4205 bis 4105 Gramm ') Virchow's Archiv Bd. 45, p. 351—413. 2) Verhandlungen der Berliner mediz. Gesellschaft. Vergl. Ber- liner klin. Wochenschrift 1869, Nr. 4. im Hungerzustande schweren Hund auf 8,13 und 4,9 Gramm Harnstoff auf denselben 4095 bis 3975 Gramm schweren Hund im Fieber, oder von 4,0 Gramm am ersten und 5,09 Gramm Harnstoff am zweiten Hungertage bei einem 6935 und 6780 Gramm schweren Hunde auf 10,5 Gramm Harnstoff auf 6750 Gramm Hund am ersten Fiebertage. Immerhin blieb die Harnstoffproduction in den Fiebertagen noch tief unter der Harnstoffproduction bei einer Ernährung, bei welcher das Körpergewicht ziemlich gleich blieb; sie betrug nämlich beim ersten Hunde 19,88 bis 21,66 Gramm (Körpergewicht 4315 bis 4330 Gramm) und 19,21 bis 22,14 Gramm Harnstoff, bei einem Körpergewicht von 4275 bis 4290 Gramm. Beim Letzteren 20,69 bis 22,48, resp. 20,21 bis 21,71 Gramm Harnstoff bei 7095 bis 7115, resp. 7000 bis 7020 Körpergewicht. Es bestand demnach im Fieber- zustand nur etwa die Hälfte der Harnstoffproduction, die unter gewöhnlichen Verhältnissen bei ausreichender Nahrung stattfindet. Wenn nun auch unsere Zahlen allerdings nicht die Genauigkeit beanspruchen können wie die angeführten, wie dies schon aus den grossen Schwankungen der Gesammt- mengen zum Theil hervorgeht, so können wir immerhin die Durchschnittszahlen unserer beiden genauesten Versuchs- reihen von Lothar Gärtner (No. 28) und Marie Oschätzki (No. 24) zur Vergleichung heranziehen, da sie völlig die Genauigkeit beanspruchen, die man von derartigen Ver- suchen an Kranken verlangen kann. Wie sich aber die Stickstoffausfuhr zur Einfuhr verhalten habe, konnten wir nicht bestimmen, da uns die hierzu nöthige Zeit fehlte. Harn säure. Ueber die Ausscheidungen der Harnsäure liegen uns leider nicht so zahlreiche Untersuchungen vor, wie über den Harnstoff. Die von uns ausgeführten Bestimmungen — 168 — ergeben aber, dass in den Anfällen die Harnsäureausschei- dung stark vermindert ist und nur etwa % des Normalen beträgt; dass in der fieberfreien Zeit nach dem zweiten Anfall die Menge bedeutender ist, doch immerhin noch unter der Norm liegt, ca. % des Normalen beträgt. Im ersten Anfall fanden wir am 4. Tage bei Fall 14 (Carl Larisch) bei einer Harnmenge von 975 CCm. und 37,05 Grm. Harnstoff, 0,029 0/0 Harnsäure, also im Ganzen in 24 Stunden 0,2828 Grm. Harnsäure. Lothar Gärtner (N*o. 28) schied am 5. Tage der Krankheit im ersten An- falle in 12 Stunden (über Nacht) mit 530 CCm. Harn, der 20,161 Grm. Harnstoff enthielt (0,0545% Harnsäure) 0,289 Grm. Harnsäure aus. Im zweiten Anfall betrug die Harn- säurenmenge bei dem nämlichen Kranken Harn. Harnstoff. Harnsäure. am 12. Tag mit 1900 CCm. 30,20 Grm. 0,357 Grm. - 13. „ 1920 „ 32,64 „ 0,292 „ - 14. „ 1500 „ 30,77 „ 0,432 „ - 15. „ 1550 „ 36,42 „ 0,471 „ In der fieberlosen Zeit nach dem am 15. Tage statt- gefundenen zweiten Temperaturabfall: Harn. Harnstoff. Harnsäure. am 16. Tag mit 1240 CCm. 35,30 Grm. 0,4613 Grm. - 17. „ 1600 „ 38,27 „ 0,618 „ Der eben erwähnte Carl Larisch schied am 30. Tage nach Beginn der Krankheit noch immer sehr wenig, näm- lich 0,2754 Grm., Harnsäure in 24 Stunden mit 1530 CCm. Urin und 20,5 Grm. Harnstoff aus. Chlo ride. Während am ersten und zweiten Tage der Krankheit die Chlorverbindungen im Harn nicht erheblich von der — 169 — Norm abzuweichen scheinen — wir haben leider nie Harn vom ersten Krankheitstage und nur ein Mal vom zweiten Tage untersucht, und in letzterem die Chlormenge ungefähr normal (käsiger Niederschlag aufArgent. nitricum-Lösung; im Falle 45, Emilie Röthig) gefunden — so sinkt die Quan- tität der Chloride constant am 3. Tage der Krankheit so bedeutend, dass Silberlösung darin nur noch einen fein- flockigen Niederschlag erzeugt. Diese Verminderung bleibt oder sie nimmt meist noch zu am 4., häufiger am 5. und 6., bisweilen, wenn der erste Anfall so lange dauert, erst am 7. und 8. Tage, so dass zuweilen die letzte Spur Chlor aus dem Urin verschwindet und dieser auf Zusatz von Sil- berlösung nach dem Ansäuern vollständig klar bleibt. Auch in der Harnasche kann dann durchaus keine Chlorverbindung nachgewiesen werden. Diese bedeutende Verminderung der Chloride dauert in weitaus den meisten Fällen bis zum 3. oder 4. Tage nach dem ersten Temperaturabfall; bis- weilen stellt sich schon am zweiten Tage nach letzterem reichliche Chlorausscheidung durch den Urin ein, seltener erst nach dem vierten Tage und nie später als am sechsten. Auf das frühere oder spätere Wiedererscheinen der Chloride im Urin hat wieder die Thätigkeit der Haut noch die öfter zur Zeit des Temperaturabfalls sich einstellende Diarrhoe einen Einfluss. — Mit dem Beginn des zweiten Anfalls sinkt die Menge der Chloride im Urin wieder rasch; jedoch selten schon an dem Tage, an dem der Relaps sich einstellt; öfters am folgenden, also dem zweiten Tage des Rückfalls, und am häufigsten am 3. und 4. Tage, seltener am 5. oder gar erst am 7. Tage des Relapses. Meist trifft der Eintritt der Chlorverringerung noch auf den Relaps; nur ausnahms- weise, wenn dieser sehr kurz war, stellte sich die Vermin- derung der Chloride erst nach dem zweiten Abfall, also bei afebrilem Zustand, ein. (Fall No. 31.) — 170 — Nach Ende des Relapses stellt sieh in ähnlicher Weise wie nach dem ersten Anfall die Chlormenge im Harn wie- der ein; selten schon am ersten Tage nach dem Abfall der Temperatur, häufiger am 2. Tage und noch häufiger am 3. und 4. Tage; später dagegen nur ausnahmsweise, z. B. erst am 5. Tage. Folgende Beobachtungsreihen mögen das über die Chlor- ausscheidung Gesagte illustriren. Wir verdanken die gewichts- analytischen Bestimmungen dem Chemiker Dr. Max Bock. Beobachtung No. 24. Marie Oschätzki, 10 Jahr alt. Krankheits- Mittel der Tages- Chlornatrium. < 3res. Chlornatrium- Tag. temperatur. % menge. Grm. 5 40,2° C. 0,0123 0,0553 6 40,1 0,009 0,0675 7 39,6 0,006 0,0207 8 36,65 0,0252 0,0472 9 37,0 0,0345 0,269 10 37,0 0,3335 2,67 11 37,15 0,4515 , 4,7 12 37,1 0,2905 2,905 13 37,3 0,402 4,583 14 37,2 0,520 4,972 15 37,1 0,4375 5,402 16 39,5 0,2135 2,004 17 40,7 0,106 1,3144 18 41,0 0,0312 1,401 19 38,4 unwägbare Spuren, im Abendharn kein Chlor. 20 36,4 unwägbare Spuren. 21 36,5 0,1851 1,573 22 37,4 0,162 2,8188 23 37,4 0,4625 4,439 171 — B e o b a c htung No. 15. Frau Louise Oschätzki, 42 Jahr. Krankheits- M ittel der Tages- Chlornatrium. < 3es. Chlornatrium Tag. temperatur 0; 0 Menge Grm. 6 39,3° C. Spuren. Spuren. 7 36,0 Unwägbare Spuren. 8 36,8 Unwägbare Spuren. 9 39,5 0,035 1,172 10 38,4 0,0102 0,459 11 36,9 (0,0095) (0,337) 12 37,3 0,140 0,700 13 37,2 0,72> 2 ,, 39,2 ,, „ 3 „ 38,4 „ Am 14. Juli war Patient andauernd fieberlos und blieb es bis zu seiner Entlassung, am 29. Juni, dem 48. Krankheitstage. Der Puls, der für kurze Zeit nach dieser Ephemera wieder etwas langsamer geworden war, hob sich allmählich bis auf normale Höhe, 72 bis 76 Schläge. Die Milz blieb normal gross, 5 Ctm. hoch, und überragte die hintere Axillarlinie nicht. Vorübergehend hatten sich am Abend geringe Oedeme um die Fussgelenke eingestellt. No. 40. Carl Scheifler, Arbeiter, 30 Jahr. Auf- genommen am 19. Juli 1868. Ueberstand mit 13 Jahren die Blattern, vor 7 Jahren eine 7 Wochen andauernde Intermittens quotidiana und im Jahre 1866 einen schweren Choleraanfall. Erkrankte den 15. Juli Mittags 1 Uhr mit Schüttelfrost von einer Viertelstunde, gefolgt von Hitze und Schweiss; gleichzeitig heftiges Kopfweh, Gliederschmerzen, er konnte nur langsam, und wie ein Betrunkener schwankend nach seiner Wohnung gehen, einen Weg von ca. 20 Minuten, zu dem er 2 Stunden brauchte. Frostgefühl, von Hitze und Schweiss gefolgt, wiederholte sich in den ersten Tagen öfter. Der Appetit war vollkommen gehoben, seit dem 2. Krankheitstage waren spontan häufige diarrhoische Stühle, 10 bis 12 in 24 Stunden, eingetreten Patient war ein starker Schnapstrinker, und hatte dem Branntwein auch in den ersten Tagen der Krankheit sehr zugesprochen, besonders vor seiner Aufnahme in's Hospital, wie noch deutlich durch den Geruch er- kannt werden konnte. Status praesens am 19. Juli (5. Krankheitstag). Patient ist muskulös, ziemlich gut genährt. Active Rückenlage. Er riecht sehr nach Alkohol. Sensorium vollkommen frei. Klagt über heftiges Stirnkopfweh und Schwindel, über starke Schmerzen in den Oberschenkeln und Waden, weniger in beiden Vorderarmen. Puls 120, ziemlich voll, weich, celer, Resp. 24, Temp. 40,8° C. Zunge dünn belegt, feucht, Ränder und Spitze roth. Im Laufe des Tages 4 dünne gelbe Stühle. Das Abdomen ist flach, Leber- und Milzgegend schmerzhaft. Die Milz geht bis zum Rippenbogen, ist deutlich fühlbar, ihre Höhe beträgt 9 Ctm. Die Leber über- ragt überall den Rippenbogen. Epigastrium gedämpft. Die Herz- töne sind rein; vesikuläres Athmen auf den Lungen. Ord. Eisblase auf den Kopf, Acid. phosphor. Abends. Im Laufe des Nachmittags gegen 2 Uhr profuser — 183 — Schweiss, der eine halbe Stunde anhielt, so dass die Decken voll- kommen durchnässt waren, die Temperatur war dabei stets hoch, um 12 Uhr 40,8° C, um 1 Uhr 41,0 °C, um 2, 3, 4, 5 und 6 Uhr 40,8° C, die Extremitäten fühlten sich dabei kühl an Patient war schon während der Visite etwas unruhig in seinen Bewegungen, wollte zu seiner Arbeit; in den späteren Abendstunden wurde er dann ziemlich plötzlich vollkommen verwirrt und so unruhig, dass er an's Bett festgeriemt werden musste. Ord. Branntwein! 20. Juli. (6 Krankheitstag ) War während der ganzen Nacht sehr unruhig, schrie und tobte. Beständige Hallucinationcn, bald lacht er, bald sieht er sich mit dem Ausdrucke grosser Angst um, „da Menschen auf ihn zukommen um ihm das Leben zu nehmen", zupft dann mit den Händen an den Decken und ,,sucht Ratten, Pferde, Kühe etc." die „in seinem Bette sind". 1 breiiger Stuhl, in's Bett, ebenso Urin. Puls 128, kaum mittelvoll, celer, Resp. 36, Temp. 39,7° C um 7 Uhr. Abends. Den Tag über fortwährend unruhig, dieselben Hallucinationcn. Dabei anhaltend profuser Schweiss, trotz hoher Temperaturen. Puls 136, etwas kleiner, Resp. 36, Temp. 40,0° C. Urin wurde aufgefangen, enthält etwas Eiweiss, das sich flockig ausscheidet, mit AgONO5 erhält man einen sparsamen feinflockigen Niederschlag. 21. Juli. (7. Krankheitstag.) Der Zustand grösster Unruhe war während der ganzen Nacht derselbe geblieben. Profuser Schweiss, dabei um 7 Uhr früh Puls 144, klein, Resp. 40, Temp. 40,5° C. Zunge leicht trocken, Stuhl fehlt, Urin in's Bett entleert. Um HV2 Uhr Mittags wurde Patient plötzlich etwas ruhiger und schlief, anfangs mit Unterbrechungen, in denen die Halluei- nationen noch wiederkamen, später vollkommen ruhig bis zum Abend. Mittags 12 Uhr: Puls 112, Resp. 28, Temp. 38,4° C. Der Kranke schwitzte so stark, dass die Kissen vollständig durchnässt waren. Abends 5 Uhr giebt er, aufgeweckt, vernünftige Antworten, weiss sich aber auf die vorangegangenen Tage nicht zu besinnen. Enormes Schwächegefühl. Puls 88, Resp. 28, Temp. 37,1 ° C. 22 Juli. (8. Krankheitstag.) Das Sensorium ist vollkommen frei. Hat über Nacht wieder sehr stark geschwitzt, im Uebrigen subjeetiv gutes Befinden. Die Milz geht weniger weit nach vorn. Die Leber überragt den Rippenbogen noch überall. In den folgenden Tagen schwitzt der Kranke weniger stark, die Haut ist aber stets feucht, Der Appetit bessert sich schnell; der Puls sinkt bis 76 und 80, beim Herumgehen wird öfter 100 bis 104 gezählt. Die Milz hat am Ende der Intermission eine Höhe von 8 Ctm. und eine Länge von 13 Ctm., ist also erheblich kleiner geworden; die Leber geht nur bis zum Rippenbogen, das Epigastrium ist tympanitisch. Das Sensorium war stets vollkommen frei gewesen. Am 28. Juli (dem 14. Krankheitstage) trat der Relaps gegen 4 lThr Nachmittag ein. Bei vollkommenem Wohlbefinden am Morgen hielt sich Patient im Garten auf. Unter geringem Frösteln stieg die Temperatur bis 40,9° C. um 5 Uhr, Puls 116. mittelvoll, — 184 — Resp. 32. Kopfweh, Gliederschmerzen stellten sich im weiteren Verlaufe ein, das Sensorium blieb vollkommen frei, der Schlaf war in der Nacht ab und zu unterbrochen, dabei jedoch ruhiges Ver- halten. Im Verlaufe des Anfalls schwitzt der Patient nicht. Milz am 17. Krankheitstage wieder bedeutend vergrössert (2 bis 3 Ctm. über den Rippenbogen nach vorn), ebenso die Leber; das Epi- gastrium ist wieder gedämpft. Der Abfall tritt am 17. Krankheitstage über Nacht unter profusem Schweisse ein, in den ersten beiden fieberlosen Tagen wiederholt sich der Schweiss. Schmerzen im linken Schultergürtel und beiden Armen treten am Tage nach dem Abfall auf und blei- ben während 3 Tagen bestehen. Im Uebrigen erholt sich Patient bald; systolisches Blasen am Herzen, Oedeme der Knöchel konnten aber während der Convalescenz constatirt werden. Die Milz ist am 8. August (dem 25. Krankheitstage) 9 Ctm. lang und 6V2 Ctm. hoch, die Leber geht nur bis zum Rippenbogen. Wird am 10. August entlassen. Mit wenigen Worten wollen wir noch einen dritten Fall erwähnen: No. 27. Anton Heilmann, 31jähriger Arbeiter, wurde am 30. Juni in's Hospital aufgenommen. Früher stets gesund, erkrankte der Patient nach vorherigem Wohlbefinden am 25. Juni ganz plötzlich zwischen 4 und 5 Uhr Nachmittags, mit einem Schüttelfrost, der'eine Stunde anhielt, und dann von geringerem Kältegefühl gefolgt war. Er musste sofort seine Arbeit aufgeben; wegen der heftigen Gliederschmerzen, wegen des bedeutenden Schwindelgefühles „flog er beim Laufen hin und her" und musste sich öfter hinsetzen und anhalten. Appetit voll- kommen verschwunden, Durst sehr heftig; wegen des letzteren „trank Patient gleichzeitig auch als Medizin immer viel Bier". Am Abend des Aufnahmetages, dem 5. der Krankheit, zeigte der Kranke die gewöhnlichen Symptome der Recurrens, und die Erscheinungen eines ausgesprochenen Delirium alcoholicum, welches in beträchtlicher Intensität bis zum Beginn des 7. Krankheitstages anhielt, an welchem gegen Mittag der Abfall der Temperatur er- folgte. Wie in den übrigen Fällen wurde Patient jetzt ruhiger, begann zu schlafen und erwachte vernünftig. Die Intermission war frei von psychischen Störungen, der zweite Anfall ebenso. Nach dem letzteren trat eine weitere Complication auf, deren noch Erwähnung gethan werden soll. Wohl alle unsere erwachsenen männlichen Kranken waren ohne Ausnahme an den täglichen Alkoholgenuss ge- wöhnt, so dass es dann auffallend erscheint, dass gerade nur die geringe Zahl von vier Kranken die Complication mit Delirium alcoholicum darbot, welche nicht stärkere — 185 — Säufer waren, als die übrigen. Es scheint uns bemerkens- werth, dass in den drei ausführlicher angeführten Fällen dem Körper noch während der ersten Krankheitstage grös- sere Mengen von Spirituosen zugeführt worden sind, so dass vielleicht dadurch die vorhandene Disposition erhöht wurde. Parotitis. Parotitis beobachteten wir in zwei Fällen, die beide in Heilung ausgingen. No. 19. Caroline Neupert, 67jährige, vagabon- dirende Person. Aufgenommen am 15. Juni 1868. Ueberstand vor 2 Jahren einen schweren Cholera-Anfall; seit mehreren Jahren geringer Husten. Erkrankte am 12. Juni Abends 6 Uhr mit einem Schüttel- frost von einer halben Stunde, der von Hitze und Schweiss gefolgt war. Mit dem Frost stellte sich Kopfweh ein, Schmerzen in den Beinen und Armen, sie musste sofort liegen bleiben. Kein Appetit, am 2. Krankheitstage zweimaliges Erbrechen dünner, gelblicher Massen, öfter Gefühl von Uebelkeit, der vorher regelmässige Stuhl seit dem Krankheitsbeginn angehalten. Schlaf gestört. Status praes. am 15. Juni. (Beginn des 4. Krank- heitstages, Abends.) Grosse Prostration, bei massigem Er- nährungszustande. Ruhige Rückenlage. Gesichtsfarbe blass, Lip- pen trocken, ebenso die rothe, leicht rissige Zunge. Klagt über Kopfweh und Gliederschmerzen, gleichzeitig ist die Haut des Rum- pfes und der Extremitäten bei Aufheben einer Hautfalte sehr em- pfindlich. Puls sehr klein und weich, 132, regelmässig, Resp. 28. Temp. um 6 Uhr 40,5 ° C. Der Appetit völlig verschwunden, starker Durst, Stuhl fehlt seit drei Tagen. Die Milz geht nach unten bis zum Rippenbogen, Höhe 10 Ctm.; die Leber ist eben- falls sehr vergrössert, dieselbe ragt 3—5 Ctm. unter den Rippen- bogen herab, Höhe der Dämpfung in der Papillarlinie I0V2 Ctm.; das Abdomen ist etwas aufgetrieben und schmerzhaft. Auf den Lungen keine Dämpfung, hinten beiderseits massig reichliche feuchte Rasselgeräusche, wenig Husten ohne Auswurf. Stand der Leber in der Papillarlinie am oberen Rande der 7. Rippe. Die Herzdämpfung von normaler Grösse, über der Spitze und den grossen Gefässen hört man ein ziemlich lautes systolisches Ge- räusch. Der Urin ist sparsam, rothgelb, sauer, spec. Gew. 1011; er enthält eine Spur Eiweiss. Ord. Eisblase auf den Kopf. Decoct. Radic. Senegae aus 4 Grm. auf 180 Grm. Wasser. 2stdl. 1 Essl. Clysma. 16. Juni. Im Schlafe hat Patientin etwas gesprochen. 120 — 1<86 — kleine Pulse, 32 Resp. Temp. früh 7 Uhr 39,7° C. Grosse Pro- stration. Abends. (Beginn des 5. Krankheitstages.) Liegt theilnahrn- los im Bett sehr matt und schwach, Stuhl und Urin in's Bett; Zunge trocken und rissig. Die Leber gebt noch weiter nach unten als gestern, ebenso ist die Milz grösser geworden, beide Organe sind schmerzhaft. 120 sehr kleine Pulse. 36 Resp. Temp. um 5 Uhr 40,3° C. 17. Juni. Hat während des Schlafes wieder viel unverständ- liches Zeug gesprochen. Sensorium frei. 3 Stühle und Urin in's Bett. 124 kleine, weiche, regelmässige Pulse. Temp. früh 7 Uhr 40,4° C. Die enorm grosse und sehr empfindliche Milz geht bei Rückenlage nach vorn bis zur linken Papillarlinie, bei einer Höhe von 13 bis 14 Ctm., man fühlt an derselben deutliche Einker- bungen. Ord. Dieselbe und Branntwein. Patientin schlief Mittags einige Stunden ganz ruhig, gegen 4'/2 Uhr wird sie unruhig, spricht ohne zu schlafen unverständ- liche Worte, fasst mit den Händen in der Luft umher und ist so benommen, dass sie nur auf lautes Anrufen reagirt; die Respira- tion ist mühsam, keuchend 40, der Puls von 140 auf 152 gestie- gen, ab und zu aussetzend, sehr klein, die Temperatur um 6 Uhr 41,5° C. Diesem bedenklichen Collapszustande folgt aber schnell der Abfall, Temp. um 7 Uhr 40,9° C, um 8 Uhr schon 39,2° C, um Sy2 Uhr 37,9° C, um 10'/, Uhr Abends Puls 96, Resp. 20, Temp. 36,5 ° C Unter plötzlichem Wohlgefühl ist profuser Schweiss ein- getreten, Pat. schläft ruhig. 18. Juni. Abgesehen von bedeutendem Schwächegefühl, Wohlbefinden. 60 kleine, regelmässige Pulse, Resp. 24, Temp. 36,0° C. Der Appetit stellte sich bald ein und Patientin erholte sich etwas. Leber und Milz wurden jedoch nicht kleiner, oder es betrug die Abnahme dieser Organe nur sehr wenig. Am 21. Juni Abds. (dein 10. Krankheitstage) stellten sich plötzlich heftige reissende Schmerzen in den Beinen und im Kreuz ein, die den Schlaf stör- ten, doch liessen die Schmerzen am folgenden Morgen schon nach. Der Puls war einmal bis 60 gesunken, meist zählten wir 76 bis 80 Schläge, die Temperatur stieg bis höchstens 37,5° C. Am Herzen war das systolische Geräusch immer hörbar, ebenso geringes Ras- seln über den Lungen. Der Relaps trat am Beginn des 13. Krankheitstages am 24. Juni Abds. 9l/4 Uhr ein. Unter Schüttelfrost von 1/4stündiger Dauer, gefolgt von Hitze und Schweiss, stieg die Temperatur von 37° C. bis 41,3° C. 12 U. Nachts Temp. 40,0° C, Puls 108. Die Kranke klagte nur über Hitze und Durst. 25. Juni. Auf eine Morgenremission folgte um 9 Uhr früh ein neues Ansteigen der Temperatur von 39,2° bis 40,9° C. unter Schüttelfrost, ohne Schweiss, Puls 112, Resp. 44. .Milz und Leber zeigen die frühere Grösse. Appetit fehlt wieder. — 187 — Abends (14. Krankheitstag) tritt eine neue Remission der Temperatur und des Pulses bis 37,6° C. und 88 Schlägen ein Abends 10 Uhr ist aber die Temperatur wieder 40,5° C. 26. Juni. Guter, ruhiger Schlaf. Grosse Prostration. Klagt viel über Kopfweh. Anhaltend hohe Temperatur, 40,6° C. um 7 Ulir, 108 kleine, regelmässige Pulse, 32 Resp. Hustet etwas mehr, die Rasselgeräusche hinten unten sind zahlreicher; keine Dämpfung auf den Lungen. Ord. Decoct. Senegae mit Ammon. anisat. solut. Wein. Abends (15. Krankheitstag). Kann sich vor Schwäche kaum bewegen, 124 sehr kleine Pulse, 40 Resp., Temperatur um 5 Uhr 41,2° C. Lippen und Zunge trocken und rissig. Uebelkeit, gegen 4 Uhr geringes galliges Erbrechen. 