NATIONAL LIBRARY OF "" ö ARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDIC / 8- \ w JO *avaan ivnoiivn aNniagw do Aavaan tvnouvn 3NiDiaaw do Aavaan tvnoiivn snidicisw do Asvaan tvnoij ■j L LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICI « 3 ~vr \ ^ LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICIN 0 ' 3* 1 I ^ dO AHViUll WNOI1VN 3NIDIQ3W dO AUVUll TVNOUVN 3NI3IQ3W dO AüVUn 1VNOUVN 3NIDIQ3W dO A«V«9n TVNOI1VI IBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICIN NLM001037318 IAL LIBRARY OF MC Y OF MEDICINE 4' * -A * law do Anvaan tvi 1 NATIONAL LIBRARY OF MEDICI MAL LIBRARY OF MED ^ ^4) s e.V. - -~enc. i ,\°- 'N I DUE JUKI 8 196* JSEPl < tmL 2-1965 AUG^Ö 1986 ^§M LAST DATE IAL LIBRARY OF MEDICINE w NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDIC r /V/ i VN i /VI VN i V i %T DIE NEUTROPHILEN WEISSEN BLUTKÖRPERCHEN BEI INFEKTIONS-KRANKHEITEN VON DR. JOSEPH ARNETH, I'RIVATDOZENT UND I. ASSISTENZARZT DER MEDIZINISCHEN KMNIK AM KCL. JULIÜSHOSPITAI.E Zu WÜRZBURG (VORSTAND: GEHEIMRAT PROFESSOR T)R. VON LEUBK). MIT 11 GRÖSSEREN UND 233 KLEINEREN BLUTBILDTABELLEN. JENA. VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1904. Inhalt. Seite A. Einleitung und Methodik . . 1 15. Ausf ührun g: I. Pneumonia crouposa..................24 II. Typhus abdominalis..................57 III. Anginen......................74 IV. Diphtherie......................79 V. Rheumatismus arriculorum............. 84 VI. Skorbut .............. 89 VII. Varizellen................ .90 VIII. Masern.....................92 IX. Parotitis epidemica . ................100 X. Krysipelas......................105 XI. a) Peritonsillitis phlegmonosa, Meningitis suppurativa, Septikämie, Osteomyelitis chronica, Dekubitus, Caries tiiberculosa, Empyeniii chronicum................... 109 b) Perityphlitis..... .............122 XII. Tuberkulose (Miliartuberkulose, subakute und chronische Form) . 143 XIII. Tetanus.......................158 C. Schlussübersicht und Schlussfolgerungen.............160 s A. Einleitung und Methodik. Eine gewaltige Arbeit ist in den letzten Jahrzehnten auf dem Ge- biete der morphologischen Blutanalyse geleistet worden, sowohl was die normalen als auch insbesondere, was die pathologischen Verhältnisse anlangt. Noch bis vor nicht zu langer Zeit konnte man dem Rindfleisch- schen Ausspruche, die „Leukocyten seien eine Art Omnibus, in welchem alles mögliche fährt", voll und ganz beistimmen; heutzutage dagegen sind wir dank der rastlosen Forschung in den Stand gesetzt, ziemlich genau über die bis dahin unbekannten Passagiere Auskunft erteilen zu können; nur über manche Details ihrer Herkunft liegt selbst jetzt noch ein dichter Schleier. Es hat sich herausgestellt, dass die Zahl, die Arten, die Mischungs- verhältnisse, die Kern- und Protoplasmabeschaffenheit, die Grössen etc. der Leukocyten einer ausserordentlichen Mannigfaltigkeit unterworfen sind; damit ist aber gleichzeitig doch auch die Erkenntnis einer Reihe von Gesetzen gereift, die in dem komplizierten Mechanismus ihre Gültig- keit haben und ihre Paragraphen sind sogar bis zu einem gewissen Grade der Erforschung zugänglich gewesen. Eine wohl kaum mehr für den einzelnen völlig übersehbare Literatur ist auf unserem Gebiete in den letzten Jahrzehnten entstanden; aus der letzten Zeit stammen ganz besonders inhaltsreiche und umfangreiche Abhandlungen, Monographien und Lehrbücher. Nur mit Bezugnahme auf grössere Arbeiten sei erwähnt, dass, was z. B. auch unser Thema anlangt, Türk1) im Jahre 1898 ein Buch von nicht weniger als 349 Seiten über das Verhalten des Blutes bei akuten Infektionskrankheiten (meist auf Zählungsresultaten. beruhende, aber auch morphologische Studien) geschrieben hat; sechs Jahre vorher hatte bereits Rieder2) dieses i) W. Türk, Klinische Untersuchungen über das Verhalten des Blutes bei akuten Infektionskrankheiten 1898. Braumüller. •■i) H. Ried er, Beiträge zur Kenntnis der Leukocytose etc. 1892. Vogel. Arneth, Blutkörperchen. 1 0 Einleitung. Kapitel sehr gründlich und ausführlich bearbeitet. Aus den Lehrbüchern seien insbesondere das von Ehrlich1), dem eigentlichen Vater der Lehre vom Blute, und die von von Limbeck2) und Grawitz3) hervorgehoben. Wenn wir die zahllosen Arbeiten überblicken, die, wie es meist bei derartigen Blutuntersuchungen der Fall zu sein pflegt, mit zu den zeitraubendsten und anstrengendsten mikroskopischen Untersuchungen gehören, so wissen wir nicht, was wir mehr bewundern sollen, die unend- liche Geduld und Ausdauer der Untersucher, oder die Menge und Mannig- faltigkeit der von ihnen zutage geförderten Resultate. Mit der Aus- bildung der Lehre vorn Blute überhaupt stieg aber auch die spezielle Lehre von den weissen Blutkörperchen und die Erkenntnis von deren essentiellen Bedeutung im Haushalte des Körpers immer höher und höher. Jedenfalls haben dieselben sich schon längst die Stellung in der Pathologie erobert, die Virchow bereits im Jahre 1846 für sie vindi- ziert hat. Wir können ihnen geradezu eine omnipotente Position unter den Elementarorganismen des Körpers einräumen. Wir sehen hier ganz ab von den Funktionen, die diese Zellorganis- men alltäglich unter normalen und physiologischen Bedingungen zu lei- sten haben. Es treten auch dabei morphologische Veränderungen an ihnen zu tage; wir werden später in dieser Richtung noch manches Detail bezüglich der neutrophilen Leukocyten kennen lernen. Nicht weniger wichtig und im Brennpunkte der gegenwärtigen wissenschaftlichen Bestrebungen und Forschungen stehend ist vielmehr die Rolle, die die Leukocyten als Schutzorgane des Körpers im Kampfe mit dessen inneren oder äusseren Feinden einnehmen. Man ist — und zwar mit besonderer Bezugnahme auf letztere — zur Erkenntnis ge- kommen, dass die Lehre von der Immunität in weitem Umfange ihren Urgrund in der Tätigkeit der Leukocyten hat, mag man sich den An- schauungen Metschnikoffs anschliessen, der ihnen eine direkte aktive Rolle in dem Kampfe mit den feindlichen Organismen zuschreibt (Phagocytentheorie) oder der anderen Theorie der Immunitätslehre, an deren Ausbildung eine Reihe von Autoren gearbeitet und zu deren Verständnis Ehrlich hauptsächlich seine Seitenkettentheorie aufge- stellt hat. Wir haben es nach den modernen Anschauungen nicht mehr mit einer direkten persönlichen Beteiligung der Leukocyten in dem Kampfe i) P. Ehrlich und A. Lazarus. Die Anämie. 1898. Holder. Nothnagels Sammelwerk. In diesem Sammelwerk sind dann noch eine Reihe von in grossem Massstabe angelegten Monographien wichtiger Blutkrankheiten erschienen. 2) R. von Limbeck, Grundriss einer klinischen Pathologie des Blutes. 1896. Fischer. 5) E. Grawitz. Klinische Pathologie des Blutes. 2. Auflage. 1902. Ber- lin, Enslin. Einleitung. 3 mit den pathogenen Mikroben zu tun, sondern mit Produkten ihrer Tätigkeit, einer Reihe von Gegengiften, seien sie nun antibakterieller oder antitoxischer Art, die sie als Schutzorgane des Körpers zu bilden vermögen. Um sich hierüber möglichst Klarheit zu verschaffen, was lag da näher, als zunächst die Veränderungen, die das Korps der Leukocyten bei Krank- heiten und speziell bei den Infektionskrankheiten, wo ja die Verhält- nisse zwischen Angreifer und Verteidiger augenscheinlich am offen- kundigsten zu tage liegen, genau zu analysieren? In der Tat wurzeln in dieser Überlegung die ausgedehnten und ungemein mühevollen Bestre- bungen, die Gesetze zu erforschen, nach denen der Körper seine natür- lichen Streiter im Kampfe mit den Infektionserregern entweder siegreich benützt oder die Verwüstungen kennen zu lernen, die im Falle der In- suffizienz und Niederlage seiner Schutzorgane unter denselben ange- richtet werden. Eine Unmasse von Leukocytenzählungen, seitdem bei fast allen Infektionskrankheiten in allen Stadien derselben durchgeführt, sind im stände, das Dunkel, das bislang über diesem Kapitel der Pathologie schwebte, etwas zu erhellen. Es hat sich dabei im grossen und ganzen heraus- gestellt, dass mit den einen Infektionskrankheiten eine Vermehrung, mit den anderen eine Verminderung der Leukocyten, mit wieder anderen keines von beiden einhergeht. Weiterhin hat man dann bei Feststellung des Mischungsverhältnisses (wieviel °/o neutrophile, eosinophile, baso- phile Leukocyten, wieviel °/o Lymphocyten, grosse mononukleäre Leuko- cyten, Übergangsformen) innerhalb der Familie der Leukocyten gefunden, dass auch hier gewisse Gesetze obwalten, dass bei der einen Krankheits- form z. B. die neutrophilen Leukocyten, bei der anderen die Lympho- cyten prozentualer im Vergleiche zu den normalen Mischungsverhält- nissen überwiegen, dass ferner z. B. die eosinophilen Zelien, die Mast- zellen völlig fehlen können oder dass sie ihre normale Anzahl weit über- treffen etc. Eine Reihe von differential-diagnostischen und auch prognostischen Gesichtspunkten hat sich sogar aus diesen Untersuchungen ergeben; man verlangt z. B. nach den heutigen Anschauungen im allgemeinen für die Diagnose Pneumonia crouposa eine Vermehrung der Leukocyten, für die Diagnose Typhus abdominalis eine Verminderung derselben; eine Ver- minderung der Leukocyten bei Pneumonie gilt als ein prognostisch un- günstiges Moment; eine hochgradige Vermehrung der eosinophilen Zellen bei gleichzeitiger Leukocytose fällt mehr für Scharlach gegenüber Masern in die Wagschale, welche letztere in unkomplizierter Form niemals zu einer Leukocytose Anlass zu geben pflegen, u. s. w. Trotz der gewaltigen bereits gemachten Anstrengungen — wir sehen auch jetzt noch kaum einen Monat vergehen, in dem nicht in der 1* 4 Einleitung. in- oder ausländischen Literatur Beiträge in dieser Richtung zu ver- zeichnen wären — sind wir noch weit entfernt, bei allen Infektions- krankheiten ohne Ausnahme die Gesetze komplett zu kennen, die sich von dem Momente der Infektion ab während der Inkubation, dann während des Verlaufes bis zur Ausheilung bezüglich des Verhaltens der weissen Blutkörperchen offenbar geltend zu machen scheinen. Aber auch die bereits gefundenen Tatsachen bestehen in vielfacher Beziehung durchaus nicht etwa in voller Harmonie, wir finden hier oft die grellsten Widersprüche in den Angaben; vielleicht ist dieser Um- stand gerade mit die Veranlassung gewesen, dieses Kapitel der Patho- logie so vielfach zum Gegenstand von immer neuen Untersuchungen zu machen. Wir werden im Laufe unserer Arbeit sehen, warum die Erzielung einer Übereinstimmung der Untersuchungsresultate so oft nicht mög- lich war und dass sie überhaupt in vielen Fällen gar nicht möglich ist. Merkwürdigerweise begnügten sich fast alle Untersucher mit der genauen Feststellung der Zahlen- bezw. der Mischungsverhältnisse der Leukocyten; nur relativ wenige drangen etwas tiefer in die innerhalb der einzelnen Leukocytenklassen selbst stattfindenden Veränderungen morphologischer Art ein; jedenfalls sind aber die Resultate, die dabei herauskamen, von keiner Bedeutung geworden. Es ist dies, wie aus unserer Arbeit zunächst bezüglich der neutrophilen Leukocyten hervor- gehen wird, sehr zu verwundern, da gerade in dieser Klasse der Leuko- cyten, die numerisch sich so sehr im Übergewicht befinden und die durch die Tracidfärbung Ehrlichs einer so einwandfreien Untersuchung zugänglich geworden sind, in der Tat, wie wir zeigen werden, Um- wälzungen ganz riesiger, und wenn wir die Verhältnisse in Zahlen um- setzen, so dürfen wir sagen, kaum für unsere Sinne mehr fasslicher Art stattfinden. Seit mehreren Jahren mit Blutuntersuchungen beschäftigt, die ihren Ausgangspunkt in einer zufällig gehäuften Anzahl von schweren Blut- krankheiten nahmen, die in diesen Jahren im Juliushospitale zur Beobach- tung kamen, bin ich in der letzten Zeit dazu übergegangen, die dort gewonnenen und nach manchen Richtungen mir ganz neu erschienenen Gesichtspunkte bei einer Reihe von Infektionskrankheiten durchzuprüfen und bin dann bei der weiteren Ausdehnung der Untersuchungen auf Verhältnisse gestossen, deren teilweise Veröffentlichung den Gegenstand dieser Arbeit bilden soll. Wenn wir aber im folgenden die neutrophilen Leukocyten bei den Infektionskrankheiten3), also unter pathologischen Verhältnissen nach i) Es konnten so ziemlich die meisten im Verlaufe der Untersuchungszeit in den Kreis der Beobachtung gestellt werden. Einleitung. 5 neuen Gesichtspunkten untersuchen wollen, so ist zunächst die Vorfrage zu erledigen, welches sind diese neuen Gesichtspunkte und wie verhalten sich unter normalen und physiologischen Verhältnissen die neutrophilen Leukocyten, wenn wir sie nach denselben Gesichtspunkten betrachten? Diesem Bedürfnisse entsprangen zunächst die Untersuchungen am notorisch gesunden Menschen und dann solche bezüglich der sogenannten physiologischen Leukocytosen etc. (s. u.). Ursprünglich war es geplant, auch gleichzeitig die eosinophil und basophil granulierten Leukocyten, sowie die Lymphocyten in den Kreis der Untersuchungen einzubeziehen, es ward mir aber alsbald klar, dass die Untersuchung der Verhältnisse der genannten übrigen Zellgattungen nach ähnlichen und auch anders gearteten, wie mir aber scheint, ebenfalls neuen Richtungen Gegenstand getrennter Arbeiten sein müssten, da sonst dadurch die Übersicht ge- fährdet, und auch der Umfang der Arbeit ein zu ausgedehnter und meine Kräfte zunächst übersteigender geworden wäre. Denn so interes- sant und wahrhaft spannend sich auch die Untersuchungen manchmal gestalteten, ebensogross waren die Anforderungen, die sich durch den gewaltigen Zeitaufwand und den trotzdem äusserst langsamen Fortschritt der Untersuchungen für die Ausdauer und nicht minder gross die, die sich infolge der minutiösen Beobachtungsobjekte für das Auge ergaben. Im Anschlüsse an die Untersuchung über die neutrophilen Leuko- cyten bei Infektionskrankheiten erscheint es als die Aufgabe einer weiteren Arbeit dieselben Studien bezüglich der eigentlichen Blutkrankheiten, von denen sie ja, wie schon erwähnt, ihren ursprünglichen Ausgang nahmen, fortzusetzen. Die zusammenfassende Darstellung der Verhältnisse bei den Eosinophilen und Mastzellen wird in einer dritten Untersuchungs- reihe möglich sein, der sich dann eine Darstellung der Verhältnisse bei den Lymphocyten anzureihen hätte. Die Untersuchungen müssen sich immer auf die gleichen Fälle beziehen, so dass nach Abschluss jeder Einzelarbeit eine Zusammenfassung der Einzelbefunde, nach Abschluss aller Einzelarbeiten eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Einzel- arbeiten möglich sein dürfte. Soweit ein Eingehen auf die Krankengeschichten der Fälle not- wendig erschien, ist dies in der gegenwärtigen Arbeit durch deren Ver- öffentlichung geschehen. Die Resultate der Leukocytenzählungen sind einstweilen ohne weiteres Detail angegeben worden, da dies für die gegenwärtigen Betrachtungen noch nicht erforderlich war. Hoffentlich gestatten es die äusseren Verhältnisse, die anderen Arbeiten, die ver- schieden weit fortgeschritten sind, einem baldigen Abschluss entgegen- zuführen. Wir beginnen mit dem, was unter normalen bezw. physiologischen Bedingungen bezüglich der neutrophilen Leukocyten des strömenden Blutes, soweit dies uns an dieser Stelle interessiert; bekannt ist und werden 6 Einleitung. dann zunächst zu untersuchen haben, wieweit sich etwa schon hierin eine Ergänzung unseres Wissens ergibt. Wir folgen dabei den neuesten und ausführlichsten Spezialwerken und Arbeiten auf diesem Gebiete von Reinert, Rieder, Türk, von Limbeck, Ehrlich, Pappenheim, Engel, Grawitz, von Ebner1). Bei von Ebner, dessen Lehrbuch in der anatomischen Spezial- wissenschaft wohl diesbezüglich die ausführlichsten Angaben machen dürfte, sind folgende Daten zu finden: Die polymorphkernigen Leukocyten zeichnen sich durch mannig- faltig eingebuchtete, oft wurstförmige, zwerchsackförmige, hufeisenförmige oder vielfach gelappte Kerne aus. Auch ringförmige, sogenannte Loch- kerne kommen vor. Die gelappten Kerne sind oft so tief eingeschnürt, dass die einzelnen Lappen nur durch dünne Verbindungsbrücken zu- sammenhängen, welche leicht der Beobachtung entgehen. Solche Leuko- cyten sind scheinbar mehrkernig. Es kommt auch tatsächlich zur Durch- schnürung der Verbindungsbrücken und dadurch zur Bildung wirklicher mehrkerniger Leukocyten, die als multinukleäre bezeichnet werden können (S. 716 bezw. 717). Bei Rieder findet sich nur eine Trennung in polymorphkernige und polynukleäre neutrophile weisse Blutkörperchen; die ersteren seien die Übergangszellen von den mono- zu den polynukleären Zellen, und würden bei systematischen Zählungen am besten den letzteren zuge- zählt (S. 8). Türk betrachtet als zu den normalen Leukocytenformen gehörend (S. 19, Nr. 4): die polynukleären neutrophilen Zellen mit Einschluss der polymorphkernigen und der im normalen Blute nur ganz vereinzelt einmal vorkommenden mononukleären neutrophilen Elemente, hauptsäch- lich charakterisiert ausser dem vielgestaltigen Kerne etc. von Limbeck sagt bezüglich der neutrophilen Zellen nach der uns interessierenden Seite auf S. 242: „Die Grösse ihres Zellleibs wie die Gestalt ihres Kernes ist sehr grossen Schwankungen unterworfen. Die Überzahl derselben ist etwas grösser als ein Erythrocyt, und die überwiegende Mehrzahl gehört zu den mehrkernigen (polymorphkernigen, Ehrlich) oder jenen der sogenannten Übergangsform. Im letzteren Falle zeigen sie meist einen an ein oder mehreren Stellen verschieden i) Die meisten der angeführten Werke sind bereits früher zitiert; nicht zitiert sind: 1. C. S. Engel, Leitfaden der klinischen Untersuchung des Blutes. IL Auflage 1902. Hirschwald. 