27. Juni. Guter Schlaf. Das Erbrechen wiederholt sich am Morgen, Stuhl angehalten. Leber und Milz sind grösser geworden, letztere mit deutlich fühlbarem Rande. Puls 120 klein, 40 Resp. Temp. 7 Uhr früh 39,9° C. Abends (16. Krankheitstag). Nochmaliges Erbrechen grün- licher flüssiger Massen. Der Urin, reichlich entleert, enthält zahl- reiche lymphatische Körperchen und einzelne blasse hyaline, zum Theil mit Körnchen besetzte Cylinder, ziemlich reichlicher Eiweiss- gehalt. Puls 128, sehr klein, regelmässig. Resp. 40, Temperatur 41,0° C. 28. Juni. Hat geschlafen, fühlt sich sehr matt, Sensorium frei. Kein Erbrechen mehr. Puls 112 Resp. 44. Temperatur 39,7° C. Abends (Beginn des 17. Krankheitstages) Abfall von 4 Uhr bis 10 Uhr (Temp. 35,1° C.) unter Anfangs stärkerem, dann ge- ringem kalten Schweisse. Puls 64, kaum fühlbar, 28 Respiration. Schläft viel. Die Temperatur blieb jedoch nur am folgenden Tage, dem 29. Juni, niedrig In der folgenden Nacht klagte die Patientin über heftige Schmerzen unter dem rechten Ohre, am 30. Juni ist eine deutliche Anschwellung daselbst zu constatiren. Unter Fieber- bewegungen wird die Geschwulst um das Ohr grösser und härter, und sehr schmerzhaft. Versuche, durch Ausdrücken, durch Com- pression die Parotitis zu beseitigen, führen nicht zum Ziele, es werden deshalb warme Umschläge angewendet. Trotz der Com- plication bessert sich allmählig das Allgemeinbefinden etwas, die Prostration bleibt zwar noch beträchtlich, doch isst Patientin mit mehr Appetit, die Temperatur hält sich am Morgen zwischen 37,5 bis 38° C, Abends zwischen 39,5 und 40° C. Am 5. Juli ('dem 23. Krankheitstage) wird am Kieferwinkel eine Incision gemacht, nur wenig Eiter wird entleert. Die Schmer- zen lassen nach. Verband nach Lister. Nach der Incision fühlt sich die Kranke sehr erleichtert und wird munter. Der Puls am Morgen 76 — >'8 , Abends 92 — 100, die Qualität desselben ist eiue bessere; die Temperaturen werden am Morgen vollkommen normale und steigen am Abend bis 38, selten höher bis 39,5° C. Der Appetit wird sehr gut. Geringe — 188 — Oedeme der Füsse bis über die Knöchel, der Hände, der Rücken- haut, stellen sich am 7. Juli ein; Urinentleerung ist reichlich, eine geringe Trübung beim Kochen hatte noch einige Zeit nach dem Abfall bestanden, gegenwärtig ist der Urin eiweissfrei. Die Eite- rung ist anfänglich eine sehr beträchtliche, es stossen sich vielfach necrotische Bindegewebsfetzen aus, die ganze Drüse vereitert. Vom 15. Juli wird die Eiterung eine geringe, die tiefe Höhle, die ent- standen ist, schliesst sich allmählich. Seit dem 22. Juli ist Pat. fieberlos und steht bald etwas auf, die Oedeme der Beine nehmen bei längerem Aufsein erheblich zu, verschwinden jedoch über Nacht vollkommen. Milz und Leber werden langsam kleiner, am 3. Aug. (dem 52. Krankheitstage) geht die Milz nur bis zum Rippenbogen, ist noch fühlbar, 9 Ctm. hoch; die Leber überragt den Rippen- bogen, die Dämpfungshöhe beträgt 8 bis 10 Ctm. in der Paraster- nal- und Papillarlinie. Unter Gebrauch von Chinin und Ferrum bei reichlicher Nahrung nimmt die Milz noch mehr an Grösse ab, Höhe 7 Ctm., Länge 9 Ctm., die Leber behält die zuletzt erwähn- ten Dimensionen. Unter dem rechten Ohre war nur eine kleine Stelle noch nicht vernarbt, Oedeme stellten sich am Abend noch ein, als Patientin am 21. August (dem 70. Krankheitstage) ent- lassen wurde. Der zweite derartige ebenfalls sehr schwere Fall war ausserdem noch complicirt mit dysenterischen Stühlen; die Parotitis entwickelte sich erst nach dem zweiten Abfall. No. 13. Carl Petschke, 44jähriger Arbeiter, auf- genommen am 9. Juni 1865. Ueberstand vor ca. 26 Jahren „Nervenfieber", das ihn mehrere Wochen an's Bett fesselte, vor 16—17 Jahren Wechselfieber. Er- krankte am 4. Juni Abends mit starkem Schüttelfrost, dem Hitze und Schweiss folgte; allmählich zunehmendes Kopfweh seilte sich ein, Sehwindel und Flimmern vor den Augen. Bedeutende Schwäche und Schmerzen der Glieder nöthigten den Patienten, sofort sein Lager aufzusuchen, das er nicht mehr verlassen konnte. Er verlor den Appetit, Uebelkeit und Erbrechen stellte sich am ersten Tage ein und hielt 5 bis 6 Mal täglich, besonders nach Nahrungsauf- nahme wiederkehrend, bis zum 6. Tage an. Die Stühle waren von Beginn an diarrhoisch, es erfolgten täglich 2 bis 3 Ausleerungen, die gelb gefärbt waren, die aber seit dem 6. Krankheitstage an Zahl sehr zunehmend blutig wurden, gleichzeitig bestanden heftige Leibschmerzen und Tenesmus Wegen Fussgeschwüren (ex sorde) wurde der Patient am 9 Juni auf die chirurgische Klinik gebracht, auf die medizinische Klinik wurde er am 11. Juni transferirt. Status praes. am 11. Juni Abends. (Beginn des 8. Krankheitstages) Bedeutende Prostration, matter Ausdruck. Haut trocken, kühle Hände und Füsse, Temperatur der Achselhöhle 39,8° C, Puls 124, sehr klein, regelmässig, 40 stöhnende Respirationen, Klagt über heftige Schmerzen in den Beinen, massiges Kopfweh. Oefteres Aufstossen ohne Erbrechen, der Appetit fehlt, die Zunge — 189 — ist feucht, dünn belegt. Ränder und Spitze roth. Im Laufe des Tages 8 sparsame, schleimige, hellrothe, gleichmässig gefärbte, blutige Stühle, die unter heftigem Tenesmus entleert werden. Der Leib ist aufgetrieben, überall sehr empfindlich; die Milz, 10 Ctm. hoch, geht, bis zum Rippenbogen, die Leber in der Papillarlinie bis zum Rippenbogen beginnt aber vom unteren Rande der fünf- ten Rippe. Bei Touchiren per Rectum ist nichts Abnormes zu constatiren. Lungen frei, Herztöne rein, schwach. Ord. Stärkeklvstier mit 10 Tropfen Tinct. Opii spl. Cata- plasmata auf den Leib. 12. Juni. Schlaf ruhig, unterbrochen durch 12 sparsame, blutige Stühle. Patient ist fieberlos, Temp. 36,6, Puls 96, etwas besser als gestern. Resp. 24; das Aussehen etwas besser. Gerin- ger Icterus der Conjunctiva, der verunreinigte Urin zeigt aber keine deutliche Gmelin'sche GallenfarbstofFreaction. Die Zunge ist trok- ken. Kein Erbrechen mehr. Abends (9. Krankheitstag) Der Icterus hat eher etwas zu- genommen. Patient klagt wieder über heftige Muskelschmerzen. Temp. 37° C, Puls 80, klein, regelmässig, Resp. 32. Im Laufe des Tages 7 blutige Stühle. Ord. Oleum Ricini, 1 kleiner Esslöffel. 13. Juni. Schlaf durch 8 blutige Stühle unterbrochen, weni- ger Tenesmus. Puls 88, Resp. 24, Temp. 36,6° C. Clyma mit Opium. Ol. Ricini. Abends (10. Krankheitstag). 7 blutige Stühle. 14. Juni. Bei gutem Schlafe und grosser Schwäche Urin und Stuhl öfter in's Bett, letzterer besteht aus blutigen schleimi- gen Massen und grösseren weissen Fetzen. Willkührlich 10 Stühle, die äusserst stinkend sind. Ol Ricini. Abends (11. Krankheitstag). Seit Mittag ist kein Blut mehr in den Stühlen, dieselben sind dünn, grüngelb. 15. Juni. 9 Stühle meist in's Bett ohne Blut, Leib weniger schmerzhaft. Beim Versuche, das Bett zu verlassen, ist Patient öfter ohnmächtig geworden, fühlt sich enorm schwach und ist sehr abgemagert. Der bisher geringe Appetit ist etwas besser. Ord. Extr. Ligni Campechiani 8 Grm. auf 180 Grm. Wasser. 2stdl. 1 Esslöffel. In den nächsten Tagen bleibt Pat. fieberlos und nur geringe Erhebungen der Temperatur bis 38 ° C. werden gegen das Ende der Remission beobachtet. Puls bis 80 von besserer Qualität, guter Appetit. Am 16. Juni 4 dünne Stühle in 24 Stunden. 17. Juni 4 dünne braune Stühle. 18. Juni 3 Stühle, weniger dünn. 19. Juni 2 Stühle. Die Ordination war dieselbe geblieben, Abends Opium. Der zweite Anfall trat am 20. Juni Abends, dem Beginn des 17. Krankheitstages ein; ohne subjective Beschwerden stieg die Temperatur und erreichte in den ersten beiden Tagen des Relaps — 190 — nur massige Grade bis 39,7° C, der Puls stieg in derselben Zeit bis 104. Der Appetit war in den ersten beiden Tagen gut, täg- lich 2 bis 3 dünne gelbe Stühle ohne Tenesmus. Die Milz bei Beginn des Anfalls kleiner, die Dämpfung reichte bis zwischen die vordere und hintere Axillarlinie, geht bald wieder bis zum Rippen- bogen. Die Leber überragt denselben, das Epigastrium ist ge- dämpft. Reissende Schmerzen in den Waden treten weiterhin auf, ebenso Kopfweh, der Appetit verliert sich, heftiger Durst stellt sich ein. Am Tage vor dem Abfall 3 dünne Stühle. 24. Juni (Ende des 20. Krankheitstages). Seit gestern Abend Abfall unter geringem Schweiss, 11 reichliche unblutige Stühle, ohne Tenesmus. 88 Pulse, Temp. 37,7° C, Resp. 36. Klagt noch über Kopfweh und Gliederschmerzen. Urin meist beim Stuhle ent- leert, ist gelbroth sauer, leicht trübe, spec. Gew. 1008 und enthält eine Spur Eiweiss. 25. Juni. Guter Schlaf. Fieberlos, Schmerzen nur noch im Abdomen, das etwas aufgetrieben ist. Gefühl bedeutender Schwäche, der Kranke ist sehr abgemagert und sieht blass und elend aus. 1 dünner Stuhl. Urin ist roth, trübe sauer, spec. Gewicht 1006 eiweissfrei. Patient blieb nach dem Abfall nur 2 Tage fieberlos. Am 26. Juni Abends, dem Beginn des 23. Krankheitstages steigt die Temperatur bis 38 ° C, unter Schmerzhaftigkeit hat sich unterhalb des rechten Ohres vom Processus mastoides ausgehend eine Anschwellung entwickelt, aus dem Ductus Stenonianus ent- leert sich bei Druck auf den Tumor wenig dünnes, mit einzelnen Flocken gemischtes Fluidum. Tinctura Jodi. Unter geringen Fieberbewegungen, Temp. bis 39° C. wird die Anschwellung und Spannung eine sehr beträchtliche, erstere erstreckt sich bis auf die Wange, die Augenlider werden stark ödematös. Die Schmerzen sind sehr heftige. Am 30. Juni wird eine tiefe Incision parallel dem Kieferrande gemacht, es entleert sich nur wenig Eiter aus einzelnen kleinen Heerden. Verband nach Li st er. Patient hat in den letzten Tagen mehr Appetit, stets dünne Stühle, 2, 3, 4 bis 7 und 8 Ausleerungen ohne Blut in 24 Stun- den, die durch Tinct. Opii bekämpft werden. Das Allgemeinbefin- den bessert sich, die subjeetiven Beschwerden haben nach Incision der Parotitis sehr nachgelassen. Die Eiterung ist unter dem Lis- ter'schen Verbände eine sehr geringe. Die Geschwulst bleibt aber gross und hart, am 12. Juli wird ein kleiner Abscess nach hinten vom Angulus mandibulae eröffnet, am 14. Juli ein dritter kleiner Abscess nach vorn und oben vor dem äusseren Gehörgange, die Eiterung ist gering, die Geschwulst wird kleiner. Die Oeffnungen sind bis auf eine am 24. Juli fast geschlossen und entleeren nur wenig dünnes Serum, am 11. August sind alle verheilt. Eine ge- geringe Anschwellung und Induration ist noch zurückgeblieben. Unguent. Kai. jodat. Die Milz war mehr und mehr zurückgegangen; am 3. Juli nur noch 6 Ctm. hoch, reicht dieselbe bis zwischen die vordere — 191 — und hintere Axillarlinie und am 20. Juli nur bis zur hinteren Axillarlinie. , Die Leber erreicht am 3. Juli den Rippenbogen, den sie während der Anfälle überragte, nicht mehr, sondern die Dämpfung hört schon 2 Ctm. über demselben auf. Der chronische Darmcatarrh, an Intensität allmählig abnehmend, cessirte am 13. Juli, von da ab anfangs breiige, später derbe Stühle. Behand- lung mit Opium, später Argentum nitricum. Die stärkeren Oedeme um die Knöchel, die sich einstellten, als Patient das Bett verlassen konnte, bestanden allerdings noch in geringem Grade, ebenso war ein systolisches Blasen am Herzen im Verlaufe der Convalescenz längere Zeit hindurch hörbar, doch hatte sich das Allgemeinbefinden wesentlich gebessert, dass Patient am 14. August entlassen werden konnte. Wie bei Typhus abdominalis und Typhus exanthema- ticus giebt die Parotitis eine schwere Complication ab, nach den Angaben von'Zorn1) endeten alle Fälle, in denen sie sich entwickelte, lethal. Herr mann2) sah stets Eiterung eintreten, und beobachtete ferner, dass bei Auftreten der Parotitis nach dem ersten Anfalle die Krankheit damit ab- geschlossen war und ein zweiter Anfall nicht eintrat. Dysenterie. Im letzterwähnten Falle waren ausser der Complica- tion mit Parotitis noch dysenterische Stühle während der Intermission aufgetreten; wir haben einen zweiten Fall be- obachtet, in welchem sich dieselben während des zweiten Anfalls einstellten und im Beginn der Convalescenz an- hielten. No. 14. Carl Larisch, 47jähr. Arbeiter, in's Ho- spital aufgenommen am 13. Juni 186 8. Patient war früher gesund und erkrankte am 10. Juni Mit- tags. Ohne Frost oder Frösteln, welches auch weiterhin fehlte, stellte sich sofort grosse Hitze, heftiges Kopfweh, Schmerzen in allen Gliedern und dem Kreuz ein; Schwindelgefühl und Flimmern vor den Augen machten es ihm sehr schwer, nächst den ,.stechen- den Schmerzen in den Beinen" um 4 Uhr nach Hause zu gehen, wo er sich sofort legen musste. Der Appetit war mit Beginn der Erkrankung verschwunden, der Durst heftig; Stuhl in den ersten ') Petersb. mediz. Zeitschr. 1865. Bd. XL Heft 1 u. 2. pag. 37. 2) Ebendaselbst 1807. Bd. XII. Heft 1. pag. 15. — 192 — Tagen vollkommen regelmässig. Der Schlaf war angeblich un- ruhig, durch lebhafte Träume gestört Der Zustand blieb derselbe. Seit dem 10. Juni stellten sich anhaltende profuse Schweisse ein, am 11. brach eine Herpeseruption aus. Pat. wurde am 12. Juni Abends, dem Beginn des 3. Krank- heitstages, in seiner Wohnung untersucht. Der kräftige muskulöse Mann zeigt ein echauffirtes Aus- sehen, geröthetes Gesicht. Um die ganze Ober- und Unterlippe, am rechten Nasenflügel und um den rechten Nasenhöhleneingang stehen zahlreiche Herpesbläschen dicht nebeneinander. Kopfweh und Gliederschmerzen. Puls 104, voll, celer, Temp. 40,4. Abdo- men ist etwas vorgewölbt, schmerzhaft in der Lebergegend, wäh- rend der Druck auf das linke Hypochondrium nicht empfindlich ist. Die Leberdämpfung geht in der Papillarlinie nicht ganz bis zum Rippenbogen, ein Milztumor ist noch nicht nachweisbar, die Dämpfungshöhe beträgt 4—5 Ctm., eben so viel die Länge. Appetit fehlt; viel Durst, Zunge dick belegt, feucht.- Entsprechend dem Verlaufe des Colon transversum ist Gurren bei Druck hörbar. Herz- töne rein, auf den Lungen hinten unten beiderseits sparsame feuchte Rasselgeräusche. Ord. Acid. phosph. Eisblase auf den Kopf. 13. Juni. Der Kranke hat wenig geschlafen, schwitzt sehr stark, Temp. dabei hoch, 39,7. Puls voll 106. Resp. 28. Milz- tumor ist deutlich nachweisbar, die Dämpfung ist 7—8 Ctm. hoch, und geht 3 Ctm. über die vordere Axillarlinie nach vorn. Abends. (Beginn des 4. Krankheitstages.) Fortwährender Schweiss. • 104 Pulse, 24 Resp., 39,5° C. Temp. Die Müz ist noch grösser geworden und ragt bis zum Rippenbogen nach vorn, Länge über 20 Ctm.; ebenso ist die Leber grösser, dieselbe über- ragt den Rippenbogen in der Papillarlinie um 3 Ctm.; das Epi- gastrium ist gedämpft. Geringe Spur Icterus der Conjunctiva. Der Urin ist roth trübe mit geringem Sediment aus einzelnen harnsauren Ammoniakdrusen, und blassen hyalinen sehr reichlichen Cylindern mit feinen Körnchen besetzt. Massige Menge Albumen in deutlich flockiger Ausscheidung. Spec. Gewicht 1022. Durch Salpetersäure tritt eine dunkle violettrothe Färbung ein, eine deutliche Gmelin'sche Gallenfarbstoffpro be ist nicht zu constatiren. 14. Juni. Ruhiger Schlaf. Der Herpes trocknet ein. Schmer- zen der Beine etc. treten vorübergehend sehr heftig auf. Die Milz ist noch grösser geworden, 10 Ctm. hoch, die Länge ist die- selbe. Puls 120, etwas kleiner, Resp. 20, Temp. 38,0° C. Abends. (Beginn des 5. Krankheitstages.) Schwitzt. Puls 108, Resp. 24, Temp. 39,8° C. 15. Juni. Schlaf ruhig, feuchte Haut. Puls 104, Resp. 24, Temp. 39,4° C. Milz und Leber bieten die alte Grösse. Zeit- weise Kopfweh und Gliederschmerzen. Stuhl regelmässig, geformt. Urin enthält kein Eiweiss, aber reichliche körnige Cylinder. Abends. (Beginn des 6. Krankheitstages.) Puls klein, weich, 108, Resp. 24, Temp. 40,4° C. 16. Juni. Im Anfang der Nacht schlief der Kranke gut, — 193 — war am Morgen gegen 4 Uhr der Stuhlentleerung wegen auf- gestanden, bei Rückkehr in's Bett heftiger Frost, starkes Hitze- gefühl und bald profuser Schweiss. Abfall der Temperatur um 9 Uhr 37,6° C, Puls 88, Resp. 20. Subjectives Wohlbefinden. Abends. (Beginn des 7. Krankheitstages.) Puls 80, Resp. 20, Temp. 36,0° C. Im Laufe des Tages noch anhaltender Schweiss. 17. Juni. Ueber Nacht haben sich plötzlich sehr heftige Schmerzen im ganzen linken Unterschenkel eingestellt. Im Urin, der eiweissfrei ist, sind noch Cylinder enthalten, blasse hyaline und sparsame epitheliale. Puls 64, Resp. 18, Temp. 37,0° C. Die Schmerzen verlieren sich am folgenden Tage. Patient bleibt fieberlos, der Appetit wird vom 19. Juni an besser, Stuhl 3 Tage angehalten. Der Puls sinkt bis 64, die Temperatur bleibt zwischen 37 und 38 C. Am 20. Juni lässt sich an der Leber eine Verkleinerung nachweisen, die Milz bleibt noch gross. Am 21. Juni (dem 12. Krankheitstage) klagt Patient wieder über heftige reissende Schmerzen im linken Unterschenkel, die zeitweise nachlassend bis zum Beginn des zweiten Anfalls an- halten. Am 21. und 23. Juni tritt schnell vorübergehend an beiden Vorderarmen Urticaria porcellanea mit heftigem Jucken auf. 24. Juni (14. Krankheitstag). Beginn des zweiten Anfalls. Bis 1 Uhr Nachts guter Schlaf, der Kranke erwacht plötzlich unter starkem Schweiss, dem Hitzegefühl folgt, kein Frösteln, klagt über etwas Kopfweh, der Appetit ist bald schlechter, die Zunge wieder belegt. Puls 84, Resp. 20, Temperatur früh 7 Uhr 38,5° C. Die Milz, welche sich am Ende der Intermission ver- kleinert hatte (die Dämpfung ging bis zur hinteren Axillarlinie bei einer Höhe von 7—8 Ctm.), wird bald wieder grösser und geht am 24. Juni Abends bis zum Rippenbogen, ebenso wird die Leber grösser. Puls 88, Resp. 20, Temp. 40,6° C. 25. Juni (15. Krankheitstag). Guter Schlaf. Schweiss. Puls 108, mittelvoll, regelmässig, celer; Resp. 28; Temp. 40,4° C. Stuhl fehlt. Wenig Schmerzen. Abends (Beginn des 16. Krankheitstages). Profuser Schweiss im Laufe des Tages. Puls 108, Resp. 20, Temp. 41,5° C. 26. Juni (16. Krankheitstag). Unter starkem Schweisse ist eine Remission der Temp. bis 37,4° C. eingetreten, Puls 92, Respi- ration 16. 3 Stühle. Abends (Beginn des 17. Krankheitstages). Temperatur um 5 Uhr wieder 41,5° C, klagt über Schmerzen in der Magengegend, bei öfter eintretender Uebelkeit, die Dämpfung im Epigastrium geht bis 6 Ctm. nach unten vom Proc. xiph., weiter als in den letz- ten Tagen; die Milz bis zum Rippenbogen. Puls 120, Resp. 24. 27. Juni. Schlaf gestört durch 3 dünne sparsame Stühle, die ohne Tenesmus entleert werden, Leib flach, ohne Schmerzen. Temp. 39,6° C. Puls 116, klein und weich. Resp. 26. Ord. Extr. Ligni Campechiani. 6 Gramm auf 180 Gramm Aq. dest. Wyss u. Bock, Febris recurrens. 1«* —" 194 — Abends (Beginn des 18. Krankheitstages). Sehr schwach und elend. Im Laufe des Tages 7 Stühle, ohne Blut. Temp. 40,7° C. Resp. 28. Puls 116 klein, weich. 28. Juni. Unter starkem Schweiss ist die Temperatur ab- gefallen bis 36,2 ° C, 88 Pulse, 20 Resp. Seit dem Abend 9 dünne gelbe Stühle. Stärke-Clysma mit Opium. Abends (Beginn des 19. Krankheitstages;. Patient ist so schwach, dass er im Laufe des Tages bei dem Versuche aufzu- stehen, ohnmächtig wurde. Er hat noch stark geschwitzt. Temp. 35.4° C, Puls 92, Resp. 16. 4 dünne Stühle. 29. Juni. Schlaf unterbrochen durch 10 dünne Stühle, ohne Tenesmus entleert; dieselben sind gelbbraun, enthalten einzelne weissliche Fetzen, aber kein Blut. Temperatur 36,9° C, Puls 84, Resp. 20. Abends (Beginn des 20. Krankheitstages). Im Laufe des Tages 10 bis 12 dünne, blutige Stühle. Temp. 36,7, Puls 82, Resp. 20. Ord. Ol. Ricini. 30. Juni. Seit dem Abend 10 blutige Stühle. Der Leib nicht schmerzhaft. Ord. Ol. Ricini. Abends. Sehr zahlreiche Stühle ohne Blut. 1. Juli. 8 Stühle ohne Blut. Abends. Im Laufe des Tages 6 blutige Stühle. Ord. T. Opii spl., mehrmals täglich 15—20 Tropfen. 2. Juli. 2 dünne Stühle. Abends. 3 Stühle seit dem Morgen. Ord. Dieselbe. 3. Juli. 5 Stühle. 4. Juli. 5 breiige Stühle in 24 Stunden. 5. Juli. 6 breiige Stühle in 24 Stunden. 6. Juli. Patient hat sich etwas erholt bei dem guten Ap- petit, der sich in den letzten Tagen eingestellt hat. Die Tempe- raturen sind seit dem Abfall stets niedrig geblieben, 37° C. bis 37,5 ° C, der Puls hat eine Frequenz von 60 bis 68. Die Leber und Milzdämpfung sind kleiner geworden, letztere reicht nur noch bis zur hinteren Axillarlinie. Patient verlässt in den nächsten Tagen das Bett, bei länge- rem Aufsein stellen sich geringe Oedeme um die Fussgelenke ein, die über Nacht verschwinden. Die Stuhlausleerungen werden regelmässig. Am 22. Juli wird der Kranke geheilt entlassen. Abscesse des Unterhautzellgewebes. Abscesse des Unterhautzellgewebes beobach- teten wir in einem Falle. Er betrifft den oben erwähnten Anton Heilmann (No. 27), der im ersten Anfall Delirium tremens überstand. Die Intermission dauerte vom 2. bis 5. Juli. Am 6. Juli (dem Ende des 11. Krankheitstages) stieg unter sub- — 195 — jectivem Hitzegefühl die Temperatur gegen Mittag an, erreichte aber während des ganzen leichten zweiten Anfalls nur massige Höhe, bis 39,6° C, der Puls stieg bis 100 und 104. Deutliche, neue Vergrösserung von Leber und Milz konnte nachgewiesen werden, Schmerzen fehlten vollkommen. Der Appetit blieb bei massigem Durst ein guter. Am 8. Juli war die Temperatur nor- mal; am 9. Juli wurde oberhalb des Os sacrum ein Abscess be- merkt, der bei Incision reichlich Eiter entleerte. Am 11. Juli wurde über dem linken Trochanter ein zweiter Abscess incidirt, ein dritte unter dem linken Poupart'schen Bande und ein vierter grösserer auf den linken Nates. Während der Bildung dieser Ab- scesse waren die Temperatur und Puls am Morgen völlig normal, Abends konnten geringe Fieber-Exacerbationen constatirt werden, das Allgemeinbefinden war ein gutes, Leber und Milz wurden klei- ner. Unter Anwendung der Lister'sehen Verbandmethode heilten die Abscesse schnell. Patient wurde am 14. August entlassen. Nephritis. Acute Nephritis entwickelte sich in einem Falle im Verlaufe des zweiten Anfalls, und führte zum Tode. Einige Tage vor demselben trat ausserdem eine terminale Pneumonie auf. No. 12. Anna Gassmann, Steinsetzerfrau, 44 Jahr, in's Hospital aufgenommen am 6. Juni 1868. Die Patientin, früher stets gesund, erkrankte am 1. Juni früh 9 Uhr in ihrer Wohnung, kleine Rosengasse 4, mit Frost, der mehrere Stunden angehalten haben soll und auf den Hitze und Schweiss folgte. Gleichzeitig stellte sich Uebelkeit und Erbrechen dünner, grüner Massen ein, welches sich noch 3—4 Mal im Laufe des Tages wiederholte Kopfweh, Ohrensausen, Flimmern vor den Augen war ebenfalls im Beginn eingetreten, geringes Nasenbluten am ersten und zweiten Tage. Der Appetit fehlte, in den ersten vier Tagen war der Stuhl angehalten. Anhaltende heftige Glieder- schmerzen. Status praesens am 6. Juni (6. Krankheitstag). Schlecht genährtes, blasses Individuum, matte Rückenlage. Klagt über Kopfweh, Schwindel beim Aufrichten, und heftige Schmerzen im ganzen Körper, die bei Druck, bei Bewegungen zunehmen. Puls ziemlich klein, regelmässig 124, Resp. 36, Temp. 41° C. Der Appetit fehlt, die Zunge ist dick belegt, Ränder roth; Stuhl angehalten. Das Abdomen etwas aufgetrieben; Milz bis zum Rip- penbogen. Leber vergrössert, reicht 2 Ctm. über den Rippen- bogen, in der Papillarlinie 13 Ctm. hoch. Ord. Clysma, Acid. phosphor. Eiskappe. 7. Juni (Beginn des 7. Krankheitstages). Guter Schlaf. Die Temperatur zeigt eine erhebliche Morgenremission, welche unter 13* — 196 — Schweiss eintritt. Früh 6 Uhr 40,5° C, 7 Uhr 39,6° C., 8 Uhr 39° C, 9 Uhr 38° C, 10 Uhr 40,1° C. Puls 104. Resp. 40. 1 Stuhl. Abends. Starkes Kopfweh, stärkere Gliederschmerzen. 116 Pulse, 32 Resp., um 5 Uhr Temp. 40,1° C. 8. Juni (8. Krankheitstag). Hat geschlafen. Puls 104, Resp. 32, Temp. um 7 Uhr früh 40,2° C. Abends. Puls 116, Resp. 48, Temp. um 5 Uhr 41,2° C. 9. Juni (9. Tag). Der Abfall der Temperatur ist unter starkem Schweiss gestern Abend von 9 — 11 Uhr eingetreten, die Temperatur fiel binnen 2 Stunden von 41,0° C. bis 37° C. Um 9 Uhr . . . 41,0° C. - 9V2 • • • 39,7° C. - 93/4 • • • 37,8° C. - 11 ... 37,0° C. Der Schweiss hielt bei gutem Schlaf während der Nacht an. Abgesehen von Schwäche fühlt sich die Patientin subjectiv wohl. Puls 60, Resp. 24, Temp. 7 Uhr 36,5° C. Abends. Puls 64, Resp. 30, Temp. um 5 Uhr 35,9° C. Am folgenden Tage stellten sich schnell vorübergehende Gliederschmerzen ein. Puls 76, Temp. 36,2° C. Am Abend Puls 76, Resp. 20, Temp. 36,8. Am 11. Juni früh (Beginn des 11. Krankheitstages). Puls 84, Resp. 28, Temp. 37,1° C Die Leber geht nur noch bis zum Rippenbogen, die Milz nur bis zur vorderen Axillarlinie. Der Urin hatte vom 6. bis 10. Juni eine Spur Eiweiss enthalten, neben ver- einzelten, körnigen Epithelialcylindern; in der Intermission war der Urin vollkommen frei. Der Relaps trat am 11. Juni, Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr ein unter kurz anhaltendem leichten Frösteln, gefolgt von Hitze. Der Durst nimmt schnell wieder zu, der Appetit bleibt aber noch gut. Die Milz ist sehr bald wieder grösser geworden, es geht dieselbe 21/2 Ctm. weiter nach vorn als am Morgen. Stuhl retardirt. Puls 96. Resp. 24, Temp. um 6 Uhr 39,5° C. 12. Juni (12. Krankheitstag). Guter Schlaf. Kopfweh und Gliederschmerzen haben sich eingestellt, der Appetit fehlt heute vollkommen. Puls 96, Resp. 28, Temp. um 7 Uhr früh 39,7° C. Abends ist die Milz noch grösser geworden, 12 Ctm. hoch, weit nach vorn. Puls 88, Resp. 28, Temp. um 5 Uhr 40,6° C. Urin vom 11. bis 12. Juni 1260 CCm., spec. Gew. 1008 schwach sauer, enthält kein Eiweiss. 13. Juni (13. Krankheitstag). Der Puls 100, wird etwas kleiner, celer. Respiration 28, Temp. früh' 7 Uhr 39,7° C. Der Kopf ist freier, dagegen klagt Pat. über heftiges Reissen in den Gliedern. Die Schwäche hat zugenommen; am Herzen ist überall schwaches systolisches Geräusch zu hören. Die Milz ist sehr gross, die Leber geht wieder über den Rippenbogen nach abwärts. Uebel- keit ohne Erbrechen. Urin vom 12.