2. V. von Ebner in A. Köllikers Handbuch der Gewebelehre des Menschen VI. Auflage. III. Bd. 1902. 3. A. Pappenheim, Virchows Archiv Bd, 159 S. 40 u. Bd. 160 S. 1 u. 307. „Von den gegenseitigen Beziehungen der verschiedenen farblosen Blutzellen zu einander." Einleitung. tief eingeschnürten Kern. Sie sind es, auf deren Vermehrung im Blute die Mehrheit der sogenannten Leukocytosen zu setzen ist. Die neutro- philen Zellen und unter ihnen wieder vorwiegend die polynukleären und die Übergangsformen sind es, welche, sofern dem Blute sonst fremde Gebilde in dasselbe eintreten, sich derselben bemächtigen (Phagocytismus). Ehrlich1) macht die folgenden Angaben: Von den s Granula führenden Zellen führt die eine Gruppe zumeist die eigentümlichen, polymorphen (E, S, V, F) Kernfiguren oder mehrere kleine, rundliche, stark tingierte Kerne, die zweite zumeist in der Minderzahl vorhandene Gruppe Elemente, die einen grossen, plumpen, ovoiden, schwach tingiblen Kern und eine relativ geringe Protoplasmamasse enthalten. Es lässt sich jedoch zeigen, dass zwischen diesen beiden Formen, die ich der Kürze halber als mononukleäre und polynukleäre (mit « Granulationen) bezeichnen will, eine prinzipielle Scheidung nicht besteht. Die poly- nukleären Zellen entstehen durch eine progressive Metamorphose der mononukleären Momente; bei diesem Vorgang finden eine Reihe kompli- zierter Vorgänge statt, die in gleicher Weise Kern und Protoplasma betreffen. Während aus dem ursprünglichen plumpen und schwach tingiblen Kernovoid sich die kleinere und intensiv färbbare Kernfigur entwickelt, entsteht die s Körnung im Leibe der Zelle und häuft sich darin entsprechend den Fortschritten der Kernumbildung aufs dichteste an (Reifung). In einer anderen Arbeit2) unterscheidet Ehrlich unter den Zellen des Blutes unter Ziffer 4 sehr zahlreiche Gebilde, welche besonders durch eine eigentümliche polymorphe Kernfigur ausgezeichnet sind, die darauf zurückzuführen ist, dass ein relativ langer, unregelmässig ein- und aus- gebuchteter Kern in der verschiedensten Art, bald in der Form eines S, bald in der eines V, Y, Z oder E arrangiert ist. Da die so ent- stehende Kernfigur unter dem Einflüsse der Reagenzien entsprechend den Einschnürungen in mehrere, drei, vier Einzelkerne zerfallen kann, hat er diese Gebilde früher mit dem vielleicht nicht ganz passenden Namen der polynukleären Leukocyten bezeichnet. Zu seinem zusammenfassenden Hauptwerke „Die Anämie" (1. c.) ist ferner ergänzend folgendes hinzuzufügen: Der erheblich grössere Teil der (sogenannten) polynukleären Leuko- cyten wandert, fertig im Knochenmark gebildet, in die Blutbahn ein. Der'völlige Zerfall dieses Kernstabes in drei bis vier kleine rundliche Einzelkerne kann schon im Leben als ein natürlicher Vorgang sich ab- i) P. Ehrlich, Methodologische Beiträge zur Physiologie und Pathologie der verschiedenen Formen der Leukocyten. Zeitschrift für klinische Medizin. Bd. I Heft 3. i) P. Ehrlich, Über die Bedeutung der neutrophilen Körnung. Chante- Annalen Bd. XII. s Einleitung. spielen; Ehrlich hat ihn zuerst in einem Falle hämorrhagischer Pocken gefunden; häufig findet man ihn in frischen Exsudaten. Früher sah man unter der üblichen Anwendung mancher Reagenzien, z. B. Essig- säure, diesen Zerfall des Kernes in mehrere Teile öfter und deshalb hat Ehrlich auch die eigentlich nicht ganz zutreffende Bezeichnung „poly- nukleär" für diese Zellform gewählt. Genauer wäre der Ausdruck „mit polymorpher Kernfigur". Engel (1. c.) erwähnt nur, dass es einkernige und mehrkernige neutrophile Leukocyten gibt; zu den einkernigen rechnet er die Ehr- lich sehen Myelocyten. Der Myelocytenkern ist nicht immer rund, er kann auch sanduhrförmig und eingebuchtet sein. Man bezeichnet dann diese Zellform als Übergangsform zu den multinukleären Neutrophilen. Die Multinukleären sind mehr- resp. polymorphkernig, die Kerne zeigen eine deutliche chromatische Netzstruktur und hängen zuweilen mit- einander zusammen. Die Gesamtmasse der Kernsubstanz beträgt etwa nur den vierten Teil der ganzen Zelle. Sie haben ca. 10 (.1 im Durch- messer, doch kommen, namentlich im pathologischen Blute, auch kleinere, vielfach auch grössere Formen vor. Diese letzteren besitzen dann auch eine grössere Anzahl von Kernen. Die reifen Formen unter den neutro- philen Leukocyten sind mehrkernig; die unreifen einkernig (im obigen Sinne). Grawitz (1. c.) unterscheidet in der Familie der Leukocyten unter Ziff. 2 neutrophil granulierte Zellen mit polymorphen Kernen (polynukleäre neutrophile Leukocyten). Der Kern zeigt sehr charakteristische, immer wiederkehrende polymorphe Typen von Hufeisen-, Kleeblatt- oder sonstiger unregelmässiger Form, die einzelnen Bälkchent des Kernes hängen meist miteinander zusammen, doch können sie auch ganz voneinander abrücken. A. Pappenheim, der sich mit der Cytogenese der Leukocyten beschäftigt und weniger mit den Verhältnissen der Leukocytenformen im strömenden Blute, lässt der Altersentwickelung der gekörnten Zellen von den rundkernigen Zellen ihren Ausgangspunkt nehmen, die sich über das Stadium der Übergangsformen mit leicht eingebuchtetem Kern (Spilling) weiter zu typisch-multinukleären, gekörnten Zellformen mit stark zer- klüfteten, vielfach eingeschnürten Kernen fortentwickeln. „Mit anderen Worten: auch die „Übergangsformen" sind zwar einkernig, immerhin aber doch schon fortentwickelte, etwas gealterte Zellen und stehen dem polymorphen Typus näher, als dem primitiven rundkernigen. Setzt man die Einkernigkeit in Gegensatz zur sogenannten Vielkernigkeit, so ist es überaus schwer zu sagen, wo erstere aufhört und wo letztere anfängt, während die runde oder allenfalls ovoide Form, zumal bei schmalem Zellleib, sich viel besser von den übrigen abgrenzen lässt. Was die im wahren Sinne vielkernigen Zellen betrifft, so schienen dieselben nach A r n o 1 d und M a r w e d e 1 sich nur bei Zelldegenerationen zu finden. Wir Einleitung. 9 schlagen also nunmehr vor, nicht mehr die Altersstufen der Zelle nach der Einkernigkeit, Polymorphkernigkeit und Fragmentiertkernigkeit zu unterscheiden, sondern nur noch von rundkernigen, gelapptkernigen und vielkernigen Zellen zu sprechen, wofür sich vielleicht die Fremdwörter „karyosphärisch, karyolobisch (6 Xößog der Lappen) und karyorhektisch" empfehlen dürften. Im Verlauf der cytogenetischen Alterung entwickelt sich sowohl in der granulationslosen wie in der granulierten Gruppe eine Zelle mit grossem, rundem Kern und schmalem Protoplasmaleibe zu einer Zelle mit etwas kleinerem, mehr zentral gelegenen, ovoidem Kern und breiterem Zellleib. Später bekommt dieser Kern Abflachungen, erst geringere und dann tiefere Einbuchtungen, bis er schliesslich aus der Hufeisen- und Zwerchsackform in die typische Kleeblatt- u. s. w. Form des gewöhnlichen bisher sogenannten multinukleären Leukocyten über- geht. Auch die Ringkerne gehören zur karyolobischen Altersklasse." S. 75 (159. Bd.) behauptet Pappenheim, dass die ein- und auch rundkernigen, granulierten Zellen mit dunkel färbbaren Kernen = die sogenannten „Pseudolymphocyten Ehrlichs" oder „gekörnten Zwergkörperchen", die eben durch ihren dunkelfärbbaren Kern in aller erster Linie von den „Myelocyten" abstechen und demnach auch auf diesen Namen keinen Anspruch haben könnten, die direkten Vor- stufen der gewöhnlichen polynukleären Leukocyten seien. Auf die neue von ihm vorgeschlagene Nomenklatur, die insbesondere auch die bis dahin eindeutig verstandenen Begriffe „Myelocyt" und „Leukocyt" umstösst, sei nicht näher eingegangen, obwohl sich bei der Entwicklung derselben manche uns hier bis zu einem gewissen Grade interessierende Gesichtspunkte ergeben würden; Pappenheim hat ohne- dies selbst seine Anschauungen mit der alten Nomenklatur in Einklang zu bringen gesucht1). Wie wir im vorstehenden gesehen haben, machen alle Autoren über die Kernbeschaffenheit der neutrophilen Leukocyten des strömenden Blutes im wesentlichen die Angabe, dass hier mannigfach verschnörkelte und bizarre Konfigurationen des Kernstabes und seiner Teile anscheinend ohne alle Regelmässigkeit vorkommen; nirgends ist ein Versuch gemacht, in dieses unter den neutrophilen Leukocyten des Blutes bestehende Chaos Ordnung zu bringen. Zum Teil unterscheiden die Autoren zwar zwischen polymorphkernigen Zellen und multinukleären Zellen im eigent- lichen Sinne des Wortes, eine besondere Bedeutung hat aber bis jetzt, soweit ich aus der Literatur ersehe, dieser verschiedenen Kernbeschaffen- heit niemand beigelegt; meist werden die beiden Zellarten in einen Topf i) S. Zeitschrift für klin. Medizin 47. Bd. 3. u. 4. Heft und Virchows Ar- chiv. Bd. 164. 2. Heft. 10 Methodik. geworfen, nicht einmal ein Versuch, sie in den Zählungen getrennt auf- zuführen, ist mir bis jetzt aus der Literatur bekannt geworden, ge- schweige denn, dass sich Untersuchungen zur planmässigen Erforschung dieser Verhältnisse des Kernes der neutrophilen Leukocyten daran an- geschlossen hätten. Und doch sind diese Verhältnisse, wie wir sehen werden, von der allergrössten Bedeutung. Hier setzen vorliegende Untersuchungen ein; da wir es im folgenden mit zum ersten Male ausgeführten Untersuchungen zu tun haben, so ist ein weiteres Literaturstudium selbstverständlich nicht möglich. Veranlasst, wie schon oben erwähnt, durch neue, bei Blutkrank- heiten gewonnene Anschauungen, stellte ich mir zunächst die Aufgabe, ein authentisches Blutbild von der jeweiligen Zusammensetzung der neutrophilen Leukocyten und ganz speziell von der ihrer Kerne zeich- nerisch zu entwerfen; denn nur so waren augenscheinlich die Verhält- nisse möglichst genau wieder zu bekommen und voraussichtlich ver- gleichende Zusammenstellungen von Aussicht auf Erfolg. Zu diesem Behufe zeichnete ich mir aus zwei tadellos ausgestrichenen, zusammen- gehörigen, mit Triacid gefärbten Präparaten der Fälle je 50 neutrophile Leukocyten = 100 heraus. Jeder Leukocyt wurde einzeln genau gemessen. Die sich ergebenden Grössendifferenzen und Formmannigfaltigkeiten von jedem einzelnen Leukocyten genau zeichnerisch wiederzugeben, erwies sich mir aber bald wegen des damit verbundenen Zeitaufwandes als für grosse Untersuchungsreihen undurchführbar, und darum beschränkte ich mich in den Untersuchungen sehr bald darauf, vorgedruckte Kreise von verschiedener Grösse für die Einzeichnung der Kernverhältnisse zu be- nützen. Es wäre natürlich aber auch hier zu weitläufig gewesen, für jede Leukocytengrösse eine eigene Kreisform zu benützen, vielmehr wurden immer eine gewisse Anzahl von Leukocytengrössen in dieselbe Kreisform eingezeichnet. Auf welche Weise dafür gesorgt wurde, dass doch die wirklichen Grössenangaben ersichtlich bleiben, ist unten ausgeführt. Zum Vordruck der Kreisformen standen mir eine Anzahl von kleinen Ringen mit scharfem Rande zur Verfügung (sie dürften auch leicht in Gummistempelform anzufertigen sein), deren Durchmesser sich je um ca. 1 mm unterschied; so gewann ich auf einer Anzahl von Blättern grosse Reihen von der Grösse nach aufsteigenden Kreisformen; in diese wurden die Kerne möglichst naturgetreu eingezeichnet; in all den Fällen, wo die Zellgrösse nicht genau mit der wirklichen Grösse des benützten Kreises übereinstimmte, mussten naturgemäss nach dem Augenmass die Dimensionen der Kernbestandteile etwas entsprechend vergrössert oder verkleinert werden. Die Differenzen sind jedoch so geringe, dass das Übersichtsbild kaum darunter gelitten haben dürfte, um so mehr als die Methodik. 11 wirkliehe Grösse in der Tabelle immer auch angegeben istx). Zur Illustra- tion dieser Verhältnisse sei die Tabelle Dr. A 1 auf Tafel I beigezogen. Wie aus derselben ersichtlich ist, sind in ihr nur drei verschiedene Grössen von Kreisen zur Anwendung gekommen, nämlich 1. Kreise von 7*/4 mm Durchmesser; in dieselben wurden die Kerne derjenigen weissen Blutkörperchen eingezeichnet, die eine Grösse von 11,2 f.i (inkl.) — 12,9 (.i (inkl.) aufwiesen; 2. Kreise von 8V2 mm Durchmesser; entsprechend wurden hier die Kernverhältnisse der 12,9 (.1 (exkl.) — 14,6 \i (inkl.) grossen Leukocyten eingetragen; 3. solche von 91/4 mm Durchmesser entsprechend den Zellgrössen von 14,6 |U (exkl.) — 16,2 p (inkl.). Als Mikroskop diente ein Leitzsches Instrument mit verschieb- barem Objekttisch, homogener Ölimmersion 1/i2, Okular I, Vergrösserung 570 fach bei 170 mm Tubuslänge. Die Zeichnungen wurden nur nach guten Triacidpräparaten ange- fertigt, welche Färbung ja für die neutrophilen Granulationen spezifisch ist. Es besteht also die Garantie, dass alle resp. nur neutrophile Zellen dabei zur Abzeichnung gelangten; die Granulationen sind infolgedessen in den Zeichnungen völlig unberücksichtigt geblieben. Wenn man ein Triacidpräparat mit einem Eosin - Hämatoxylin- präparat, schon weniger mit einem Eosinmethylenblaupräparat desselben Blutes bezüglich der Kernfiguren vergleicht, so fällt auf, dass im Eosin- Häinatoxylinpräparat die Kerndetails viel schärfer wiedergegeben sind, und dass insbesondere oft feinste Kernfäden und Verbindungsbrücken zwischen Kernteilen wiedergegeben sind, die im Triacidpräparat fehlen oder nur angedeutet sind. Daraus darf nun nicht etwa der Schluss ab- geleitet werden, dass die Triacidfärbung zur Darstellung der Kernver- hältnisse ungeeignet sei. Wenn auch das Hämatoxylin eines der besten Kernfärbemittel ist, so ist es doch in dieser Kombination für unsere Zwecke weniger geeignet als das Triacid, weil durch Eosin-Hämatoxylin die neutrophile Granulation nicht fingiert wird, und darum die Garantie, dass auch nur wirklich allein neutrophile Zellen zur Zeichnung gelangen, wegfällt. Im übrigen sind die Unterschiede, die sich dadurch ergeben, nicht von besonderem Belange, im schlimmsten Falle handelt es sich um eine kleine gleichmässige Verschiebung des Blutbildes nach oben (wie dies zu verstehen ist, s. später). Das Gesamtresultat und seine Bedeutung wird, wie Kontrolluntersuchungen ergeben haben, dadurch 1) Bei der Lithographie der Tafeln Hessen sich jedoch auch diese Differenzen beseitigen, sodass die Grössenverhältnisse der einzelnen Zellen so ziemlich der Wirklichkeit entsprechen. Der Text trifft daher in dieser Beziehung für die Tafeln nicht mehr vollständig zn. 12 Methodik. ----- 6.6 -- 1.9/J -----8.1 — 9.6.« 10 10.8// nicht alteriert. Schliesslich kann man es sogar als erwünscht bezeichnen, wenn nicht alle feinsten Kernfädchen und Verbindungsbrücken im Triacid so deutlich hervortreten wie bei Hämatoxylinfärbung, da dadurch die bildliche Darstellung der Verhältnisse ungemein erleichtert wird, und auch die Auffassung der sich ergebenden Tafeln eine mehr in die Augen springende ist. Bezüglich der Färbung mit Triacid selbst sei hier kurz bemerkt, dass ich mit einem zwei Jahre alten ausgezeichneten Präparate in 1 bis IV2 Minuten die prächtigsten Färberesultate erzielte; zur Fixierung waren die Präparate zuvor auf 1 h in absoluten Alkohol gelegt worden. Wir fahren in der Beschreibung der Herstellung unserer Blutbilder- tabellen von -oben fort. Die wirkliche Grösse der einzelnen Zellen wurde in der Weise markiert, dass in eine oder zwei Ecken der beim späteren Ausschneiden der klei- nen Kreise (s. 0.) entstehenden Quadrate mit sehr spitzem Bleistift die entsprechende Zahl noiert wurde; beim Ausschneiden wurden auf diese Weise 100 kleine Bildchen in nebenstehen- den Formen (verschiedener Grösse) mit den ab- soluten Grössenangaben in einer ihrer Ecken gewonnen. Nun wurde eine Zusammenstellung der einzelnen Zellquadratausschnitte nach der Grösse und Kernstruktur der Zellen gemacht. In der nach den unten beschriebenen Gesichts- punkten orientierten Zusammenstellung wurden sie dann einzeln auf einen Karton aufgeklebt, so dass schliesslich Tabellen wie auf Tafel I ent- 187-etc/< standen. Es wurden eine grössere, aber immerhin beschränkte Anzahl solcher Tabellen bei ver- schiedenen normalen und pathologischen Fällen angefertigt; sie sind in dieser Arbeit am Schlüsse angefügt; im Text ist entsprechend darauf verwiesen. Generell ist noch eine wichtige Angabe bezüglich des Zeitpunktes aller folgenden Blutuntersuchungen zu machen. Wie die bei jedem Ver- suche gegebene Zeitangabe der Entnahme des Blutes beweist, wurde in den allermeisten Fällen nur direkt vor oder zur Zeit des Mittagessens die Untersuchung ausgeführt, in manchen Fällen nüchtern; das Nähere auch bezüglich der etwa vorausgegangenen Speisenaufnahme ist in jedem Einzelfall im Text angegeben. Auf diese Weise wurden die mit der Verdauung bedingten Veränderungen der Blutkörperchenzahl möglichst ausgeschaltet, jedenfalls aber ein in dieser Beziehung möglichst gleich- 11.2— 12.9,« 13.3— l*i. 6A 15o — 16,2// 16.7 — 18..V Methodik 13 massiges Resultat erzielt, soweit sich dies in klinischem Betriebe und bei Untersuchungen an Kranken überhaupt erreichen lässt. Eine weitere notwendige Bemerkung betrifft die in die Kerne meh- rerer Tabellen schematisch eingezeichneten Pünktchen; sie sollen die bei gelungener Triacidfärbung sich meist sehr scharf fingierenden Chromatinkör- ner in ihrer ungefähren Anordnung und Ansammlung markieren. Sie werden im folgenden kurzhin als Chromatinkörner oder chromatische Körperchen bezeichnet werden.—Wenn wir betrachten, wie die Ordnung der 100 kleinen Leukocytenbildchen auf der Tabelle beschaffen ist, so fallen uns sofort, abgesehen von den Grössenverhältnissen, gewisse Gesichtspunkte auf, die sich aus der Form der Kernbestandteile in dem anscheinenden Durch- einander ergeben. Die Tabelle stellt das Mischungsverhältnis meiner eigenen neutrophilen Leukocyten im März 1903 im nüchternen Zustande dar. Sie enthält sechs quere Abteilungen und neun senkrechte. Die erste der queren Abteilungen gibt die Grössen der zu jeder Grösse ge- hörigen senkrechten Einteilungen in 0,001 mm an. Die zweite der queren Abteilungen bildet mit der sechsten die eigentliche Blutbild- tabelle, wir tun darum besser nur fünf eigentliche quere Hauptabteilungen zu führen. Die erste dieser Hauptabteilungen weist nur vier Zellexem- plare auf, deren Kerne eine sogenannte polymorphe Gestalt haben, wie die bis jetzt übliche Bezeichnung war. Für unsere Zwecke ist bezüg- lich dieser Zellen folgendes wichtig zu betonen: 1. dass sie nur einen Kern besitzen (einkernig sind), der allerdings von polymorpher Konfiguration ist, 2. dass der Kernstab tief eingebuchtet ist, 3. dass der Kernstab von schmaler Beschaffenheit, gewissermassen ausgezogen ist; da er augenscheinlich keinen Platz hat, sich in die Länge zu strecken, so sind alle möglichen Knickungen und Formveränderungen an ihm zu konstatieren, die die Autoren in der oben angegebenen Weise beschrieben haben, 4. dass sich auch einzelne chromatische Körperchen, jedenfalls — im Vergleiche zu der Menge derselben in den folgenden Ab- teilungen — in einer geringeren Anzahl vorfinden; man findet sie öfters (bei Durchmusterung des Präparates) entsprechend der sich vorbereitenden weiteren Teilung des Kernstabes in Häufchen. Diese letztere Bemerkung gilt auch für alle weiterhin zu be- schreibenden Kernfiguren. Wir werden diese Klasse von Zellen mit Recht als neutrophile einkernige Leukocyten mit tief eingebuchtetem Kerne be- zeichnen dürfen. Wie wir noch sehen werden, haben wir in der Folge es auch mit neutrophilen einkernigen Leukocyten mit wenig eingebuchteten Kernen zu tun. Schon jetzt sei vorausgeschickt, dass 14 Methodik. ich als die Grenze für diese beiden Zellarten für die Zwecke dieser Arbeit den Zustand des Kerns fest angenommen habe, wo seine Ein- buchtung gerade die Hälfte des Kernleibes erreicht. Denken wir uns also einen neutrophilen Myelocyten und den Kern in der weiteren Ent- wicklung zunächst eine ganz schwache Einbuchtung erhalten, dann eine etwas tiefere und so fort, bis der tiefste Punkt der Einkerbung eben den Mittelpunkt der ursprünglichen Kreisform des Kernes erreicht hat, so würden wir alle diese Kernformen zu den wenig eingebuchteten zu rechnen und dementsprechend auch die Zellen zu rangieren haben. Alle diese Grenzen überschreitenden Kernformen und Zellen sind demnach zu den neutrophilen Leukocyten mit tief gebuchtetem Kerne zu zählen. Wie sich hieraus von selbst ergibt, folgt zunächst für die wenig ein- gebuchtete Kernform, dass ihre Schlinge sich durch eine grössere Breite oder Dicke und Schwerfälligkeit auszeichnen muss, während die tief- gebuchteten Kerne sukzessive immer dünner, schlanker, ausgezogener werden. Wie sich im Laufe der Untersuchungen gezeigt hat und auch vielfach einzuhalten versucht wurde, wäre es in der Tat auch sehr zweck- mässig, unter den Zellen mit tiefgebuchteten Kernen wiederum verschiedene Unterabteilungen zu machen, wenigstens drei, nämlich 1. eine Sorte von Zellen, die den mit wenig gebuchteten Kernen noch am nächsten steht, also noch eine ziemlich dicke, nur ein- mal tief eingebuchtete Kernschlinge besitzt, welch letztere selbst noch keine weiteren Einschnürungen oder Anschwellungen als Zeichen weiterer Teilung aufweist, 2. eine Sorte, die das Extrem der ersten darstellt, also Zellen mit ungemein lang ausgezogenen, schmalen, vielfach eingekerbten Kernen und 3. eine Sorte, die die Mitte zwischen beiden hält. Diese Einteilungen wären allerdings, besonders an den Grenzfällen, mehr dem subjektiven Ermessen überlassen, sind aber wohl durchzuführen und ergeben sicherlich gewisse beachtenswerte Resultate. Wir haben jedoch, um die Verhältnisse zunächst nicht zu kompliziert zu gestalten, von der Einhaltung dieser weiteren Unterklassifikation abgesehen. Bezüglich der Chromatinkörperchen in den beiden grossen Klassen ist zu sagen, dass die Zellen mit saftigem, wenig eingebuchtetem Kerne fast nie oder nur in einzelnen Exemplaren Chromatinkörperchen tragen, dass dagegen die Körperchen in tiefgebuchteten Kernen, d. h. je weiter die Entwickelung der Kernform nach abwärts vorgeschritten ist, im all- gemeinen immer zahlreicher auftreten. Gehen wir nun zur zweiten Hauptabteilung unserer Tabelle, so finden wir hier andere, fortgeschrittenere Verhältnisse. Wir haben es hier mit zwei Kernbestandteilen, also mit zwei kernigen Zellen zu tun. Methodik. 15 Die Kernbestandteile weisen entweder eine Schlingenform auf oder sind vollkommen rund. In dem vorliegenden Falle finden sich vor: 1. Zellen mit zwei Kernschlingen, 2. Zellen mit einer Kernschlinge und einem Kern. 3. Die dritte Form (Zellen mit zwei runden Kernteilen), die na- türlich auch möglich ist und in der Tat auch häufig genug sonst vor- kommt, ist wohl zufällig hier nicht vertreten. — Die Schlingen sind selbst- redend zierlicher, kleiner und zum Teile ebenfalls langgezogen, dünn — dann tragen sie auch meist schon wieder neue Einkerbungen zum Zei- chen, dass sich ein weiterer Zerfall vorbereitet, oder sie sind dicker und kürzer und dann ohne solche Einkerbungen. Je länger und dünner die Schlingen sind, desto mehr Chromatinkörperchen tragen sie gewöhnlich, je dicker und weniger eingebuchtet, desto weniger. Die ganz runden Kernteile sind auch oft ohne alle Körnchen. Es ist wahrscheinlich, dass die Kernbestandteile, nachdem sie aus der einker- nigen Formation mit den relativ spärlichsten Chromatinkörperchen her- vorgegangen sind, zunächst etwas an Volumen zunehmen, dann erst sich in die Länge ausziehen, um schliesslich weiter zu zerfallen; genau so, wie wir es oben bei der Entwickelung aus den Myelocyten bezüglich der weiter ausgebildeten einkernigen Zellen gesehen haben. Es scheint je- doch, dass bei der relativ geringen Zahl von im Blute anwesenden Zellen mit zwei runden Kernen, wie wir in allen folgenden Blutunter- suchungen konstatieren werden können, der Zerfall des Kernes der ein- kernigen Zelle nicht immer und vielleicht nur sehr beschränkt in zwei runde Kerne erfolgt; jedenfalls müsste im anderen Falle eine eminent rasche Weiterentwickelung der beiden runden Kerne angenommen werden. Vielmehr besteht auf Grund der gewonnenen Tabellen und der Konfigura- tion der tiefgebuchteten Kerne der einkernigen neutrophilen Zellen aller Grund zur Annahme, dass wir es meist sofort mit Zerfall in zwei Schlingen oder besonders in einen Kern und eine Schlinge zu tun haben. Der Massstab für die Annahme eines runden Kernteiles oder einer Schlinge wurde, wie folgt, festgelegt. Zu ersteren zählte nur, was absolut runde Konturen aufwies; auch Kernbestandteile, die eine etwas eckige, aber nicht eingebuchtete oder eine ovale Form aufwiesen, wurden noch dazu gerechnet. Jegliche Konkavität, besonders wenn der Kern etwas oblong an und für sich war, oder längere, selbst uneingebuchtete, gerade Be- schaffenheit machte ihn für die Zählung (s. sp.) zur Schlinge. Es wurde also hier nicht mehr wie oben unterschieden zwischen einem Kern mit geringer Einbuchtung und einem solchen mit tiefer; dies würde schon hier, noch mehr aber in den folgenden Hauptabtei- lungen zu weit geführt haben. Möglich ist es aber und tatsächlich habe ich bei meinen Untersuchungen, bei denen meist auch hierauf ge- achtet wurde, den Eindruck gewonnen, dass auch in dieser Richtung in den einzelnen Blutbildern grosse Verschiedenheiten anzutreffen sind. 16 Methodik. Wie bei der ungeheuren Zahl der Kernbeschaffenheit-Variationen nicht zu verwundern ist, wurden hie und da Exemplare angetroffen, die für die Einrangierung Schwierigkeiten bereiteten; es wurde dann immer nach Gutdünken verfahren. Dies gilt auch für das Folgende. In der dritten Hauptabteilung finden wir das Gros der Zellen zu 48°/o. Wir haben es hier mit drei Kernbestandteilen zu tun, deren Beurteilung bezüglich ihrer Form genau nach denselben Grundsätzen geschieht, wie dies soeben für die Kernbeschaffenheit der zweiten Haupt- abteilung erfolgt ist. Wir verzeichnen 2°/o mit drei runden Kernteilen, 13°/o mit drei Kernschlingen, 14°/o mit zwei Kernschlingen und einem runden Kernteil und 19°/o mit zwei Schlingen und einem runden Kernteil. In der vierten Hauptabteilung sind 23°/o untergebracht; davon rechnen 4°/o zu den Zellen mit vier runden Kernteilen, 7°/o zu denen mit drei runden Kernteilen und einer Schlinge, 4 °/o haben drei Schlingen- teile und einen runden Kernteil, 8 °/o zwei Kernschlingen und zwei runde Kernteile. In der fünften Hauptklasse befinden sich 4°/o Zellen; wir sehen, dass wir es hier meist nur mit kleinen runden Kernteilen zu tun habsn, ganz so, wie es bei einer fortschreitenden Zerstückelung des Kernes zu erwarten ist. Die Schlingenteile des Kernes sind hier fast nie stärker einge- buchtet. Wir zählen 2 °/o Zellen mit fünf runden Kernteilen, 1 °/o mit drei Schlingen- und zwei runden Kernteilen und 1 °/o mit vier runden Kern- teilen und einem Schlingenteil. Es ist nun noch die Einteilung der Tabelle in der Senkrechten zu berücksichtigen; wir haben links die kleinsten, rechts die grössten Zellenexemplare und sehen, dass die meisten eine Grösse besitzen, die zwischen 11,2 und 16,2 (i schwankt. Damit sind wir an der Grenze der für den Kern möglichen Zer- legung angelangt, wir werden nur in seltenen Fällen in der Folge Zellen finden, die mehr als fünf Kernbestandteile aufweisen. Um nicht immer die Bezeichnungen Schlinge bezw. Kernteil, die sich oft wiederholen werden, mitschleppen zu müssen, sind von jetzt ab nur mehr deren Anfangsbuchstaben S bezw. K verwendet worden; dies hat sich auch als notwendig gezeigt bezüglich der anderen Art von Tabellen (s. u.), die von jedem Blutbilde aufgestellt wurden. Wie oben bereits angedeutet, erwies sich die Anfertigung von ähn- lichen Tabellen wie die eben analysierte, aus leicht ersichtlichen Gründen für jede einzelne Blutuntersuchung als unmöglich. Es hat sich heraus- gestellt, dass sich auch auf andere viel weniger umständliche Weise ein Methodik. 17 fast ebenso brauchbares Bild von der jeweiligen Zusammensetzung der Neutrophilen gewinnen lässt; allerdings fällt dabei die Messung und Ab- zeichnung jeder einzelnen Zelle vollständig weg. Tabelle Dr. A. 1 auf Tafel 1 ist die hieher gehörige diesbezügliche Tabelle. Ich benützte dazu sogenanntss mm Papier, mit stärkerer Markierung der cm bezw. qcm; jeder der qcm ist auf diesem Papier in 100 gleiche Teile geteilt; wir zählen in der Breite 5, in der Höhe 6 cm = 30 qcm. Die ersten 5 qcm sind zur Hälfte für die Überschrift „Kernteile", zur anderen Hälfte zur Angabe der Anzahl der in der entsprechenden Kolumne unter- gebrachten, nach ihren Kernteilen geordneten Zellen verwendet. Die anderen Bezeichnungen kennen wir zum Teil schon, nämlich K = Kern- anteil, und S = Schiingenanteil; in der ersten Kolumne finden wir ausserdem noch die Abkürzungen M, W und T, die wir noch nicht kennen. M soll Myelocyten, W = Zellen mit wenig eingebuchtetem Kerne (s. o.) und T = Zellen mit tiefeingebuchtetem Kerne bedeuten. Aus einer solchen Tabelle erfahren wir natürlich dasselbe wie aus dergrösseren. Gegen- über dem Nachteil, der in dem Mangel der Grössenangaben und dem Mangel der anschaulichen genauen bildlichen Darstellung beruht, haben diese Art von Tabellen den Vorteil, dass hier die Zellen mehr nach ihren Kernbestandteilen geordnet sind, was nach den Intentionen unserer Arbeit an sich das Wichtigere ist. Die oben bei der Beschreibung der der grossen Tabelle gegebene Entwirrung der Zellen der einzelnen Haupt- abteilungen nach den an den Kernen vorhandenen Gesichtspunkten ist hier die Grundlage der Unterabteilungen jeder Kolumne in senkrechter Richtung. Jede ganze senkrechte Kolumne hier entspricht einer Haupt- abteilung der grossen Tabelle. Jedes Quadrat von 1 qcm Inhalt trägt eine Bezeichnung der in ihm markierten Zellen in der rechten oberen Ecke nach den uns bekannten Abkürzungen; von der unteren Seite der Quadrate aus sind so viele qmm mit Schwarz ausgefüllt, als einzelne Zellen der betreffenden Art vorhanden waren; die Gesamtzahl der aus- gefüllten Quadrate ist immer direkt über den schwarz ausgefüllten Quadraten angegeben. Die Gesamtzahl aller Zellen beträgt (wie übrigens auch in der grossen Tabelle) 100 und so stellen die Zahlen in den Quadraten zugleich die Prozentangaben dar. Wir brauchen die Tabelle nicht weiter zu erklären, da wir oben alles Nötige bereits mitgeteilt haben. Die eigentümliche Form, die die Tabelle aufweist, indem sie fächerförmig sich von links nach rechts ausbreitet, mit dem Gros der Zahlen in der Mitte, fällt sofort in die Augen; es ist dies eine Eigentümlichkeit, die, wie schon im voraus bemerkt werden soll, immer bei der Gesundung des Blutbildes der Neutrophilen sich einstellt; je grösser die Abwei- chungen in dieser Richtung im allgemeinen sind, desto pathologischer ist die Mischling der Neutrophilen. Für unsere mit Gegenwärtigem zur Veröffentlichung gelangenden Arneth, Blutkörperchen. 2 18 Methodik. Untersuchungen wurden nicht weniger als 233 solcher Tabellen ange- fertigt; somit wurden 23300 einzelne Zellen in diesen Tabellen ver- arbeitet. Da jede einzelne Zelle in bezug auf ihre Kernverhältnisse genau analysiert werden musste und einzeln in die Tabellen zum Ein- trag kam, war dies eine ungemein zeitraubende Beschäftigung. Alle diese Tafeln sind am Schlüsse der Arbeit reproduziert und es ist in der linken Ecke leicht ersichtlich gemacht, zu welchem Falle sie gehören und von welchem Datum sie stammen. Um jedoch auch inner- halb des Textes ohne besonderes Nachschlagen dessen Inhalt verfolgen zu können, sind alle diese Tabellen auch für den Druck umgearbeitet worden. Diese Art von Tabellen ist nun allerdings noch weniger übersicht- lich und anschaulich, aber doch auch zur Auseinandersetzung der vorge- fundenen Verhältnisse ausreichend. Unsere Tabelle Dr. A. 1 würde in dieser Form lauten: 2 3 1 - 5 und mehr 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K IS j2S 1K 4K4S 3K1S 3S1K 2K2S ;5K 4K1S 3S2K — 17 4 2 13 14 19 4 - 7 4 8 2 1 1 Um mehr Beispiele zu gewinnen für die Zusammensetzung der Neutrophilen beim gesunden Erwachsenen, führte ich noch drei weitere Untersuchungen aus; zwei davon betreffen das Blut meiner Kollegen, der Herren Dr. P. und Dr. R., die sich in liebenswürdiger Weise die kleine Anzapfung gefallen Hessen; in dem dritten Falle handelt es sich um das Blut eines im übrigen gesunden Neurasthenikers Ein. Die Untersuchung geschah, wie oben erwähnt, im nüchternen Zustand der Unter- suchten bezw. vor der Hauptmahlzeit. Die Zusammenstellung ergibt: l 2 3 i > und mehr M w|t 2K2S 1K1S 3K3S 2K1S 2S 1K 4K 4S,3KIS 3S 1K 2K 2S 5K 2 4K IS 3S 2K Dr. A. 1. 