—13. Juni. Gesammtmenge 2115 CCm., spec. Gew. 1007; enthält kein Eiweiss. — 197 — Abends. Puls 116, Resp. 32, Temp. um 5 Uhr 40,8° C. 14. Juni. Puls 104, Resp. 24, Temp. früh 8 Uhr 40,6° C. Urin enthält eine Spur Eiweiss, körnige Cylinder-Bruchstücke. Der Zustand anhaltenden Fiebers mit denselben Beschwer- den blieb der gleiche, Stuhl war auf Oleum Ricini erfolgt; am 16. Juni trat unter Uebelkeit geringes galliges Erbrechen ein, der Appetit fehlte noch immer vollkommen. Die Urinsecretion war eine reichliche, vom 14. —15. Juni 1195 CCm., doch hatte der Eiweissgehalt zugenommen, ebenso die dunklen körnigen Cylinder. Am 17. Juni (dem 17. Krankheitstage) war die Temperatur über Nacht unter Schweiss bis zur normalen Höhe gesunken. Die Kranke fühlte sich wohl. (Zweiter Abfall?) Am 18. Juni Puls 76, klein, regelmässig. Resp. 28. Temp. früh 8 Uhr 37 ° C.; im Laufe des Tages steigt aber die Temperatur sehr bald bis auf 39 und 40° C. Die Urinmenge ist sehr sparsam geworden, der Eiweisgehalt ein reichlicher, es finden sich zahl- reiche, dunkle körnige Cylinderbruchstücke und lange gewundene hyaline Cylinder. Im Laufe des Tages, ebenso des folgenden, stellt sich von Neuem Erbrechen ein; bei zweimaligem Stuhl werden höchstens 30 CCtm. Urin entleert. Anhaltende Uebelkeit. Ord. Tinct. Colocynth. Reichliches Getränk. Einwickelung nach einem Bade. 20. Juni (20. Krankheitstag). Anhaltendes Fieber. Temp. zwischen 39^ und 40 ° C Puls am Morgen 104, Abends 84. Klagt über Kopfweh, dabei öfter Uebelkeit und Erbrechen. Sparsame Urinentleerung. Die Gesammtmenge beträgt 760 CCtm. trotz reichlichen Getränks. Leber und Milz sind gross ge- blieben. Unter zunehmendem Collaps war bei anhaltendem Erbrechen, heftigem Kopfweh, der Zustand immer bedenklicher geworden, die Temperaturen bald niedrig, bald erhöht bis 39 ° C. ^ Der Puls 84 bis 96 klein, aber weniger weich als früher. Die Urinsecretion blieb bedeutend vermindert, der Eiweissgehalt war reichlich, Cylinder wurden aber bei der mikroskopi- schen Untersuchung nicht mehr gefunden. In den letzten drei Tagen trat stärkerer Husten ohne Auswurf ein, auf den Lun- gen war hinten unten beiderseits Dämpfung, mit zahlreichen Rassel- geräuschen zu constatiren. Plötzlicher Tod am 24. Juni früh 6% Uhr am Ende des 23. Krankheitstages. Die Ergebnisse der Section werden bei Besprechung der pathologisch-anatomischen Veränderungen angeführt werden. Chronischer Milztunior. Eine letzte Nachkrankheit, die wir beob- chtet haben, bestand in einem andauernd mehr weniger hohen, zeitweise remittirenden Fieber- — 198 — zustande, welcher sich nach dem zweiten Abfall entwickelte, ohne dass derselbe etwa als ein län- gerer dritter Anfall aufgefasst werden konnte. Dieser Fieberzustand, der sich ab und zu nachlassend über einen ganzen Monat hin erstreckte, hatte in seinem Tem- peraturverlaufe mit abendlichen oft bedeutenden Exacer- bationen bei Remissionen in den Morgenstunden eher den Charakter eines Eiterungsfiebers; für letzteres sprach ausserdem noch das Auftreten von Schüttelfrösten. * Die Untersuchung konnte nur das Vorhandensein eines sehr erheblichen Milztumors constatiren, welcher in der ersten Zeit nach dem zweiten Abfall an Grösse noch zu- nahm und der erst ganz allmählich sich verkleinerte. Es ist uns nicht unwahrscheinlich, dass es sich um Milzabscesse gehandelt hat, Abscesse, die aber vollständig in Resorption ausgingen, eine Möglichkeit, die auch Herr mann1) be- tont. Der Fall ist kurz folgender: No. 11. Wilhelmine Koch, 54jährige Wittwe, auf- genommen am 6. Juni 1868. Die Patientin überstand vor 30 Jahren „Nervenfieber", über dessen Symptome sie aber nichts anzugeben weiss, vor 3 Jahren litt sie kurze Zeit an Intermittens. Erkrankte am 1. Juni Mittags um 2 Uhr auf der Strasse mit Schüttelfrost von einer halben Stunde, Hitze und Schweiss; gleichzeitig heftiges Stirn- und Schläfenkopfweh und Gliederschmer- zen. Sie schleppte sich mühsam in ihre Wohnung kleine Rosen- gasse 4 und musste sich sofort niederlegen. Kein Appetit. Hef- tiger Durst. Stuhl angehalten. Status praesens am 6. Juni Abends. (6. Krankheits- tag.) Nicht besonders genährt, passive Rückenlage, mattes Aus- sehen, Sensorium frei. Klagt über heftiges Kopfweh und Schmerzen in den Armen und Beinen, der Lendengegend. Die Haut ist trocken, heiss. Temp. 41,0° C, Puls 132, kaum mittelvoll, weich, celer, Resp. 28. Der Appetit fehlt, Lippen und Zunge leicht trocken, letztere roth, nach hinten belegt; heftiger Durst. Die Milz geht bis zum Rippenbogen nach vorn, die Leber überragt den Rippenbogen um 2 bis 3 Ctm. Leber und Milz sind bei Druck sehr empfindlich. Die Lungen sind frei. ') Petersburger mediz. Zeitschr. XII. Bd. 1867. Heft 1. pag. 14. — 199 — Ord. Acid. phosph. Eisblase auf den Kopf. Der Zustand verschlimmerte sich gegen Ende des Anfalls in so fern, als die Prostration sehr zunahm, und der kleiner werdende Puls bei einer Frequenz von 132 ab und zu aussetzte. Stuhl täglich ein bis zwei Mal, wurde einige Male wegen der be- deutenden Schwäche in's Bett entleert. Der Abfall trat am 8. Krankheitstage Abends von 8 bis 9 Uhr ein, die Temperatur fiel binnen einer Stunde von 40,9 auf 37,4° C, unter starkem weiterhin noch mehrere Stunden anhaltendem Schweisse. In der Intermission bezogen sich die Hauptklagen der Kranken auf die bedeutende Schwäche und Abgeschlagenheit, der Appetit bes- serte sich schon 2 Tage nach dem Abfall, auch war das Zurück- gehen des Milztumors, der Leberanschwellung sehr deutlich nach- weisbar. Der Eintritt des Relaps fiel auf den Beginn des 14. Krank- heitstages. Nachmittag 4 Uhr (Patientin hatte das Bett noch nicht verlassen) trat nach vorherigem vollständigem Wohlbefinden ein kurzes „Schauern" und bald Hitzegefühl ein; der Appetit ver- schwand schnell; Kopf- und Gliederschmerzen kehrten wieder. Im Verlaufe des zweiten Anfalls wurde bei massigem Husten und Auswurf auf den Lungen geringer Catarrh hinten und unten con- statirt. Die Milz reichte auf der Höhe des Fiebers genau bis zum Rippenbogen, also wieder grösser, ebenso die Leber. Der Abfall trat am 17. Krankheitstage, vom 17. bis 18 Juni über Nacht ohne Schweiss ein, die Temperatur sank von Abends 10 Uhr (41,8° C.) bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr 35,7° C., der Puls von 132 bis 84. Der Urin hatte in beiden Anfällen eine geringe Spur Albu- men enthalten, ebenso hyaline und dunkle epitheliale Cylinder. Nach dem zweiten Abfall blieb die Kranke 2 Tag voll- ständig fieberlos bei subjeetiv besserem Befinden. Am 3. Tage nach demselben, dem Beginn des 20. Krankheitstages, trat gegen Mittag ein viertelstündiger heftiger Schüttelfrost, gefolgt von Hitze und wenig Schweiss, ein; gegen Abend sank die Temperatur wieder um am nächsten Tage von Neuem, aber ohne Frost, zu steigen. Das subjective Befinden ist aber während des Fiebers weniger alterirt als während der vorangegangenen Anfälle, besonders fehlen Schmerzen vollständig. Auf den Lungen sind nur einzelne Rassel- geräusche, wie schon früher, hörbar, eine abnorme Dämpfung fehlt vollkommen. Der reichlich entleerte Urin enthält nur noch für einige Tage eine geringe Spur Eiweiss. Der Appetit ist etwas besser, täglich 1 bis 2 Stühle, nur der Durst ist immer vermehrt. Am 25. Juni (dem 25. Krankheitstage) wird ein sehr beträcht- licher Milztumor constatirt, derselbe geht bis zur linken Papillarlinie, nach unten bis zur Höhe des Nabels, und ist nach hinten nicht abgrenzbar. Das Fieber hielt in unregelmässigem Tagesverlaufe (die Kranke hatte grössere Dosen Chinin bekommen) bis zum 30. Juni an, stets machte sich aber eine Remission in den Morgenstunden, anfänglich nur bis 39,0° C, weiterhin bis 38,5 und 38,0° C, bemerkbar, bei Abendexacerbationen bis 40 und in der ersten Zeit selbst bis — 200 — 41,0° C. Der Puls schwankte zwischen 100 und 120. Ein Exanthem konnte nie constatirt werden. Im Laufe des 1. Juli (des 31. Krankheitstages) trat gegen Mittag ein zweiter heftiger Schüttelfrost ein; die subjectiven Klagen der Patientin bezogen sich nach demselben aber nur auf das Hitzegefühl, und abgesehen von dem noch in derselben Grösse bestehenden Milztumor konnte die Untersuchung keine andere Veränderung nachweisen. Der Appetit hatte sich mehr und mehr gebessert. In der auf den Schüttelfrost folgenden Zeit war nur für wenige Tage die Tem- peratur am Abend erhöht, bald wurde dieselbe ebenso wie am Morgen normal, und nur gegen Ende des Monats Juli wurde eine neue stärkere Abendexacerbation durch 8 Tage hindurch, bis 39,0 und 39,8° C. beobachtet. Im August waren die Differenzen zwischen Abend und Morgen nicht mehr erheblich, die Temperatur stieg bis höchstens 38,0° C. Die Milz wurde allmählich kleiner, dieselbe ging weniger weit nach unten und vorn; Mitte Juli nur noch bis zur vorderen Axillarlinie, bei einer Höhe von 8 Ctm. Patientin wird am 26. August nach fast drei- monatlichem Aufenthalte im Hospital entlassen; ein geringer Milz- tumor war noch nachweisbar, derselbe war aber verschwunden, als wir die Kranke wegen eines äusseren Leidens einige Monate später wiedersahen. Die Grösse der Milz betrug dann in der Höhe 4 bis 5 Ctm. bei einer Länge von 6 Ctm. Verschiedenheiten des Verlaufes der Febris recurrens. Der Charakter der Epidemieen an verschiedenen Orten und an dem gleichen Orte zu verschiedenen Zeiten ist be- dingt durch mannigfache Verschiedenheiten in dem Verlaufe der einzelnen Fälle. Dieselben sind theils abhängig von der Zahl und Dauer der Anfälle, theils von dem Vorwiegen der einzelnen Symptome. Wodurch aber alle diese Ver- schiedenheiten hervorgerufen werden, ist kaum zu ent scheiden; möglich, dass dabei klimatische Verhältnisse, dass andere äussere Veranlassungen, z. B. grösserer oder ge- ringerer Mangel, die Art der Wohnungen etc. mitwirken. Auch eine grössere oder geringere Disposition der einzel- nen Individuen, das wirksame Gift aufzunehmen, ist nicht in Abrede zu stellen. Aehnlich den wohl gekannten abortiven Formen des — 201 — Typhus abdominalis, dem Typhus levissimus, giebt es der- artige Formen auch bei der Recurrens. Abgesehen davon, erwähnen wir zuerst mit wenigen Worten diejenigen Er- krankungen, wo in Recurrensquartieren einzelne der In- sassen keine ausgesprochenen Anfälle und deren Abfall, mit intenserem Fieber, mit Milztumor etc. zeigten, sondern bei denen wir nur einen acut febrilen Zustand massigen Grades mit heftigem Kopfweh, vollständigem Verluste des Appetites bei belegter Zunge constatiren konnten. Auf- fallend waren diese Formen aber besonders durch eine stärkere Prostration, durch Schmerzen in den Gliedern, die den Kranken nöthigten, das Bett aufzusuchen. Unter ge- wöhnlichen Verhältnissen beobachtet, würde man derartige Erkrankungen als einfache fieberhafte Magenkatarrhe be- zeichnet haben, möglich, dass doch eine geringe Einwirkung des Recurrensgiftes Statt hatte. Als abortive Form der Recurrens, als Febris recurrens levissima, möchten wir folgende aufstellen. Die Krankheit beginnt acut mit den oben erwähnten Symptomen, der Verlauf des ersten Anfalls ist aber ein leichter, die Temperaturen sind weniger hoch; ein Milz- tumor ist deutlich nachweisbar, welcher nach dem unter Schweiss eintretenden Abfall kleiner wird. In der folgen- den fieberlosen Zeit erholen sich die Kranken bald; statt des zweiten Anfalls treten aber nur schnell vorübergehende Erhöhungen der Temperatur, des Pulses auf, ohne nach- weisbaren Milztumor und ohne erhebliche subjective Be- schwerden. Das ätiologische Moment, dass die Kranken aus Recurrensquartieren kommen, ist zur Beurtheilung der- artiger Fälle gewiss sehr wichtig. Wir haben folgende genauer beobachtet. No. 51. Louise Walter, 12 Jahr. Aufgenommen den 24. Juli 1868. Wohnt grosse Rosengasse 17, in einem — 202 — Hause, in welchem 71 Erkrankungen constatirt wurden. Ihre Mutter, die Schwester der Mutter und sämmtliche Schlafburschen liegen an Recurrens krank im Hospitale Die Kleine, seit 6 Jahren herzkrank (Insufficienz der Mitralis), erkrankte am 21. Juli Mittags ohne Frost, mit Hitze und Schweiss, Kopfweh und Gliederschmerzen. Der Appetit verlor sich, viel Durst. Die Patientin konnte am folgenden Tage ihre im Hospital krank liegende Mutter noch be- suchen, dann bettlägerig. Status praesens am 24. Juli Abends. (Beginn des 4. Krankheitstages.) Schlecht genährt; active Rückenlage. Klagt nur über wenig Schmerzen in den Waden. Puls 88, ziemlich klein, celer, Resp. 28, Temp. 38,8 ° C. Die Zunge ist dünn belegt, feucht, Appetit fehlt. Die Milz ist vergrössert, 7 Ctm. hoch, 7 bis 10 Ctm. lang. Der Urin ist gelb, sauer, hat ein spec. Gewicht von 1025 und enthält nur eine Spur Chlor. Am Cor die Erscheinungen einer Mitralinsufficienz. Ord. Acid. phosph. 25. Juli. Guter Schlaf über Nacht, klagt über Schmerzen im Kreuz und in den Waden. Puls 94, Resp. 24, Temp. früh 6 Uhr 38,6° C. Abends. Puls 88, Resp. 32, Temp. um 7 Uhr 39,0° C. 26. Juli. Puls 84, Resp. 24, Temp. früh 6 Uhr 38,2° C. Der Zustand ist der gleiche geblieben, die Patienten schläft viel. Abends. Puls 88, Resp. 20, Temp. um 7 Uhr 39,6° C. 27. Juli. Puls 88, Resp. 20, Temp. früh 6 Uhr 38,4° C. Gegen Mittag (im Beginn des 7. Krankheitstages) trat zwischen 12 und 1 Uhr leichtes Frösteln ein, die Temperatur stieg im Laufe des Nachmittags in folgender Weise: (Endgipfelung!) 1 Uhr 40,8° C. 6 Uhr 40,6° C. 2 „ 40,6 „ 7 „ 41,6 „ 3 „ 40,9 „ 9 „ 40,9 „ 4 „ 40,5 „ Die Patientin klagte über heftiges Kopfweh, Schwindel, Ohrensausen, Gefühl von Hitze; Gliederschmerzen fehlten Milz wie früher. Stuhl, der seit einigen Tagen gefehlt hatte, war spontan erfolgt. Puls 100, celer; Resp. 36. 28. Juli. Während der Nacht war unter gutem Schlafe und starkem Schweisse von 11 bis 12 Uhr der Abfall eingetreten. Temp. früh 6 Uhr 36,4° C, Puls 68, sehr klein, Resp. 20. Abends. Puls 68, Resp. 20, Temp. 7 Uhr 36,8° C. Der Zustand bessert sich schnell, der Appetit stellt sich ein. Der Puls bleibt in den ersten Tagen noch auf 64 bis 68 Schlägen, die Temperatur, besonders am Morgen, noch subnormal, steigt im weiteren Verlauf etwas höher, besonders am Abend. Patientin steht am 31. Juli auf und fühlt sich vollkommen wohl, bis am 5. August (dem 16 Krankheitstage) im Laufe des Nachmittags unter leichtem Frösteln eine durch mehrere Stunden anhaltende Erhöhung der Temperatur eintritt. Die subjectiven Klagen beziehen sich nur auf das Hitzegefühl und geringes Kopfweh. Puls um 6 Uhr 112, celer; Resp. 28, Temp. um — 203 — 4 Uhr 38,7° C. 8 Uhr 40,6° C. 6 „ 39,8 „ 9 „ 40,7 „ i „ 40,0 „ Am folgenden Morgen, dem 6. August, war die Temperatur wieder abgefallen, früh 6 Uhr 37,2° C.; die Haut war nur leicht schwitzend gewesen. Puls 80, kleiner, weich und leer; Resp. 20. Die Milzdämpfung hatte vor und nach dieser Ephemera eine Höhe von 4V2 Ctm., eine Länge von 5 Ctm. Der vor und nach dem leichten Anfall entleerte Urin war eiweissfrei gewesen und hatte mit salpetersaurem Silber einen reichlichen käsigen Chlorsilber- niederschlag gegeben Patientin blieb weiterhin andauernd fieber- los, erholte sich bald und wurde am 14. August entlassen. No. 60. Friedrich Mehrbote, 19jähriger Vagabund. Aufgenommen den 6. August. Der Patient, seit längerer Zeit „auf der Reise', war vor 3 Wochen nach Breslau gekommen, und hatte sich hier während der ganzen Zeit im Hause kleine Rosengasse No. 4 aufgehalten. Er erkrankte am 2. August Abends mit Frost und Hitze, heftigem Kopfweh und Gliederschmerzen. Bettlägerig. Bei der Aufnahme am 6. August Abends (dem Beginn des 5. Krankheitstages) klagt der sehr heruntergekommene Patient über reissende Schmerzen in den Beinen und im rechten Schulter- gürtel, die Zunge ist dünn belegt, der Appetit gering; die Milz geht bei einer Höhe von 10 Ctm bis fast zum Rippenbogen, das Epigastrium ist gedämpft, im Uebrigen ist aber die Leber nicht vergrössert. Abgesehen von überall deutlich erkennbaren Floh- stichen ist kein Exanthem zu constatiren. Temp. 39,2° C, Puls 84, Resp. 20. Der Kranke schwitzt am Abend schon etwas. Unter gutem Schlafe sinkt die Temperatur am nächsten Tage Abends bis 37,2° C, Puls 72 (lyrischer Abfall). Schon am 9. August (dem 8. Krankheitstage) ist die Milz kleiner geworden, dieselbe geht kaum bis zur vorderen Axillarlinie; ebenso der linke Leber- lappen, das Epigastrium ist tympanitisch. Der Puls war charakte- ristisch langsam geworden, am 9. August früh zählten wir 56 Schläge, und am Abend nur 4:j Der Kranke stand dann auf, fühlte sich vollkommen wohl, als am 12 August (dem Ende des 10. Krankheitstages) ein von Mittags bis Abends anhaltender febriler Zustand eintrat. Puls 128, Resp. 24, Temp. um 5 Uhr 40,3° C." Er klagte über Hitzegefühl, Kopfweh und massiges „Reissen in beiden Beinen". Ohne Schweiss fiel aber bis zum nächsten Morgen die Temperatur bis 36,3° C, Puls 80, Resp. 16. Die Milz, vor und nach der Ephemera 9 Ctm. lang, 8 Ctm. hoch, hatte sich nicht weiter vergrössert, der Appetit blieb angeblich gut. Der Kranke erholte sich schnell, die Milzdämpfung wurde normal. Entlassen am 2. September. Diesen Fällen würden sich diejenigen anschliessen, die einen mittelschweren Verlauf nehmen, dadurch bedingt, dass die einzelnen Symptome weniger stark aus- — 204 — gesprochen sind und den Kranken weniger belästigen, ferner dadurch, dass die Dauer der einzelnen Anfälle, be- sonders die des zweiten, eine kürzere ist. Es folgen die Formen, die wir der obigen Schilderung zu Grunde gelegt haben, und die mit den einzelnen bald mehr, bald weniger hervortretenden Symptomen die grösste Zahl unserer Be- obachtungen ausmachten. Schwer wird der Verlauf durch die ebenfalls erwähnten Complicationen, besonders die Convalescenz wird dadurch eine länger verzögerte. Die schwerste Form der Recurrens würde dann das biliöse Typhoid Griesinger's, die Febris recurrens biliosa, sein, zu welcher vielfache allmähliche Uebergänge stattfinden. Schon von Beginn an ist die Gravität des Krankheitsprocesses eine sehr erhebliche, oder dieselbe wird es ziemlich plötzlich im weiteren Verlaufe einfacherer Fälle. Die Prostration ist eine äusserst be- deutende, dabei ist der Kopf eingenommen, „rauschartig umnebelt", Stupor tritt ein, die Kranken plaudern still vor sich hin, oder laute Delirien brechen aus. Characteristisch ist das mehr weniger frühzeitige Auftreten des Icterus, der einen sehr hohen Grad erreichen kann; die Anschwellungen der Leber und Milz sind beträchtliche und heftige Schmer- zen bestehen in den Hypochondrien, dem Epigastrium. Erbrechen oft schwarzer blutiger Massen kommt gerade bei diesen schweren Formen vor, ebenso diarrhoische und dysenterische Stühle, nicht minder profuse Blutungen aus der Nase, Petechien und andere Blutungen. Die Tem- peraturen sind weniger hoch, der Puls wird sehr klein und nach Entwickelung von hochgradigem Icterus langsamer, unregelmässig, grössere Schwankungen machen sich geltend. Der Abfall, öfter ohne Schweiss, tritt häufiger lytisch ein, plötzliche Collapszustände vor demselben oder im Beginn der Intermission führen zum Tode. Die Remission selbst — 205 — ist oft weniger deutlich, die Kranken erholen sich nicht, und sterben im Sopor, oder Complicationen treten dazu. Rückfälle fehlen öfter (Griesinger) oder sind deutlich zu erkennen. Die Prognose ist sehr ungünstig. Ein Fall unserer Beobachtung würde einen Uebergang zu diesen Formen bilden, besonders wegen der unwillkom- menen Remission, wegen der bedeutenden Benommenheit und wegen des längere Zeit anhaltenden Icterus. No. 2. Frierich Pichnik, 49jähr. Arbeiter, auf- genommen von der kleinen Rosengasse No. 4, am lOten April 1868. Erkrankte den 2 April früh mit Schüttelfrost und Hitze, heftigem Kopfweh, Gliederschmerzen. Er schlief unruhig und „phantasirte". Der Appetit fehlte vollständig, 4 Tage nach dem Krankheitsbeginn entwickelte sich allmählig zunehmender Icterus. Status praes. am 10. April Abends. (Beginn des 9. Krank- heitstages.) Der sehr muskulöse Mann zeigt bei passiver Rücken- lage einen sehr matten Gesichtsausdruck, bedeutende Prostration; er ist benommen, so dass er erst auf stärkeres Anrufen antwortet. Icterus der Conjunctiva und stärkerer Icterus des ganzen Körpers. Puls 120 ziemlich klein, weich regelmässig, Resp. 36, Temp. 40,2° C. Patient klagt weniger als im Beginn; der Appetit fehlt, die Zunge und Lippen sind trocken mit Sordes bedeckt, viel Durst. Der Leib ist gespannt, sehr schmerzhaft; die Milz 9 Ctm. hoch, über 15 Ctm. lang, die Leber geht bis 6 Ctm. über den Processus xiphoides und überragt nach rechts den Rippenbogen um 3 — 4 Ctm., die Höhe der Dämpfung beträgt in der Papillarlinie 14 Ctm. Urin roth, sauer, spec. Gewicht 1011, enthält eine Spur Eiweiss und giebt eine deutliche Gmelin'sche Gallenfarbstoffreaction. Ord. Acid. phosphor. Eisblase auf den Kopf. 11. April. Ueber Nacht war Patient sehr unruhig gewesen, er wollte beständig zum Bett heraus und plaudert viel, 3 dünne Stühle und Urin werden in's Bett entleert. Die Temperatur ist ohne Schweiss abgefallen, doch nur bis 37,9 °C, Puls 96 sehr klein, Resp. 22. Der Icterus ist etwas stärker geworden. Ohne jemals die sonst so constanten subnormalen Grade zu erreichen, ging die Temperatur im Gegentheil schon am nächsten Tage in die Höhe und schwankte zwischen 38 und 39° C, der Puls blieb 92 — 96. Patient wurde jedoch besinnlicher; allmählich nahm der Icte- rus ab. Am 14. Tage der Krankheit trat eine erheblichere Steige- rung der Temperatur bis auf 40,7° C, ein, um am nächsten Tage nur allmählig nachzulassen bis 39 und 38,8° C. Die Benommen- heit trat wieder auf, ebenso Delirien, Patient plauderte auch am Tage viel, in der Nacht sehr unruhig. Die Leber und Milz waren noch gross, wenngleich etwas weniger, als bei der Aufnahme. Vom _ 206 — 16. bis 20. Krankheitstage waren bei besserem Allgemeinbefinden die Temperaturen weniger hoch, stets aber zwischen 3M und 38,5 ° C. Am 23. April, dem 22. Krankheitstage, trat ein weiterer Anfall ein mit hohen Temperaturen bis 41,5 ° C, der am 25. April ohne Schweiss zu Ende ging. Der Puls stieg bis 116 und 120, wurde sehr klein weich und undulirend, zuweilen dicrot. Die Be- nommenheit kam wieder, Delirien bei Tage und bei Nacht. Icterus war auch während dieses zweitägigen Anfalls aufgetreten. — Ein Exanthem wurde nicht beobachtet. Die Convalescenz war eine längere; Patient wurde am 15. Mai entlassen. Die Zahl der Anfälle, von welcher auch die Be- zeichnung der Krankheit hergeleitet ist, betrug wie auch in anderen Epidemieen, so auch in unseren Beobachtungen in der Regel zwei, doch kamen unzweifelhafte Fälle vor, in denen schon nach einem Anfalle die Krankheit ihr Ende erreicht hatte. War es einmal zweifelhaft, ob nicht einige Zeit vor der Aufnahme in's Hospital schon ein leichter erster Anfall überstanden worden war, so war es in 5 Fällen unserer Beobachtung, also in 5,26 %, sicher, dass nur ein Anfall überstanden wurde, nach 17, 18, zwei Mal nach 21 und nach 24 Tagen nach dem Abfall war kein zweiter Anfall eingetreten, zwei dieser Kranken sahen wir auch nach der Entlassung wieder, dieselben blieben gesund. Trotz des Fehlens des Rückfalls gehören diese Fälle unzweifelhaft zur Recurrens; der Beginn, der Verlauf des Anfalls, der Abfall, so wie die folgende Apyrexie sind in allen ihren Symptomen und ihren so characteristischen Eigenthümlichkeiten denjenigen Fällen analog, in denen weiterhin der Rückfall eintritt. Wir haben bereits angeführt, dass wir dritte An- fälle in der Weise, wie dieselben von den englischen und Petersburger Beobachtern erwähnt wurden, unter unseren Fällen nicht gesehen haben; Zorn hat unter 345 Krank- heitsfällen in 24 einen dritten Anfall verzeichnet, welcher 2 bis 7 Tage, meist jedoch nur 2 bis 3 Tage andauerte, — 207 — nachdem er nach einer kurzen Apyrexie auf den zweiten Abfall gefolgt war. Wir sahen nur, ähnlich