5300L. — 4 — 17 4 2 13 14 19 4 — 7 4 8 1 1 Dr.P. 1. 5400 L. - — 7 — 27 12 15 17 13 4 — 3 5 4 2 — -1) Dr.R. 1. 5000 L. — — 7 — 31 16 2 9 13 13 2 — 4 — 3 _ — _ Ein. 1. 5000 L. — — 9 — 23 22 3 3 18 14 4 — 3 — 1 — — _ Sehn., Michael 90Jhr.,10000L. — 1 8 1 25 20 4 4 15 9 4 — 4 1 4 — — — Schi., Barbara 96 Jhr., 4400 L. — — 4 — 32 10 2 4 11 16 5 — 6 — 6 3 1 — i) Siehe für diese Untersuchung die ausführlich angefertigte grosse Tabelle- Dr. P. 1. Normales Blutbild. 19 Aus diesen vier Zählungen ist zur Genüge ersichtlich, dass beim gesunden Erwachsenen die Mischung der neutrophilen Leukocyten inner- halb nur relativ enger Grenzen schwankt. Wie mir aus einer Reihe anderer Untersuchungen hervorzugehen scheint, ist die Zusammensetzung der Neutrophilen bei demselben In- dividuum fast in gleicher Weise in späteren Untersuchungen immer wiederzufinden; so fand ich z. B. die Mischung der Neutrophilen in meinem eigenen Blute, die nach der obigen Tabelle am gleichmässigsten ausgebreitet und zugleich am mannigfachsten von den vier Blutsorten ist, fast in genau derselben Weise nach viermonatlichem Zwischenraum wieder. Siehe auch (S. 21) die nachfolgenden Zusammensetzungen bei den gleichen Personen gelegentlich der Untersuchungen über Verdauungs- leukocytose. Je gleichmässiger die Zellen verteilt sind, je weiter die Teilung bis zu einem gewissen Grade vorgeschritten ist, und dies wird auch be- sonders aus vielen unserer pathologischen Fälle im Stadium der Heilung eklatant hervorgehen, desto günstiger wird unser Urteil sich gestalten können bezüglich der neutrophilen Blutmischung. Wir haben in folgen- der Tabelle eine diesbezügliche Zusammenstellung der später beschrie- benen, in dieser Richtung hierher gehörigen Fälle gemacht: 1 i 1K1S l 3 4 5 und mehr M wl T 2K 2S 3K 3S 2K1S 2S 1K 4KJ4S 3K1S 3S 1K 1 2K2S 3 5K 4K1S 3K2S 4K2S 3K3S 1. M Isidor 4. I. 1903 . . . |_ _ 2 _ 17 16 3 4 26 15 7 _ 5 ! 1 _ _ _ 2. V Johann 4.1. 1903 . . . L 1 16 2 25 13 2 2 14 14 4 — 4 — 1 1 1 — — — 13. W.Johann 18. III. 1903 . L — 6 — 21 15 2 2 20 18 2 — 10 — 3 — 1 —. — — W. Johann 28. III. 1903 . — — 1 — 23 11 4 5 17 20 4 — 8 1 4 1 1 — — — 17. S. Johann 17. IL 1903 . . — — 4 — 25 9 — 8 18 16 4 1 6 — 9 S. Johann 22. II. 1903 . . — —! i — 21 6 1 7 11 30 1 — 6 5 10 — — 1 - — 29. L. Martin 21. IV. 1903 . — -2 - 15 5 — 10 13 19 1 — 10 6 12 1 1 3 1 1 37. E. Vincenz 19. XII. 1902 . — 13 _ 26 6 3 3 24 11 6 — 11 — 3 3 — — — — 41.W.Babette21. I. 1903 . . - - 1 1 24 9 5 5 19 19 5 — 9 1 — 1 — 1 — — 2* 20 Normales Blutbild. Als Massstab für die Beurteilung des neutrophilen Blutbildes beim Gesunden seien im Folgenden unsere Befunde bei ganz normalen Verhältnissen zu Grunde gelegt (S. 18). Am zahlreichsten finden sich immer die Zellen in Klasse 2 oder 3*), dann folgt Klasse 4, dann Klasse 1 und zuletzt Klasse 5 und mehr. Im besonderen fällt uns fernerhin auf, dass in allen vier Fällen in Klasse 2 die Zellen mit 2 S die mit 1 K 1 S mehr oder weniger an Zahl über- wiegen (s. unten Näheres), und dass in Klasse 3 die Zellen mit 2 K 1 S un dem 3. r;*h j Bad : — 9 4 2 28 17 26 31 6 11 2 3 9 14 12 13 4 1 -- 4 4 — — - — Eine wesentliche, direkt auffallende Veränderung gegenüber der Norm ist hier so gut wie nicht zu konstatieren ; selbst in dem Falle Dr. P. nicht, wo die Vermehrung in drei Stunden 74°/o betrug. In allen drei Fällen können wir jedoch konstatieren, dass in Klasse 2 die obigen Differenzen zwischen den Zellen mit 2 S und 1 K 1 S sich viel weniger ausgesprochen wiederfinden; in allen drei Tabellen ist ferner die Zahl der Klasse 1 etwas verringert, bei Dr. P. und Dr. R. auch etwas die Gesamtzahl der Klasse 2; naturgemäss sehen wir infolgedessen die Ge- i) Siehe für diese Untersuchung die angefertigte grosse Tabelle: Dr. P. 2. 22 Verdauungsleukocytose. samtzahl in Klassen 3, 4, 5 etwas erhöht; wir müssen also in zwei Fällen das Blutbild eher etwas mehr gealtert als verjüngt im Stadium der Verdauungsleukocytose ansprechen. Die Untersuchungen wurden so angestellt, dass in nüchternem Zustande oder nur nach Genuss eines kleinen Frühstücks Morgens um 12 h Mittag der normale Blutbefund und 3 h—3 XJ2 h nach einer kräftigen Fleischmittagmahlzeit der bei der Verdauungsleukocytose erhoben wurde. Im Falle Dr. R. wurde, um dieselbe möglicherweise noch zu steigern, noch kurz vor der zweiten Untersuchung ein kaltes Flussbad genommen (10 Minuten bei 17° Celsius). Es ergab sich jedoch keine besondere Erhöhung der Leukocytenzahl. In dem Fall Ein. wurde ein noch kälteres Bad verabreicht, um die isolierte Wirkung eines solchen zu prüfen. Die Versuchsanordnung war folgende: 1. Vor dem Bad; 9. IV. 1903, 10h früh: 5000 Leukocyten; 2. Kaltes Bad (10° R) um 10h45; 11h05: 7200 Leukocyten; 3. Leukocytenzählung um 12 h15: 6500. Abgesehen von einer Leukocytenvermehrung um 44 °/o 10 Minuten nach dem Bade, die nach 1 h I5 schon wieder rückgängig gefunden wird, können wir hier schon eher eine Verschiebung der Leukocyten gegen die zweite Klasse zu konstatieren, besonders in der Untersuchung 1 h 15 Minuten nach dem Bade, wo die Zellen mit 1 K 1 S die mit 2 S überwiegen. Auf Grund dieser Versuche, die für die Nachprüfung wegen der nur geringe Abweichungen vom Normalen ergebenden Resultate einer besonderen Sorgfalt empfohlen werden müssen, kommen wir, von den relativ geringfügigen beschriebenen, aber doch sehr interessanten Verände- rungen abgesehen, zu dem Schlüsse, dass die gelegentlich der Verdauung und nach kalten Bädern auftretende Vermehrung der Leukocyten im Blute („Leukocytose") eine irgendwie eingreifende Veränderung des neutrophilen Blutbildes nicht bedingt, dass somit der Mehrbedarf an Zellen ohne Schwierigkeit aus normalerweise zur Verfügung stehenden Mitteln gedeckt werden kann1). Neben der sogenannten Verdauungsleukocytose und der Leuko- cytose nach kalten Bädern oder Anstrengungen finden wir unter den „physiologischen" Leukocytosen noch gewöhnlich aufgeführt dieSchwanger- schaftsleukocytose und die Leukocytose bei Neugeborenen. Natürlich haben wir auch diesbezügliche Untersuchungen angestellt; aber es hat sich ergeben, dass dieselben, was die Neutrophilen anlangt, nicht mit den obengenannten Leukocytenvermehrungen auf eine Stufe gestellt werden i) Eine zusammenfassende Übersicht über diese Formen der Leukocytose wird hoffentlich in einem zweiten Teil gelegentlich anderer Untersuchungen gegeben wer- den können. Leukocytenzahl. 23 können. Sie werden erst besser verstanden werden können, wenn wir zuerst pathologische Fälle kennen gelernt haben; darum sind die bereits abgeschlossenen Untersuchungen hier zunächst nicht wiedergegeben. Ein prinzipiell wichtiger Punkt ist noch zu erledigen, bevor wir in die Pathologie der Neutrophilen eintreten, ein Punkt, der die Zahl der Leukocyten unter normalen Verhältnissen anlangt. Auf Grund unserer langjährigen ausgedehnten Untersuchungen können wir nicht der heutzutage fast allgemein akzeptierten Ansicht der Autoren zustim- men, dass die normale Leukocytenzahl innerhalb der grossen Breite von 5—10000 schwanke. Wir müssen vielmehr scharf unterscheiden. Leuko- cytenzählungen, die, wie alle von uns ausgeführten, immer entweder nüchtern oder direkt vor der Hauptmahlzeit Mittag ausgeführt wer- den, bewegen sich durchaus nicht in jener Breite am Gesunden. Wir fanden meist nur ein Schwanken zwischen 5000—6000 pro cmm, fast nie weniger, seltener etwas über 6000. Nur dann galt eine Zäh- lung als vollwertig, wenn die Newton sehen Ringe gut ausgebildet zu sehen waren. Untersuchungen zu anderen Zeiten sind aber über- haupt zu Vergleichsangaben kaum zu verwerten, da jedes Individuum anders auf die Verdauung etc., wie schon die wenigen angeführten Bei- spiele lehren, reagieren wird. Im übrigen bedeutet selbst die normale Anzahl von Leukocyten in cmm oft noch gar nichts; es können, wie wir später bei Krankheiten sehen werden, trotzdem die allerschwersten Veränderungen vorhanden sein. B. Ausführung. Wir treten in das Kapitel der Infektionskrankheiten ein. Generell ist hier zunächst vorauszuschicken, dass es unmöglich in unserer Aufgabe gelegen sein kann, noch einmal, wo dies von den Autoren an verschiedenen Stellen bereits geschehen ist, die gesamte Literatur jeder einzelnen Infektionskrankheit ausführlich kritisch zu sichten; um so mehr können wir darauf verzichten, als unsere Unter- suchungen sich eigentlich in ganz anderen Bahnen wie die bisherigen bewegen. Um jedoch ein Bild von den bis jetzt durch die Resultate der ausgedehnten Untersuchungen zutage geförderten Ansichten zu geben, habe ich (öfters sogar ohne Autorenangabe) immer eine diesbezügliche, möglichst kurz gehaltene, so ziemlich erschöpfende Zusammenfassung der geltenden Anschauungen jedem einzelnen Kapitel vorausgeschickt. Weitergehendes Detail findet sich besonders bei Grawitz (1902), vor allem auch bei Türk (1898), ferner bei von Limbeck (1896), Rieder (1892), Reinert (1891). Besonders bei Grawitz und Türk sind auch vielfach erschöpfende Literaturangaben gemacht. I. Croupöse Lungenentzündung. Nach gewissen Gesichtspunkten geordnet, lässt sich hier durch Zusammenfügung der Schlusssätze der Autoren folgendes, durch die aller- schärfsten Gegensätze ausgezeichnete Bild über die bis jetzt aufgefun- denen Verhältnisse gewinnen. I. Übersicht im allgemeinen. Fast sämtliche Autoren sind darin einig, dass die meisten Fälle von Pneumonie mit einer Vermehrung der Leukocyten verlaufen und nur in einzelnen Fällen Differenzen bestehen. Die Zahl der Leukocyten steht im geraden Verhältnisse zur Grösse der Infiltration der Lunge; sie verläuft parallel der Ausdehnung des Croupöse Pneumonie. 25 Entzündungsprozesses, aber nicht der Höhe der Temperatur. Die In- tensität des Fiebers hat keinen direkten Einfluss auf die Leukocytose. Je zellreicher und mächtiger das Exsudat ist, desto ausgesprochener ist auch die Leukocytose; die Leukocytose geht der Exsudatbildung voraus. Die Stärke der Leukocytose besteht in keinem bestimmten Ver- hältnisse zur Schwere der Erkrankung, sehr hohe Zahlen lassen an Komplikationen, besonders an Eiterung, denken, mahnen jedenfalls zur Vorsicht. Die Leukocytenvermehrung steht in einem gegensätzlichen Ver- hältnis zu dem Auftreten von Pneumokokken im Blute (nach anderen ist dies jedoch unwahrscheinlich). Besonders hohe Zahlen der Leukocytose finden sich bei Kindern. Bei Leukopenie und erfolgtem Tode fand man Endokarditis, Me- ningitis (Pneumokokkenreinkultur auf dem Endokard). Die Leukocytose ist nicht die Folge der Exsudation, sondern eine über das Ziel hinausgehende Reaktions- und Regenerationserscheinung der blutbildenden Organe auf den dem Blute durch die Exsudation er- wachsenen Verlust von Leukocyten. Die Leukocytenzahl hängt einerseits vom Infektionserreger, anderer- seits von der Widerstandsfähigkeit des befallenen Organismus ab. Bei tödlichen Fällen findet sich manchmal eine auffallend geringe Leuko- cytenvermehrung. Zwischen der Intensität der Leukocytose und der Schwere der Krankheit besteht gar kein Zusammenhang. 100000—115000 Leukocyten wurden bis jetzt als höchster Wert der Leukocytose beobachtet. Fieber, Grösse der Infiltration und die Leukocytenzahl sind Folgen eines vierten Faktors; sie sind bedingt durch die Art der Infektionsgrösse, die wir ausgedrückt finden durch die Qualität und Quantität des durch die Bakterien dem Organismus zuge- führten Giftes und durch die Reaktionsfähigkeit des betreffenden Indi- viduums auf dasselbe. Der Ernährungszustand des befallenen Organis- mus hat eine bedeutende Rolle für den Grad der Leukocytose. Seltener sind normale oder hochnormale Leukocytenzahlen; manch- mal tritt noch zur Zeit des Beginnes der Lösung eine meist massige Leukocytose ein. II. Beginn der Pneumonie. Schon wenige Stunden nach dem Schüttelfroste ist die Leukocytose nachweisbar. 6—16 h nach dem Schüttelfroste erreicht die Leukocytose regelmässig die höchsten Werte, welche sie überhaupt in dem betreffen- den Falle erreicht. Unmittelbar nach dem Schüttelfroste geht der folgenden Vermeh- rung eine geringgradige Verminderung der Zahl der Leukocyten voran. 26 Croupöse Pneumonie. Im Beginn der Erkrankung, wo etwa noch keine Infiltrations- erscheinungen nachweisbar sind, ist die Leukocytose von diagnostischer Bedeutung. III. Verlauf. Auf der Höhe der Erkrankung erhält sich die Leukocytose mit ziemlich unregelmässigen Schwankungen, was zwar manchmal, aber durch- aus nicht immer mit einer Zunahme der Infiltration parallel geht. Bei ungünstigem Verlaufe steigt die Leukocytenzahl beständig bis zum Tode an. Am geringsten ist die Zahl bei frischen Prozessen; sie nimmt zu mit der Ausbreitung der Pneumonie; die Leukocytose nimmt ab, sobald Lösung der Infiltration eintritt. Tritt bei fortdauerndem Fieber eine progressive Abnahme der Leukocytenzahl ein, so ist die Krise in den nächsten Tagen zu er- warten; steigt im Gegenteil die Leukocytose an, ohne dass der Prozess nachweislich fortschreitet, so ist ein Fortschreiten wenigstens zu er- warten. Eine Übereinstimmung von Leukocyten- und Temperaturkurven kommt vor, ist aber nicht als konstant zu bezeichnen. Auf der Höhe der Leukocytose finden sich manche massige Schwan- kungen. IV. Krisis. Recht häufig zeigt sich etwa einen Tag vor der definitiven Krise schon eine deutliche Tendenz zum Abfalle, wenn sie auch gewöhnlich die Norm nicht erreicht. Die Leukocytose hält noch bis zum 3. Tage der Rekonvaleszenz an. Bei Pseudokrisen und prolabierter Resolution bleibt die Zahl der Leukocyten auffallend hoch, jedoch nicht ausnahmslos. Mit dem Abfalle der Temperaturkrise ist ein Abfall der Leuko- cytose zuweilen auf subnormale Werte beobachtet worden. Oft geht dem Eintritt der Krise ein Absinken der Zahl voraus und sinkt weiter mit dem kritischen Temperaturabfall. Bei Lysis er- folgt die Abnahme langsamer. Bei Pseudokrisen tritt keine Veränderung der Leukocytenzahl auf; sie bleibt beträchtlicher, zum Teil auf der gleichen Höhe wie während des Fiebers. Von anderer Seite ist nie ein Absinken unter die Norm zur Zeit der Krisis oder Lysis gefunden worden. V. Mischungsverhältnisse der Leukocyten. a) In bezug auf die neutrophilen polynukleären weissen Blutkörperchen. Die Vermehrung betrifft vorwiegend die polynukleären neutrophilen Formen. Übersicht. 27 Seltener sind bei der Pneumonie normale oder hochnormale Leuko- cytenzahlen bei relativer Vermehrung der polynukleären neutrophilen Zellen. Mit dem Absinken der Leukocytose nehmen die polynukleären Neutrophilen meist langsam ab, ohne dass es in der Regel zu einer perzentischen Verminderung derselben käme. Schon bei mittelschweren Fällen wurden Myelocyten und Reizungs- formen konstatiert. Nach der Krise sinkt die Prozentzahl der polynukleären Elemente unter die Norm; bei lytischem Abfall sinkt die Prozentzahl langsam und nicht so tief. Wenn nachträglich noch eine vorübergehende Leuko- cytose auftritt, geht sie niemals mit einer Veränderung der Verhältnis- zahlen der Leukocyten einher. Die Prozentzahl der Neutrophilen zeigt sich als unabhängig von der absoluten Höhe der Leukocytose. b) In bezug auf die eosinophilen Leukocyten. Die Eosinophilen sind auf der Höhe der Erkrankung fast ver- schwunden und kehren meist vor der Krise wieder, so dass ihr Auf- treten eine günstige Bedeutung haben könnte. Das Verschwinden der Eosinophilen auf der Fieberhöhe ist unab- hängig von dem Vorhandensein oder Fehlen der Leukocytose; wenn aber eine solche besteht, so scheint die absolute Verminderung so lange zu bestehen, bis die Zahl der Weissen wieder zur Norm zurückgekehrt ist. Die Eosinophilen kehren oftmals, aber nicht konstant, schon 1 bis höchstens 2 Tage vor Beginn der Krise, so gut wie immer aber gleich- zeitig mit dieser, oder mit dem Beginn der Lysis in spärlicher Zahl zurück und nehmen dann ungleich rasch zu. Sie können selbst be- trächtlich vermehrt sein. Gewöhnlich bedeutet ihr Auftreten, dass die Infektion den Höhepunkt überschritten hat. c) Bezüglich der Lymphocyten und mononukleären grossen Leukocyten. Mit dem Absinken der Leukocytose nehmen die Lymphocyten relativ zu, ohne dass es jedoch zu einer Vermehrung derselben käme. Gleichzeitig nehmen die früher etwa in normaler Zahl vorhandenen mono- nukleären grossen Leukocyten und die Übergangsformen fast immer zu, häufig auch absolut und können die Norm beträchtlich überschreiten. In Fällen von Pneumonie mit verspäteter Krisis soll es zu einer Leukocytose mit exzessiver Vermehrung der grossen mononukleären Zellen kommen. Die absolute Zahl der Lymphocyten unterliegt niemals wesent- lichen Schwankungen. 28 Croupöse Pneumonie. Zur Zeit der Leukocytose ist eine oft hochgradige absolute Ver- minderung der Lymphocyten vorhanden; bei den mononukleären grossen Zellen und den Übergangszellen finden sich so gut wie niemals wesent- liche Veränderungen. VI. Diagnose, Prognose und Therapie. Bei unkomplizierter Influenza und katarrhalischer Influenza- pneumonie findet sich, was differentialdiagnostisch gegenüber der echten Pneumonie wichtig ist, keine oder nur sehr geringe Leukocytose. Im Beginn der Erkrankung, wo vielleicht Infiltrationserscheinungen noch nicht bestehen, ist die Leukocytose von diagnostischer Bedeutung Der Leukocytose ist differential diagnostisch keine besondere Be- deutung gegenüber Typhus zuzuschreiben, weil einerseits nicht bei jeder Pneumonie Leukocytose vorhanden ist, andererseits bei Typhus eine solche durch Komplikationen erzeugt werden kann. Von der einen Seite wird der Leukocytose eine wichtige pro- gnostische Bedeutung zugesprochen — Fälle ohne Leukocytose sollen prognostisch erheblich schlechter verlaufen — von anderer, ebenso kom- petenter Seite wird ihr aber jede prognostische Bedeutung abgesprochen. Besonders hohe Leukocytenzahlen bei massiger Temperaturhöhe lassen auf eiterige Komplikation schliessen. E. Becker1) kommt auf Grund seiner Untersuchungen bezüglich des diagnostischen Wertes des Blutbefundes bei Pneumonie zu folgenden Resultaten: Hochgradige Leukocytose (über 20000) zeigt immer eine schwere Infektion an, beweist aber zugleich auch eine gute Reaktions- fähigkeit; mittlere Leukocytose (12—16000) kann bedingt sein durch geringere Infektion bei genügender Reaktion aber auch durch intensive Infektion bei gleichzeitiger mangelhafter Reaktion; geringe oder gar fehlende Leukocytose kann bedingt sein durch ganz leichte Infektion, wird jedoch meist auf ganz ungenügender Reaktionsfähigkeit des In- dividuums beruhen. Daher wird in diesem Falle die Prognose im ganzen eine schlechtere. Eosinophile Zellen treten erst nach überstandener Krise wieder auf. Hier seien auch die Untersuchungsresultate von Loeper einge- fügt, dessen Arbeit in die Zeit nach der Arbeit von Türk fällt. M. Loeper2) untersuchte 21 Fälle von Pneumonie (sechs letale, zwei während des Schüttelfrostes beobachtete). Die für genuine Pneumonie charakteristische Leukocytose beginnt direkt mit dem Schüttelfroste, unterliegt nur geringen Schwankungen und steigt gegen die Krise an. i) Hämatologische Untersuchungen, Deutsche mediz. Wochenschrift 1900. 2) La Leucocytose et l'equilibre leucocytaire dans la pneumonie franche. Arch. de med. experim. 1899. p. 724. Zentralbl. für inn. Med. 1900 Nr. 33. Übersicht. 29 85° o machen die vielkernigen Leukocyten in den mittelschweren, 92°/o in den schweren und 95°/o in den letalen Fällen aus, ein pro- gressiver Anstieg der polynukleären Leukocyten ist von nahezu letalem prognostischem Werte. Zwischen dem Niedergang der Leukocyten- steigerung und dem Wiederauftreten der Chloride im Harn besteht ein Parallelismus, ebenso ein Wechselverhältnis zwischen ihm und der sich anschliessenden Ausscheidung von Harnsäure und Peptonen im Urin, einer direkten Folge des Freiwerdens der Leukocytennukleine und der Lösung des pneumonischen Exsudates. — Die Tendenz zum Abfall der Leukocytose relativ kurz vor der Krise ist nicht mit voller Sicherheit prognostisch verwertbar, da auch vor dem tödlichen Ausgang und selten bei Pseudokrisen ein Absinken der Leukocytenzahl vorkommen kann. Hypoleukocytose nach Ablauf der Pneumonie kommt vor; ein neuerlicher Anstieg nach erfolgtem Absinken kann ein Rezidiv ankün- digen. Bestimmte Schlüsse auf den Verlauf der Erkrankung lassen sich aus der Höhe der Leukocytose nicht ziehen. Wenn die polynukleären Zellen 90—95°,o der Gesamtzahl über- steigen, so ist eine absolut schlechte Prognose zu stellen. Leukopenie mit gleichzeitiger relativer Lymphocytose deutet im allgemeinen auf eine besonders schwere Infektion; die Prognose ist zwar dubiös, aber nicht absolut schlecht. Das Wiederauftreten der eosinophilen Leukocyten bedeutet ge- wöhnlich, dass die Infektion den Höhepunkt überschritten hat und ist darum prognostisch günstig; wenn sie hohe Zahlen erreicht haben, kann man wohl mit Sicherheit die Infektion für erloschen betrachten. Das Auftreten von Myelocyten und Reizungsformen ist für die Prognose ohne Bedeutung. Bei folgender Pleuritis oder Rezidiven folgt neuerlicher Anstieg. Die prozentuale Vermehrung der Lymphocyten bei gleichzeitiger Herabminderung der Polynukleären auf der Höhe der Erkrankung ist ein prognostisch übles Zeichen. Bei schweren Pneumonien ohne Leukocytose kann die schlechte Blutbeschaffenheit dadurch verbessert werden, dass man den Kranken Leukocytactica verabreicht (Pilokarpin, Antipyrin, Antifebrin, Nuklein); als günstig hat sich bereits Pilokarpin erwiesen. Da durch die Intensität der Leukocytose die Prognose der Pneu- monie nicht gebessert wird, ist es auch zwecklos, künstlich eine Leuko- cytose zu setzen, wo diese fehlt. VII. Was die experimentelle Seite betrifft, so sind insbesondere die Untersuchungen von Tschistovitsch (zit. nach von Limbeck) 30 Croupöse Pneumonie- hervorzuheben, der zeigte, dass Inokulation des Fränkel-Weichsel- baumsehen Diplococcus am Kaninchen ebenfalls Leukocytose erzeugt, dass jedoch ihr Auftreten sowohl, wie die Intensität derselben wesentlich von dem Virulenzgrade der verwendeten Kultur abhängt. Impfung von Kaninchen mit hochvirulenten Diplokokken erzeugt keine Leukocytose, im Gegenteil Verminderung der Leukocyten im Blute, und das Tier erliegt der Infektion. Abgeschwächte Kulturen rufen Leukocytose her- vor und das Tier übersteht die Infektion. Ried er (1. c.) fand ähnliche Verhältnisse bei intraperitonealer Injektion von Pneumoniesputum beim Kaninchen. Er fand normale bis subnormale Werte der Leukocytenzahlen; auch die Temperatur bewegte sich unterhalb der Norm. C. William son1). In einer hauptsächlich experimentellen Arbeit kommt Williamson zu dem Schlüsse, dass bei mit Pneumokokken in- fizierten Kaninchen eine innerhalb weiter Grenzen schwankende Leuko- cytose mit ziemlich steilem Anstiege beginnt, um bald darnach wieder unter die vor der Infektion innegehabte Höhe zu sinken. Es fehlte jeglicher erkennbare Einfluss der Leukocytose auf den Krankheitsverlauf, was gegen die Auffassung der Hyperleukocytose als einer Abwehrmass- regel gegen die Infektion spricht. Eine agonale Hyperleukocytose wurde nicht beobachtet. Eine engere Beziehung liess sich zwischen dem Auftreten der Pneumokokkensepsis und der Hyperleukocytose nachweisen. Es findet hierdurch die beim Menschen klinisch festgestellte Tatsache, dass die Prognose der fibrinösen Pneumonie sich bei Verminderung der weissen Blutkörperchen wesentlich verschlechtert, experimentell ihre Erklärung. Wenn wir die obigen, unter I—V gemachten Zusammenstellungen auf ihre Übereinstimmung untersuchen, so müssen wir eigentlich sagen, dass diese nur in den allerwenigsten Punkten bis zu einem gewissen Grade besteht, fast überall vielmehr auch der geradezu entgegengesetzte Standpunkt eingenommen worden ist, und dass es als verlorene Mühe gelten muss, angesichts dieser, aus der Beobachtung von Fällen abge- leiteten, aber in allergrellstem Widerspruch stehenden Ansichten auch nur den Versuch machen zu wollen, irgend eine allgemein für die Pneu- monie gültige Regel aufzustellen. Wir müssen über diese Tatsache im höchsten Grade erstaunt sein und keiner Seite ist es bis jetzt geglückt, den Schleier, der über dieses rätselhafte Verhalten der Leukocyten ge- lagert ist, auch nur teilweise zu lüften. Wir kennen wohl eine Unmenge von Tatsachen, aber bezüglich der Erklärung kehrt bei allen Autoren i) „Über das Verhalten der Leukocytose bei der Pneumokokkenerkrankung der Kaninchen und Menschen." Zieglers Beiträge zur path. Anatomie und allgem. Pathologie. 29. Bd. 1. Heft. Fälle. 'M immer die Klage wieder, dass sie den Schlüssel dazu nicht hätten finden können. Wir werden im folgenden versuchen, an Hand unserer Unter- suchungen in dieses Wirrwarr, soweit es die neutrophilen Leukocyten angeht, einzudringen. Pneumoniefälle. I.1) M., Isidor, 16 Jahre, Hausbursche; Eintritt am 5. XII. 02; an- geblich 2 mal in diesem Jahre Halsentzündung mit Fieber durchgemacht; am 3. XII. Frost, gleichzeitig Schmerzen beim Schlucken, Kopfweh, Schwindel, Husten. Beim Eintritt ist zunächst nur ein Lakunärkatarrh mit dem besonderen Sitze in den Follikeln der hypertrophischen Seitenstränge nachweisbar; die Lunge zeigt keine Veränderung. Kräftige Konstitution. 7. XII. Die vereiterten Follikel sind nur noch in Überresten vor- handen. Blutuntersuchung um 1 h Mittag bei 40,3° i. a., ergibt 12 600 weisse Blutkörperchen; Patient erhält alsdann 0,75 Phenacetin; um 3x/2 h Nach- mittag, nachdem unter Seh weiss die Temperatur auf 37,8° gefallen ist, neue Zählung: 12 900 weisse Blutkörperchen. 9. XII. Seit Mittag Pneumonie des rechten Unterlappens nachweisbar; croupös-pneumonisches Sputum. 10. XII. Krisis heute Nacht ohne besonderen Schweissausbruch. Blutuntersuchung um 121/4 h Mittag (also ca. 10—12 Stunden nach Beginn der Krise), bei 37,5° i. a.: 12 400 weisse Blutkörperchen. 18. XII. Aufsaugung der Pneumonie am 15. XII. so gut wie beendet. Leukocytenzählung um 12 h Mittag: 6000. 23. XII. Leukocytenzählung um 12 h Mittag: 10900. 4. I. 03. Leukocytenzählung um V2I2 h Mittag: 7200. 5. I. Geheilt entlassen. Achsel-Temperaturen: __ 38 5° 38 8° 39 4° 5. XII. — 6. XII. — 7. XII. 40^3 °3) 8. XII. 40,'l02) 38,8° 40,202) (37,8°) 38,8° Abends 38,6° 39,6° 39,0° 36,0° 9. XII. 40,602) 10. XII. 37,6° 11. XII. 36,4° Weiterhin normal. 38,8° 37,4° 36,8° Die nach den Angaben der Krankengeschichte ausgeführten Blut- untersuchungen führen, nach unserer Methode untersucht, zur Aufstel- lung folgender Tabelle: 1) Die Numerierung der Fälle wird durch die ganze Arbeit hindurch in fort- laufender Weise ausgeführt werden; entsprechend sind auch die dazu gehörigen Tabellen numeriert und so leicht herauszufinden. 2) Phenacetin 0,75. 3) Zählung, Phenacetin und dann wieder Zählung, s. 0. 32 Croupöse Pneumonie- l 1__ 2K iS 2 1K1S 3 i 1 5 u. mehr Fall 1 M W i T 3K3S 2K IS _______i________i_________ 2S 1K -tK 4S 1 - 3K IS 3S1K 2K23 5K 4K IS M. Isidor 7. XII. 02 . i' ! 21 1 35 18 i 1 2 2! 10 8 1 _ 1 7. XII. 02 . ---- 203 27 27 3 1 12 3 3 - 1 — — — 10. XII. 02 . -'-30 2 19 29 5— 11 2 — — 1 — 1 18. XII. 02 . 1 eWji 45 29 4 1 11 7 1 I1 23. XII. 02 . — — 7 1 '26 18 -4! 16 17 7 — 2 - 2 — — 4. I. 03 . . - - 2 —'l7 1 16 3|4 26 15 7 — 5 1 3 1 - Die klinische Eigenart dieses Falles besteht darin, dass die Er- krankung zunächst unter dem Bilde einer Lakunärangina einsetzte und die croupöse Lungenentzündung erst so spät manifest wurde. Da die Krise aber genau am 7. Tage nach Beginn der Erkrankung (Frost) er- folgte, und das Fieber auch nach Ablauf der Angina unverändert hoch blieb, so handelte es sich vielleicht nicht erst um einen Einzug des speziellen Giftes durch die Follikel im Verlaufe der Angina (wie man es unter anderem z. B. auch beim akuten Gelenkrheumatismus so auf- fallend häufig zu beobachten Gelegenheit hat), sondern möglicherweise um eine gleichzeitige Infektion. Dagegen spricht, dass eine zentrale Pneumonie, selbst wenn sie erst am 6. Tage an die Oberfläche durch- gedrungen wäre, wohl früher und nicht erst mit dem Momente des physikalischen Nachweises hätte pneumonisches Sputum liefern sollen; ferner der später zu besprechende Blutbefund. Unter dem 7. XII. sehen wir das Blutbild ca. 21/* Tage vor Ein- tritt der Krisis; es handelt sich gegenüber dem Normalen um eine beträchtliche Verschiebung des Blutbildes nach links, gegen die Myelo- cyten zu, wir können auch sagen: nach oben, gegen die Jugendformen hin. Die Klassen 3, 4 und 5 sind dezimiert und zwar absteigend am stärksten, die Klasse 2 und noch mehr die Klasse 1 vermehrt. Das normale Verhältnis ist also ganz verändert, die Zellen, die wir als die älteren, reiferen ihrer Kernbeschaifenheit nach bezeichnen müssen, fehlen fast, Wenn wir wüssten, wie das neutrophile Blutbild des Patienten unter normalen Verhältnissen vorher ausgesehen hat, könnten wir die Veränderungen genau zahlenmässig ausdrücken; wir wollen zu diesem Behufe einmal das Blutbild 4.1.03, also zur Zeit des Austrittes als geheilt, verwenden; wir dürfen dies tun, weil es sich ja mit unseren über das normale Blutbild oben gewonnenen Anschauungen deckt und daher wohl dem vor der Krankheit äusserst nahe steht. Zunächst müssen wir uns aber noch über die Grundlage klar werden, die wir vor der Anstellungsmöglichkeit einer solchen Rechnung Fälle. 33 gewonnen haben müssen. Sie liegt in der Beantwortung der Frage: wie ist diese Verschiedenheit des Blutbefundes am 4. I. 03, des annähernd Normalen also, gegenüber dem vom 7. XII. 02 zu erklären? Offenbar und ganz allein dadurch, dass massenhaft Zellen aus der normalen Blutmischung verschwunden sind; entweder gehen sie im Blute selbst zu gründe oder sie wandern aus an Orte, wo der Körper ihrer bedarf wo sie sich daher in grösserer Menge ansammeln und darum pathologisch- anatomisch nachweisbar sein müssen. Wie das zu verstehen und zu entscheiden ist, werden wir erst später klarer beurteilen können. Dies ist der springende, immer wiederkehrende Punkt bei allen unseren ferneren Untersuchungen, dessen Erkenntnis und Tragweite vielleicht von zunächst nicht voll übersehbarer Bedeutung sein dürfte, obgleich wir schon in dieser Arbeit sehen werden, wie viele Anschau- ungen dadurch fallen müssen, wieviel bis jetzt Unerklärliches verständ- lich werden wird, und wieviel neue Ansichten dadurch gewonnen werden können. Wir wollen die Differenzen an Zellen im Blute in dem Augen- blicke, als die Tabellen 4. I. 03 und 7. XII. 02 aufgenommen wurden, zu schätzen versuchen; wir tun dies deswegen sofort beim ersten Falle, weil bei diesem wegen seiner im Vergleich zu später aufgeführten Fällen relativ unbedeutenden Veränderungen der Blutmischung noch gut mit Zahlen zu rechnen ist. An neuen Zellen finden sich in Tabelle 7. XII. 02 [durch Subtraktion von 7. XII. 02-4. I. 03 = 19 -f 1 + 18 + 2 + 1 =]: 41 °/o. An Zellen der Tabelle 4. I. 03 fehlen in 7. XII. 02: (4. I. 03 — 7. XII. 02) = 1 + 2 + 16 -f 7 -f- 6 + 5 + 1 -f 2 + 1 = 41 °/o (selbstver- ständlich die gleiche Zahl). An gleichen Zellen finden wir demnach in beiden Tabellen 59%; es sind dies aber natürlich nicht eigentlich die gleichen Zellen, sondern nur ihrer Form nach gleichwertige. Nun zählten wir am 7. XII. 02: 12500 L., davon 41°/o = 5125. Wenn wir dies weiter ausrechnen, so ergibt sich, wobei wir die Blutmenge bei dem noch nicht ganz entwickelten, kräftigen jungen Manne zu 10 Litern abgerundet annehmen, das Vorhandensein von 51250000000 neuen, anders gearteten Zellexemplaren im Gesamtblute an Stelle der gleichen Anzahl, die zu gründe gegangen oder sonstwie verbraucht worden ist. Wir müssen aber bedenken, dass dieser Prozess über Tage ausgebreitet ist, dass vielleicht und wahrscheinlich in jedem Augenblick auf der Höhe der Krankheit die gewaltigsten Mengen von Leukocyten verbraucht werden, was wir ja weiterhin auch beweisen werden können, und dass die 59 °/o der Form nach gleichwertige Zellen auch ihrerseits sich an dem Ersatz des Bedarfs ihrem Verhältnis nach viel- leicht in noch höherem Grade beteiligen; das Letztere ist für uns nur zum Arueth, Blutkörperchen. 