den kurzen zweiten Anfällen, in denen die Temperatur für einige Stun- den gestiegen war, 8 Mal eine Ephemera nach dem zweiten Abfall auftreten, eingeleitet theils durch einen heftigen Schüttelfrost, theils nur durch allgemeines Uebelbefinden und Hitzegefühl. Zuweilen konnten wir, besonders wenn dieselbe nur einen bis zwei Tage nach der Defervescenz eintrat, nachweisen, dass die Kranken gegen Erlaubniss das Bett verlassen hatten, worauf unmittelbar die Tempe- ratursteigerung erfolgte, in anderen Fällen konnte aber keine Schädlichkeit aufgefunden werden. Gleichzeitig mit der Temperaturerhöhung stieg die Pulsfrequenz, der Appetit wurde etwas schlechter oder blieb gut; der Dvrrst war stark; die Patienten klagten zuweilen über Kopfweh, das jedoch auch fehlte, ausnahmslos bestanden Schmerzen in den Glie- dern. In diesem Anfall veränderten sich aber die Grenzen der Milz- und Leberdämpfung nicht, sei es, dass die Organe noch gross waren, wenn die Temperatursteigerung kurze Zeit nach dem zweiten Abfall eintrat, sei es, dass dieselben schon zurückgegangen waren, wenn erst nach längerer Fieberlosigkeit diese Ephemera auftrat. Der Nachlass des Fiebers trat mit oder ohne Schweiss ein. Zu den schon angeführten Fällen fügen wir ein wei- teres Beispiel hinzu: No. 38. Carl Heil, 56jähr. Vagabund, aufgenom- men am 14. Juli 1868. Ueberstand im Jahre 1852 Cholera und vor 4—5 Jahren Lun- genentzündung. Erkrankte am 8. Juli Nachmittags 3 Uhr ohne Frost mit plötzlichem Kopfweh, Schwindel und Hitzegefühl, mit heftigen Schmerzen der unteren Extremitäten und des Kreuzes. Patient musste sich sofort niederlegen und schlief viel. Appetit fehlt, Stuhl regelmässig, viel Durst. Status praes. am 15. Juli (dem 7. Krankheitstage). Heruntergekommenes Individuum, mattes Aussehen. Klagt über Kopf- und Gliederschmerzen. Die Milz geht bis zum Rippenbogen und ist deutlich fühlbar, 9 Ctm. hoch; die Leber geht 4 Ctm. — 208 — unter den Rippenbogen nach abwärts. Urin rothgelb sauer, ent- hält eine Spur Eiweiss bei einem spec. Gew. von 1013. Puls 124, kaum mittelvoll, celer weich, Resp. 36, Temperatur Abends 5 Uhr 41,2° C. Ord. Eisblase. Natron subsulphur., drei Mal täglich 2 Grm. Im weiteren Verlaufe des ersten Anfalls blieben die Temperaturen, der Puls sehr hoch, bei geringen Morgenremissionen. Der Kranke klagte wenig, weil er auch am Tage viel und ruhig schlief. Diarrhoische gelbe Ausleerungen stellen sich (in Folge der Medi- cation?) bis 7 Mal täglich vor dem Abfall ein. Der letztere erfolgt am 9. Krankheitstage vom 16. bis 17. Juli; nach einer Endgipfelung von 41,6° C. um 8 Uhr Abends fällt die Temperatur bis zum nächsten Morgen auf 35,4 ° C. ohne allen Schweiss, es werden aber 12 sparsame dünne Stühle entleert. Die Diarrhoe hält bei der gleichen Medication, jedoch weniger intens, durch die übrigens normal verlaufende Intermission an. Milz und Leber sind erheb- lich kleiner geworden, als am 25. Juli (dem 18. Krankheitstage) unter geringem Frösteln der zweite Anfall beginnt. Unter sehr hohen Temperaturen, die bei stündlichen Messungen stets 40,5 ° C. bis 41 ° C. betragen, einem kleinen, aber regelmässigen Pulse von 108, Abends 120, verläuft der Anfall bis zum 28. Juli. Die Milz und Leber sind wieder grösser geworden, Durchfall besteht fort- während (Natron subsulfurosum wird deshalb ausgesetzt). Eine Endgipfelung beschliesst den Abfall; am 21. Krankheitstage, den 28. Juli Abends 7 Uhr, 41,6° C, um 8 Uhr (von uns selbst ge- messen) 42,4° C. in der Achselhöhle. Um 8V2 Uhr war die Tem- peratur im Rectum schon 42,2° C, um 83/4 Uhr im Rectum 41,6° C. Am nächsten Morgen 9 Uhr Temp. in der Achselhöhle 35,5° C, im Rectum um 10 Uhr 36,1 ° C. Puls von 120 auf 68. Der Ab- fall war unter sehr geringem Schweisse verlaufen, dabei 3 dünne Stühle, wie schon vor demselben. Der Patient hat keine subjecti- ven Beschwerden, ist aber äusserst schwach. Sehr bald wird der Appetit besser; zeitweise stärkere Durchfälle werden durch Opium beseitigt. In den nächsten Tagen zeigt der Verlauf der Tempe- ratur und des Pulses die gewöhnlichen Verhältnisse. Der Kranke, der seine reichlichere Kost mit andauernd gutem Appetit seit sechs Tagen ohne nachfolgende Beschwerde gegessen hat, wegen grosser Schwäche aber stets zu Bette geblieben ist, fängt plötzlich im Laufe des Vormittags des 8. August (am Ende des 31. Krank- heitstages) zu klagen an. Ohne Frost oder Frösteln hat er Hitze- gefühl, Schmerzen der Unterbauchgegend, ohne daselbst nachweis- bare Abnormitäten. Er fühlt sich matt und hat weniger Appetit. Puls um 10 Uhr 120, Resp. 32 (am Abend vorher Puls 84, Resp. 18). Auf den Lungen ist, abgesehen von unbedeutendem Katarrh, der schon längere Zeit vorhanden ist, nichts nachweisbar. Der Temperaturverlauf ist folgender: Am 8. August früh 7 Uhr 37,8° C. 11 11 11 >j 40,5 ,, Mittags 12 „ 40,8 „ 11 11 1 » 40,5 „ 11 11 ** 11 40,5 „ — 209 — Am 8. August Mittags 4 Uhr 40,6° C. 5 „ 39,8 „ Abends 6 7 39,7 „ 39,5 „ 39,5 „ 39,0 „ n n 9 Puls am Abend 104, Resp. 32. Keine Klagen mehr. Die Milz hat dieselbe Grösse wie vor der Fieberexacerbation. Am nächsten Morgen, dem 9. August, ist Patient wieder fieberlos. Temp. 7 Uhr 37,3° C, Puls 70, Resp. 18. Kein Schweiss, aber 10 dünne Stühle. Letztere bestehen noch für einige Zeit, ohne dass die Temperatur die letzterwähnten Grade erreicht. (Ord. Opium.) Die Milz wird bald kleiner, der Appetit ist am Tage nach der Ephemera wieder ein guter. Am 17. August ent- lassen. Im kindlichen Alter, in welchem die Recurrens nach unseren Beobachtungen nicht so selten vorkommt, (14 der Erkrankten waren unter 10 Jahr alt), bietet der Verlauf keine besonderen Eigenthümlichkeiten dar, wodurch derselbe von demjenigen der Erwachsenen abweicht. Ab- gesehen von der höheren Pulsfrequenz ist der Temperatur- verlauf mit seinen Remissionen und den absoluten Höhen der gleiche, ebenso die übrigen Symptome, nur treten die Klagen der kleinen Patienten sehr zurück, weil dieselben sehr viel, manche fast ununterbrochen durch Tag und Nacht schlafen, ein Verhalten, auf welches wir schon aufmerksam gemacht haben. Das jüngste der erkrankten Individuen war ein dreijähriges Mädchen. Verschiedenheiten des Verlaufes bei älteren Leuten sind in unseren Beobachtungen nicht zu bemerken gewesen. Mit nur wenigen Ausnahmen waren die in's Hospital aufgenommenen Kranken vom Beginn des Leidens an so- fort bettlägerig. Es fragt sich aber, ob es vielleicht analog dem Typhus abdominalis, auch eine Febris recurrens ambulatoria giebt. Diese Frage müssen wir nach un- seren Erfahrungen entschieden bejahen. In die Poliklinik kamen einige Kranke, die alle Symptome der Recurrens Wyss u. Bock, Febris recurrens. 14 — 210 — boten. Dieselben, in Recurrensquartieren wohnend, waren acut erkrankt, hatten ausser heisser Haut und hoher Puls- frequenz heftige Gliederschmerzen, Kopfweh und einen be- trächtlichen Milz- und Lebertumor, einmal Herpes labialis. Plötzliche Besserung trat unter Schweiss ein, Rückfälle mit neuem Milztumor wurden gleichfalls constatirt. Diese Kran- ken, 4 bis 5 an der Zahl, waren täglich einige Stunden im Bett, konnten jedoch, namentlich Hausfrauen ihren leich- teren Beschäftigungen nachgehen und auch während der Anfälle besuchten sie wiederholt die Poliklinik. IY. Pathologische Anatomie. Da von unseren 95 genauer beobachteten Kranken bloss 2 starben und zwar nicht einmal auf der Höhe der Krankheit, sondern die eine Kranke an Nachkrankheiten, der andere an einem zufällig schon vor der Erkrankung an Recurrens bestehenden Leiden, so können wir über etwaige Eigenthümlichkeiten unserer Epidemie in dieser Hinsicht Nichts mittheilen. Da aber die beiden Fälle, die zur Section kamen, immerhin einiges Interesse bieten, füh- ren wir sie an und werden einige Bemerkungen daran knüpfen. Erster Fall. Febris recurrens. 1. Abfall am 8. Tage. Relaps am 11. eintretend, ohne deutlichen 2. Abfall. Im Ver- lauf des 2. Anfalls Nephritis acuta mit Anurie. Pneu- mon. pulm. utriusque; Pleuritis sin.; Tod am 23. Tage. No. 12. Anna Gassmann, 44jährige Steinmetzfrau, aufgenom- men den 6. Juni 1868, gestorben den 24. Juni. Krankengeschichte siehe pag. 195. Section den 24. Juni 1868. 12 Stunden p. m. Körper ziemlich abgemagert; Hautdecken blass, mit ziem- lich umfangreichen, blass lividen Senkungsflecken auf dem Rücken und einigen ähnlichen auf den Bauchdecken. Muskelstarre überall erhalten. Schädeldach schwer, blass. Dura ziemlich gespannt, blass, etwas trocken. Im sin. longit. locker geronnenes, spar- sames, speckhäutiges und in den sinus der Basis des Schädels wenig dünnflüssiges, ziemlich dunkelkirschrothes Blut. Die Gefässe 14* — 212 — der Basis des Gehirns unverändert. An der convexen Oberfläche findet sich eine massige Menge subarachnoidealen Oedems und stel- lenweise vermehrte Injection der Gefässe der Pia; in den nicht erweiterten Ventrikeln eine geringe Menge klaren Serums. Die Hirnsubstanz ist ziemlich feucht, glänzend, derb, und zeigt wenig hellrothe Blutpuncte. Aus dem Rückenmarkskanal ergiesst sich eine massige Menge Cerebrospinalflüssigkeit. Der Pannicul. adip. des Truncus ziemlich beträchtlich geschwunden. Die Muskulatur der Brust ist blassroth, etwas trocken, gleichmässig gefärbt. Die Jugularvenen enthalten massig reichliches, chocoladefarbiges, ziemlich dünnflüssiges Blut, neben lockeren speckhäutigen Gerinnseln. Im Pericardium keine Flüssigkeit; die Pericardialblätter etwas klebrig. Herz von normaler Grösse; im linken Ventrikel contrahirt, im rechten schlaff. Es enthält in allen Höhlen lockere, speckhäutige Gerinnsel und reichliches, schmieriges, dunkelkirsch- rothes Blut. Tricuspidal-, Pulmonal- und Aortenklappen zart und normal; die Mitralis längs der Schlusslinie leicht verdickt. In der Aorta finden sich atheromatöse Einlagerungen. Die Herzmusku- latur ist ziemlich weich, brüchig, blass röthlich-gelb, stellenweise etwas fleckig. Die Lungen sind schlecht retrahirt, frei; Pleurahöhlen ohne Erguss, etwas klebrig. Die Pleura des linken unteren Lungen- lappens ist mit leichten Fibrirauflagerungen bedeckt. Der ganze untere Lappen der linken Lunge ist luftleer, schwer, blutarm; seine Schnittfläche ist rothgelb, gekörnt (Hepatisation); aus den Bron- chien entleert sich reichliches gelbes Secret. Der obere Lungen- lappen ist sehr blass, ziemlich trocken; die Schleimhaut der Bron- chien hier blass und glatt, während dieselbe in den Bronchien des unteren Lappens sehr stark injicirt, geschwellt und mit eitrigem Schleim bedeckt ist. Rechterseits ist der hintere Theil des unteren Lungenlappens ebenfalls luftleer, grauroth und auf der Schnitt- fläche gekörnt. Der andere Theil des unteren Lappens und der mittlere und obere Lappen in geringem Grade emphysematös, sonst wie links. Larynx und Trachea blass, normal. Schleimhaut der Zunge blass, mit wenig geschwellten Papillen; die des Oeso- phagus wenig injicirt. Die Lagerung der Baucheingeweide im Ganzen normal; die Leber und Milz entsprechen vollständig den intra vitam aufgezeich- neten Grenzen. Die Leber füllt das ganze Epigastrium aus, reicht nach links bis zur linken Parasternallinie und rechts von der linea alba ragt sie überall um 4—5 Cmtr. über den Rippen- bogen • vor. Der Magen ist contrahirt, mit gefalteter Schleimhaut und sparsamen Ingestis. Auf den Falten ist die Mucosa stärker injicirt, sonst gleichmässig grüngrau verfärbt. Das Duodenum ist gallig gefärbt, die Schleimhaut ist ziemlich stark geschwellt. In der Mitte des Dünndarms findet sich eine 15 Ctm. lange Intussusception des oberen Theils des Dünndarms in den unteren, die sich vollkommen leicht lösen lässt und keine Abnormität des Peritonalüberzuges — 213 — bietet. Im Dünndarm finden sich in den oberen Partieen dünne braune Massen; im Dickdarm reichliche dünne, grünlichbraune Fäces. Die Schleimhaut des Dünndarms ist in den oberen Par- tieen massig stark geschwellt, mit zähem Schleim bedeckt, beson- ders im unteren Theile stärker injicirt. Die solitären Drüsen sind wenig und nur zum kleinen Theil geschwellt, die Peyer'schen Plat- ten normal. Die Dickdarmschleimhaut ist stellenweise etwas mehr injicirt, weniger geschwellt. Dasselbe gilt von derjenigen des Rectum, das ausserdem stark ausgedehnte Hämorrhoidalvenen besitzt. Die Mesenterialdrüsen sind nicht geschwellt. DasPan- creas ist normal. Die Milz ist 17 Ctm. lang, 10 Ctm. breit und 5V2 Ctm. dick. Ihre Kapsel ist leicht getrübt, glatt und gespannt. Die Schnittfläche zeigt eine gleichmässig braunrothe Farbe, etwas grosse, undeutlich vortretende Malpighische Körperchen. Im Gewebe zer- streut finden sich mehrere verwischte, nicht scharf begrenzte Par- tieen von etwa Erbengrösse, welche etwas blasser, als die Um- gebung erscheinen, homogen, glatt aussehen, sich in ihrer Con- sistenz aber nicht von dem übrigen Milzgewebe unterscheiden. Die Leber ist voluminös: 27 Ctm. breit, davon kommen 18 auf den rechten Lappen; grösste Höhe rechts 23 Ctm., links 11 Ctm., grösste Dicke des rechten Lappens 63/4 Ctm. Kapsel stark gespannt, leicht getrübt. Die Schnittfläche zeigt eine glatte Oberfläche und eine blassgelb-röthliche Farbe; auf ihr sind kleine, blasse, ganz leicht in's Gelbliche spielende nicht prominirende Flecke, die bald inselförmig sind, bald confluiren, wahrzunehmen; die Zeichnung der Leberläppchen ist verwischt. Der Blutgehalt des Organs ist massig, das Gewebe ziemlich derb. Die Gallenwege sind frei, in der Gallenblase findet sich wenig grüne, dickliche Galle. Ihre Schleimhaut ist ziemlich stark injicirt, reticulirt. Beide Nieren sind beträchtlich geschwellt, Kapsel nicht ohne Substanzverlust abziehbar; die Oberfläche ist ungleich er- haben, bietet starke Injection der Venensternchen und der feinern Gefässe, daneben finden sich blasse, gelblichweisse, durchscheinende hanf körn grosse prominente Heerde. Die linke Niere misst 12 Ctm. Länge, 7 Ctm. Breite, 5l/2 Ctm. Dicke. Auf der Schnittfläche erscheint der Cortex mit den Markstrahlen sehr stark verbreitert, gelockert, gleichmässig blassgelblich tingirt mit deutlich injicirten Malpighischen Körperchen; stellenweise, besonders dicht unter der Oberfläche, finden sich zerstreute, oft kaum mohnsamengrosse mit eitrigem Inhalt gefüllte Abscesschen Die Pyramiden sind etwas stärker injicirt, ebenfalls ziemlich stark geschwellt. Die rechte Niere, 13 Ctm. lang, 6 Ctm. breit, 5 Ctm. dick, zeigt ebenfalls einen sehr verbreiterten, mit kleinen Abscessen durchsetzten Cortex und stark geschwellte Papillen. Die Nebennieren bieten nichts Bemerkenswerthes. Die Harnblase enthält nur wenige Tropfen trüben blassen Harns. Sie ist contrahirt, ihre Schleimhaut zeigt am Fundus eine etwas stärkere Injection. — 214 — Die Schleimhaut des Uterus ist bedeckt mit wenig blutigem Schleim. Das Gewebe desselben ist derb und fest. Die Ovarien fibrös entartet. Aorta abdominalis zeigt einzelne atheroma- töse Einlagerungen. In den Schenkelvenen dünnflüssiges dun- kelkirschrothes Blut. Mikroskopische Untersuchung. Blut aus den Blutleitern der Schädelbasis, das violettroth erscheint, zeigt die rothen Blutkörper- chen in normaler Weise geldrollenförmig zusammen gelagert. Die weissen Blutkörperchen sind ziemlich zahlreich, jedenfalls in massi- gem Grade vermehrt an Zahl; sie sind noch contractu, zeigen zahl- reiche Ausläufer. In dem Plasma schwimmen zahlreiche punct- und stäbchenförmige lebhaft sich bewegende Körperchen (Bac- terien ). Muskulatur. Ein Stückchen vom Musculus pect. maj. lässt sich sehr leicht zerfasern; die Muskelfasern sind völlig normal, zeigen deutliche Längs- und Querstreifung; nur selten ist eine Faser mit ausserordentlich feinen dunklen Puncten, die unregel- mässig eingestreut sind, versehen. Muskelfasern von der Mus- kulatur des Oberschenkels sind ganz normal. Muskelstückchen aus den Wandungen des linken Herzens sind beim Zerfasern sehr brüchig; die Fasern bieten sehr deutliche Querstreifung, mitunter auch Längsstreifung, und nur sehr wenige sind mit feinen dunklen Körnchen durchsetzt, Fetttröpfchen fehlen. In den Papillarmus- keln lassen sich keine entarteten Muskelfäden auffinden. Unter dem Endocard des rechten Ventrikels fanden sich einzelne hirse- korngrosse weissliche Flecke, welchen entsprechend wir zahlreichere, bisweilen die grössere Zahl der Fasern mit feinen dunklen Körn- chen durchsetzt sahen, sonst zeigten auch hier die Fasern deut- liche Quer- und Längsstreifung. An den übrigen dunklen Stellen des Herzfleisches war diese körnige Infiltration auf einzelne Fa- sern beschränkt. — Epithelien des Endocards des rechten Vor- hofes zeigten einzelne zerstreute Fetttröpfchen eingelagert. Die Epithelien der Gallengänge normal, nur selten finden sich mit kleinen Fetttröpfchen durchsetzte Cylinder. In der Galle Büschel von Bilirubinkryställchen. Die Leb er zellen waren zum Theil äusserst feinkörnig ge- trübt, zeigten aber deutlich den Kern, auffallend häufig zwei Kerne. In manchen Zellen fanden sich zahlreichere Fettkörnchen und Fett- tröpfchen eingelagert. Letztere erreichten höchstens die Grösse des Kerns; die fettreichen Zellen fanden sich namentlich ent- sprechend den gelblich verfärbten Partieen des Leberparenchyms. Die Untersuchung erhärteter Stücke des Organs liess im inter- stitiellen Gewebe keine Abnormität erkennen. Die Epithelien der Harnkanälchen der Nieren sind durch- weg feinkörnig, getrübt (im Zustande der trüben Schwellung), ihre Kerne deutlich sichtbar; in vielen, namentlich in den schmäleren Abschnitten der Harnkanälchen, an ziemlich umschriebenen Stel- len mit grösseren Fetttropfen durchsetzt. Die Glomeruli sind ohne Veränderung. Schnitte durch das erhärtete Organ zeigen das inter- stitielle Gewebe stellenweise weniger mit Lymphkörperchen (färb- — 215 — losen Blutzellen) durchsetzt. Nur selten trifft man noch kleine Stellen, an denen dieses normal ist; häufig dagegen förmliche Haufen von Zellen, Infiltraten ähnliche Neubildungen zwischen den bald nur wenig, bald sehr stark auseinander gedrängten Harn- kanälchen. Diese offenbar den früher sogenannten lymphatischen Neubildungen entsprechenden Zellenanhäufungen sind meist 0,4 Mm. lang, 0,3 Mm. breit. Die grössten derselben sind im Centrum er- weicht und stellen die oben beschriebenen Abscesse von 1—2 Mm. Grösse dar. (Vergl. Taf. I. Fig. 1.) Die mikroskopische Untersuchung der luftleeren Theile der Lungen bietet den gewöhnlichen Befund der Pneumonie: Anfül- lung der Alveolen mit Eiterkörperchen. Die Milz ist mit lym- phatischen Zellen stark durchsetzt, zeigt vielfache Ablagerungen von bräunlichem Pigment; keine Abscesse. Zweiter Fall. Relaps. fever. Sanatio. Tuberculosis pulmonum c. Nephrit, chronic. Mors. Nephrit, chronica in stad. tert. c. degen. amyl oid. arter. et glomerul.; degen. amyl. lienis et hepatis. Phthysis pulmon. Abscess. hepatis et lienis et gland. retroperit. Anna Kriewitz, 43jährige Arbeiterfrau, wohnhaft grosse Rosengasse No. 12, einem Recurrensquartiere, wurde aufgenommen den 18. Juni 1868 Sie war 4 Wochen vor ihrer Aufnahme mit heftigem Schüttelfrost erkrankt: bekam darauf Schmerzen in den Gliedern, viel Durst, Kopfweh und musste "über 8 Tage im Bette bleiben. Dann stand sie wieder auf, fühlte sich wohl und ungefähr 8 bis 10 Tage vor der Aufnahme in's Krankenhaus war sie zum zweiten Male heftig erkrankt; sie musste sich sofort wieder zu Bett legen, litt an heftigen Kopfschmerzen, nach profusem Schweisse Besserung. Nach diesem zweiten Anfall nahmen die Oedeme, welche schon vor der ersten Erkrankung als Folge eines Nieren- leidens vorhanden waren, zu. Bei der Aufnahme bot Patientin keine erhöhten Temperaturen, oder höchstens 38,2° C.; sie ass ihre Kost mit Appetit, klagte nicht über Kopfweh, hatte 1 bis 2 Mal täglich regelmässigen Stuhl; es bestand viel Husten mit reichlichem eitrigem Sputum. Die Schwäche nahm rasch zu, ebenso die Oedeme und der Tod erfolgte durch Lungenoedem den 4. August 1868. Wiederholte Untersuchung des Urins hatte darin einen starken Eiweissgehalt, mit hyalinen und verfetteten Cylindern nachgewiesen. Section den 5. August 1868. 12 Stunden p. mort. Abgemagerte, kleine Leiche mit starken Oedemen. Starre aufgehoben. Allgemein Decken blass. Schädeldach dick, schwer. Sin. long. leer. Pia mater blutarm, ziemlich starkes subarachnoideales Oedem. Gehirn blut- arm, ziemlich stark serös durchfeuchtet. Die graue Suhstanz ist blass, aus den feineren Gefässen der weissen Substanz entleert sich reichlich dünnflüssiges, hellrothes Blut. Der Herzbeutel enthält etwas klares Serum. Das Herz schlaff, 10 Ctm. lang, 11 Ctm. breit; enthält gut geronnenes, — 216 — dunkles Blut. Die Klappen normal; der linke Ventrikel in seinen Wandungen 9 bis 10 Mm. dick; Muskulatur weich, leicht in's Gelbliche spielend. Aorta thoracica desc. normal. Die Lungen sind an den Spitzen und nach hinten mit der Brustwand verwachsen; in der linken Pleurahöhle findet sich nach hinten und unten ein Erguss. Die linke Lunge ist am vorderen Rande emphysematös; in der Spitze derselben ein kleiner unregel- mässiger, mit den Bronchien communicirender Hohlraum, umgeben von verdichtetem, luftleerem, grau infiltrirtem Gewebe; weiter nach unten, in der Mitte des oberen Lappens, ein grösserer, unregel- mässig buchtiger Hohlraum, an den sich nach hinten grau infil- trirtes, luftleeres brüchiges Gewebe anschliesst. Sonst ist die linke Lunge durchweg lufthaltig, in den hinteren Theilen in massigem Grade oedematös. In der Spitze der rechten Lunge kleine zer- streute lobuläre Heerde, im Uebrigen das Organ lufthaltig. Die Bronchien beider Lungen enthalten reichliche wässerige Flüssig- keit. Larynx und Trachea sind mit zähem Schleim erfüllt. Oesophagus normal. Die Bauchhöhle enthält einen geringen klaren Erguss. Die Leber überragt den Rippenbogen ziemlich stark. Sie ist 18 Ctm. breit, davon kommen I6V2 aur^ den rechten Lappen. Ihre grösste Höhe rechts 20, links 13 Ctm. An der Oberfläche finden sich zahlreiche narbige, unregelmässige Einziehungen, namentlich am linken Lappen. In der Nähe des unteren Randes des rechten Leberlappens (auf der convexen Oberfläche), am linken Lappen, namentlich längs des Suspensor hepat., und nach oben, gegen den dicken Rand der Leber hin, schimmern zerstreute, weisse oder gelbliche Puncte durch den serösen Ueberzug hindurch. An der Oberfläche ist im Uebrigen die Läppchenzeichnung deutlich; die dunklen braunrothen Centra der Läppchen sind von einem weissen, bald vollständigen, bald unvollständigen Saume umgeben. Die nämliche Beschaffenheit zeigt die untere Fläche des Organs; auch hier die disseminirten weissen Puncte. Die Schnittfläche ist im Ganzen blassröthlich, mit dem eigenthümlich matten Glanz der Speckleber. Die Läppchen sind deutlich sichtbar; stellenweise zeigen sie eine gallertige, grau-glänzende Beschaffenheit. Die weissen und gelben Puncte an der Oberfläche erweisen sich als sehr kleine Abscesschen unter der Serosa und in den peripherischen Theilen der Drüse, aus denen ein ganz kleines Tröpfchen dicken Eiters sich ausdrücken lässt. Seltener werden diese Abscesschen tiefer im Innern des Organs. Die Gallenblase enthält ziemlich reichlich zähe, dunkle Galle, ihre Schleimhaut reticulirt. Gallengänge normal. Die Milz, mit dem Diaphragma einerseits, der Bauchwand andererseits fest verwachsen, ist massig vergrössert: 13 Ctm. lang, 8 Ctm. breit, 3 Ctm. dick. Auf der Oberfläche springen zahl- reiche weisse Puncte leicht vor. Die Schnittfläche ist glatt, matt- glänzend, dunkelroth mit deutlichen gallertig-graüscheinenden Fol- likeln (Sagomilz) und ausserdem mit sehr zahlreichen punct- bis hirsekorngrossen, stellenweise confluirenden im Gewebe, so wie — 217 — unter der Oberfläche liegenden mit dickem weissen Eiter gefüllten Abscesschen. Die Milzgefässe sind frei. Der Magen ist normal ausgedehnt, enthält sparsame breiige, gallig gefärbte Ingesta. Schleimhaut mit reichlichem zähen Schleim bedeckt; am Fundus stellenweise stark injicirt; an der grossen Curvatur massig gefaltet, die leichtgraue Schleimhaut etwas ge- schwellt. Pylorus unverändert. Duodenum unterhalb der Pa- pille stark gallig gefärbt, oberhalb derselben grau. Das Jejunum ist in geringem Grade grau verfärbt, Schleimhaut etwas oedematös. Ileum blass; die Peyer'sehen Plaques deutlich sichtbar, nicht ge- schwellt; ebensowenig die solitären Follikel. Im Coecum, Colon ascendens, derbe, massig reichliche Fäces. Die Schleimhaut stel- lenweise injicirt, etwas oedematös. Das Pancreas mit der Umgebung abnorm verwachsen, sehr blass, makroskopisch unverändert. Mesenterium massig fettreich; die Mesenterialdrüsen zeigen zahlreiche unregel- mässige Kalkeinlagerungen, sind kaum vergrössert. Die Retro- peritonealdrüsen sind leicht geschwellt; einige zeigen weisse, hirsekorngrosse und etwas grössere Einlagerungen, die zum Theil im Centrum eitrig erweicht sind. Die rechte Niere ist kleiner als normal; ihre Kapsel ist schwer und nicht ohne Substanzverlust abzutrennen. Länge 10,2, Breite 5,4 und Dicke 3.5 Ctm. Ihre Oberfläche ist blass, un- regelmässig gross- und kleinhöckerig, fein granulirt, mit sparsamen Venensternchen. Gewebe sehr derb. Die Schnittfläche zeigt die Corticalis sehr geschrumpft, auf 2—4 Mm. reducirt, blass, speckig glänzend; die Marksubstanz ebenfalls blutarm, stellenweise schwer von der Rindensubstanz abzugrenzen. Die linke Niere ist noch kleiner als die rechte; 8,2 Ctm. lang, 3,5 Ctm. breit, 3,2 Ctm. dick. Ihre Oberfläche noch mehr uuregelmässig, höckerig, mit zahlreichen hanfkorngrossen bis erbsengrossen knolligen Hervorragungen und einigen prominenten bis kirschgrossen mit klarem Serum gefüllten Cysten. Auch hier zeigt die Schnittfläche einen sehr bedeutenden Schwund der Corticalis auf 1 — 2 Mm.; sonst wie rechts. An der Grenze zwischen Cortex und Pyramiden vereinzelte oder gruppen- weise gelbliche Einlagerungen. Blase ziemlich ausgedehnt durch gelben, wenig trüben Urin, Schleimhaut blass. Scheide leicht gerunzelt, blass. Uterus ohne Abnormität. In den Schenkelvenen neben geronnenem, flüssiges dunkles Blut. Muskulatur des Bauches grünlich verfärbt, des Thorax normal roth. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt eine amy- loide Entartung der feineren Gefässe und stellenweise der Capillaren in der Leber. Dort, wo das ganze Gefässnetz der Leberläppchen stark amyloid degenerirt ist, findet man höchstens noch einige ge- schrumpfte, atrophische Leberzellen; wo die Capillaren in gerin- gerem Grade und in geringerer Ausdehnung degenerirt sind, findet man die Lebeezellen normal. Den weissen Puncten und kleinen Abscesschen im Parenchym entsprechen circumscripte^ meist V4 bis V3 selten 72 eines Leberläppchens einnehmende, wie es scheint, — 218 — meist im Innern des Läppchens entstandene Infiltrationen des Ge- webes mit lymphatischen Zellen; diese liegen zwischen amyloiden Gefässen, in den Räumen, in denen die Leberzellen lagen, die an diesen Stellen verschwunden sind, aho in den Leb*erzellenschläu- chen, oder in den ausgedehnten Lymphgefässen, während die Leber- zellenschläuche dann comprimirt sein mussten. Während an de'r Peripherie der Entzündungsheerde dieses Verhalten an dünnen Schnitten leicht zu constatiren ist, da die entarteten Capillaren sich, als wären sie injicirt, sehr gut von der Umgebung abheben (nicht bloss beim Tingiren mit Jod und Schwefelsäure, sondern auch schon ohne weitere Reagentien durch den eigenthümlichen matten Glanz der amyloiden Substanz und die blassere, hellerrothe Car- mintinction) so sieht man in der Mitte in dem dichten Haufen von Eiterzellen nur noch Reste, Bruchstücke amyloider Gefässe. In der Mitte aller dieser Entzündungsheerde ist Erweichung des In- filtrats, Vereiterung, eingetreten. Bisweilen confluiren mehrere, 2—3 dieser Heerde zu einem einzigen, besonders da, wo 2—3 be- sondere Heerde in einem und demselben Leberläppchen liegen, oder wo sie in benachbarten Läppchen oder doch in der Nähe lie- gen. So entstehen selten allerdings etwas grössere Abscesse. Her- vorzuheben ist, dass alle diese Abscesse in Läppchen mit stark entarteten Capillaren sich finden und dass man daselbst höchstens noch geschrumpfte Reste von Leberzellen findet; dass dagegen an den Stellen, wo nur wenige Capillaren und in nur geringem Grade entartet sind, wo sich die Leberzellen normal verhalten, jene In- filtrate fehlten. (Vergl. Taf. I. Fig. 2.) Die mikroskopische Untersuchung der Nieren weist auch hier amyloide Entartung der Gefässe in hohem Grade nach, die Gefäss- knäuel der Malpighischen Glomeruli sind ausnahmslos entartet. Die Harnkanälchen zum Theil cystös erweitert, zum Theil oblite- rirt; das interstitielle Gewebe stellenweise reichlich entwickelt, nar- bige Züge darstellend. In der Milz sind die Gefässnetze der Malpighischen Körper- chen, wo diese noch vorhanden sind, amyloid entartet, und stellen einen Knäuel dar, der an die amyloid degenerirten Gefässnetze der Malpighischen Körperchen der Nieren erinnert. Namentlich die centralen Gefässe sind stark entartet. Die Peripherie der Mal- pighischen Körperchen ist stark mit lymphatischen Körperchen (farblosen Blutkörperchen) durchsetzt, so zwar, dass eine breite Zone, in der ein Eiterkörperchen am anderen liegt, das erwähnte degenerirte Gefässnetz entweder von allen Seiten her oder, seltener, nur zu % bis 3/4 umschliesst. Sehr häufig wird an irgend einer Stelle die Infiltration mächtiger, erweicht im Centrum und stellt so einen kleineren oder grösseren Abscess dar, in welchen bei stär- kerer Infiltration das ganze Malpighische Körperchen aufgeht, so dass man alsdann mitten im Eiter ganz lose oder mit den Abscess- wandungen in loser Verbindung das amyloid degenerirte Gefässnetz findet In relativ weniger stark entarteten Körperchen sieht man auch im Centrum zwischen den amyloid entarteten Gefässen eine — 219 — Infiltration mit Eiterkörperchen (vgl. Taf. I. Fig. 3.), die mitunter gleichmässig ist, mitunter an einer Stelle so bedeutend wird, dass das gewöhnlich ein ovales oder rundliches, glänzendes Körperchen darstellende ganze Gefässnetz des Follikels in zwei bis mehrere Stücke zerfällt Die grösseren Abscesse in der Milz sind offenbar entstanden durch Zusammenfliessen zweier bis mehrerer dieser klei- nen follikulären Abscesschen. Dies geht schon aus den Grösse- verhältnissen derselben hervor, während die durch Confluenz klei- nerer Abscesse entstandenen 2—3, selten mehr Mm. gross sind, so messen die rein follikulären Abscesse bloss 0,5 bis 1,0 Mm. in der Länge und 0,25 bis 0,8 Mm. Breite. Die Zellenhaufen in den Follikeln, in denen es zu keiner Erweichung gekommen ist, oder wo diese beginnt, sind 0,2 bis 0,6 Mm. lang und 0,1 bis 0,3 Mm. breit. Es kann die Frage aufgeworfen werden, ob die be- schriebenen Veränderungen in Milz und Leber bei dem letzten Falle nieht vielleicht bedingt waren durch andere Umstände, durch die amyloide Entartung, die Tuberculose. Wir antworten hierauf: nein; denn einmal kommen Abscesse in amyloid entarteten Theilen selten vor, und zumal in dieser Form ganz kleiner, ciscumscripter Heerde. Da die Kranke sicher ausserhalb des Hospitals Recurrens über- standen hat, so dürfen, so müssen wir die Alterationen, welche denen, die bei Recurrens vorzukommen pflegen, ähnlich, oder gleich sind, auch darauf zurückführen. Gegen den Einwand, dass die Patientin nach dem zweiten Abfall noch längere Zeit gelebt, dass in dieser Zeit die durch die Recurrens herbeigeführten Alterationen sich hätten zurück- bilden müssen, führen wir an, dass wahrscheinlich die amyloide Entartung der Gefässe die Resorption des gesetzten Exsudates verhinderte, und dass daher dort, wo die Ent- artung bedeutender war, gar keine Wiederherstellung zur Norm, gar keine Resorption, sondern ein eitriger Zerfall, Bildung von Abscessen, Statt hatte. Gegen den vielleicht noch möglichen Einwand, dass es sich um tuberculose oder embolische Processe handelt, müssen wir anführen, dass es — 220 — erstere schon desshalb nicht gewesen sein können, da die makroskopischen und die mikroskopischen Verhältnisse voll- kommen dagegen sprechen; dass es sich in der Leber nicht um embolische Processe handelt, weil die Gefässe frei ge- funden wurden, namentlich auch bei der mikroskopischen Untersuchung, weil ausserdem in der Milz, ausser bei Recurrens, nie so zahllose kleine Abscesse vorzukommen pflegen, und endlich, weil kein Ort gefunden wurde, von dem aus die Embolien hätten Statt finden können. Um unsere pathologisch-anatomischen Befunde in diesen beiden Fällen richtig würdigen zu können, führen wir die gewöhnlichen Sectionsbefunde in dieser Krankheit in Kürze an. Wir folgen hier hauptsächlich Griesinger, dessen Schilderungen an Schärfe, Genauigkeit und Vollständigkeit alle späteren weit überragen. Wir ziehen die biliösen Formen (das biliöse Typhoid) mit in unsere Betrachtung hinein, weil diese schweren, mit Icterus complicirten Formen ja die Mehrzahl der Todesfälle bilden, in einzelnen Epi- demieen sogar fast alle Leichen icterisch waren. Da in Egypten damals in der Regel Icterus in den schweren Fällen vorkam, so schlug Griesinger für diese Fälle einen besonderen Namen vor, einen Namen, der desswegen damals berechtigt war, weil man dem Icterus eine viel grössere diagnostische Bedeutung beilegte, als dies heut- zutage geschehen darf.1) Wenn Küttner2) Griesinger ') Wie richtig jedoch Griesinger damals den Icterus als ein nicht nothwendig zum Wesen der Krankheit gehöriges Symptom be- trachtete, erhellt daraus, dass er unter seinen 100 Sectionen 15 bis 20 Fälle ohne Icterus doch dahin rechnete. Path. Anat. des biliösen Typhoid. 1. c. pag. 4. 2) Die Febris recurrens in St. Petersburg von Herrmann und Küttner. Erlangen 1865. pag. 31. — 221 — vorwirft, er nenne die pathologisch - anatomischen Ver- änderungen bei der Febris recurrens ganz unerhebliche, während sie doch unzählig und tiefgreifend seien, so hat er vergessen, dass Griesinger die pathologische Anatomie der einfachen, nicht mit Icterus complicirten Recurrens den englischen Beobachtern entnimmt, dass er aber, betreffs des von ihm selbst so genau beobachteten und geschilderten biliösen Typhoid's, das Griesinger selbst als eine sehr schwere Form der Febris recurrens bezeichnet (cf. Infections- krankheiten II. pag. 273, 275, 285, 1191), schon damals sagte: „Diese Krankheit ist in anatomischer Beziehung ausgezeichnet durch die Vielfachheit der Localisationen" ') In dieser Weise sprach sich Griesinger schon im Jahre 1852 aus. „Ein weiterer Unterschied betrifft die dritte Form (d. i. das Relapsing-fever), welche in England als eine viel leichtere, mit unserem biliösen Typhoid verglichen in jeder Beziehung viel weniger entwickelte, unausgebildete Erkrankung auftritt". „Jene Fälle der Oberschlesischen und Prager Epidemie, welche wir oben als mehr oder weniger analog unserem biliösen Typhoid bezeichnet haben, sind nahezu oder ganz identisch mit dem Relapsing-fever der Engländer" (Siehe Griesinger, Archiv für phys. Heilkunde. Bd. 12. 1853. pag. 365). Wenn aber weiter oben (c. 1.) Griesinger sagte, dass die Ende der 40er Jahre im Nordosten Deutschlands beobachteten Typhusformen in Prag, Ober- schlesien und Königsberg „unverkennbare grössere oder geringere Aehnlichkeit mit unserem biliösen Typhoid gezeigt haben (pag. 362), dass diese Epidemieen aber schon unter sich sehr erhebliche Verschieden- heiten zeigten und demgemäss auch zu unserem biliösen Typhoid in einem sehr verschiedenen Verhältniss stehen" (pag. 363), so beweisst dies eben nur die grosse Gewissenhaftigkeit, die Griesinger in der- artigen Fragen an den Tag legte, sein Scepticismus, der nicht über das positiv Sichergestellte hinausging. Manche der Differenzen in den Epidemieen an diesen Orten sind nur bedingt gewesen durch Ab- weichungen in der Intensität der Fälle, und durch häufigeres oder selteneres Hervortreten gewisser Symptome; Abweichungen, die beim ersten Studium einer bisher unbekannten Krankheit häufig schon dem Beobachter Schwierigkeiten verursacht haben. — 222 — und: „Sie gehört zu den grossen Krankheitsprocessen, in denen fast mit Einem Schlage eine Menge von Functionen gestört, und schon nach kurzem Verlauf eine Menge von Organen alterirt werden. (Vgl. Griesinger, klinische und anatomische Beobachtungen über die Krankheiten von Egypten im Archiv für physiologische Heilkunde Bd. XII. 1853. pag. 29.) Die Leichen der an Recurrens Verstorbenen sind meist mehr oder weniger abgemagert, die Todtenstarre geht rasch vorüber; die Haut, häufig icterisch gefärbt, zeigt bisweilen Petechien oder Blutextravasate, livide Senkungsflecke. Die Hirnhäute und das Gehirn sind blass, erstere bieten bis- weilen Ecchymosen. Die Lungen sind relativ blass, in späteren Stadien häufig mit lobulären oder lobären Infiltraten. Die Bronchien normal, öfter katarrhalisch erkrankt; im La- rynx und Pharynx in einzelnen Epidemieen crupöse Infiltrate. Die Bronchialdrüsen sind mitunter geschwellt und infiltrirt, bisweilen leichte frische Pleuritis, in späteren Stadien bis- weilen Pericarditis. Das Herz ist in allen Stadien schlaff, mürbe, blass; die Muskelfasern erkrankt (nach Küttner fibrinös entartet). Das Blut bald gut, bald schlecht ge- ronnen, mit vermehrten weissen Blutkörperchen. Die Leber ist in der ersten Zeit meist geschwellt, wechselnd im Blutgehalt, weich, gelb, fettig; zeigt weissliche Ein- lagerungen (die nach Küttner „Fibrin- oder Albumin- Infiltrationen, Gerinnungen, in die Leberzellen" sein sollen), in der späteren Zeit ist sie weniger turgescent, stellenweise atrophisch. Die Gallengänge frei; die Galle dunkel, dick; in der späteren Zeit die Gallenblase mitunter leer. Die Milz ist immer vergrössert, mitunter sehr bedeutend; die seröse Hülle zeigt bisweilen einen Exsudatbelag; das Ge- webe ist blutreich, meist derb, zeigt blassrothe oder weisse, — 223 — Anfangs starre Einlagerungen, später Tausende von kleinen mohnsamen- bis hanfkorngrossen, ein Tröpfchen Eiter ent- haltenden Abscesschen, oder aber umfängliche Fibrinkeile, Infarcte, welch letztere bisweilen vereitern oder verjauchen und dann nach verschiedenen Stellen der Umgebung (Pleurahöhle, Lunge, Peritoneum, Darm) perforirend sich entleeren; bisweilen Milzruptur. Die Nieren sind oft er- heblich geschwellt, locker, hyperaemisch oder blass; in spä- teren Stadien infiltrirt. Das Nierenbecken zeigt Catarrh. Im Magen ist die Mucosa im Zustand des acuten Catarrhs; zuweilen ecchymosirt; ebenso der Darm, der gallig tingirte Massen enthält. Im Ileum sind die Pey er'sehen Platten normal, im Dickdarm oft dysenterische Processe. In späteren Stadien ausserdem öfter auch im Ileum, selten im Magen crupöse Entzündung, mitzu auch auf der Harn- blasenschleimhaut. Ecchymosen in den verschiedenen serö- sen und mueösen Häuten. Die hellrothen Körpermuskeln sind zuweilen mehr oder weniger fettig entartet. Die Mesenterialdrüsen häufig geschwellt, markig; ebenso die Retroperitonealdrüsen. Von in späteren Stadien vorkommen- den Complicationen sind hervorzuheben: Metastatische Entzündungen in den Nieren, im Gehirn; Kehlkopfgeschwüre, Perichondritis laryngea, Parotitis, Gangraena pulmonum, Dysenteria gangraenosa, Eiterheerde in den Mesenterial- drüsen, Zellgewebsabcesse. Während von den allgemeineren Veränderungen in unseren zwei secirten Fällen allerdings keine oder nur wenige auf die vorausgegangene Erkrankung an Recurrens bezogen werden können (vielleicht dürfen wir die geringe Entartung eines Theils der Herzmuskulatur im ersten Falle darauf beziehen), so sind die Pleuropneumonieen und Nephritis bei derselben Kranken als Complicationen der — 224 — Recurrens aufzufassen. Während die Pneumonie anatomisch keine auffallenden Charactere bot, so fanden sich in den Nieren circumscripte kleinere und grössere Entzündungs- heerde, resp. kleine Abscesse, neben einer ausgedehnten parenchymatösen Nephritis. (Acute Schwellung und fettige Entartung der Epithelien der Harnkanälchen.) Auch in der Leber waren noch eigenthümliche, inselförmige, offen- bar auf die Recurrens zurückzuführende, parenchymatöse Alterationen (körnige und fettige Infiltration der Leberzellen an umschriebenen Stellen) vorhanden, und auch in der noch erheblich vergrösserten Milz sah man noch in der Rück- bildung (Resorption) begriffene Infiltrate. Im zweiten Falle (Anna Kriewitz) ist der Befund in der Leber, der Milz und den Retroperitonealdrüsen von Wichtigkeit; die übrigen Alterationen sind zum grösseren Theile früheren Datums. Die Abscesschen in der Milz, die nicht sehr vergrössert war, offenbar, weil sie sich in Folge der amyloiden Entartung wenig ausdehnen konnte, gaben dem Organ auf Oberfläche und Schnittfläche die von Griesinger beschriebene Be- schaffenheit. Wie diese Abscesschen entstehen, hat der oben Genannte schon vollkommen richtig erkannt, nämlich da- durch, dass ein Exsudat '(bestehend in farblosen Blut- körperchen) in die Milzfollikel gesetzt wird, dass dieses Exsudat, wenn es nicht resorbirt wird, zerfällt, und so zur Bildung der zahllosen kleinen Abscesse Veranlassung giebt. Man kann uns auch hier fragen, ob die von uns beschrie- bene Zellinfiltration in die Follikel nicht möglicherweise bedingt sei durch die amyloide Entartung der Capillaren. Wir verneinen dies, denn wir haben mehrere in ganz gleicher Weise amyloid entartete Milzen, reine Sagomilzen und solche, in denen ausser den Follikeln auch die Pulpa mehr oder minder amyloid entartete Gefässe zeigte (was übrigens in geringem Grade auch bei der genannten Frau — 225 — Kriewitz der Fall war), untersucht, und hier zwar zerstreute Lymphkörperchen zwischen den amyloidrdegenerirten Ge- fässen der Follikel gesehen, die auch mitunter zu mehreren in Gruppen beisammen lagen, aber niemals so grosse Zellenhaufen im Innern oder an der Peripherie der Follikel wie bei Recurrens bildeten. Wir haben in einzelnen Fol- likeln zweier Milzen, von denen die eine in der Pulpa reichlich mit amorphen Hämatinkörnchen durchsetzt war, namentlich in der unmittelbaren Nähe des Arterienstämm- chens, das in der Nähe des Follikels lag, oder das durch denselben hindurchging, Zellenhäufchen gesehen, deren Grösse aber weitaus in den meisten Fällen blos 0,1, selten 0,15 Mm. in der einen, 0,075 Mm. in der anderen Richtung maass, und nur ein einziges Mal eine Länge von 0,2, eine Dicke von 0,1 Mm. erreichte. Unsere beschriebenen Zell- infiltrate dagegen haben nie ihren Hauptsitz in unmittel- barer Nähe des Gefässes gehabt, sondern sie lagen im Ge- webe des Follikels selbst, und sind die kleinsten Infil- trationen weit beträchtlicher (das 3 bis 4fache) gewesen, als die bei gewöhnlicher Sagomilz vorkommenden. Ganz dasselbe gilt für die kleinen Leberabscesschen. Hier war offenbar der Umstand, dass amyloide Entartung der Gefässe bestand, mit Ursache an der Abscessbildung. Auch unter gewöhnlichen Verhältnissen dürfte die Intu- mescenz der Leber nicht allein durch die Schwellung der Leberzellen bedingt sein, sondern wie bei Typhus, Schar- lach, Phosphorvergiftung etc. durch Exsudation (Austritt farbloser Blutkörperchen) in das Stroma des Organs. Diese Exsudation hat aber nicht überall gleich stark Statt, so dass wie bei jenen Erkrankungen „lymphatische Neu- bildungen", d. h. heerdartige Austritte farbloser Blutkör- perchen, Statt finden, vermuthHch in Folge des besonderen, noch nicht hinreichend aufgehellten Baues der histologischen Wyss u. Bock, Febris recurrens. lu — 226 — Elemente des fraglichen Organs. Unter gewöhnlichen Ver- hältnissen werden diese Exsudationen rasch wieder resorbirt, und zwar viel rascher als in der Milz (abgesehen, dass sie viel geringer sein müssen); es kommt daher in der Leber gewöhnlich nicht zur Bildung von Abscessen. V. Verhältniss der Recurrens zu anderen Krankheiten. Es ist vielfach in früheren und auch in den letzten Jahren die Frage aufgeworfen worden, in welchem Ver- hältniss die Recurrens zu anderen Krankheiten stehe, mit denen sie früher verwechselt wurde, also namentlich zum Typhus exanthematicus und zu Intermittens. Schon der Modus der Verbreitung zeigt, dass sich Recurrens vom Wechselfieber weit entfernt und eher näher dem Fleck- typhus verwandt ist. Obwohl aber Recurrens und Typhus exanthematicus oft neben oder nach einander vorkommen können, so sind wir doch der Ansicht, dass die beiden Krankheiten nicht durch ein und dasselbe Con- tagium erzeugt werden, sondern dass ein Recur- renskranker durch Ansteckung immer nur Re- currenskranke, ein Flecktyphuskranker nur Flecktyphus-Erkrankungen hervorrufen kann. Dagegen glauben wir, dass Epidemieen beider Krankheiten unter ganz denselben prädisponirenden Momenten entstehen können, und unter diesen müssen auch wir Hunger und Uebervölkerung als die wichtigsten bezeichnen, und können wir Murchison nicht beipflichten, welcher meint, dass „ 15* — 228 — UebervÖlkerung (overcrowding) Typhus exanthematicus, Hunger dagegen Recurrens (welches er deshalb famine fever nennt) erzeuge. Dass aber Recurrens eine ganz eigenthümliche und besondere Krankheit sei, geht aus der Schilderung des Ver- laufes der Symptome, den pathologischen Befunden un- zweifelhaft hervor. Wir betonen dies um so mehr, da noch in den letzten Jahren während der Petersburger Epi- demie die Ansicht aufgetaucht war, es handle sich bei der Recurrens nur um eine Modification des Typhus exanthe- maticus, eine Ansicht, der Jeder widersprechen wird, wel- cher beide Krankheiten beobachtet hat. Ob aber Ueber- gangs- oder Mischformen von Typhus exanthematicus vor- kommen können, bedingt durch Einwirkung beider Con- tagien, ist bisher noch nicht erwiesen. Mit wenigen Worten führen wir noch an, dass seit Ende September 1868 eine Epidemie von Typhus ex- anthematicus sich in Breslau entwickelt hat. Die- selbe begann und herrschte zum Theil in denselben Häu- sern, aus denen vorher Recurrenskranke gekommen waren; ob aber in denselben Stuben noch Erkrankungen der In- sassen an Recurrens vorkamen, oder ob erst nach vollstän- digem Erlöschen der letzteren Flecktyphuserkrankungen zur Beobachtung kamen, können wir nicht entscheiden, da uns das Material nicht zu Gebote stand. Viele der Individuen jedoch, welche Relapsing fever im Sommer überstanden hatten, erkrankten im Herbst oder Winter darauf an Flecktyphus; derartige Fälle, in denen wir beide Krankheiten in ihrem Verlaufe beobachtet haben, sollen an einem anderen Orte mitgetheilt werden. Auch dieser Umstand spricht gewiss sehr für die Nicht-Iden- tität der beiden Krankheiten. Den Grund dafür, das Patienten, welche Recurrens — 229 — überstanden haben, öfter an Typhus exanthematicus er- kranken, suchen wir in den schlechten Ernährungsverhält- nissen, in welche die Individuen