3 34 Pneumonie- Teile aus ihrer näheren Zusammensetzung wieder zu erschliessen; wir müssen ferner beherzigen, dass oft schon wenige Stunden (s. sp.) ge- nügen, um diese gewaltigen Veränderungen zu setzen, obwohl doch der Körper schon an und für sich aus seinen Depots die grössten Mengen neutrophiler Leukocyten auswerfen kann, ohne dass das Blutbild merk- lich verändert würde (s. bei der Verdauungsleukocytose). Nur so erhalten wir einen schwachen Begriff von den immensen Dimensionen, die die Veränderungen innerhalb des Korps der Leuko- cyten bei derartigen Infektionskrankheiten umfassen. Nach dieser Abschweifung kehren wir zu den Tabellen zurück. Die Tabelle 7. XII. 02 a zeigt fast genau dieselben Verhältnisse wie 7. XII. 02 b, ein Beweis, wie genau die Methode arbeitet und zugleich aber auch ein Hinweis, dass die fieberherabsetzende Phenazetinwirkung nicht mit Veränderungen irgend welcher Art innerhalb der Neutrophilen einhergeht. Die Tabelle 10. XII. 02, die 10—12 Stunden nach Einsetzen der Krise angelegt wurde, belehrt uns, dass sich mit der Krise nicht etwa auch eine Veränderung im Blutbefunde der Neutrophilen im Sinne einer Besserung verbindet; das Gegenteil ist vielmehr der Fall; wir haben hier 80 °/o aller Neutrophilen in Klasse 1 und 2 zusammengedrängt und besonders viele T. Allerdings können wir in diesem Falle nicht mit absoluter Sicherheit den Beweis einer postkritischen Verschlimmerung des neutrophilen Blutbildes führen, da doch die letzte Untersuchung drei Tage vorausliegt und zum strikten Beweise ja direkt vor der Krise eine Untersuchung hätte gemacht werden sollen; aber in Zusammenhalt > mit den späteren Fällen und mit dem Ergebnis der Tabelle 18. XII. 02 werden wir auch in diesem Falle die obige Annahme machen müssen. Die Tabelle 18. XII. 02, die acht volle Tage nach Eintritt der Krise angefertigt wurde, zu einer Zeit, wo nach der Krankengeschichte die Aufsaugung des Pneumonieherdes selbst schon fast völlig beendet war, beweist nämlich, dass wir selbst jetzt noch prozentualer fast die gleichen schweren Veränderungen wie am 10. XII. 02 in den einzelnen Klassen (76°/o in 1 und 2) haben, der Qualität nach aber hier noch schwerer wiegende Verschiebungen aufgetreten sind als bisher. Wir finden das erste Mal auch unter W und M Zellen notiert, d. h. Myelo- cyten (1 °/o) und ihre Übergangsformen (W = 6°/o) zu den Zellen T [d. h. den Zellen mit wenig tiefgebuchteten Kernen]. Wie kommt es, dass acht Tage nach der Krise noch so gewaltige Anstrengungen von Seiten der Leukocyten bildenden Organe gemacht werden, dass selbst die Jugend- formen ins Blut übertreten? Doch wohl nur, weil eben jetzt in diesem Falle der Verbrauch seinen Höhepunkt erreicht hat und zur Deckung des Defizites im Blute alle Hilfstruppen ausmarschieren müssen; während wir bis zum 10. XII. 02, um einen Vergleich zu gebrauchen, den seiner Fälle. 35 regulären Truppen grösstenteils beraubten Körper mit allen verfüg- baren Reservetruppen operieren sehen, deren Einberufung seine grosse Notlage und Gefahr verrät, stellt er nunmehr auch ganz blutjunge, ungereifte und unvollkommen ausgerüstete Mannschaften unter die Waffen. Sehr lehrreich und meiner Ansicht nach in überraschender Harmonie mit diesem qualitativen Blutbefunde stehend ist aber auch der quantitative Blutbefund: denn es wurden an diesem Tage nur 6000 weisse Blutkörperchen gezählt. Wir werden so mit Macht zur Annahme gedrängt, dass der Verlust an Neutrophilen im Blute ein so eminenter war, dass nach beiden Seiten, qualitativ und quanti- tativ (im Vergleich zu 10. XII. und 20. XII. 02), sein Bestand die ein- schneidensten Veränderungen erlitten hat. Fünf Tage später, am 23. XII. 02 sehen wir dagegen das Blutbild wieder ganz anders gestaltet. Es nähert sich sehr dem normalen Befunde und am 4. I. 03 ist es nach allen Richtungen als völlig normal zu erklären. Quantitativ sehen wir am 23. XII. noch einmal eine leichte Leukocytose auftreten; wir wundern uns nicht darüber; denn dass dieLeukocytenursprungsstätten nach der Ver- wüstung am 10. XII. mit einer weitgehenden Reaktion antworteten, ist leicht begreiflich und die rasche Veränderung des qualitativen Blut- befundes sehr gut verständlich, wenn wir annehmen, dass nach dem 10. XII. die Inanspruchnahme der neutrophilen Leukocyten mit der erst jetzt eintretenden definitiven Überwindung des Virus eine immer geringere wurde. Bei dem Verbrauche an Neutrophilen partizipiert in diesem Falle vielleicht auch der Aufsaugungsprozess des Pneumonieherdes bis zu einem gewissen Grade. An dem Falle ist, wie auch ähnlich an allen folgenden, weiterhin sehr Wichtiges zu lernen. Wir sehen, wie relativ wenig eigentlich die Leukocyten- zählungen allein von Bedeutung sind für die Auffassung eines Falles, und wie verkehrt es wäre, auf sie allein gestützt, Gesetze über das wirkliche Verhalten der Neutrophilen bei Krankheiten aufzustellen; ihre Zahl ist gar nicht massgebend; wir haben bei 6000 Leukocyten die schwersten Veränderungen gefunden; niemand hätte bis auf den heutigen Tag über diese Zahl nach Sachlage ein anderes Urteil gefällt als das, dass jetzt die normale Anzahl der Leukocyten nach Ablauf der Pneu- monie und bei anscheinend völliger Genesung des Patienten wieder vor- handen sei, ohne auch nur die leiseste Vermutung zu haben, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. Und umgekehrt, welcher Unterschied ist zwischen den beiden Befunden 10. XII. 02 und 23. I. 03; die Gesamt- zahlen sind sich zwar sehr nahestehend (12400 und 10900), in beiden Fällen besteht eine leichte Leukocytose, aber die qulitative Zusammen- setzung der Neutrophilen ist toto coelo eine andere, hier (23. XII. 02) fast schon normal, dort hochpathologisch; das gleiche ist der Fall, 3* 36 Pneumonie- wenn wir die beiden Tage mit anscheinend normalem Zählbefunde (18. XII und 4. I.) vergleichen; hier ist der Kontrast im neutrophilen Blutbilde noch mehr auf die Spitze getrieben. Gewiss wird man bei solchen Betrachtungen immer auch zu be- rücksichtigen haben, wie der Prozentsatz der Neutrophilen überhaupt der Gesamtleukocytenzahl gegenüber in jedem. Falle beschaffen ist; wir werden dies in einer späteren Arbeit, wie schon oben einmal erwähnt, nachholen und sehen, was sich hieraus für weitere Schlüsse ergeben. Jedenfalls glauben wir schon an dem einen Falle in überzeugender Weise dargetan zu haben, dass unsere bisherigen Untersuchungszähl- Methoden auf diesem Gebiete die denkbar oberflächlichsten und falschesten Schlüsse zulassen können, dass sie daher bei der Beurteilung eines Blut- befundes und speziell des der neutrophilen Leukocyten von nun ab nicht mehr Bedeutung beanspruchen dürfen als die, dass sie nur im stände sind, die auf die neue Methode gewonnenen Haupttatsachen nach quanti- tativer Richtung zu ergänzen. 2. V., Johann, 54 Jahre, Taglöhner; Eintritt am 15. XII. 02; bereits viermal Lungenentzündungen; 1872 das erste Mal, zuletzt vor 2 Jahren. Am 14. XII. abends Schüttelfrost, Fieber, Hustenreiz, Schmerzen in der Seite. Robuster Mann, schwer ergriffen; beginnende Infiltration des linken Unterlappens; Urin: massig Eiweiss und nur hyaline Zylinder; keine Milz- schwellung; Puls gut. Leichtes Emphysem der Lungen. Blutuntersuchung, genau 24 h nach Schüttelfrost, am 15. XII. abends (8 h): 15400 weisse Blutkörperchen. 18. XII. Pneumonisches Sputum; stärkste Infiltration des ganzen Unterlappens; sehr schweres Bild; Puls kleiner, weicher geworden; Sputum etwas flüssig; Kampfer 2stdl., Digitalis. Zählung abends 7 h: 11 700 weisse Blutkörperchen. 20. XII. Höhepunkt; Cyanose; Orthopnoe; Puls weich, jedoch nicht sehr beschleunigt, relativ voll. Zählung um 6V4 h abends: 20 700 weisse Blutkörperchen. 23. XII. Bronchialatmen, Dämpfung etc. nach wie vor; lytische Ent- fieberung. Zählung um 12 h Mittag: 18 500 weisse Blutkörperchen. 27. XII. Seit 24. fieberfrei; Zählung um 121J2 h Mittag: 10 700 weisse Blutkörperchen ; Aufsaugung im Beginne; Knistern überall. 4. I. 03. Zählung um 12 h Mittag: 7400 weisse Blutkörperchen; Rückbildung des Infiltrates im Gange. 14. I. 03. Zählung um 12 h Mittag: 6200 weisse Blutkörperchen. Aufsaugung so gut wie beendet. 21. I. 03. Geheilt entlassen. Die hierher gehörige, auf Grund unserer Untersuchungen ausge- führte Tabelle lautet: Fälle. 37 l T 2 3 t_ 5 und mehr Fall 2 M W 2E 2S 1K1S 3K3S 2K1S 2S1K 4K4S 3K1S 3S1K 2K2S 5KJ4K1S7K V. Johann 15. XII. 02 . 7 5 49 1 7 21 11 6 1 - — — 1 _ — — 18. XII. 02 . - 4 29 5 16 28 5—| 5 4 2 - — — 2 [ — 20. XII. 02 . — — 56 1 16 20 — 6 — 1 — — — — 23. XII. 02 . 3 2 18 2 18 26 3 1 12 7 3 — — - 3 1 — 1 27. XII. 02 . 3 — 5 1 29 16 10 1 16 15 - — 3 - — -1 1 - 4. I. 03 . 1 16 2 25 13 2 2 14 14 4 4 — 1 1 1 — Dieser Fall weicht in verschiedenen Punkten ganz von dem an- deren ab: 1. Patient hat in früheren Jahren bereits viermal Lungenentzündung überstanden; 2. mit dem Schüttelfrost wird auch die Pneumonie sofort physi- kalisch nachweisbar; 3. Patient ist sehr schwer von der Krankheit ergriffen, während der erste, allerdings jugendliche Patient relativ viel leichter affiziert war; 4. die Pneumonie hat keine kritische, sondern mehr lytische Ent- fieberung; ihre Dauer selbst erreicht ca. neun Tage; 5. Die Dauer der Resorption ist eine relativ viel längere. Wir werden uns daher nicht zu wundern haben, wenn wir im folgenden die Reaktion der Neutrophilen in vielfach anderen Bahnen ablaufend sehen werden; und wenn es wahr ist, dass keine Pneumonie in bezug auf den physikalischen Befund und den Verlauf der andern gleicht, so müssen wir dies genau in demselben Umfange erst recht zu- nächst für unsere neutrophilen Blutbefunde vindizieren. Hier werden wir vielleicht sogar im stände sein, den Urgrund für die ersteren Ab- normitäten und Varietäten des Verlaufes kennen zu lernen. Unter dem 15. XII. 1902 ist der neutrophile Blutbefund genau 24 h nach dem initialen Schüttelfrost wiedergegeben; wir sehen hier sofort das Blut maximal verändert, nur einmal, am 20. XII. erreicht die Veränderung noch dieselbe Höhe. Bis zur Lysis erhält sich also (kleinere Remission am 18. Xn. 1902) diese schwere Veränderung; von da ab und mit ihr beginnt auch die Besserung des Blutbefundes, aber selbst am 4. I. 1903 sehen wir noch immer das Blutbild auf dem nor- malen Niveau nicht angelangt. Wir finden hier nicht wie im ersten Falle etwa eine Steigerung der Blutalteration nach der Entfieberung. Dort hat sich das Exsudat relativ rasch aufgesaugt, hier erhält es sich 38 Pneumonie- mit grosser Zähigkeit noch länger als drei Wochen; dort erfolgt auch eine raschere Rückkehr des Blutbefundes zur Norm, hier nicht. Leider wurde am Tage des Austrittes keine Blutuntersuchung mehr ausgeführt, da wir diese Verhältnisse nicht vermutet hatten und erst bei der späteren Untersuchung der Präparate kennen lernten. * Betrachten wir das Detail der Tabellen. Die erste weist die grösste Anzahl von Myelocyten (7°/o) auf, die mir in den in dieser Arbeit ver- öffentlichten Fällen begegnet ist; auch 5°/o W ist eine hohe Zahl; wenn wir noch die T hinzurechnen, so erhalten wir 61 °/o Neutrophile in Klasse 1 gegenüber ca. 5—10°/o beim Normalen, und nur 10°/o in Klasse 3, 4, 5; somit wiederum kolossale Differenzen. Innerhalb 24 h sehen wir also das neutrophile Blutbild direkt auf den Kopf gestellt; wohl die meisten der im Momente der Infektion im Blute gerade zirkulierenden Neutrophilen sind jählings zu gründe gerichtet worden; dafür aber musste wieder ein ganz neues Blutbild geschaffen werden; es handelt sich hier nicht etwa um Mehrbedarf, wie bei der Verdauungsleukocytose, der spielend aus den Reservemitteln ohne jegliche besondere Veränderung des Blutbildes gedeckt wird, sondern um immense Massen völlig neu zu beschaffender Zellen, um eine völlige Regeneration der Neutrophilen. So verstehen wir, dass sich bei diesem gewaltigen Ansturm alle Schleusen des Markes öffnen und alles, was neutrophil heisst, durch die weit ge- öffneten Tore hinausströmt, um den ihres Schutzes entblössten Organen zu Hilfe zu eilen. Diese Massen bevölkern nunmehr in ganz anderer Rangordnung das Blut; die Gesamtleukocytenzahl ist vermehrt; sowie ein Teil von ihnen das wehrhafte Alter im Blute erreicht hat, wird er vernichtet; darum ist das Blut so gut wie frei von Klasse 3, 4 und 5. Ein ungemein wichtiger Punkt stösst uns da sofort auf. Wir sind unwillkürlich geneigt, zu fragen, warum fallen fast nur die Klassen 3, 4 und 5 im Blute der Vernichtung anheim und nicht auch die der Klasse 1 und 2, oder warum ist die Vernichtung nicht wenigstens eine gleich- massige unter den verschiedenen Klassen? Es ist doch auch denkbar, dass die Klasse 1 schon im Marke sofort bei der Entstehung dezimiert wird, ebensogut wie die Klassen 3, 4, 5 im Blute; sicherlich wird wohl auch ins Mark, das die Quelle der Neutrophilen unter normalen Ver- hältnissen abgibt, durch die Zirkulation das zerstörende Gift getragen. Ist es auf dem Wege dorthin etwa schon unschädlich gemacht worden, oder haben nur allein die gereiften uud gealterten Neutrophilen die Fähigkeit oder die Aufgabe, die Verteidigung zu führen, oder ist es gar so, dass wir es mit einer, jeder Klasse eigenen und nur gegen ein bestimmtes Gift wirksamen^ Funktion und darum Einstellung des Blutes auf diese Zellart oder auf gewisse Kombinationen von Zellarten zu tun haben ? Im letzteren Falle müssten wir dann eine Änderung der Funktion Fälle. 39 des Markes annehmen, das nur die spezifischen Zellen mehr produzieren würde. Hat dann vielleicht eine jede Zellklasse besondere Eigenschaften bezüglich der Erzeugung von Antigiften? An die Beantwortung all dieser Fragen werden wir mit Erfolg erst später gehen können. In unserem Falle haben wir es also bis zum Höhepunkt der All- gemeininfektion am 20. XII. mit einer gewaltigen Zerstörung von Neutro- philen, wenn wir uns einstweilen provisorisch an unsere erste Hypothese halten, zu tun; bis jetzt würde man auf die einfache Zählung hin ge- sagt haben, die starke Leukocytose (20700) ist trotz der äusserst schweren Allgemeininfektion ein günstiges Zeichen für den weiteren Verlauf; wir sehen aber umgekehrt, dass die Bildung der Neutrophilen ganz erschöpft ist, und dass sich der Organismus nur mit halbfertigen Zellen wehren kann, die er darum in so sehr verstärkter Anzahl auszusenden genötigt ist. Ein grosser Weg von diesem Zustande bis zur Vernichtung dürfte nach unseren späteren Erfahrungen kaum mehr zurückzulegen sein; alles wird darauf ankommen, wie lange das Mark diese Hilfskräfte zu schaffen vermag und wie lange die Giftwirkung anhält und ob sie sich steigert, oder ob sie fällt. Nur in dem Sinne, dass wir durch die Leukocytose Kenntnis von der Leistungsfähigkeit des Markes überhaupt erhalten, ist sie eine günstige Erscheinung, auf die aber keineswegs alles an- kommt. Die Beschaffenheit des Blutbildes gibt uns hier mehr Aufschluss über die Schwere der Infektion. Aus der Tabelle 18. XII. 1902 ist ersichtlich, dass es auf der Höhe der Blutalteration auch Schwankungen gibt; mit der aus dieser Tabelle ersichtlichen Besserung sind sofort die Myelocyten verschwunden und nachdem sich in dieser kurzen Zeit das Mark von seiner Über- rumpelung etwas erholt und für gesteigerte Produktion eingerichtet hat, sehen wir diese dann auch am 20. XII. nicht mehr wiederkehren. So erklärt sich am besten der auffällige Befund, dass am Beginn der Er- krankung die grössten Massen von Myelocyten im Blute zu finden waren und auf dem Höhepunkt der Erkrankung nicht mehr. Vielleicht ist die schwere Allgemeininfektion mit dem gleich am Anfang in unge- heuren Mengen erfolgenden Zerfall von Leukocyten und der Wirkung der Zerfallsprodukte (Fibrinferment) in Zusammenhang zu bringen; oder sind es Proteine der eben durch die Tätigkeit der Leukocyten abge- töteten pathogenen Mikroben, oder die Neutralisationsprodukte von Giften, die noch mehr zur Erzeugung des Fiebers und der Allgemein- infektion beitragen als die Organismen und ihre Gifte selbst? Dass der Körper, was wir teleologisch auch sehr erklärlich finden, auf der Stelle vernichtet, was ihm nur irgend möglich ist zu vernichten, sehen wir aus unseren Blutuntersuchungen, die die Spuren des gewaltigsten augenblicklichen Kampfes aufs deutlichste an der Stirne tragen. In unserem Falle 1 ist offenbar die Infektion eine steigende ge- 40 Pneumonie- wesen; der Organismus hat sich auf den Kampf besser einrichten können, daher auch die relativ leichtere Überwindung der Infektion; die nach der Krisis, die doch der Ausdruck des Sieges der Schutzkräfte des Körpers ist, noch weiterhin andauernde Infektion zu überwinden, fällt ihm nicht schwer, da er genügend Zeit gehabt hat, sich zu rüsten. Wenn wir die oben bezeichnete 2. Anschauung (S. 32) annehmen, so müssten wir die Überstehung der Angina lacunaris im obigen Sinne als geeignete Vorbereitung zum Kampfe auffassen; die Pneumonie, die am 9. hinzukommt, wird sofort in ihrem Wesen am 10. überwunden (Krisis), aber die Einwirkung des Pneumoniegiftes sehen wir noch volle neun Tage an dem Blutbilde (18. XII. 02.) vor sich gehen. Es käme so für die merkwürdige Blutveränderung nach der Krise eine ganz gute Erklärung zu stände und auch die Dauer dieser Einwirkung über neun Tage könnte bei Annahme eines 9 tägigen Pneumonieprozesses dazu nur beitragen. In dem vorliegenden Falle 2 aber handelt es sich um eine sofort in grösster Intensität einsetzende Infektion, die Krisis (hier Lysis) fällt mit der Besserung des neutrophilen Blutbildes auch wirklich ungefähr zusammen, aber entsprechend der langsamen Rückbildung des Prozesses auf der Lunge finden wir selbst am 4. I. 03. noch nicht die normalen Verhältnisse zurückgekehrt. Auffallend ist am 23. XII. und selbst noch am 27. XII. der hohe Myelocytengehalt, ein Zeichen, dass noch grosse Unordnung in den Leukocyten bereitenden Stätten besteht. Wir haben hier ausserdem einen Fall mit verzögerter (3 Wochen) Resorption und es sei darauf hingewiesen, dass wir dementsprechend auch das Blutbild noch nicht zur Norm zurückgekehrt finden. 3. G., Georg, 29 Jahre, Taglöhner; Eintritt am 11. XL 02. Am 10. XI. früh 5 h Schüttelfrost direkt im Anschlüsse an eine Er- kältung. Es findet sich bei dem sehr gut genährten und kräftigen Patienten eine Pneumonie des rechten Mittel- und Unterlappens; am 14. XI. kommt auch der Oberlappen dazu; Temperaturabfall mehr lytisch; am 16. XL, gegen Ende des hohen Fieberstadiums um 12 h Mittag Leukocytenzählung: 19 100 Weisse. In den nächsten drei Tagen rasche Rückbildung bis auf die Infiltration des Mittellappens; es ist am 19. XI. nur mehr verschärftes Atmen über den beiden anderen befallenen Lappen zu hören. Zählung der weissen Blutkörperchen am 19. XI. um 12 h Mitta»: 9200; am 23. XL neuerdings Zählung: (12 h Mittag) 5000. Seit dem 18. XI. völlig fieberfrei. 23. XI. Über dem Mittellappen ist der Schall zwar etwas aufgehellt, jedoch zuweilen noch Bronchialatmen hörbar; auch Bronchophonie und ver- stärkter Pektoralfremitus besteht fort. Die hierher gehörige Zusammenstellung der Untersuchungsbefunde lautet: Fälle. 41 M W T 2K 2S. 1K1SI 3 4 5 und mehr Fall 3 3K 35 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K! 4K IS i 4K2S G. Georg 1 16. XI. 02 .;—— 27 2i26 23 j. i i - 3 8 10 - _ — — . — — 1 19. XI. 02 J'2 2 13 1 32 27 1 1 11 8 -i 1 - — — — — 23. XL 02 . i:—I—' 6 ■' — ;26- 19 35 17 20 1 — 2 — 1 — — Nach der ausführlichen Behandlung der vorausgehenden Fälle können wir uns hier kürzer fassen. Wir haben dicht vor der Krise eine ziemlich starke Leukocytose (am 16. XL 02: 19100); die Neutro- philen sind wiederum im gleichen Sinne verändert; auffallend ist am 19. XL, dass wir auch hier, wie in Fall 1 und auch in Fall 2, nach der Krise W und T in grösserer Menge im Blute vorfinden; diese in jedem der drei Fälle auftretende Gleichmässigkeit deutet auf etwas Gesetzmässiges in diesem Befunde hin; wir erklären es entweder mit der Unordnung, die nach der Krise noch in dem Regenerationsprozess der Neutrophilen herrscht, oder mit der momentanen Erschöpfung des Markes direkt nach der Krise, oder mit fortgesetzt starker, aber nicht mehr so exzessiver Inanspruchnahme auch nach Ablauf der Krise. Nachdem sich in zwei Lappen die Aufsaugung vollzogen hat, ist auch das neutrophile Blutbild normal (23. XL) geworden, trotzdem der Mittellappen noch aussteht. Im folgenden sind einige weniger ausführlich nur in Stichproben untersuchte Fälle eingeschoben. Die Blutuntersuchungen sind in eine Tabelle bei Fall 4 zusammen gezogen. 4. F., Friedrich, 30 Jahre, Maschinenwerkstättengehilfe; Eintritt am 21. II. 03. Mit 9 Jahren angeblich schon einmal Lungenentzündung über- standen. Am 20. II. nachmittags plötzlich Schüttelfrost, Seitenstechen, Husten etc. Kräftiger Mann; Entwickehmg einer Infiltration noch nicht nachzuweisen; charakteristisches Sputum. Zählung genau 24 h nach Schüttelfrost, Nachm. 4 h am 21. II.: 24 800 weisse Blutkörperchen. Am 22. Herpes labialis, Entwickelung der Pneumonie im linken Unter- lappen. Am 7. Tage Krisis, am 2. III. Aufsaugung beendet. Am 26. ist das Ei weiss, das am Anfang deutlich neben epithelialen Zylindern, weissen und roten Blutkörperchen vorhanden war, verschwunden. 7. III. Entlassung. Die Veränderungen in diesem Falle bieten keinen Anlass zu neuen Erörterungen; sie sind 24 h nach dem Schüttelfrost bei einer starken Leukocytose (24800) wiederum im gleichen Sinne wie oben sehr aus- gesprochen. 42 Pneumonie- l M,W T 1 1 > 1K1S 3 i 5 t i. mehr Fall 4-8 i 2K 2S __l 3K3S i 2K1S 28 1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K 4K1S 4. F. Friedrich 1 21. IL 03 . 1 j —'29 1 27 13 — 5 10 7 1 — 2 — 4 — — 5. W. Michael ! 2. XII. 02 . 1 4 47 2 13 21 1 — 8 2 —! — 1 — — — — 6. K. Johann 25. II. 01 . 11 —'28 — 30 19 — 2 6 10 — — 1 — — — 3i) 7. W. Max l ' 11. I. 01 . . -j 2 22 -26 28 3 1 11 5 1 !— 1 — — — — 8. K., 19 Jahre 15. XL 02 . — 1 |8 1 31 17 1 1 18 13 1|- 2 1 5 — — 5. W., Michael, 66 Jahre, Zimmermann; Eintritt am 1. XII. 02. An- geblich 1873 Lungen- und Rippenfellentzündung und vor zwei Jahren wiederum Lungenentzündung. Am 28. XI. Beginn der jetzigen Erkrankung mit Schüttelfrost etc., Blut im Auswurf. Nach Angabe des Sohnes Schnaps- trinker. Mittelkräftiger Mann, deliriert teilweise, Puls äusserst unregelmässig, klein, weich. Pneumonie des linken Unterlappens, starkes Emphysem der Lungen. 2. XI. Trotz aller aufgewandten Stimulantien Exitus letalis unter den Symptomen der Herzschwäche. Eine Zählung der Weissen wurde 53/4 h vor dem Tode ausgeführt (um 12 h Mittag): 16100. Path.-anat. Diagnose: Dilatatio, myodegeneratio fusca cordis; Hyper- trophia modica ventriculi dextri; Oedema, Emphysema pulmonum; Pleuritis fibrinosa sinistra; Pneumonia crouposa (hepatisatio grisea) lobi inferioris pul- monis sinistri; Cirrhosis hypertrophica hepatis; Renes cyanoti^i; Nephritis parenchymatosa acuta. Das neutrophile Blutbild ist in diesem Falle wieder sehr schwer geschädigt. Wir haben nur hervorzuheben, dass es sich um eine Potatorenpneumonie mit Delirium tremens und wieder um ein älteres Indi- viduum handelte. Es ist dies nun schon der 3. Fall, bei dem wir in der Anamnese die Angabe bereits früher überstandener Pneumonie finden. Hervorzuheben ist noch, dass wir in den drei letzten Fällen immer eine Beteiligung der Myelocyten an dem Zustandekommen des Blutbildes auftraten sahen. 6. K., Johann, 64 Jahre alt, Portier; früher öfters an Gelenkrheuma- tismus krank. Tod am 1. III. 01. Die Sektionsdiagnose lautet: Degeneratio adiposa musculi cordis; Endocarditis inveterata valvulae Aortae; Oedema pulmonis sinistri; Pneumonia crouposa (Hepatisatio grisea) i) Siehe ausführliche grosse Tabelle Fall 6. Fälle. 43 pulmonis dextri excepto apice; Hepar adiposum; Nephritis parenchymatosa et interstitialis. Eine Leukocytenzählung wurde am 25. II. Ol bei 40,0° ausgeführt (2 h Nachm.): 14 900. Wenn wir diese Tabelle mit der des Falles 5 vergleichen, so findet sich fast völlige Übereinstimmung; in dem einen Fall handelte es sich aber um einen leichten Fall bei einem jugendlichen Individuum, hier dagegen um tödlichen Ausgang bei einem älteren Manne. So recht eklatant ist hier wiederum ersichtlich, dass der Blutbefund allein nicht alles ausmacht, da der Patient in bezug auf diesen keineswegs eine schlechte Prognose verdient hätte, wenn nur vor allem sein Herz und auch seine Nieren leistungsfähiger gewesen wären. Hier waren aber starke Veränderungen an den beiden Organen vorhanden; wir wissen, dass auch ohne dieselben eine croupöse Pneumonie in einem solchen Alter von seites des Herzens die grössten Anstrengungen verlangt, denen dasselbe nur zu oft unterliegt. 7. W., Max, 8 Monate; 8. I.—12. I. Ol (f). Das Kind, das gut genährt ist, ist mit einer geringgradigen Rhachitis behaftet, hat bereits 6 Zähne, soll mit 6 Wochen an Darmkatarrh, vor 5 ^\rochen an den Wasserblattern gelitten haben; seitdem habe es Krämpfe mit Atemnot; dieselben erweisen sich im Laufe der Beobachtung als Laryn- gismus stridulus. Beim Eintritt leidet es an einer Bronchopneumonie zunächst links, im weiteren Verlaufe auch rechts. Über den äusserst schweren Verlauf geben die Temperaturen Rechenschaft. An manchen Tagen traten bis 9 An- fälle von Laryngismus stridulus nebenbei auf. After-Temperaturen: 38,4° 40,901) früh 39,801) 40,601) 8. I. — 9. I. 39,1° 10. I. 39,8 01) mittags 11. I. (38,6°) 12. I. 39,801) 38,1° 38,0° (38,0°) 39,8° *) 40,901) 40,0°!) abends (39,2°) 38,0° 40,201) 40,00I) exitus. Am 11. I. Ol ergab die Zählung der Leukocyten 23 300, 24 h ante exitum. Pathol.-anatom. Diagnose: Bronchitis, Bronchopneumonia bilateralis, praecipue dextra; Emphysema acutum partim interstitiale. Oedema glottidis (?) Rhachitis. Aus diesem Falle lernen wir, dass auch bei katarrhalischer Pneu- monie genau dieselben Veränderungen im Blute unter den Neutrophilen bestehen können wie bei den croupösen, also im Prinzip die Wirkung beider Erkrankungsformen auf das Blut gleich schädlich ist. In den Fällen 5, 6, 7 trat der Exitus letalis ein; bei dem letzteren ist es 24 h, bei dem vorletzten 5 3U h und bei dem ersten wenige Tage i) Kalte Einwickelung, bezw. Bad mit Übergiessung. 44 Pneumonie- vor dem Tode zur Untersuchung des Blutes gekommen; in allen drei Fällen bestand eine stärkere Leukocytose, in nur einem eine besonders hochgradige Schädigung der Neutrophilen. Der angeblich prognostisch günstige Wert der Leukocytose hat sich somit nicht als zutreffend er- wiesen, und was die Blutveränderungen anlangt, so haben wir in Fall 2 noch hochgradigere gesehen, aber es kam trotzdem zur Heilung; die massgebenden tödlichen Faktoren lagen also nicht im Blutbefunde; sie sind in den 3 Fällen leicht ersichtlich. 8. K., 19 Jahre, taubstumm; Patient hatte eine einfache Pneumonie des linken Unterlappens, die schulgemäss verlief. Am siebenten Tage Krisis ; Blutkörperchenzählung 6 h nach Eintritt der Krisis, morgens 9 h: 5400. In 5 Tagen völlige Lösung und Genesung. In diesem auch bezüglich der Allgemeininfektion leicht verlaufen- den Falle ist am raschesteu von allen bisherigen Fällen die Rückkehr des normalen Blutbildes zu verzeichnen; schon 6 h nach Eintritt der Krisis ist keine besondere Differenz gegenüber dem normalen Blutbilde mehr zu erkennen. Es besteht auch durchaus keine Leukocytose mehr. 9. A., Andreas, 21 Jahre, Schutzmann. Eintritt am 5. XL 02. Früher immer gesund. Am 4. XL abends plötzlich Schüttelfrost mit den charakte- ristischen Beschwerden; es findet sich eine Pneumonie des rechten Unter- lappens, nur ganz hinten unten bis zur vollen Höhe entwickelt; am 6. XI. über den ganzen Unterlappen ausgebreitet; wenig pneumonisches Sputum; keine Milzschwellung, nur etwas Nukleoalbumin im Urin. So bleibt der Be- fund bis zum 17. XL, wo mit einem Male auch eine Infiltration des Mittel- und Oberlappens auftritt. Am 8. XL Zählung um 12 h mittags: 4600 weisse Blutkörperchen; am 14. XL um 12 h mittags: 7500. Am 19. XL etwas pneumonischer Auswurf; trotz stärkster Dämpfung nie Bronchialatmen, vorne meist tympanitischer Schall; die rechte Lunge bleibt bei der Atmung sehr stark zurück. Zählung am 25. XL 12 h mittags: 5800 weisse Blutkörperchen. Am 27. XI. ist Patient erstmals völlig fieberfrei und bleibt es von da ab. Am 1. XII. grobes Reiben über Ober- und Mittellappen. Hinten von unten bis oben gedämpft, kein Atmungsgeräusch, abgeschwächter Pektoral- fremitus; vorne relativ gedämpft tympanitisch über dem Oberlappen, mehr noch über Mittellappen, die Lunge bleibt bei der Atmung zurück, vorne schwaches, unbestimmtes Atmungsgeräusch. Probepunktion negativ; nie T. B. im Auswurf. Am 12. XII. Entlassung, der Befund hat sich nur wenig verändert. Eine Nachuntersuchung am 18.1. 03. ergibt überall relative Dämpfungen, massige Einziehung der rechten Thoraxhälfte, Zurückbleiben bei der Atmung, relative Dämpfungen und abgeschwächtes Atmungsgeräusch. Zählung um ll1/2 h vormitt.: 6400 weisse Blutkörperchen. Die Tabelle der neutrophilen Blutmischung lautet: Fälle. 45 Fall 9 l 2~" 2S 1K1S 3 4 1 5 u. m. M W 1 T 2k" _'_L !i 3K3S 2K1S 2S1K 4K4S 3K1S 3S 1K 2K2S 5K A. Andreas i ! ll 1 ! 8. XL 02 . — 2 ,44] 2 21, 23 5 — 2 1 ii-|— — — — -1) 14. XL 02 . 'i -33 — 29 j 20 3 — 8 rr — — — — 25. XL 02 . — -!23 2 30 24 1 1 11 !! 1 4 n1;- 2 — 1 — 18. I. 03 . . - 9 6 20 36 7 12 4 3 — 1 — 2 — Mit diesem Falle beginnen wir eine Serie von Pneumonien, die die gemeinsame Signatur einer äusserst langsamen bezw. gar nicht ein- tretenden Aufsaugung des pneumonischen Exsudates an sich tragen. Der erste der Fälle würde, wenn man nur das Ergebnis der Zählungen in Betracht zieht, nach den heutigen Ansichten überhaupt keine besondere hämatologische Beachtung verdienen, da die Zahlen gerade in normaler Breite liegen; nur das erste Mal (8. XL) finden wir eine etwas geringe Anzahl (4600). Im grellen Kontrast stehen wiederum die Veränderungen innerhalb der Neutrophilen, die besonders am An- fange als hochgradig zu bezeichnen sind. Am 8. XL ist mit der gleich- zeitigen Verringerung der Gesamtleukocytenzahl auch die Verwüstung unter den Neutrophilen am grössten; es ist der 4. Tag nach dem ein- leitenden Schüttelfrost. 92°/o finden wir in Klasse 1 und 2; 6 Tage später ist die Besserung nicht viel weiter vorwärts geschritten, nur die Gesamtzahl ist etwas höher; selbst am 25. XL haben wir noch 79°/o in Klasse 1 und 2; am 27. erlischt das Fieber, das immer in geringer und unregelmässiger Höhe vorhanden war, völlig. Ein Monat nach Austritt, den Patient zur Erholung auf dem Lande zubrachte, sind wir noch nicht in der Lage, normale Blutmischung bezüglich der Neutro- philen aufzufinden; immer haben wir noch 71 °/o in Klasse 1 und 2, und es sind hauptsächlich die Zellen mit 1 K 1 S, die Vermehrung auf- weisen ; wir wissen aber, dass sie am nächsten der Klasse 1 stehen. Es wäre demnach in diesem Falle ein Parallelgehen der nicht eintretenden Resorption mit einer ebenfalls sehr hartnäckigen krank- haften Veränderung der neutrophilen Blutmischung zu verzeichnen. Welche von beiden Erscheinungen ist nun die primäre? Bildet sich die Pneumonie deswegen nicht zurück, weil die neutrophilen Leukocyten nicht funktionstüchtig genug sind, oder ist es umgekehrt? Wir neigen der ersteren Ansicht zu, da wir ja schon in den ersten Tagen der Pneumonie sahen, wie wenig die Neutrophilen und die Leukocyten über- i) Zu dieser Zählung wurde auch eine grosse ausführliche Tabelle angefer- tigt, s. Tabelle Fall 9. 46 Pneumonie- haupt auf die Invasion des Pneumoniegiftes reagierten, bezw. wie schwer sie von demselben getroffen wurden. Offenbar sind sie nicht leicht mit dem Gifte fertig geworden, wir wundern uns nur, dass sie über- haupt fertig wurden; wir können aus diesem Falle, der durchaus nicht etwa den Eindruck eines schweren machte, einstweilen schliessen, dass das Fehlen der Leukocytose auch bei nicht schweren Fällen vorkommt, allerdings aber, wie in unserem, die Möglichkeit der potrahierten oder überhaupt ausbleibenden Resorption in sich schliesst. 10. J„ Johann, Ausgeher, 33 Jahre, 4. IL 03. An Lungenschwindsucht starben: Der Vater, eine Schwester und vor 1/ä Jahr die Frau. Er selbst angeblich noch nie krank. Am 26. I. Beginn der jetzigen Erkrankung mit Seitenstechen, Husten, Schmerzen dabei, Atem- beschwerden; am 28. und 30. je ein Schüttelfrost. Kräftiger, grosser Mann von gutem Ernährungszustand; die ganze linke Lunge gibt vorne wie hinten überall Schenkelschall, in den die Herzdämpfung übergeht; Bronchophonie und Bronchialatmen in ausgesprochenster Weise, dagegen fast völlige Aufhebung des Pektoralfremitus im ganzen Bezirk. Die beiden Brusthälften haben gleichen Umfang (47 cm). Schon jetzt sei bemerkt, dass Patient so gut wie nie einen Auswurf während der ganzen Zeit der Beobachtung bis zum 27. IV. 03 hatte; manch- mal kam etwas Schleim, aber weder darin noch im späteren Verlaufe nach dem 27. IV. konnten Tuberkelbazillen aufgefunden werden. Bis zum 18. II. bestand ein Fieber, dass sich mit ganz geringen Ab- weichungen zwischen 37,5° und 38,6° bewegte; bis zum 21. bestanden Temperaturen zwischen 38,0° und 39,6°. Darauf folgte mit rapidem Abfall eine fast fieberfreie Periode bis zum 12. III. In diese Zeit fällt eine be- deutende Aufhellung des ganzen linken Oberlappens mit Verschwinden des Bronchialatmens und Auftreten von unbestimmtem Atmungsgeräusch, gleich- zeitig starke, grobe Reibegeräusche vorne unter der Clavicula und Verstärkung des Pektoralfremitus. Am 13. III. schnellt die Temperatur plötzlich wieder in die Höhe (40,0°) und bleibt nun bis zum 25. III. zwischen ca. 39,0° früh und 40,0° abends; dann sehr steile Kurven (früh meist etwas unter 37,0°, abends bis gegen 40,0°); starke Nachtschweisse; dies hält an bis zum 2. IV., von wo ab die Abendtemperaturen sukzessive niedriger werden, typisches hektisches Fieber aber weiter besteht; dazwischen gelegentlich abends höhere Tempe- raturen. Mit dem Auftreten der hohen Temperaturen am 13. III. wird der auf- gehellte Schall über dem linken Oberlappen wieder gedämpfter, auch Bron- chialatmen tritt wieder exspiratorisch auf; eine Schrumpfung der linken Brust- hälfte wird immer deutlicher; beim Atmen nur geringe Bewegung derselben; Ende Mai entwickelt sich eine exsudative Pleuritis links, die dann punktiert wird (800 ccm seröser, heller Flüssigkeit von spez. Gewicht 1015). Kurze Zeit darauf tritt Patient aus. Leukocytenzählungen wurden ausgeführt an folgenden Tagen: 17. H. 03 mittags 12 h: 7400. 