durch die voraufgegangene Krankeit gekommen sind und heben hervor, dass in Hospi- tälern Reconvalescenten anderer Krankheiten, wie auch unsere diesjährige Erfahrung lehrt, ebenfalls leicht von Typhus exanthematicus ergriffen werden, wenn letztere Kranke unter die übrigen vertheilt werden. VI. Diagnose. Wenn das epidemische Vorkommen der Febris recur- rens an einem Orte festgestellt ist, so hält es nicht schwer, sie von andern fieberhaften Krankheiten zum Theil schon im Beginn zu unterscheiden, wie z. B. von Typhus exan- thematicus, von Typhus abdominalis, von Febris intermit- tens, vom gelben Fieber, Variola, Meningitis. Ist aber an einem Orte die Epidemie noch im Beginn, oder sind noch keine Fälle sicher constatirt worden, so werden, wie wir dies auch im vorigen Frühjahr erfahren haben, leicht Ver- wechselungen ausser mit den genannten auch mit anderen Krankheiten vorkommen. So viel uns bekannt geworden, sind von geübten Aerzten im Beginn der vorjährigen Epi- demie Fälle von Recurrens gehalten worden für: Pneu- monia centralis, Nephritis acuta, Rheumatismus articulor. acutus, Monarthritis genu, Variola, einmal sogar wurde an Pyaemie, ein anderes Mal an Trichiniasis gedacht. Vom Typhus exanthematicus lässt sich die Re- currens meist schon frühzeitig unterscheiden, indem bei ersterem der plötzliche Beginn, der so häufige initiale Schüttelfrost fehlt; die Temperatur am ersten und zweiten Krankheitstage noch nicht die Höhe erreicht, wie in der Re- — 231 — currens, und ebenso wenig die Zahl der Pulsschläge so rasch und so bedeutend ansteigt. Ferner sind die Muskel- und Gelenkschmerzen bei der Recurrens weit heftiger, das Sensorium trotz der hohen Temperatur weniger benommen, und selten sind Delirien. Das Fehlen der sich häufig später petechial umwandelnden Roseola, dagegen das relativ häu- figere Auftreten von Herpes, ferner von Icterus; die schon frühzeitige, bedeutende, ja meist rasch sehr bedeutend wer- dende Anschwellung der Milz, wie sie beim Typhus exan- thematicus nie vorkommt, die dann eintretende Anschwel- lung der Leber, die Schmerzhaftigkeit der Milz- und Leber- gegend, das Fehlen der Chloride im Urin, sprechen eben- falls für Recurrens. Weiterhin der plötzliche Abfall der Temperatur am 5. bis 7. Tage von der bedeutenden Höhe unter das Normale innerhalb weniger Stunden unter Schweiss; sodann die subnormale Temperatur am Tage des Abfalls und nach dem Abfall, der am 12. bis 14. Tag sich einstellende Relaps, das Wiederanschwellen der in der fieber- losen Zeit kleiner gewordenen Milz und Leber, das noch- malige Auftreten der genannten Symptome, die nachher ebenso schnell wieder abschliessen: dies alles macht es nicht schwer, die Febris recurrens von Typhus exanthe- maticus zu unterscheiden. Dass Abnormitäten im Verlauf beider die Diagnose schwieriger machen, braucht wohl kaum erwähnt zu werden. Von Typhus abdominalis lässt sich die Recurrens ebenfalls unschwer durch den Temperaturverlauf unter- scheiden. Bei ersterer Krankheit steigt die Temperatur allmählig während mehrerer Tage an; und in der späteren Zeit (2—3 Wochen) sinkt sie allmählig unter grossen Tages- fluctuationen (steile Curven), ein Verhalten, das bei Recur- rens nie vorkommt. Ferner werden so hohe Temperaturen, wie sie bei der Recurrens schon in den ersten Tagen (40, — 232 — 41 ° und darüber) sich einstellen, gar nicht oder nur in den allerschwersten Fällen am Ende der ersten und in der zweiten Woche erreicht. Der Puls ist bei der Recurrens schon im Beginn frequenter (meist über 100), als er beim Ileotyphus auf der Höhe der Krankheit zu sein pflegt; er ist bei der Recurrens sehr selten undulirend oder dicrot, was er ja im Abdominaltyphus so gewöhnlich ist. Die In- tumescenz der Milz und der Leber ist meist nicht so be- trächtlich bei letzterer Krankheit wie bei ersterer; Her- pes etc. für letztere, Roseola am 8. bis 13. Tag für erstere, allenfalls auch die characteristischen Typhusstühle, der Me- teorismus, das Nichtfehlen der Chloride im Harn, das stär- kere Benommensein, der unruhigere Schlaf u. a. m., die im Abdominaltyphus so gewöhnlich vorhanden sind, wür- den zur Diagnose hinreichen und wird es bei einigermassen genauer Beobachtung nicht schwer sein, das Typhusrecidiv oder die zufällige Temperatursteigerung in der Recon- valescenz des Ileotyphus vom Recurrensrelaps zu unter- scheiden. Mit Intermittens hat die Febris recurrens beson- ders die öfters sich wiederholenden Schüttelfröste, den Milz- tumor und den häufigen Herpes gemein; unterscheidet sich aber dadurch, dass das Fieber keine über mehrere Tage sich erstreckende Febris continua ist, wie sich durch wie- derholte Untersuchungen im Laufe eines Tages constatiren lässt; ferner wiederholen sich die Fröste in der Recurrens nicht in regelmässigen bestimmten Zeiträumen. Wie das Relapsing-fever von den remittiren- den Fiebern der heissen Länder sich unterscheidet, über- gehen wir, da diese Fieber vielleicht zum Theil zum Re- lapsing gehören, zum anderen Theil noch nicht genügend studirt sind, um die Diagnose genau zu stellen. Das gelbe Fieber bietet einen anderen, weniger — 233 — lange anhaltenden Fieberverlauf, die Temperaturen sind Weniger und kürzere Zeit hoch, der Abfall zum Normalen resp. Subnormalen geschieht im Laufe mehrerer Tage. Die Leber- und besonders die Milzschwellung fehlen, ebenso Rückfälle, Icterus und blutiges Erbrechen sind häufiger, Schweisse selten.1) Wegen des schon im Beginn sehr hohen Fiebers, der heftigen Kopf-, Kreuz- und Gliederschmerzen kann — bei gleichzeitigem epidemischem Vorkommen von Variola und Recurrens — eine Verwechselung dieser beiden Krankheiten sehr leicht vorkommen und muss alsdann erst der Beginn des Ausbruchs des Exanthems oder der sich entwickelnde Milztumor beim Relapsing zur Sicherung der Diagnose ab- gewartet werden. Die Differential-Diagnose zwischen den übrigen Krank- heiten, mit denen, wie oben angegeben wurde, Recurrens verwechselt worden war, haben wir nicht nöthig, hier aus- führlicher zu besprechen, da jeder Arzt sie kennen muss. Dass eine febrile Krankheit, die mit Schüttelfrost begann, mit heftiger Dyspnoe, Bronchitis, Herpes und blutigem Spu- tum verlief, selbst bei vorhandenem Milztumor (der hier in Schlesien so häufig als Residuum überstandener Wechsel- fieber besteht) erst als centrale Pneumonie aufgefasst wurde, dürfte, selbst dann noch, als die Krisis unter profusem Schweiss Statt gehabt hatte, ■ nicht auffallen; der Relaps, die transitorische Albuminurie, das rasche Zurückgehen und im Relaps das Zunehmen des kleiner gewordenen Milz- tumors erst sicherten die Diagnose. Veranlassung zur Dia- gnose auf acute Nephritis gab zwei Mal der stärkere Ei- weissgehalt und die Cylinder im Urin, das eine Mal ge- ') Vgl. Dr. Adolf Schmidtlein, Das gelbe Fieber in Vera-Cruz 1865 im deutschen Archiv f. klin. Medicin, 4. Bd. 1868, pag. 50 u. ff. — 234 — paart mit heftiger Dyspnoe und Bronchitis, die als Lungen- oedem aufgefasst worden waren. Einmal waren die Schmer- zen im Kniegelenk so intensiv, dass der Arzt Jodtinctur aufpinseln liess, glaubend, es handle sich um eine begin- nende Gonitis; erst der folgende Tag lehrte mit Eintrit des Rückfalls den richtigen Sachverhalt. Bei einer Frau, bei der die Kreuzschmerzen ausserordentlich heftig gewesen waren, in deren Urin man einmal viel Eiweiss und etwas Eiter fand, das später (in der Intermissionszeit) wieder ver- schwand, war der Verdacht auf eine eitrige Nieren- oder Wirbelentzündung entstanden, besonders weil sich wieder- holte Schüttelfröste eingestellt hatten; freilich bestand auch da grosser Milztumor, der mit dem Verlauf der Krankheit zusammen bald über die ganze Natur der letzteren Aüf- schluss gab. Dass durch die heftigen, andauernden, bis in die fieberlose Zeit hinein anhaltenden Muskelschmerzen der Gedanke an Trichiniasis einmal auftauchen konnte, ist wohl ebenfalls erklärlich. VII. Prognose und Mortalität. Vergleicht man die Angaben der Schriftsteller über die Mortalität der Recurrens, so fallen diese sehr verschie- den aus, offenbar bedingt durch den verschiedenen Character der einzelnen Epidemieen. So war die Mortalität in vielen der englischen Epidemieen nur eine geringe. Murchison1) berechnet dieselbe auf 4,75%, unter 14119 starben 672. Während Zorn (1. c. p. 47) dieselbe auf durchschnittlich 10% angiebt, führt Herr mann2) den Nachweis, dass die Mortalität, die im Ganzen im Obucho ff'sehen Hospital in dem Jahre 1864 . . . 11,52% 1865 . . . 14,97% „ 1866 . . . 6,50% betrug, in den gleichnamigen Monaten der einzelnen Jahre einen auffallenden Unterschied, wie auch die Krankenauf- nahme zeigte. Die Mortalität schwankte in den einzelnen Monaten des Jahres 1864 zwischen 5,79 % bis 22,50 % 1865 „ 0,85% „ 13,20% 1866 „ 1,72% „ 5,03% *) 1. c. pag. 367. (Deutsche Ausgabe 355.) 2) Petersb. Zeitschr. 1867. Heft 1. p. 2. u. 3. — 236 — In Bezug auf die verschiedenen Jahreszeiten erwähnt Zülze r ') aus einer grösseren Zusammenstellung der Peters- burger Krankenhäuser, dass im Frühjahr die meisten Todes- fälle vorkamen. Nach einer allerdings kleineren Zusammen- stellung Murchison's fielen dieselben auf den Herbst. Betreffs des Geschlechts sind ebenfalls die Angaben verschiedene, doch scheinen beim männlichen mehr Todes- fälle vorzukommen. Mit dem zunehmenden Alter nimmt die Sterblichkeit entschieden zu. Wie von dem gut- oder bösartigen Character einer Epidemie die Sterblickheit abhängt, lehren unsere eigenen Beobachtungen. Unter 95 Fällen hatten wir nur 2 Todes- fälle, von denen der eine nicht einmal an den unmittelbaren Folgen der Recurrens zu Grunde ging. Es würde dies eine Procentzahl von 2,01 geben. Unter 476 Erkrankungs- fällen, die wir für Breslau annähernd berechnen konnten, sind laut polizeilichen Meldungen 8 gestorben. Viel höher kann die letzte Ziffer aber nicht gewesen sein, so dass dar- aus hervorgeht, dass hier in der letztjährigen Epidemie die Mortalität eine sehr geringe war. Schlechter wird nach den Angaben der Beobachter die Prognose besonders bei dem Vorwiegen der biliösen Recurrens, dem biliösen Typhoid. Dagegen sind Momente, die beim Typhus mit Recht für so ungünstig gehalten wer- den, bei der Recurrens keineswegs von so schlechter Pro- gnose. Wir betonen besonders, dass die Frequenz des Pulses eine sehr beträchtliche, dass die Temperaturen selbst anhaltend sehr hohe sein können, ohne dass man dies als gefahrdrohende Erscheinungen auffassen muss. Nur ist im Auge zu behalten, dass plötzlicher Collapsus eintreten kann. Copiöse Blutungen, anhaltendes Erbrechen, hochgradiger ') Der Recurrirende Typhus in St. Petersburg, pag. 689. — 237 — Icterus mit cerebralen Erscheinungen sind als ungünstige Momente zu betrachten, ebenso die verschiedenen Compli- cationen, besonders Pneumonie. Wir sahen acute Nephritis mit fast vollständiger Suppressio urinae zum Tode führen. Ebenso können vorher bestehende Krankheiten, hochgradige Schwächezustände bei herunter gekommenen Individuen, habitueller Branntweingenuss die Prognose verschlechtern. Nach Zorn steigt die Gefährlichkeit der Krankheit mit der Zahl der Anfälle, die Procentzahl der Todesfalle steigt schon im dritten erheblich. Ueber die Art und Weise des lethalen Ausganges haben wir oben bereits gesprochen. VIII. Therapie. Prophylaxis. Die Prophylaxis wird durch die von uns genau ver- folgte Ausbreitung der Krankheit genau bezeichnet. Wir haben gesehen, dass dieselbe 1) direct von einem kranken auf ein gesundes Individuum bei Aufenthalt des letzteren in der Nähe des ersteren, 2) durch Gebrauch von Klei- dungsstücken, Wäsche etc., durch Berührung mit diesen Gegenständen, die von Recurrenskranken herstammen, 3) durch Benutzung von Wohnräumen, in denen sich Re- currenskranke befinden oder befunden hatten, und 4) durch gesunde und gesund gebliebene Individuen, welche mit Re- currenskranken in nähere Berührung gekommen waren, auf ein drittes Individuum übertragen werden kann. Dass leichter erkrankte Individuen, die während der Remissions- zeit oder sogar während der Anfälle umhergehen können (ambulante Form der Febris recurrens) und vielfach mit Gesunden verkehren, die Krankheit weiter verbreiten, unter- liegt keinem Zweifel.1) •) Ein interessantes Beispiel hierfür lieferte Mizerski (1. c), dessen Bruder an Recurrens erkrankte, nachdem dessen Bedienungsfrau ambulant eine Erkrankung an Recurrens durchgemacht hatte. — 239 — Es ist daher Aufgabe der Sanitätspolizei, Anordnun- gen zu treffen, welche geeignet sind, die Ausbreitung der Seuche zu verhindern; Anordnungen, wie sie ähnlich gegen Typhus exanthematicus, Masern, Scharlach und ähnliche Krankheiten getroffen werden, wie sie also gegen rein con- tagiöse Krankheiten getroffen werden müssen, während gegen die miasmatisch-contagiösen Krankheiten, Cholera, Typhus abdominalis andere Mittel anzuwenden sind, da bei letzteren hauptsächlich das Trinkwasser resp. Effluvien aus Abtritten und Abtrittgase die Krankheit verbreiten. Die Recurrenskranken müssen sofort von den Gesun- den abgesondert werden. In Städten bringe man sie bal- digst in Hospitäler, oder zweckmässiger in zu diesem Zweck hergerichtete Lazarethe, in Zelte oder Baracken. Auf dem Lande, wo dies oft unmöglich ist, bringe man die Kranken allein in Räume, die luftig und ventilirbar sind. Sollte aus irgend einem Grunde auch dies nicht ausführbar sein, wie das ja unter den ärmlichen Verhältnissen der von Recur- rensepidemieen heimgesuchten Bevölkerungen wohl vorkom- men kann, müssen vielmehr Gesunde mit Kranken zu- sammen im gleichen Räume schlafen, dann kann nur eine ganz energische Ventilation, die niemals, auch in der Nacht nicht, unterbrochen werden darf, eine eventuell erzwungene möglichst grosse Reinlichkeit der Bewohner in jeder Be- ziehung, die weitere Ausbreitung der Krankeit mehr oder weniger hintenanhalten. Wie wirksam diese beiden Mittel sein können, haben wir oben bereits betont. Sind mehrere Personen in einer und derselben Stube erkrankt, so dürfen auch dann, wenn die Kranken schon in einer Anstalt untergebracht sind, keine gesunden Men- schen in dieselbe einziehen, weil sonst auch diese wieder erkranken (siehe oben pag. 51). Der Verkehr zwischen Stuben mit erkrankten und gesunden Bewohnern ist mög- — 240 — liehst zu beschränken, eventuell zu sistiren; und dasselbe gilt von Häusern, in denen zahlreiche Erkrankungen vor- gekommen sind, gegenüber „gesunden" Häusern. Sind in einer Wohnung oder in einem Hause zahlreiche Recur- rensfälle vorgekommen, so ist die neuerdings mit so gün- stigem Erfolge von Biermer in Zürich bei Cholera (1867) durchgeführte Evacuation der bezüglichen Localitäten vor- zunehmen ; die Kranken in Anstalten, die Gesunden in rein- lichen, nicht inficirten und namentlich nicht übervölkerten Wohnräumen unterzubringen. Die Gefahr einer Weiter- verschleppung des Contagiums ist nach Biermer für die Cholera sehr gering, und dürfte es wohl auch für die Re- currens sein; wenn die Evacuirten in sonst von Niemandem bewohnte Räume untergebracht werden könnten, würde sie gewiss ebenfalls gleich Null sein. Die evacuirten Stuben müssen mindestens 4, 6 Wochen bis 2 Monate ohne Unterbrechung Tag und Nacht gelüftet, mindestens zwei Mal gründlich gereinigt und ihre Wände frisch geweisst werden. Damit die Lüftung ordentlich ge- schehe, müssen Thüren und Fenster für die angegebene Zeit vollkommen entfernt und durch Gitter oder Latten- verschläge ersetzt werden. Die mit Recurrenskranken in Berührung gekommene Wäsche ist vor dem Waschen, am Besten durch Zinkvitriollösung, zu desinficiren; die Betten sind lange der Luft und der Sonne auszusetzen, wodurch ja ebenfalls der Krankheitskeim zerstört wird. Die Klei- dungsstücke, die nicht gewaschen werden können, werden einer hohen Temperatur ausgesetzt (ausgebacken) und werth- lose Dinge, die mit Recurrenskranken in Berührung kamen, Lumpen, Bettstroh etc., müssen verbrannt werden. Strassen und Stadttheile, in denen Recurrensfälle auf- tauchen, müssen alle 2 bis 3 Tage einer sanitätspolizei- lichen Visitation unterworfen werden, die den Stand — 241 — der Epidemie, das Auftreten neuer Erkrankungen zu con- statiren hat; die dafür sorgt, dass die neu Erkrankten bald in's Hospital befördert werden, die nötigenfalls die Eva- cuation der erkrankten Stuben anordnet, und die Evacuir- ten in ihren neuen Wohnungen beobachtet, eventuelle neue Erkrankungsfälle unter diesen rasch entfernt. Diese Visi- tationen müssen notwendiger Weise von einem Arzte und einem Nichtarzte, welch letzterer dia Anordnungen des ersteren auszuführen hat, gemacht werden; sie dürfen ledig- lich nur medicinischen und nicht zugleich polizeilichen Zwecken dienen. Ueber diese Visitationen, die Ausbreitung der Epidemie etc. muss nach jeder Visite Bericht an eine aus tüchtigen Aerzten gebildete Sanitätskommission, ein Sanitätscomite oder eine ähnliche Behörde abgestattet werden, die ihrerseits den übrigen Aerzten diese Berichte gesammelt mittheilt, sei es durch medizinische Blätter oder durch ein besonders hierzu geschriebenes oder ge- drucktes während der Zeit der Epidemie wöchentlich ein bis zwei Mal erscheinendes Flugblatt. Auf diese Weise wird, wenn jedem Arzte der Stand der Epidemie öfters mitgetheilt wird, wenn die befallenen Häuser bezeichnet werden, nicht bloss jeder Einzelne ein regeres Interesse an der Sache haben, als ohne diess, und werden gewiss manche Fälle bekannt werden, die sonst verloren gingen, sondern es würde auch ein für spätere Bearbeitungen der Epidemieen höchst interessantes Material gesammelt. Pas- sende Vorträge Seitens erfahrener Aerzte an geeignetem Orte würden das Interesse für das Studium der Epidemie nur fördern können. In Krankenhäusern muss, so wie das Verhältniss der eingebrachten Recurrenskranken zu den übrigen Kranken dasjenige von 1 : 5 oder gar von 1 : 4 übersteigt, sofort vom Dispersionssystem Abstand genommen werden und sind die Wyss u. Bock, Febris recurrens. 16 — 242 — Recurrenskranken in besonderen Localitäten unterzubrin- gen. Die Frage, ob als solche Absonderungshäuser zweck- mässig errichtete, nur für die Zeit der Epidemie con- struirte Häuser zu verwenden seien, oder ob man grösseren und solid gebauten Contagienhäusern den Vorzug geben solle, glauben wir zu Gunsten der ersteren entscheiden zu müssen. Von allgemeinen Maassregeln gegen Recurrens-Epide- mieen heben auch wir mit Nachdruck die Wichtigkeit der öffentlichen Sorge für Reinlichkeit in den Quartieren der Proletarier, für die Sorge der Reinlichkeit des Körpers der einzelnen Individuen hervor. Gewiss ist zu beklagen, dass öffentliche Bäder zu billigen Preisen nicht mehr in der Zahl vorhanden sind, wie sie es früher in vielen Städten Deutsch- lands waren; dass sie gerade von der Menschensorte, die ihrer am notwendigsten bedarf, nicht mehr benutzt wer- den oder werden können. Dass ferner, sobald Zeiten der Noth sich einstellen, durch öffentliche und Privathülfe die Ernährungsverhältnisse durch billige oder Gratis-Verabrei- chung von Speisen etc. zu bessern sind, und dass so dem Auftreten auch von Recurrens-Epidemieen vorgebeugt wer- den kann, geht aus dem schon früher Bemerkten hervor. Wenn wir endlich sehen, wie die Typhus-Epidemie von 1856, die Recurrens - Epidemie von 1868, die darauf folgende Typhus exanthematicus-Epidemie von 1868/69 alle in denselben Häusern, derselben Gasse, theils ausgingen, theils ihre grösste Intensität erreichten, wenn wir sehen, wie dieselben Häuser auch in den Cholera-Epidemieen von 1849, 1852, 1866 und 1867 stark befallen waren, so müssen wir fragen, ob vielleicht auch in der Construction dieser Häuser Momente liegen, welche die Entstehung und Aus- breitung der Epidemieen befördern. Wir haben sie eben- falls schon gekennzeichnet: es fehlt ihnen Luft und Licht; — 243 — es müssen sich in den engen und übervölkerten Räumen rasch gefährliche Infectionsheerde bilden, die nicht bloss für die Bewohner dieser Häuser, sondern für die ganze Stadt allmählig perniciös werden. .Es dürfte daher indicirt sein, diese für die öffentliche Sicherheit so gefährlichen Häuser niederzureissen und durch besser construirte, na- mentlich für die, wie es scheint nicht zu umgehende, Schlaf- stellen wirthschaft zweckmässiger eingerichtete Localitäten zu ersetzen. Behandlung der Krankheit. Gewiss ist die Prophylaxis der Recurrens wie bei allen epidemischen Krankheiten die Hauptaufgabe der Therapie, denn die ausgebrochene Krankheit zu coupiren sind wir nicht im Stande. Auch wir waren nicht glücklicher, als alle bisherigen Beobachter, in der Auffindung eines Mittels, den zweiten Anfall zu verhüten. Nachdem wir einige versucht hatten, gaben wir die therapeulischen Experimente auf und be- schränkten uns auf eine expectativ- symptomatische Be- handlung. Nur kurz wollen wir die allgemein diätetische anführen. Während der Fieberparoxysmen bekamen die Kranken am Morgen etwas Kaffe, mehrmals täglich Suppe, auch leichte Fleischbrühen mit Semmel. Auch wenn absolut kein Verlangen, oder sogar Widerwillen gegen Nahrungs- aufnahme bestand, so tranken doch Alle sehr gern Milch, die tassenweise einige Male am Tage lauwarm oder kühl gereicht wurde, und war die Milch den Patienten um so an- genehmer, da dieselbe gleichzeitig den Durst stillte. In der Intermission waren wir Anfangs vorsichtiger in der 16* — 244 — Ernährung, doch machten wir sehr bald die Erfahrung, dass die Kranken ohne Nachtheil gut genährt werden konnten. Dieselben erhielten, sobald der Appetit sich ein- stellte, kräftige Bouillon, gebratenes Fleisch mit Milchspeisen oder Gemüse (Extrakost unseres Diätzettels), sehr häufig auch mehrmals täglich etwas besseren Wein. Das gleiche Verfahren befolgten wir in der Convalescenz. Bei dem heftigen Durst während der Paroxysmen zogen die Kran- ken frisches Brunnenwasser ohne jeden Zusatz, das in kleineren Mengen oft gereicht wurde, allem Andern vor; Selterwasser wurde bei fehlenden Durchfällen gestattet, bei letzteren wurden schleimige Getränke, Eibischthee, Haferschleim etc. vorgezogen. Für die grösste Reinlichkeit, für frische Luft durch anhaltende Ventilation wurde selbstverständlich gesorgt. Während des Anfalls wurden den Kranken Mineral- säuren, Chlorwasserstoff- oder Phosphorsäure, gereicht. Gegen die heftigen Kopfschmerzen wurde mit Erfolg Kälte angewendet, entweder in der Form kalter Umschläge, oder noch besser: es wurde eine Eisblase aufgelegt. Unter der- selben liess das Kopfweh nach, und mit diesem Nachlass wurde auch die Anwendung der Kälte sistirt; die Kranken verlangten von selbst mit dem Wiedereintritt des Kopfweh's darnach, besonders also am Abend, wo sie unter der Eis- blase häufig einschliefen. Die heftigen Gliederschmerzen, über welche die Kran- ken so sehr klagten, die Nachts den Schlaf störten, haben wir beträchtlich nachlassen sehen durch die örtliche An- wendung des Chloroform, das als Liniment (mit Oleum Olivarum zu gleichen Theilen) unter leichtem Frottiren ein- gerieben wurde. Alle Kranken gaben darnach eine baldige Erleichterung an, die für einige Zeit anhielt. Auch bei den während der Apyrexie auftretenden Schmerzen waren — 245 — diese Einreibungen von Nutzen. Nur einige Male wandten wir blutige Schröpfköpfe an, besonders bei heftigen Schmer- zen in der Leber- und Milzgegend. In der Convalescenz wurde bald zu Eisenpräparaten übergegangen. Diese Behandlung war für die leichten und mittel- schweren Fälle vollkommen ausreichend. Bei intensiv anhaltendem Fieber waren kalte Abwaschungen den Kranken sehr erleichternd, die wir ebenso wie kühle Bäder in An- wendung zogen. Drohende Collapszustände wurden durch Reizmittel, Wein, Aether etc. behandelt. Bei massiger Diarrhoe wurde nicht eingeschritten, profuse Darmaus- leerungen wurden durch Opium, Adstringentia, durch Stärke- clysmata bekämpft, oft aber war der Darmkatarrh sehr hartnäckig. Cataplasmata auf das Abdomen waren bei Schmerzhaftigkeit desselben wohlthätig. In zwei Fällen mit complicirenden dysenterischen Stühlen schien Ol. Ricini den Verlauf günstiger zu gestalten. Die Behandlung der übrigen Complicationen und Nachkrankheiten ist nach den bekannten Grundsätzen zu leiten. Wir gaben bei gleichzeitigem Delirium tremens täglich öfter einige Gaben Alkohol; Delirien der fieberlosen Zeit Hessen auf Opium schnell nach. Mit wenigen Worten müssen wir aber noch auf die Behandlung der Parotitis zurückkommen; als passendste ist auch nach unseren sonstigen Erfahrungen nach einer möglichst frühzeitigen Incision die Verbandmethode nach Li st er zu empfehlen. Der eine Fall verlief bei dieser Methode unter nur geringer Eiterung, letztere wurde im zweiten sehr gering, als die nekrotischen Fetzen der ganzen Drüse sich abgestossen hatten, die grosse Höhle schloss sich verhältnissmässig schnell unter unbedeutender Secretion. Bei profusen Blutungen aus der Nase musste die Tamponade zwei Mal ausgeführt — 246 — werden. Bei langsamer Convalescenz, chronischem Milz- tumor that neben kräftiger Diät und Wein, Chinin mit Ferrum gute Dienste. Gegen den Rückfall hatten wir einige Male Chinin versucht. Theils in der Apyrexie in grösseren täglichen Dosen, theils unmittelbar im Beginn des zweiten Anfalls bis zu Intoxicationserscheinungen gegeben, wurde der Anfall weder coupirt oder gar hintenangehalten. Bei Beurtheilung der therapeutischen Resultate ist aber gerade in dieser Krankheit die grösste Vorsicht nothwendig, in einer Krank- heit, die einen so wenig vorher bestimmbaren Verlauf der Dauer der Anfälle, der Höhe der Temperatur mit den unregelmässigen ohne jede Medication eintretenden Re- missionen macht. Die von Polli bei den zymotischen Krankheiten so sehr gerühmten schweflig- und unterschwefligsauren Salze zogen wir in einigen Fällen zur Anwendung. Natron sub- sulfurosum wurde in Dosen von 2 Grm. drei Mal täglich, in einigen Fällen durch den ganzen ersten Anfall, während der Intermission und noch im Beginn des zweiten Anfalls gegeben. Der Anfall wurde nicht im Mindesten hintenan- gehalten, alle so behandelten Fälle überstanden zum Theil sehr schwere Anfälle, so der eine erwähnte pag. 208, der ausser einer Temperatur von 42,4° C.v und drohendem Collapszustand noch einen leichten dritten Anfall durch- machte. Die in allen diesen Fällen reichlich eintretenden Darmausleerungen gaben eine sehr unangenehme, die Kran- ken schwächende Nebenwirkung, so dass wir sehr bald von der Anwendung des Mittels Abstand nahmen und uns auf die erwähnte expectativ-symptomatische Behandlung beschränkten. Anhang. 1. Krankengeschichten. No. 24. Febris recurrens. Erster Abfall im Be- ginn des 7. Krankheitstages ohne Schweiss. Inter- mission bis zum 15. Tage. Im zweiten Anfall höhere Temperaturen als während des ersten; Maximum im Rectum 42,7° C. vor dem zweiten Abfall, der am 18. Tage eintritt. Gelenkschmerzen im Beginn der Con- valescenz. Marie Oschätzki, 10 Jahr alt, wurde am 25. Juni in's Hospital aufgenommen, entlassen am 22. Juli. Die Patientin, die früher stets gesund war, erkrankte, nach- dem schon alle übrigen Familienglieder an Recurrens im Hospitale lagen, am 24. Juni früh 7 Uhr nach gutem Schlafe mit einem starken Frost von einstündiger Dauer; es folgte kurzes Hitzegefühl und massiger Schweiss. Gleichzeitig trat Kopfweh und Schwindel ein; wegen des „heftigen Reissens in den Beinen" konnte die Pat. nicht mehr gehen und musste zu Bett bleiben, Der Appetit fehlte, Stuhl 2 Tage angehalten, viel Durst. Wohnte mit ihrer zahl- reichen Familie in einer sehr schlechten Stube der kleinen Rosen- gasse No. 3 und hatte unter sehr ärmlichen Verhältnissen gelebt. Status praesens am 25. Juni Abends (Verlauf des zweiten Krankheitstages). Mattes Aussehen, passive Rückenlage; ziemlich schlecht genährt. Die Kranke klagt über Stirnkopfschmerzen, Schmerzen in beiden Beinen, im Kreuz, spontane Schmerzen in der Nabelgegend, die bei Druck zunehmen. Kein Appetit. Die Zunge ist dünn belegt, feucht, heftiger Durst. Stuhl fehlt seit dem Krankheitsbeginn. Abdomen etwas aufgetrieben, die Milz geht bis zur hinteren Axillarlinie, Höbe der Dämpfung 6l/2 Ctm., Länge 7 Ctm. Die Leber geht nur bis zum Rippenbogen, den sie auch nach links nicht überragt, so dass das Epigastrium tympanitisch schallt. An Lungen und Herz sind keine abnormen Verhältnisse zu constatiren. Die Haut ist heiss, weich, etwas feucht und zeigt überall sehr zahlreiche Flohstiche. Puls 128 weich und celer. — 248 — Resp. 32, Temp. um 6 Uhr Abends 40,2 ° C. (Vgl. über den Ver- lauf der Temperatur die Curve No. 24 Tafel IV.) Ord. Acid. muriaticum. Eisblase auf den Kopf. Einreibun- gen mit Lin. Chloroform, bei heftigen Schmerzen. Diät: schmale Suppen, Milch. 26. Juni (3. Krankheitstag). Ruhiger Schlaf, heftiges Kopf- weh, Gliederschmerzen. Die Milz ist grösser geworden und reicht bis zur vorderen Axillarlinie bei einer Höhe von 8 Ctm., während nach hinten die Grenze nicht bestimmbar ist. Die Leber hat die alte Grösse. Puls 136, Resp. 22, Temperatur um 7 Uhr 39,7° C. 1 Stuhl. Urin 305 CCtm. gelbroth, leicht getrübt, schwach sauer, spec. Gew. 1021,5; derselbe enthält kein Eiweiss, mit salpeter- saurem Silber entsteht ein nur geringer feinflockiger Niederschlag. (Siehe die weiteren Untersuchungen des Urins pag. 262.) Abends. 132 etwas kleinere Pulse, Resp. 36, Temp. um 5 Uhr 40,3° C. Klagt nicht mehr über Schmerzen. 27. Juni (4. Krankheitstag). Guter Schlaf, kein Schweiss. Die Milz geht 3 Ctm. weiter nach vorn, als gestern und zwar bis zum Rippenbogen, unter welchem die Spitze des Organs deutlich zu fühlen ist. Die Leber ist heute vergrössert nachweisbar, sie überragt den Rippenbogen um 1—2 Ctm., in der Papillarlinie be- trägt die Höhe 8 Ctm. Der Leib ist flach, die Schmerzen in demselben haben nachgelassen, Zunge dick weiss belegt, feucht, der Appetit fehlt vollkommen, 2 dünne Stühle. Auf den Lungen hinten unten auf beiden Seiten rauhes Athmen und ab und zu sparsame Rasselgeräusche. Kein Husten. Puls 128, Resp. 32, Temp. um 7 Uhr 40,1° C. Abends. Klagt über Kopfweh und Schmerzen in beiden Armen. Puls 128, Temp. um 5 Uhr 40,4° C. 28 Juni (5. Krankheitstag). Die Kranke hat ununterbrochen geschlafen, klagt am Morgen über heftige Schmerzen im linken Oberschenkel und im Leibe in der Nabelgegend. Die Leber ist noch grösser geworden, dieselbe reicht weiter nach abwärts und noch weiter nach links, ebenso die Milz bis zur linken Papillar- linie bei einer Höhe von 11 — 12 Ctm. Die Flohstiche sind abge- blasst. Puls 132, klein, regelmässig, Resp. 32, Temp. um 7 Uhr 39 6° C. Abends. Puls 128, Resp. 36, Temp. um 5 Uhr 40,8° C. Hat am Tage viel geschlafen. 29. Juni (6. Krankheitstag). In der Nacht war der Schlaf fortwährend vollkommen ruhig. Der Kopf ist frei von Schmerzen, letztere nur im linken Oberschenkel und im Leibe. 4 dünne gelbe Stühle (ohne Medicamente). Kein Schweiss. Milz und Leber zei- gen die frühere Grösse. Puls 116, Resp. 28, Temp. um 7 Uhr 39,5° C. Ord. Acid. phosphor. Pat. hat bisher im Ganzen 2 Grm. Acid. muriat. genommen. Abends. Puls 124, Resp. 32, Temp. um 5 Uhr 40,1° C. Viel Schlaf am Tage. Stärkere Schmerzen im Abdomen, besonders in der Leber- und Milzgegend (Cataplasmata). — 249 — 30. Juni (7. Krankheitstag). Von 8 Uhr früh (Temp.40,60 C.) tritt der Abfall der Temperatur bis 2 Uhr (36,8 ° C.) ohne jeden Schweiss ein, es werden während desselben aber 1380 CCtm. Urin von 1004,3 spec. Gew. entleert. 4 dünne gelbe reichliche Stühle. Die Pat. schläft beständig. Abends. Puls 80, Resp. 20, Temp. um 5 Uhr 36,7° C. 1. Juli (s. Krankheitstag). Guter Schlaf ohne Schweiss; keine Beschwerden. Der Appetit stellt sich ein. 1 gebundener Stuhl. Puls 68, Resp. 20, Temp. um 8 Uhr 36,6° C. Abends. Puls 80, Resp. 20, Temp. 5 Uhr 37,3° C. 2. Juli (9. Krankheitstag). Die Milz geht nur noch bis zum Rippenbogen, ist also kleiner geworden. Die Leber hat noch die alten Grenzen. Puls 76, Resp. 18, Temp. 36,7° C. Viel Schlaf am Tage. Abends. Puls 72, Resp. IG, Temp. 37,2° C. 4. Juli (11. Krankheitstag). Puls 72, Resp. 20, Temperatur 37° C. Die Milz reicht bis zur hinteren Axillarlinie bei einer Höhe von 8 Ctm. Die Leber wird ebenfalls kleiner. Abends. Puls 80, Resp. 20, Temp. 37,3° C. Patientin be- findet sich dann vollkommen wohl, bei gutem Appetit, regelmässigem Stuhl hat sie sich so weit erholt, dass sie das Bett für längere Zeit verlassen kann. Nur stellen sich am 6. Juli (dem 13. Krankheits- tage) bald vorüber gebende heftige Schmerzen im linken Knie- gelenk ohne Schwellung und Röthung ein. Am 8. Juli (dem 15. Krankheitstage) war Patientin bei völ- ligem Wohlbefinden aufgestanden und bis nach 1 Uhr Mittags ausser Bett. Sie hatte mit Appetit gegessen, klagte aber über geringes Kältegefühl und gegen Abend über etwas Kopfweh. Die Temperatur stieg allmälig Abends 7 Uhr 40,3° C. Puls 124 regel- mässig, weich, Resp 30. Milzdämpfung erreicht nach vorn nur die hintere Axillarlinie, Höhe 5 Ctm. Die Leber geht nur bis zum Rippenbogen, Epigastrium tympanitisch. 9 Juli (16. Krankheitstag). Guter Schlaf während der Nacht. Unter der Eisblase hat das Kopfweh nachgelassen 3 dünne gelbe Stühle; Zunge dick belegt, feucht; Appetit geringer, doch isst Pat. ihre Kalbsbrühe am Mittag und zweimal etwas Milch und Semmel auf. Die Milz geht wieder bis zum Rippenbogen und ist deutlich fühlbar. Die Höhe der Dämpfung beträgt 8V2 Ctm., nach hinten ist dieselbe nicht abzugrenzen. Im Epigastrium ist der Schall voll- kommen gedämpft. Puls 116, Resp. 28, Temp. um 7 Uhr 39° C, eine Remission, die unter leichtem Schweisse eingetreten ist. Abends. Während des Tages beständiger Schlaf, wacht beim Zählen des Pulses (128) nicht auf. Temp. um 5 Uhr 41,0° C. (im Rectum 41,4° C.) 10. Juli (17. Krankheitstag). Schlaf anhaltend ruhig. Keine Klagen. Die Milz reicht 3 Ctm. weiter nach unten, nach vorn bis zur linken Papillarlinie sehr deutlich fühlbar. Die Leber rechts nur bis an den Rippenbogen. Puls 136, Resp. 28, Temperatur um 8 Uhr 40° C. Abends. Mit dem Ansteigen der Temperatur im Laufe des . — 250 — Nachmittags um 5 Uhr 40,9° C. hat sich stärkeres Kopfweh ein- gestellt. Im Uebrigen keine Klagen, ruhige etwas matte Rücken- lage, Gesicht blass. Puls 144. Resp. 34. Ord. Wie bisher. , 11. Juli (18. Krankheitstag). Bis um 5 Uhr ruhiger Schlaf, das Kopfweh hat etwas nachgelassen, Pat. klagt aber über heftige Gliederschmerzen, Leibschmerzen. 1 gebundener Stuhl. Zunge feucht. Puls 144 sehr klein und weich, Resp. 40, Lungen frei. Temp. um 7 Uhr 40,6° C. Im Laufe des Vormittags wird Pat. sehr unruhig, wirft sich bei freiem Sensorium hin und her, Gefühl grosser Unbehaglichkeit, das sie nicht näher definiren kann; die Temperaturen sind erheblich gestiegen, um 11 Uhr in der Achsel- höhle 42° C. und im Rectum 42,7° C. Von da, der Endgipfelung, tritt der Abfall ein, Patientin schwitzt einige Stunden lang stark im Gesicht, der übrige Körper ist nur feucht, dabei anhaltender Schlaf, beim Erwachen Wohlbefinden, kein Kopfweh, keine Glie- derschmerzen. Um 7 Uhr Abends Puls 88, Resp. 24, Temp. 36,7° C. Im Abfall wurden 1840 CCtm. Urin entleert, es stellte sich bei der Entleerung Brennen ein. 12. Juli (19. Krankheitstag). Nach gutem Schlaf stellen sich gegen Morgen 7 Uhr plötzlich Schmerzen in den Gelenken des linken fünften Fingers ein. Kein Schweiss mehr. Zunge noch dick belegt, feucht. 1 Stuhl. Puls 88, ziemlich klein und regel- mässig, Resp. 20, Temp. 36,5° C. Abends. Puls 84, Resp. 24, Temp. 36,3° C. Klagte über Schmerzen in beiden Handgelenken und in allen Fingergelenken, bei Druck und Bewegungen. Es ist eine geringe Anschwellung zu constatiren. Ord. Linim. Chloroform 13. Juli (20. Krankheitstag). Hand- und Fingergelerike weniger schmerzhaft. Geringe, kleienförmige Abschuppung der Haut des Gesichtes. Guter Appetit, 3 Stühle. Puls 76, Resp. 16, Temp. 36,4° C. Abends. Plötzliche im Laufe des Tages eintretende „Schmer- zen im Kreuz". Der Druck auf die Muskeln längs der Columna ist sehr empfindlich, die Haut ist frei, die Milz reicht bis zur vor- deren Axillarlinie. Puls 80, Resp. 28, Temp. 36,8° C. 14. Juli (21. Krankheitstag). Die Schmerzen sind aus den Hand- und Fingergelenken, aus dem Rücken verschwunden, abge- sehen von Schwäche fühlt sich die abgemagerte Patientin vollkom- men wohl. Der Zustand bleibt ein guter, die Temperaturen sind stets normal, Puls und Respiration ebenso. Am 16. Juli reicht die Milz noch bis zur vorderen Axillarlinie, das Epigastrium ist tympanitisch, am 21. Juli ist die Milz 5 Ctm. hoch bei einer Länge von 6—7 Ctm. Die Leber bietet normale Grenzen. Unter gutem Appetit, bei regelmässigem Stuhl, hat sich die Patientin so weit erholt, dass sie am 22. Juli, also 29 Tage nach Beginn der Krankheit, entlassen werden kann. — 251 — No. 28. Febris recurrens Der erste Anfall endet am 7. Tage unter geringem Schweiss. Intermission bis zum 13. Tage. Zweiter Anfall bis zum 17. Tage. Lothar Gärtner, 20jähriger Arbeiter, aufgenom- men den 1. Juli, entlassen den 5. August 1868. Der Patient, früher gesund, erkrankte am 27. Juni gegen Mittag 1 Uhr während der Arbeit mit Frösteln, Schwindelgefühl und grosser Hinfälligkeit, welche ihn zwang, sich sofort hinzulegen. Das Frösteln hielt bis zum Abend an, wo er sich dann wegen hef- tiger Schmerzen in den Beinen mühsam nach Hause schleppte; heftiges Kopfweh, Appetitlosigkeit, Durst hatten sich ebenfalls eingestellt. In den ersten Tagen täglich 5 bis 6 diarrhoische Ausleerungen, heftiges Kopfweh, Schmerzen in allen Gliedern, im Kreuz. Der Patient hörte angeblich etwas schlechter. Wohnt seit 3 Jahren grosse Rosengasse 17. Status praesens am 1. Juli Abends. (Beginn des 5. Krank- heitstages.) Massig genährt. Passive Rückenlage. Klagt bei freiem Sensorium über heftiges Kopfweh, über Schmerzen in den Ober- und Unterschenkeln, die bei Druck und Bewegungen zu- nehmen, über Kreuzweh. Puls 116, mittelvoll, celer, weich, Resp. 36, Temp. um 5 Uhr 41,2° C. Der Appetit fehlt, Zunge dick weiss belegt, feucht, viel Durst. Abdomen flach, Leber- und Milzgegend auf Druck sehr empfindlich. Die Milz ist fühlbar, sie ragt nach vorn bis zur linken Papillarlinie, nach hinten ist dieselbe nicht abzugrenzen, Höhe in der Axillarlinie 10 Ctm. Die fühlbare Leber geht überall bis über den Rippenbogen, Epigastrium ge- dämpft. Höhe in der Papillarlinie 13 Ctm. Ord. Eisblase auf den Kopf Acid. phosphor. 2. Juli. Morgens, Schlaf unterbrochen durch 7 dünne Stühle. Klagt etwas weniger über Kopfweh, dagegen über Schmerzen in den Knieen. Puls 104, etwas kleiner, Resp. 32, Temp. früh 7 Uhr 39,0° C. Etwas Husten bei reinem vesikulären Athmen, Herztöne rein. Urin: siehe die Tabelle pag. 260. Abends. (Beginn des 6. Krankheitstages.) Heftige Schmerzen in allen Gliedern, die Milz geht weiter nach unten als gestern, ihre Höhe beträgt 13 bis 14 Ctm. Puls 116, Resp 36, Temp. um 6 Uhr 41,5° C. Ord. dieselbe und Lin. Chloroform. 3. Juli. Morgens. Guter Schlaf, doch hat Patient während desselben etwas geplaudert. 4 dünne Stühle. Klagt weniger. Puls 108, Resp. 26, Temp. früh 7 Uhr 39,8° C Geringer Icterus der Conjunctiva. Abends (Beginn des 7. Krankheitstages.) Seit l! Uhr Nach- mittag ist die Temp. von 41,6° C. bei massig feuchter Haut ab- gefallen. (Abends 9 Uhr 37,2° O) Subjectives Wohlbefinden. Urin- menge während des Abfalls 900 CCtm 4. Juli. Morgens. Im Beginn der Nacht unruhiges Ver- halten, wollte zum Bett heraus, dann aber vollkommen ruhiger Schlaf. Abgesehen von geringen wieder eingetretenen Schmerzen der Beine keine Klagen. Puls 72, Resp. 24, Temp. früh 7 Uhr — 252 — 35,4° C. Icterus nicht mehr deutlich. 1 Stuhl. Etwas mehr Appetit, kein Durst. Haut trocken. Abends. (Beginn des 8. Krankheitstages.) Puls 64, regelm., Resp. 24, Temp. um 5 Uhr 37,4° C. 5. Juli. Morgens. Gutes Befinden; frei von Schmerzen. Zunge reinigt sich, isst mit Appetit. 1 breiiger Stuhl. Ueber dem Cor überall schwaches systolisches Geräusch. Puls 72, Resp. 24, Temp früh 7 Uhr 37,2° C. Abends. (Beginn des 9. Krankheitstages.) Puls 72, Resp. 24, Temp. 37,4° C. 6. Juli Morgens. Puls 64, Resp. 20, Temp. um 7 Uhr 36,8° C. Milz- und Leberdämpfung zeigen noch die alten Grenzen, wie am Ende des Anfalls. 1 Stuhl. Extrakost. (Braten mit Gemüse.) Abends. (Beginn des 10. Krankheitstages.) Puls 78, Resp. 24, Temp. um 5 Uhr 37,6° C Beim Aufstehen und Herumgehen klagt Patient über Schmerzen in beiden Knieen. 7. Juli. Morgens. Puls 72, Resp. 20, Temp. um 7 Uhr 37,4° C. Milz und Leber werden kleiner. Sehr stärker Appetit. Abends. (Beginn des 11. Krankheitstages.) Puls 72, Resp. 18, Temp. um 5 Uhr 37,4° C. 8. Juli, Morgens. Wohlbefinden, steht auf Puls 80, Resp. 16, Temp. um 7 Uhr 37,4° C. Die Milz geht nicht mehr bis zum Rippenbogen, und ist nur 8 Ctm. hoch, ebenso geht die Leber weniger weit nach unten. Abends. (Beginn des 12. Krankheitstages.) Puls 64, Resp. 18, Temp. um 5 Uhr 36,8° C. 9. Juli, Morgens. Patient fühlt sich vollkommen wohl, so dass er längere Zeit ausser Bett zubringt. Sehr guter Appetit, Stuhl fehlt seit 2 Tagen. Puls 80, Resp. 22, Temp. um 7 Uhr 37,4° C. Abends. (Beginn des 13. Krankheitstages.) Mittags war der Appetit noch gut gewesen, der Patient klagte aber über Hitze- gefübl (Temp. um 1 Uhr 38,5° C), das gegen Abend noch zunahm, im Uebrigen nur über geringes Schwindelgefühl, ohne Kopfweh. Um 5 Uhr Temp. 40,2° C, Puls 100, Resp. 36. Ord. Acid phosphor. Herabsetzung der Diät. 10. Juli. Subjectiv ohne Beschwerden, nach gutem Schlafe. Puls 96, Resp. 24, Temp. am 7 Uhr 39,4° C. Appetit ist an- geblich noch gut. 1 breiiger Stuhl Kopf und Glieder frei von Schmerzen. Abends. (Beginn des 14. Krankheitstages.) Seit dem Mittag Klagen über Kopfweh, weniger matt als im ersten Anfall. Die Milz geht nach vorn bis zur linken Papillarlinie, bei einer Höhe von 8 Ctm. Die Leber überragt von Neuem den Rippenbogen und zwar in der ParaSternallinie um 4 Ctm. Beide Organe sind nicht schmerzhaft. Puls 104, Resp. 28, Temp. um 5 Uhr 40,2° C. 11. Juli, Morgens. Guter Schlaf während der Nacht. Patient klagt über stärkeres Kopfweh, über Gliederschmerzen. Appetit geringer. Puls 116, Resp. 32, Temp. um 7 Uhr 40,0° C. — 253 — Abends. (Beginn des 15. Krankheitstages.) Patient klagt über heftiges Kopfweh, Schmerzen im Genick und den Waden. Puls 116, Resp 36, Temp. um 5 Uhr 40,5° C. (um 7 Uhr 41,8° C.) 12. Juli. Schlaf stundenweise sehr gut, die Hauptklagen bilden Schmerzen in beiden Kniegelenken, die eine normale Configuration zeigen. 1 Stuhl. Puls 112, Resp. 36, Temp. um 7 Uhr 39,5° C. Abends. (Beginn des 16. Krankheitstages.) Klagt über Schmerzen in den Waden und im Kreuz. Puls 108, Resp. 36, Temp. um 5 Uhr 40,4° C. 13. Juli, Morgens. Patient erwacht nach gutem Schlafe mit niedriger Temperatur, um 7 Uhr 37,8° C, um 10 Uhr 36,0° C, Puls 76. Resp. 20 Haut nur wenig feucht. Subjectiv ohne Be- schwerden. Zunge dünn belegt, feucht, Ränder roth. Stuhl fehlt, Abends. (Beginn des 17. Krankheitstages.) Im Laufe der Mittagsstunden war, ohne dass Patient das Bett verlassen hatte, die Temperatur unter heftigem 3/4 stündigem Schüttelfrost wieder gestiegen, um 3 Uhr 40,0° C. Patient klagte nur über stärkeren Durst, ohne weiteren Beschwerden. Bei nur geringer Feuchtigkeit der Haut war die Temperatur von 3 bis Abends 7 Uhr aber wieder abgefallen, 36,9° C, Puls 62, Resp. 16. 14. Juli, Morgens. Nach gutem Schlafe ohne Schweiss fühlt sich der Kranke wohl. Die Temperatur ist sehr niedrig, um 8 Uhr früh wurde in der Achselhöhle 34,8° C. von uns constatirt, im Rectum betrug die Temp. 35,6 ° C, Puls 64, Resp. 16. 1 gebun- dener Stuhl. Milz und Leber haben noch dieselbe Grösse wie während des Anfalls. Abends. (Beginn des 18. Krankheitstages.) Puls 52, Resp. 20, Temp. 35,5° C. 15. Juli, Morgens. Puls 60, Resp. 16, Temp. 35,8° C. Der Appetit bessert sich. 2 breiige Stühle. Abends. (Beginn des 19. Krankheitstages.) Puls 60, Resp. 20, Temp. 36,4° C. Ohne weitere Beschwerden erholte sich der ziemlich ab- gemagerte und schwache Kranke in den nächsten Tagen mehr und mehr. Der Appetit wurde gut, der Stuhl blieb regelmässig. Am 21. Juli (25. Krankheitstag) reichte aber die Milz noch bis zum Rippenbogen, die Leber überall nur bis zum Rippenbogen, das Epigastrium war tympanitisch. Bei der Entlassung am 5. August war die Milz auf die normale Grösse zurückgekehrt. No. 32. Febris recurrens. Prodrome. Erster Anfall bis zum 5. Tage. Zweiter Anfall vom 14. bis 16 Tage. Ephemera (kurzer dritter Anfall) am 17. Tage. Emilie Wiesner, 25 Jahr, Arbeiterin. Aufge- nommen den 10, Juli, entlassen den 10. August 1868. Ueberstand als Kind Masern, und vor 12 Jahren Blattern. Die Patientin, seither stets gesund, fühlte sich am 6. Juli Abends nicht mehr vollkommen wohl, klagte über Kopfweh, weniger Appetit und schlief wegen Schmerzen in den Gliedern schlechter als sonst. Am 7. Juli stand sie mit Kopfweh auf, konnte^ aber im Laufe des Vormittags ihre Geschäfte noch besorgen, bis sie um — 254 -- 11 Uhr auf der Strasse einen Schüttelfrost bekam, welcher über eine Stunde anhielt. Sie ging unter grosser Anstrengung schwan- kend, langsam nach Hause, musste sich sofort legen, das Kopfweh nahm mit dem Frost sehr zu, ebenso die reissenden Schmerzen in allen Gliedern. Bald stellte sich Hitze ein, jedoch ohne Schweiss. Der Appetit verschwand, es bestand heftiger Durst, und spontane dünne Stühle 3 bis 4 Mal täglich. Die Beschwerden blieben bis zur Aufnahme die gleichen. Wohnte Viehmarkt No. 12. Status praesens am 10. Juli Abends. (4. Krankheitstag.) Reducirtes, heruntergekommenes Individuum, mattes Aussehen, rechte Seitenlage. Klagt über heftiges Kopfweh der Stirn- und Scheitelgegend, über Schmerzen in den Waden und Oberschenkeln. Der Appetit fehlt, Zunge dick weiss belegt und feucht, die Milz- dämpfung hat eine Länge von 10 bis 11 Ctm., eine Höhe von 7 Ctm. Die Leber erreicht nur den Rippenbogen. Reines vesi- culäres Athmen; über dem Herzen, besonders den grossen Gefässen, ein systolisches Geräusch. Puls 134 bis 156, klein und weich, Resp. 36, Temp. um 7 Uhr 40,5 ° C. (Vergleiche Curve No. 32 Tafel V.) Ord. Acid. phosph. Eisblase auf den Kopf. 11. Juli. (5. Krankheitstag.) Zeitweise Schlaf. Klagt am Morgen sehr über heftiges Kopfweh und Schmerzen der Glieder. Diarrhoische Stühle. Puls 128, Resp, 24, Temp. um 7 Uhr 39,2° C. Die Haut dabei etwas feucht. Urin roth, sauer 345 CCtm. spec. Gewicht 1016 bei 20,5° C. Enthält geringe Mengen Eiweiss und sparsame hyaline und dunkle mit Körnchen besetzte Cylinder. Abends. Die Gliederschmerzen haben auf Einreibungen mit Chloroformliniment sehr bald nachgelassen. Patientin schläft auch am Tage viel. Die Milz zeigt noch die alte Grösse, die Leber nach links hin grösser als gestern. Puls 128, Resp. 28, Temp. um 5 Uhr 40,4° C. 12. Juli. Abfall über Nacht unter massigem Schweiss, bei anhaltendem Schlaf. Das subjective Befinden ist vollkommen gut, abgesehen von bedeutender Schwäche. Puls 88, Resp. 16, Temp. um 7 Uhr 36,8° C. Urin enthält kein Eiweiss mehr. Chloride stark vermindert. Im weiteren Verlaufe bleibt Patientin fieberlos. Der Puls geht zuweilen bis auf 60 herunter, meist 72 bis 76 Schläge in der Minute. Der Appetit wird gut, der Stuhl regelmässig. Am 10. Tage steht die Kranke auf und bleibt in den nächsten Tagen viel ausser Bett; am 20. Juli (dem 14. Tage nach Beginn der Erkrankung) besuchte sie, vollkommen wohl, ihre krank in's Ho- spital aufgenommene Mutter, und regt sich bei diesem Besuche angeblich etwas auf. Bald darauf tritt gegen 6 Uhr Abends ge- ringes Frösteln ein, gefolgt von Hitze; die Temperatur steigt schnell an. Subjectiv keine weiteren Klagen, hat ihre Abendsuppe noch mit Appetit gegessen. Die Milzdämpfung reicht bis zwischen die vordere und hintere Axillarlinie, Höhe 7 Ctm.; die Leber geht nur bis zum Rippenbogen. 21. Juli. (15. Krankheitßtag.) Ruhiger Schlaf. Klagt über heftiges Kopfweh. Der Appetit ist gering, starker Durst. Am — 255 — Herzen bei normaler Dämpfung überall schwaches systolisches Blasen. Puls 120, klein und weich, Resp. 20, Temperatur um 7 Uhr 40,4° C. Abends. Puls 120, Resp. 16, Temp. um 5 Uhr 40,8° C. Die Milz geht 2 Ctm. weiter nach vorn als gestern. 22. Juli. (16. Krankheitstag.) Gegen Morgen 5 Uhr nach vorherigem guten Schlaf unter starkem Schweiss erwacht, voll- kommenes Wohlbefinden. Puls 76, Resp. 20, Temp. um 7 Uhr 36,8° C. Urin gelbroth, stark sauer, trübe, im Sediment reich- liche Schleimkörperchen und Epithel, keine Cylinder, kein Eiweiss, reichlicher feinflockiger Chlorsilberniederschlag. 1 Stuhl. Abends._ Puls 61, Resp. 12, Temp. um 5 Uhr 37,0° C. 23. Juli. (17. Krankheitstag.) Schwach und blass, im Uebrigen wohl. Puls 80, Resp. 16, Temp. 36,9 ° C. Abends. Gegen Erlaubniss ist Patientin etwas aufgestanden, ging aber wegen Müdigkeit schnell zu Bett, als ihr „schwarz vor den Augen" wurde. Sie schlief dann ein und erwachte um 6 Uhr mit heftigem Oppressionsgefühl und starkem Schüttelfrost, der je- doch nur 5 Minuten anhielt. Orthopnoe, sehr mühsame stöhnende Respiration von 28. 164 Pulse. Bald jedoch Hessen die Be- schwerden nach, und unter massigem Schweisse fiel die Tem- peratur ab. 24. Juli. (18. Krankheitstag.) Unruhiger Schlaf, starker Schweiss, subjeetiv vollkommen wohl. Der Urin ist eiweissfrei, reichlicher käsiger Chlorsilberniederschlag. Patientin bleibt in den nächsten Tagen vollkommen wohl und fieberlos. Der Puls sinkt am 25. Juli bis 48. Der Appetit wird bald besser, am 26. Juli steht die Kranke auf; am Cor ist das systolische Geräusch noch längere Zeit hörbar. Geheilt ent- lassen am 10. August. Die Milzdämpfung ist 6 Ctm, hoch, 5 Ctm. lang. Die Leber erreicht nur den Rippenbogen. No. 58. Febris recurrens. Erster Ab fall am 8. Tage mit geringem Icterus, unter profusem Schweisse. Miliaria. Zweiter Anfall vom 14. bis 17. Tage, schnel- ler Abfall unter Diarrhoe und profusem Schweisse. Oedeme während der Convalescenz. Josepha Lorke, Arbeiterin, 30 Jahr, aufgenom- men den 4. August, entlassen den 7. Septbr. 1868. Patientin überstand als Kind Masern, Scharlach und Blattern, im Jahre 1856 „Typhus", wahrscheinlich Typhus exanthematicus. Wohnt seit 4 Jahren grosse Rosengasse 17 bei Frau Walter. Die Erkrankung begann am 1. August Nachmittags gegen 4 Uhr mit heftigem Schüttelfrost, auf welchen noch längere Zeit anhal- tendes Frösten und später erst Hifze folgte Pat musste sich so- fort in's Bett legen wegen heftiger reissender Schmerzen in allen Gliedern, im Genick und im Kreuz, es trat heftiges Kopfweh ein. Das Frösteln wiederholte sich am folgenden Tage, dann war die Hitze anhaltend, zeitweise profuser Schweiss. Der Appetit ver- schwand vollkommen mit der Erkrankung, der Stuhl, im Anfang regelmässig, wurde ohne Medikamente am 3. Tage diarrhoisch; es — 256 — erfolgten täglich 5—6 dünne Stühle. Der Zustand blieb der gleiche bis zur Aufnahme. Status praes. am 4. August, Abends (Beginn des 4. Krank- heitstages). Bedeutende Prostration bei mattem Gesichtsausdruck, passive Rückenlage. Die Patientin klagt über heftiges Kopfweh und massige reissende Schmerzen in den Gliedern. Haut heiss und trocken, Zunge vorn roth, nach hinten dünn belegt, leicht trocken. Die Milz ist fühlbar, überragt die vordere Axillarlinie und ist nach hinten nicht abzugrenzen, Höhe 8 Ctm.; die Leber überragt den Rippenbogen nur wenig, das Epigastrium ist ge- dämpft. Letzteres, so wie beide Hypochondrien sind sehr empfind- lich auf Druck. Puls 112 weich, celer, ziemlich klein, Resp. 44. Temp. um 5 Uhr 41,1° C. Ord. Eisblase auf den Kopf. Acid. muriat. 5. August Morgens. Guter Schlaf, weniger Beschwerden, nur 5 dünne, gelbe Stühle. Urin: roth, trübe, Gesammtmenge 660 CCm. sauer, im Sediment sparsame, blasse, hyaline, zum Theil mit dunklen Körnchen besetzte Cylinder. Eine Spur Eiweiss scheidet sich flockig aus. Opalescirende Trübung bei Prüfung auf Chlor. Abends (5. Krankheitstag). Sehr häufige dünne, gelbe Stühle. Puls 112, Resp. 36, Temp. um 5 Uhr 40,8° C. Ord. Clysma mit Tinct. Opii spl. 6. August. Unruhiger Schlaf, nur 1 Stuhl nach dem Clysma, Leib flach, gespannt, Epigastrium sehr empfindlich, Milz bis über die vordere Axillarlinie, 9 Ctm. hoch; die Leber ist bedeutend grösser geworden, nach links bis zur ParaSternallinie, Höhe der Dämpfung in der Medianlinie 10 Ctm., in der ParaSternallinie 12 Ctm. Kopfweh und Gliederschmerzen haben etwas nachgelassen. Urin rothgelb, sauer, 530 CCm. spec. Gewicht = 1017,5, enthält etwas Eiweiss und blasse hyaline Cylinder. Abends (6. Krankheitstag). 5 dünne Stühle. Ab und zu schwitzende Haut, aber hohe Temperaturen. Puls 112, Resp. 44, Temp. um 5 Uhr 40,9° C. Ord. Clysma mit Tinct. Opii. 7. August. Guter Schlaf unter der Eisblase. Noch 4 dünne Stühle. Puls 104, Resp. 44. Lungen frei. Temp. um 7 Uhr 40 ° C. Urin enthält Spuren von Eiweiss und Cylinder. Die Chlo- ride fehlt vollkommen. Abends (7. Krankheitstag). 5 Stühle im Laufe des Tages, die Entleerung wird schmerzhaft. Puls 104, Resp. 40, Temperatur um 5 Uhr 40,7° C. 8. August. Guter Schlaf. Kein Stuhl mehr. Weniger Schmer- zen der Glieder und des Kopfes. Milz und Leber bieten die frü- heren Dämpfungsgrenzen. Puls 96 (um 11 Uhr), Resp. 32, Temp. früh 7 Uhr 39,8° C. Urin enthält kein Eiweiss, keine Cylinder. Chlor fehlt vollkommen. Abends (8. Krankheitstag). Im Laufe des Tages war die Temperatur bis 3 Uhr gestiegen 41,5° und fiel dann sehr schnell — 257 — unter sehr profusem Schweisse ab. Es zeigt sich eine deutliche icterische Färbung der Conjunctiva, Puls 76, Resp. 28, Temp. um 8 Uhr 35,9° C. 9. August. Guter Schlaf, kein Schweiss mehr. Puls 60, etwas voller, Resp. 24, Temp. um 6 Uhr 35,4° C. 3 Stühle in 24 Stunden. Der Icterus ist deutlicher. Der Urin 940 CCm. ist gelb, roth, leicht getrübt, gelb schäumend, sauer 1010 bei 23 °C, enthält kein Eiweiss und keine Cylinder. Mit Salpetersäure tritt nur eine rothe Färbung ein, dagegen giebt die Huppert'sche Methode eine sehr deutliche Gallenfarbstoffreaction, ausserdem ent- hält der Urin Gallensäuren. Chloride fehlen vollständig. Abends (9. Krankheitstag). Puls 54, Resp. 16, Temp. 4 Uhr 35,6° C. Subjectives Wohlbefinden. 10. August. Guter Schlaf. Der Icterus ist versdrwunden. 7 Stühle. Der Urin enthält keinen Gallenfarbstoff, bei Prüfung auf Chlor tritt schwache opalescirende Trübung ein. Puls 64, Resp. 24, Temp. 37° C. Der Appetit stellt sich ein; die Milz geht weniger weit nach vorn, die Leber nicht mehr so tief nach unten. Abends (10. Krankheitstag). Puls 60, Resp. 24, Temperatur 37,4° C. 11. August. Pat. hat seit dem Abfall nicht geschwitzt, zahl- reiche Miliariabläschen auf Brust- und Bauchdecken. Die Diarrhoe hat nachgelassen. Guter Appetit (Extrakost). Puls 72, Resp. 28. Temp. 36,9° C. Abends. (11. Krankheitstag.) Puls 72, Resp. 16, Temp. 37,6° C. 12. August. Die Milz geht bis zwischen die vordere und hintere Axillarlinie, Höhe der Dämpfung 6'/2 Ctm. Länge 11 Ctm. Die Leber hat sich verkleinert, das Epigastrium wird tympanitisch. Die Herztöne sind schwach, der erste überall etwas unrein. Stuhl regelmässig. Puls 72, Resp. 20, Temp. 37,1 ° C. Der Urin ent- hält keine abnormen Bestandtheile, der Chlorsilberniederschlag ist reichlich feinflockig und käsig. Am nächsten Tage, dem 13. August, befand sich die Kranke so wohl, dass sie aufstand und das Bett verliess, ebenso am 14. August. Im Laufe des Nachmittags trat plötzlich um 4 Uhr unter leichtem Frösteln Hitzegefühl ein, die Temperatur stieg schnell bis 40,6 und 41° C, Puls 96, ziemlich voll, Resp. 44, dabei starker Schweiss. Klagen über Kopfweh. Ord. Wie früher. 15. August. (Verlauf des 14. Krankheitstages.) Nach weniger gutem Schlafe klagt Patientin nur über massiges Kopfweh. Puls 96, Resp. 24, Temp. um 7 Uhr 39,5° C. Weniger Appetit. Abends. (15. Krankheitstag.') Starker Schweiss im Laufe des Tages bei anhaltend hohen Temperaturen. Zeitweise auftretendes Kopfweh. Schmerzen im linken Knie. Puls 112, Resp. 32, Temp. um 5 Uhr 41,0° C. 16. August. Guter Schlaf. Kreuzschmerzen. Milz und Leber schwellen von Neuem an, die Milz überragt die vordere Axillar- 4 17 Wyss u. Bock, Febris recurrens. Al — 258 — linie. Auf den Lungen keine Dämpfung, hinten und unten rauhes Athmen und sparsames Rasseln. Puls 112, Resp. 40, Temp. um 7 Uhr 40,0° C. Abends. (16. Krankheitstag.) Puls 116, Resp. 44, Temp. 41,5 ° C. Der Urin enthält kein Eiweiss. 17. August. Guter Schlaf. 5 Stühle in 24 Stunden. Wenig Beschwerden. Die Milz geht bis zum Rippenbogen. Puls 116, Resp. 36, Temp. um 7 Uhr 40,2° C. Urin 1000 CCm., sauer, gelbroth, trübe, spec. Gew. 1010. Eine Spur Eiweiss ist nachweis- bar, und massig reichliche dunkle Cylinderbruchstücke. Abends. (17. Krankheitstag.) Im Laufe des Tages Gefühl von Unbehagen. Puls 120, Resp. 88, Temp. um 5 Uhr 41,3° C. Bis um 8 Uhr stieg die Temperatur, um dann unter profusem Schweisse abzufallen. 18. August. Guter Schlaf, in der Nacht anhaltender Schweiss, 10 dünne sparsame Stühle. Puls 72, Resp. 20, Temp. um 7 Uhr 36,0° C. Subjectives Wohlbefinden. Im Urin noch etwas Eiweiss und dunkle, körnige Cylinder. Abends. (18. Krankheitstag.) 4 dünne Stühle. Puls 88, Resp 20, Temp. um 5 Uhr 36,6° C. 19. August. Puls 76, Resp. 20, Temp. 36,3° C. Abends. Puls 60, Resp. 24, Temp. 37,5° C. Urin eiweiss- frei, ohne Cylinder. Bei Prüfung auf Chlor nur eine opalescirende Trübung. 20. August. Puls 68, Resp. 20, Temp. 36,9° C. Ein ge- bundener Stuhl, guter Appetit. Klagt über Schmerzen im rechten Schultergelenk und im rechten Oberarm. Milz und Leber sind noch vergrössert. Die Schmerzen lassen am Abend wieder nach. Patientin steht in den nächsten Tagen auf, der Puls ist nach Be- wegungen beschleunigt, bis 104 Schläge in der Minute, die Füsse schwellen um die Knöchel ziemlich stark an, die Herztöne sind rein. Unter dem Gebrauche von Tinct. ferr. pomat. bei guter Kost erholt sich Patientin bald, und wird am 5. September, 35 Tage nach Beginn der Krankheit, entlassen. Die Milz und Leber zeigen normale Grenzen, geringe Oedeme stellen sich bei längerem Umher- gehen aber noch zeitweise ein. Tabellen über die Verhältnisse der Urinsecretion. Aus der grösseren Zahl von qualitativen und quan- titativen Reihen lassen wir umstehend nur wenige folgen. 17* No. 28.] Lothar Gärtner, Arbeiter, 20 Jahr. [Tabelle 1. Aufgenommen den 1. Juli, entlassen den 5. August 1868. (Vergl. über den Verlauf die Krankengeschichte.) 0 <2 al 0 JM 'S a Q '-W c es 4! M 6 £> fr. cd 2 . 02 a a o Beschaffenheit. 1 Niederschlag mit AgO. NO5 a ifcf 0 O V *> a 0 2 ä & w 0 <° 'S fr. 0 f § w Harnstoff-menge in Grm. Harnsäure-menge in Grm. 2./7. [5.] 3./7. [6.] 3./7. Abds. 4./7. sauer. stark s. sauer. do. schw. sauer. do. do. roth. do. do. do. glbrth. do. do. 1020,7 1020,3 1011 1013,5 1018,7 1015 1017 530 von 12 Stunden 740 Verlust 900" 575 Wenig trübe. Sehr sparsame hyaline, mit einzelnen dunklen Körnchen besetzte Cy-linder. trüb; gering flockiger Bodensatz. Im Sedi-ment keine Cylinder. Schaum des Harns gelblich. Huppert 'sehe Gallenfarbstoff-probe negativ. l keine Cylinder, gelber Schaum. (Vor dem ' Abfall.) | mit gelbem Schaum, klar, keine Cylinder. (Nach dem 1. Abf 11.) leicht trübe. (Pat. isst alles auf, Milch, Kalbs-brühe; trinkt wenig; wenig Schweiss.) trübe; beim Kochen mit KO gelb. Im Sed. keine Cylinder; Tripelphosphat-Crystalle und reichlich harnsaures Ammoniak. trübe; flockiges Sed. aus amorphen feinkör-nigen Massen, sparsame und zweifelhafte blasse, hyaline, zum Theil sehr lange Cy-linder, stellenweise mit einzelnen feinen dunklen Körnchen besetzt. Spur. frei. do. do. do. do. do. zieml. reich-lich feinflock. Niederschi. do. do. reichlich fein-flockiger Nie-derschlag. zieml. reich-lich feinflock. Niederschi. reichl. käsi-ger Nieder-schlag. do. 3,804 3,687 2,029 2,040 2,763 2,519 2,285 0,0545 20,161 27,383 18,261 11,730 0,289 rv.j 5./7. [8.] 6./7. [9.] 7./7. [10.] 1475 465 1340 1220 29,991 12,848 33,75 27,88 do. gelb. 1012. 2000 do. — — 1900 sauer. glbrth. 1013,3 1920 do. do. 1015,7 1500 do. roth. 1015,5 1550 do. do. 1016 1240 do. glbrth. 1014 1600 do. rthglb. 1022,3 930 schw. sauer. sauer. do. do. 1020 1113,7 1020 1120 schw. sauer. gelb. 1011,5 < 3400 leicht trübe, kein Sediment. leicht trübe; ohne Sediment. (Vom Beginn des Fiebers entleert.) Fast klar; im geringen Bodensatz ziemlich reich- lich Krystalle von oxalsaurem Kalk. Keine Cylinder. Sehr starker Dichroismus des Harns. (Kalbsbrühe, Milch, wenig Appetit.) leicht trübe; keine Cylinder. klar, geringes flockiges Sediment. Kein Gallenfarbstoff (Gmelin). klar. Kein Gallenfarbstoff (Huppert). leicht getrübt durch Vibrionen. feinkörniges Sediment aus schlecht ausgebil- deten prismatischen und büschelförmig aggregirten Krystallen (phosphorsaurer Kalk). klar. (Extrakost, guter Appetit.) fast klar. Im Sediment neben seltenen Tri- pelphosph. kryst. Drusen von schief pris- matischen Krystallen mit gut ausgebildeten Endflächen (phosphorsaurer Kalk). klar. do. do. do. do. do. do. do. do. do. do. do. reichlich flockiger Nie- derschlag. reichlich kä- siger Nieder- schlag. reichl. flockig und käsig reichlich fein- flockiger Nie- derschlag. zieml. reich- lich feinflock. do. reichlich fein- flockig, fast käsig. reichlich kä- sig u. flockig. Niederschi. sehr reichlich käsig. Nieder- schlag. reichlich käs. reichlich käs, Niederschlag, 1,467 29,34 1,594 0,0188 (0,02) 30,20 1,700 0,0152 32,64 2,051 0,0288 30,77 2,35 0,0304 36,42 2,848 0,0372 35,30 2,392 0,0865 38,27 3,826 35,581 2,763 28,18 1,742 19,51 0,904 29,82 0,357 0,292 0,432 0,471 0,4613 0,618 No. 24.] , Marie Oschätzki, 10 Jahr. [Tabelle 2. Aufgenommen den 2 5. Juni 1868, entlassen den 22. Juli 1868. (Vergl. die Krankengeschichte im Anhang und Temperatur-Curven - Tafel IV.) 0 o 6 fr. © o a Beschaffenheit. '3 Niederschlag 0 ta 0 © o> .9 .H 0 $ 8 CD fr. 0 *> «s 0 g s> 2 o CD fr. 3 . :cg o OT O 3 n* CD 6 -M cd Ü S2 0Q mit AgO. NO5. g 2 w J3 fr. & ^ .d -S 'S ^ * .3 «2 1 1 3 a s a •2 I cd a 26./6. schw. glbrth. 1021,5 305 Leicht trübe. Seltene Tripelphos- frei. gering fein- [3.] sauer. phat-Krystalle. flockiger Nie-derschlag. 21./%. [4.] sauer. do. 1021 330 Keine Cylinder. kaum nachw. Spur. massig reichl. flockiger Nie- 3,295 — — — 10,873 — — — derschlag, 28./6. [5-] do. do. 1019,5 450 Trübe. Blasse, hyaline, zum Theil geringe geringe 3,135 0,0123 — 0,3096 14,127 0,0553 __ 1,393 mit feinen Körnchen dicht be- Menge. flockige Trü- setzte Cylinder; ziemlich spar- bung. sames Pflasterepithel. 29/6. [6.] do. rthglb. 1012 750 Trüb, durch wenig Stuhl verunrei- wenig. massig reichl. 1,913 0,009 — .— 14,347 0,0675 __ _ etwas nigt. feinflockiger 30./6. schw. gelb. 1011,7 280 \ Leicht trüb. Einzelne lymphatische frei. Niederschlag gering fein- 2,274 kaum 0,0222 6,367 0,622 b. 8 U fr. [7.] sauer 1 Zellen; Pflasterepithelien, spar- flockiger Nie- Spur. r same Tripelphosphat-Krystalle. derschlag. 30/6 fr. 8 Uhr. do. blssgb. 1003,5 615 Völlig klar, zuckerfrei. » opalesc. Trü-bung. 0,691 Spur. — — 4,249 — — — 30./6. 8 —10 do. do. 1003 420 /l. Abfall. » do. 0,542 Spur. — — 2,277 — — — Uhr. 30. 10 b. 17, do. blssgb. 30.17? b. 6 II. [8.] sauer. — 6X1. Ab b. 1./7. fr. [8.] schw. sauer. gelb. 2./7. 19,1 neutr. do. 3./7. Lio.j schw. sauer. do. 4./7. [ll.J schw. alk. do. 5./7. [12.] do. do. 6./7. [13.1 schw. sauer. hellgb. 7./7. [14.] do. gelb. 8-/7. [15.] do. rthglb. 8./7. NM. 3 b. 4U. do. hellgb. 1006,5 345 1660 1010,3 230 1013,3 360 i 590 1 1008 780 1008,5 800 1010,2 1040 1011,5 1000 1009,7 1140 1010,3 940 1008 ' 1235 1007,8 880 Klar, kein Zucker. Klar. klar; geringesTripelphosphat-Sedi- ment. (Extrakost.) leicht trüb. Amorphes feinkörniges Sediment und Tripelphosphat - Krystalle. Kein Zucker. Reichliches Sediment. Tripelphos- phate und feinkörnige Massen. Wenig trüb; feinkörnige Massen reichliches Epithel, keine Cylin- der. Trübe. Eiterkörperchen, Blasen- epithel. Kein Sediment. Beginn des 2. Anfalls. (Kalbsbrühe, Milch.) zieml. reichl. feinflockiger 1,417 0,0060 — — 4,888 0,0207 — 17,781 Niederschlag. do. 1,807 0,0205 — 0,1286 4,156 0,0472 — 0,296 — — 0,099 0,1142 (?) ? — 0,356 0,4101 ? zieml, reichl. 1,552 0,0345 0,0428 0,1103 12,105 0,269 0,338 0,860 flockiger Niederschlag. reichlich fein- 1,201 0,0335 0,0672 — 9,608 2,67 0,5542 — flockiger 0,5376 Niederschlag. reichlich kä- 1,276 0,4515 0,0512 0,0724 13,27 4,7 0,533 0,7534 sig. zieml. reichl. 1,361 0,2905 0,0674 0,07546 13,6 2,905 0,674 0,755 fast käsiger Niederschlag. sehr reichlich 1,427 0,402 0,0200 — 16,27 4,583 0,228 — käsiger Niederschlag. reichlich kä- 1,219 0,5290 — — 11,458 4,972 — — siger Nieder- schlag. zieml. reich- 1,021 0,4375 0,0648 — 12,610 5,402 0,609 ? lich flockig. sehr reichlich 0,878 — 0,08 0,0379 7,730 — 0,549 0,3335 käsig. 0,0614 0 ™ sl 0 M M 0 O cci CD .a fr. CS Eh i ö CD CD '""' P, «2 CD £ so ±; 0 u S o Beschaffenheit. 'S 9./7. [16.] schw. sauer. gelb. 1007,7 880 990 Im Urin schwimmen einige Flöck-chen, die als Eiterkörperchen sich erweisen; Pflasterepithelien; ein-zelne harnsaure Krystalle. frei. 1870 10./7. [17.] do. gelb. 1006 1240 Leicht getrübt. do. 11./7. [18.] sauer. gelb. 1008 1415 Leicht trübe. Keine Cylinder. do. 11/7. b. 2Mtgs. do. hellgb. 1004,3 300 \Fast ganz klar; sedimentlos. do. 2-37a Uhr. do. do. 1003,3 335 378-472 u. do. do. 1004 260 Klar. do. 472—8 U. Ab. do. do. 1006,5 420 Klar. do. 8-107a U. Ab. 107«-3U.Mg — — 1008 525 [Ende des 2. Anfalls. do. do. 12./7. [19.] 1840 Niederschlag mit AgO. NO6 0 2 § ai fr. 0 cu 03 ,2 CD c$ a io o ■° Jr § tu M 0 CD fr. 0 2 1 g* a o "" w O CD CD O £ s a 0 a cl | CD CD ~ 0 £ a § 1 g M 1 a 5 a o. a s g 2 «i 1 a & 1 .5 2 H J0 tu W £ M $ £1 CD tu Ü5 CD CD CG C5 reichlich kä- 1,065 0,2135 0,097 _ 10,544 2,004 0,9603 sig. 0,0466 0,4613 18,274 1,0103 reichlich fein- 0,824 0,106 0,075 0,0564 10,211 1,3144 0,685 0,699 flockiger 0,0552 Niederschlag. kaum 1,175 0,0312 0,099 — 16,63 1,401 1,5876 opalesc. Trü- 0,1122 bung. geringe 0,769 nicht 0,028 0,1019 2,306 Spur. 0,084 0,306 Opalescenz. wägb. Spur. Spur. 0,0549 " 0,1647 0 0,453 0,04 0,0236 1,519 do. 0,134 0,0790 0,039 0,131 0 0,604 nicht wägb. Spur. 0,08 0,0402 1,390 do. 0,208 0,105 keine Spur 0,834 keine 0,143 0,0541 3,504 do. 0,601 0,227 von Trübung. — Spur. keine Spur. 0,0472 0,198 keine Trü-bung. 1,415 keine Spur. 0,182 7,429 do. 0,956 •) 16,148) 1,577 13./7. [20.] schw. sauer. gelb. 1011,7 660 14./7. [21.] alk. do. 850 15./7. [22.] — do. 1009,7 1740 16./7. [23.] schw. sauer. hellgb. 1020,5 960 Leicht trübe. Trübt (Extrakost. do. do. do. Leicht- getrübt; einzelne Kloekehen d< aus Ptlasterpithel und lymphati- schen Zellen. feinilockige Ausscheid. sehr reichlich tcinilockiger u. käsiger Niederschlag. reichlich fein- flockig und käsig. reichlich kä- siger u. fein- Hockigcr Niederschlag 2,284 1,405 noch nicht wägb. 0,1851 0,07 0,0276 0,093 15,074 11,983 sehr wenig. 1,573 0,462 0,235 1,04.'} 0,162 0,0498 0,0572 18,150 2,8188 0,867 1,021 0,4(525 0,092 0,4636 — 9,803 4,439 0,419 0,9946 No. 53.1 Johann Patrias, 24jähriger Arbeiter. [Tabelle 3. Aufgenommen am 31. Juli 18(!8, entlassen am 10. August. Von Neuem in's Hospital eingetreten am 13. August, geheilt am 24. August. Erster Anfall vom 29. Juli bis 5. August, Abfall unter starkem Schweiss. Am Tage der Entlassung, die Pat. dringend verlangte, trat ausserhalb des Hospitals der zweite Anfall ein, der 3 Tage anhielt. Während des zweiten Ab- falls kam Patient zum zweiten Male in's Hospital. Die Milz war wieder grösser, als bei der ersten Entlassung, starker Schweiss. Der Urin enthielt absolut kein Chlor. Die Medication hatte in Acid. sulfur. bestanden. || o o * ütk cßu: ^/JryvJOyv/ SjJcM. (&MA>AiM\A- Äaa/ OD/udUw. JVfJk P(inline Franke 18ö8, Monat Jult. August TaßE 1868. Monat Jult. August. Sq)t£inber . TT ff Q b. ?. 3. 9 1(> 11 19. /. 2. n 2 v------ ^^ o- *-&--- IvTTSE . fln s^A - \^^ g^r ^V ^$ w s 6 4 2 - L—-- --tt: ---- - ---- ----^ t^ +-**- ~ - ■ ^=\ 39 s_ 6 38 \ 1 t^ ---- '-~:_~ ■ ■ -- \ Q \ Vi ---- ---- .TT "_. V v ----- --- - \ h-" ' i^^m. s 6 •i .17 ------ "-^ ----- --r-- ---- i--------------------------------- t~1^üt~ I---------- ---- — —— -- -- "^ mm ---- ----- ---- C-\- 6 - ---- -- - Wi ,--- ---- ---- ---- ----- ----- —-—' "--- ----- ---- hv_ &-- i\- ----, itifö ___. .. ____ ^» —"fln— ------ - ---- ---- ---- 1 ■ - ---- ----- •iö s L - ---- "~ ::.:---: — ■ -------------------- ■ ----- — ■ " -- — - .In ■■ - ,----- ---- BU " . ..____[ ______ ____ .____ 'Ip j-,-----o----o----o AUS. Mona/ Juli Temp. -im; Utet/. C/L &Ä/nÄAko^y (^kXW. cWö/fc. MAS 'Zß/t/K/Vw/. M" 36. Marie/ tieh elf 7er. 3 Jahr [Temperatur im Rectum. Taf. V 10 oo Miun Morucdstag. ctc au 19 in . 15 16. BHSBT lt. 18 19 so. ZI | 2£ 23 29. 25. 26. 27. 28 29. TfizirikheMxfauf. StlXTtsl*/. 13 8-6 <+ -6 — 6 -4 2 tß a-6 3 12 I. 2 3 JO. S. 6- V. 8.10. 9 8 9 10, 3 11 18. 1. 2. 3. 4. 1.6.7 8. T 5. f. 8 ?. tO. 11. 13 /. z al 6 4 ff. 6b1.10.4.'f -fe. -—^------ 7. 7.10.4.7. 8. *■■ 10 4. 7 9 7 12 7 «< \/r t 6'. < 11 i. 7. 8. 9 Z. 6 'f. tu. 8. f. 10. ir. ie.f. . T^ 2, 3 4. 5. b. 7. 8. 13. b.7.6.?. 10 11. 12. 1. S. 3. *. 3.6. 7 S. 14-6 7. S. 9 10. 11. 1Z 1. &. ■}4 6 6. 15. 710.4. r 16. 7.10.47. n. f: 1- 6. 18. i 7 1. 6 • 39- s 6 4--38 8_ 6 -6-3/> ;= 6-3Z l-yr'3Z Em J868. Mo/wt ilie/ *> Jllli ---- Wies T aer 25 u fahre /. ■ ---- -----1 fc«M ---- ---- i— J ---- ---- ■ ---_ ---- ---- ---- ——- ... Hzj H :-----1 Möruttstog. W. // 12 13 19' /-; 16 17 18 y. 20 f/ 23.. 93 29 Kranial eitstag Stande-1+3 , ■ 8-'6 4 91 '-6-4-2-90 8- 4h 7-.1e1.1f.it S. (,. 7. 8 9 IC 11 1213 2. 3 4 6. 6-7. 8. 9 12 T 3. 6. 7. 8. 9-10 6 i 11 1- a 3 4 S. ---- 6. 7.S? fW.4-.1-. 9 6.JC4?: .6. i. t 17 6. 1. S. 19 6.1. ff. 13 &■ 1. 5. 19 6. 1 6 7. 8.911 6 ?:s. 13. '/ W. U. 1.2. 1. 2. ■ i 4. ff. M8.9. 6.7. 8 ?■ 16 w. 11. m 1 ?.. 3. 5 7. 8. b. 1. 6. 7 3. 9 10. /£ 6.7S. 18 9 w 11 fZIHä. 4 ff. 6. ?. 8. _..__'. 4-V—1: 6 4 38 ;-6 -4-37—t 6 -4-36^. 6-35 %~ ---- p^ ^Z7. \- L _ —-- ---- :tttt 1-- *-*— E-— ZZ^ V* X =^^ ---- ITTTIT A -'-'"'■ — -—— -—-- ---- .*^_ ^^ > — ■ JL. §A)AktW <%AAß^: örvibk. . Cßs/d* V ---- SsT '.vf;'v /■ % && -^>, >r ■. <. •^■'^/••■•¥■■ .-• * fcj^ . m£lTS'i . . "* .*. «r^f-V ß-# *t'' 1 .fW\ ^ E^RS ,5 i ^ Tik* Mfr ±a> ** -a5 ., '