27. IL 03 „ 12 h: 5000. 17. III. 03 „ 12 h: 3600. 25. III. 03 „ 12*12 h: 5600. Fälle. 47 5. IV. 03 mittags 12 h: 4600. 12. IV. 03 „ 12 h: 4100. 15. IV. 03 „ 12 h: 4600. Leider konnte ich auch in diesem Falle aus demselben Grunde wie im späteren Typhusfalle die Blutuntersuchungen nicht beenden. Im Anfang August stellte sich Patient wieder vor: Die linke Brust- hälfte beteiligt so gut wie gar nicht an der Atmung; überall besteht Dämpfung bis vorne unter der Clavicula; über den gedämpften Partien unbestimmtes abgeschwächtes Atmen. Seit 4. XI. 03 ist Patient wieder im Spital wegen nunmehr rechts- seitiger seröser Pleuritis. Die linke Brusthälfte befindet sich im Zustande des stärksten retrecissement thoracique; auch jetzt niemals T. B. in dem übrigens so gut wie fehlendem Auswurfe. Tabellen der neutrophilen Blutmischung: ' 1 2 3 4 5 u. m. Fall 10 m|w T 2K2S 1K1S 3K 3S 2K1& Johann 17. II. 03 . — — 14 -133 22 2U 14 27 IL 03 - 1 16 2 2* 26 5 1 8 17. III. 03 . — - 25 1 32 37 2 - 1 25. III. 03 . — 1 19, 3 29 30 4- 9 5. IV. 03 . — 1 lJ- 43 20 1 2 10 12. IV. 03 . — 3 19 — 25 36 2 7 15. IV. 03 . 1 1 20 2 32 22 3 1 8 I4K 4S 3K1S 3S1K 2IC2S 5K 2 1 2 — 2 1 1 — 1 1 - 1 — 1 — Ein noch klassischerer Fall als der unter 9 beschriebene ist der vorliegende. Wir sehen das neutrophile Blutbild durch volle zwei Monate, wahrscheinlich noch viel länger — mit Schwankungen je nach dem Verlaufe — konzentriert in den Klassen 1 und 2. Gewiss sind derartige Befunde angetan, im höchsten Grade überraschend zu wirken, zumal wenn man, wie es auch hier wieder der Fall war, eigentlich immer nur normale, bezw. subnormale Werte für die Gesamtleukocytenzahl findet. Meist überwiegen in der Klasse 2 die Zellen mit 2 S die mit 1K IS. Nur am 17. III., wo besonders viele Zellen sich fanden, ist dies nicht der Fall. Wir können somit auch aus diesen Untersuchungsresultaten Be- stätigung für unsere obigen Anschauungen schöpfen, besonders bezüglich der ausbleibenden Aufsaugung. 11. Seh., Georg, 53 Jahre, Dienstknecht; Eintritt am 30. I. 03. Am 28. I. mittags Schüttelfrost, am 29. I. blutiger Auswurf; beim Eintritt findet sich eine fast voll entwickelte Pneumonie des linken Unter- lappens ; wenig Ei weiss im Urin. 48 Pneumonie- Am 1. II. Pseudokrise, am 2. II. neues Knistern, Delirien. Nach lytischem Abfall seit 6. II. fieberfrei; nur am 19. IL 38,0° abends. Es besteht am 24. IL noch eine relative Dämpfung über dem ganzen Unter- lappen; exspiratorisches Bronchialatmen unten, oben unbestimmtes Atmen. Zählung der weissen Blutkörperchen ergibt: 6600 (24. IL). Am 5. III. Entlassung; Bronchialatmen nicht mehr hörbar, schwache Abkürzung des Schalles noch vorhanden. Die Tabelle ist mit der des Falles 12 vereint s. d. Die Blut- untersuchung ist in diesem Falle vier Wochen nach dem Schüttelfrost ausgeführt worden; auch hier ist das Blutbild noch nicht zur Norm zurückgekehrt. 12. B., Heinrich, 32 Jahre, Maurer; Eintritt 23. XL 02. Angeblich 1897 Bronchialkatarrh und Lungenentzündung durchgemacht. Am 9. XL abends Schüttelfrost, drei Tage blutiger Auswurf. Über die Krisis ist nichts Genaueres bekannt, da Patient die ganze Erkrankung ausser- halb des Spitals durchmachte; er trat am 23. XL 02 ein, vom Arzte ge- schickt, angeblich weil sich die durchgemachte Lungenentzündung nicht lösen wollte. Beide Unterlappen absolut gedämpft, lautestes Bronchialatmen, Broncho- phonie etc. Nur ganz langsam und sukzessive tritt die Resorption ein; erst am 27. XII. ist verzeichnet, dass jetzt überall vesikuläres Atmen zu hören sei bis auf die linke Achselhöhle, wo das Atmungsgeräusch noch unbestimmt hauchenden Charakter hat. Niemals ist Knistern zu hören gewesen, zeitweise links feines Reiben. Bis zum 6. XII. bewegte sich die Temperatur zwischen 37,0° und 37,8° i. a., von da ab nie mehr 37,0° i. a. abends erreicht. Im ganzen 10 Pfund Gewichtszunahme. Zählungen: 1. 25. XL um 12 h mittags: 12 600 weisse Blutkörperchen. 2. 1. XII. Leider ist hier das Resultat der Zählung verloren gegangen. 3. 14. XII. um I2V2 h mittags: 9600 weisse Blutkörperchen. Neutrophile Blutbildtabellen: 1 ,—*- 3 4 5 u. mehr Fall 11—12 MW T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K F~ 4S 3K1S 3S 1K j 2K 2S 5K| 4K IS 11. Seh. Georg — — 12 — 35 15 1 8 11 14 — 1 — 3 — — 12. B. Heinrich 25. XL 02 . — — 2 — 12 14 — 3 22 17 6 — 13 — 8 1 2 1. XII. 02 . - - 4 — 16 21 3 3 27 14 5 — 7 — — — — 14. XII. 02 . — — 2 1 11 24 5 3 20 10 7 — 13 2 1 1 — Dieser und der folgende Fall bilden wiederum einen eigenen, sehr wichtigen Verlaufstypus für sich. Darum sei die Krankengeschichte des anderen Falles sofort mit einbezogen. 13. W., Johann, 52 Jahre, Holzspalter; Eintritt am 6. II. 03. Starker Potator, hochgradiges Delirium tremens; Pneumonie des ganzen rechten Unterlappens. In der Nacht vom 7. auf 8. II. Krisis, gleichzeitig Fälle. 49 mit einem Schlaf, der am 7. mittags einsetzt und bis zum Morgen des 8. dauert; seitdem völlig fieberfrei. Im Gegensatze dazu steht der Befund auf den Lungen, der selbst am 24. IL noch unverändert wie zuvor besteht: Absolute Dämpfung, Bronchialatmen, Bronchophonie. Durch Wochen hindurch (bis 20. III.) ausgesprochenstes Knistern hörbar. Am 24. IL, also 16 Tage nach erfolgter Krisis ergibt die Zählung der weissen Blutkörperchen um 1 h mittags 7700. 18. III. Patient hat in den letzten 3 Wochen 3,2 und 3 Pfund an Gewicht zugenommen. Zählung der weissen Blutkörperchen: 5650. 28. III. 03. Am Tage der Entlassung: Im Bereich des rechten Unter- lappens Schall relativ gedämpft, unbestimmtes Atmen; vereinzeltes Knistern und Reiben. Zählung um 12 h mittags: 5100 weisse Blutkörperchen. Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 3 4 5u mehr Fall 13 M W T 2K|2S 1K1S 3KJ3S 2K IS 2S1K 4K 4S 3K IS 3S 1K 2K 28 5K 4K1S W. Johann 24. IL 03 . 18. III. 03 . 28. III. 03 . — — 4 6 1 ! -30 -21 l — 23 17 15 11 2 4 6 2 5 23 20 17 12 18 20 4 2 4 — 1 10 8 1 2 3 4 1 1 1 1 In beiden Fällen verschwindet mit dem Eintritt der Krise das Fieber fast für immer, aber die Infiltration bleibt noch lange bestehen; das merkwürdigste aber ist, dass eine Veränderung des neutrophilen Blutbildes hier überhaupt nicht besteht; dafür tritt im Gegensatz zu den obigen Fällen mit der Zeit völlige Resolution ein. Die Zählungs- resultate im ersten Falle liegen etwas höher als die des zweiten, die völlig normal sind. Im Falle 13 ist als gegensätzlich zum Fall 12 und als auffallend zu bezeichnen das Verhältnis der Zellen 2 S und 1 K 1S, das andauernd ein gestörtes ist. Sollten diese Veränderungen bei Fall 12 und 13 alle Zufall sein? Gewiss nicht! Sechsfache, in grossen Zwischenräumen angefertigte Untersuchungsbefunde harmonieren aufs schönste und weisen immer wieder auf das gesetzmässige des ganzen Prozesses hin; ausserdem decken sich beide Fälle nicht nur im Blutbefunde, sondern auch im Verlaufe. Demnach bleibt nichts anderes übrig als den Mangel des Fiebers und den schliesslichen glücklichen Ausgang in Aufsaugung wenigstens teil- weise wenn auch nur indirekt mit dem günstigen Befunde innerhalb des neutrophilen Blutkörperchenbestandes in Zusammenhang zu bringen. Arneth, Blutkörperchen. 4 50 Pneumonie- 14. Seh., Thomas, 18 Jahre, kräftiger Bäckergeselle. Vor 2 Jahren croupöse Lungenentzündung des rechten Oberlappens mit der Krisis am 7. Tage; nach der Krankengeschichte zeichnete sich damals die Pneumonie aus durch ein hochgradiges Ergriffensein des Allgemeinbefindens, mehrere Tage anhaltende Benommenheit, Phantasieren. Auch traten von Anfang an sehr profuse Diarrhöen auf, die mit dem Urin ins Bett gingen. Puls, am Anfang 166, kaum fühlbar, geht dann bis zur Krise langsam unter Besserung der Qualität herunter. Aufsaugung lokal in ca. 8 Tagen. Am 5. IL 03 tritt Seh. wieder mit einer croupösen Pneumonie ein; Schüttelfrost am 5. II. früh um V2I h. Er ist wieder benommen, Puls sehr beschleunigt, sehr weich; rostbraunes Sputum; über Mittellappen beginnende Pneumonie nachweisbar; keine Milzschwellung. Am 5. IL um 12x/4 h mittags, also 12 h nach dem Schüttelfrost, Leukocytenzählung: 31900. 6. IL Früh morgens beim Umbetten allerschwerster Kollaps, so dass V4 stündig Kampferöl injiziert wird und auch die anderen Stimulantien aus- gedehnte Anwendung finden; trotzdem besteht noch am Abend die Cyanose und der jagende, kaum fühlbare Puls (162); völlige Benommenheit, Delirien; relativ wenig Eiweiss im Urin. In einem fort Erbrechen und besonders reichlich Diarrhöen; alles geht ins Bett. Blutuntersuchung bei 40,0° i. a. um 12x/2 h mittags: 21800; trotzdem bis jetzt ca. 30 Spritzen Kampfer verabreicht sind, ist selbst bei tiefem Ein- stich in den cyanotischen Finger und Druck nur wenig dunkles Blut zu ge- winnen. 7. IL Die Morgen Untersuchung ergibt Ausbreitung der Pneumonie auch über den rechten Unterlappen in seinen unteren Teilen; Puls etwas besser, 120, noch sehr weich, Kampferöl 2 stündlich. Die Blutuntersuchung um 123/4 h mittags ergibt 17 800 weisse Blut- körperchen. 8. IL Fieber hoch bleibend; Delirien in einem fort; profuseste Diarrhöen; Puls erheischt 1 stündlich Kampfer; Ausbreitung der Pneumonie auf den ganzen rechten Unterlappen, so dass nunmehr die ganze rechte Lunge bis auf den Oberlappen befallen ist. Milz nicht fühlbar; viel Eiweiss, granulierte und epitheliale Zylinder. Leukocytenzählung bei 40,4° i. a. um 121/2 h mittags: 12 800. 9. II. Kampfer 1 stündlich weiter notwendig, Koffein, Digitalis wird ebenfalls fortgegeben. Leukocytenzählung mittags 12 h: 7200. 10. IL Seit gestern Abend Beginn einer neuen Pneumonie (frisches Sputum) im rechten Oberlappen, vorne und hinten nachweisbar; andauernd sehr hohes Fieber; alle schweren Symptome bestehen weiter. Leukocytenzählung mittags: 7900. 11. IL Ganze rechte Lunge voll infiltriert; trotz miserabelstem Puls kein Zeichen von Lungenödem; in einem fort immer noch die allerstärksten Durchfälle, die nicht gestopft werden; am Herzen keine Geräusche. Viel Eiweiss, viele hyaline und granulierte Zylinder. Leukocytenzählung bei 40,0° i. a. um 12 h mittags: 10 000. 12. IL Noch kopiöses rostbraunes Sputum; Patient hat bis jetzt seit dem 6. einige 100 Kampferspritzen erhalten; Sensorium etwas freier; feuchtes Rasseln hinten, grossblasig. Leukocytenzählung bei 39,8° i. a. mittags: 4600. Fälle. 51 13. II. Fieber noch hoch; Puls kräftiger, Sensorium noch nicht frei; Beginn einer über den buken Vorderarm sich ausbreitenden subkutanen Phlegmone (von den vielen Injektionen her). Die Blutuntersuchung um 11 h vormittags bei 40,0° i. a. ergibt 8200 weisse Blutkörperchen. 14. IL Krisis; Temperatur jedoch nicht bis unter 37,0°, Puls voller; Bewusstsein fast zurückgekehrt; Lungenbefund im wesentlichen unverändert. Leukocytenzählung mittags: 9800. 15. IL Bewusstsein zurückgekehrt; im Urin viel Nukleoalbumin, massig Eiweiss; im Sediment noch granulierte Zylinder. Keine Blutunter- suchung. 16. IL Patient fühlt sich ziemlich wohl und ist bei klarem Bewusst- sein; kein Fieber mehr; Puls gut; Lunge noch komplett infiltriert. Um 10\'2h früh, nachdem Patient die Bettschüssel benützt hat, tritt beim Hinauf- rücken im Bett schlagartig plötzlich der Exitus letalis ein. Die Blutuntersuchung, die für Mittag geplant war, konnte so nicht mehr zur Ausführung gelangen. Patholog.-anat. Diagnose: Pneumonia crouposa pulmonis dextri; Pleuritis adhaesiva lobi superioris dextri, fibrinosa lobi inferioris; Hypertrophia ventri- culi sinistri mediocris et dilatatio; Endocarditis verrucosa valvulae Aortae; Thrombosis parietalis ventriculi sinistri; Myocarditis; Hepatitis; Nephritis acuta parenchymatosa; Cyanosis hepatis renum et pulmonis sinistri; Enteritis acuta; Intumescentia glandularum mesenteralium; Infarctus recens lienis. Weiter fand sich eine ziemlich ausgebreitete subkutane Phlegmone am linken Vorderarm (reichliche Eiterbildung). Die mikroskopische Untersuchung des Herzmuskels ergab: Körnige Trübung der Muskelfasern, Schwund der Quer- streifung, beginnende Verfettung, sehr deutliche Fragmentatio myocardii. Neutrophile Blutbildtabellen: l 2 3 4 5 un i mehr Fall 14 ll'w T 2K 2S 1K1S 3K3S 2K1S 2S1K 4K 4S [ 3K IS 3S1K 2K23 5K 4K1S 4K2S 3K3S Seh., Thomas | 5. IL 03 . 2 — 16 3 22 27 3 2 12 5 2 — 4 1 - 1 1 — — — 6. IL 03 . 1 7 33 4 11 21 3 1 8 6 - — 4' - 1 - — 7. IL 03 . — — 28 5,18 1 22 2 1 8 5 3 — 6 - 1 1 — 8. IL 03 . — - 18 4 31 28 1 1 12 4 — — 1 9. IL 03 . - — 23 1 33 22 2 2 7 5 - — — — 2 1 1 — 1 10. IL 03 . 1 4 28 — 36 23 - 1 3 3 1 11. IL 03 . - — 30 2 37 15 3 2 6 4 — - — 1 1 i - — — — 12. IL 03 . 2 3 35 2 27 23 — '— 5 2 - 1 1 — ■ — - — — — 13. II. 03 . 2 2911 24 30 —, 1 6 6 1 1 14. IL 03 . — — 32 29 24 2 1 9 3 — — - — — — — 4* 52 Pneumonie- Dieser Fall war dem Verlaufe nach der schwerste unter den 42 Pneumonien, die ich während des Wintersemesters 1902/3 auf der Abteilung hatte; besonders aber dadurch, dass er, anscheinend genesen, einem jähen Untergange (Fragmentatio myocardii) anheimfiel, hebt er sich grell ab von dem gewöhnlichen; es gehört ein derartiger post- kritischer Ausgang einer Pneumonie zu den allerseltensten Vorkomm- nissen; bei anderen Infektionen, z. B. bei Diphtherie, ist dagegen plötz- licher Herztod bekanntlich schon oft beobachtet worden. Nur die Schwere des Falles vom ersten Beginn ab war zunächst die Ursache, den Fall sofort in Untersuchung zu nehmen und so bin ich infolgedessen in der Lage, den nach mehr wie in einer Richtung auch hämatologisch sehr interessanten Fall in bezug auf sein neutrophiles Blutleben zu ana- lysieren. Die erste Blutuntersuchung konnte bereits 12h nach dem ini- tialen Schüttelfrost gemacht werden. Welch kolossale Umwälzungen müssen in diesen ersten 12 Stunden in dem Blute stattgefunden haben, da wir bereits in dieser Zeit eine Leukocytose von 31900 Zellen vor- finden; diese Unmassen von Zellen sind aber alle schon wieder in der bekannten Richtung verändert, wir haben sogar bereits 2°/o Myelocyten; noch viel stärker tritt aber dann die Veränderung des Blutbildes am 2. Tage (6. II.) auf bei einer gleichzeitigen Verminderung der Gesamtleukocyten- zahl um ca. 10000 pro cmm. Wir müssen notwendigerweise einen quali- tativen und quantitativen Vernichtungsprozess, der gegen die Neutro- philen gerichtet ist, zur Erklärung annehmen; darauf deutet auch das Ver- halten der Zellen W und M, von denen die ersteren ganz besonders hoch- gradig vermehrt sind. Vom 7.—9. IL ist der Ersatz der Neutrophilen — wohl infolge der Einrichtung der Produktion — ein mehr geregelter, die Zellen W und M fehlen ganz, dagegen sind die Zeichen zunehmender und zwar rasch zunehmender Verschlechterung der neutrophilen Blutmischung nicht zu verkennen. Die tägliche Abnahme der Gesamtleukocytenzahl um 5000 und die von Tag zu Tag abnehmende Menge der Klassen 3, 4 und 5 und dementsprechende Vermehrung in Klasse 1 und 2 sind untrügliche Zeichen. Am 10. IL sehen wir den Effekt des Eintrittes einer neuen Pneumonie (Oberlappen) in dem Anlauf des Körpers, eine vermehrte An- zahl von Leukocyten ins Blut zu schicken; der Abfall der Gesamtleuko- cytenzahl, der bis jetzt ein stetiger war, macht Halt und eine geringe Vermehrung am 10. und eine etwas stärkere am 11. ist zu konstatieren. Im Gegensatz dazu steht der neutrophile Blutbefund, der am 10. sich bedeutend verschlechtert (92°/o in Klasse 1 und 2; M und W), am 11. sich aber schon wieder etwas erholt hat. Von dieser Erholung am 11. führt der Weg wieder zur bedeutenden Verschlimmerung am 12.; die Gesamtleukocytenzahl ist sehr bedeutend herabgesetzt (4600) und das Blutbild wieder mehr nach links gerückt (92°/o in Klasse 1 und 2; Fälle. 53 M und W). Damit ist der tiefste Punkt auf beiden Linien erreicht, schon am folgenden Tage (13.) hat sich die Gesamtleukocytenzahl wieder gehoben und am 14. noch mehr; dementsprechend ist auch im neutro- philen Blutbilde am 13. ein stärkerer, am 14. ein schwächerer, ver- bessernder Ruck nach rechts zu verspüren; gleichzeitig tritt die Krisis ein. Von nun ab war beabsichtigt, nur mehr alle zwei Tage eine Blutuntersuchung auszuführen; der plötzliche Exitus letalis kam aber dem zuvor. Es wäre gewiss interessant gewesen, zu erfahren, ob sich im Blutbilde eine neue Veränderung eingestellt hatte, die viel- leicht zur Erklärung des plötzlichen Todeseintrittes beizutragen ver- mocht hätte. Wir sehen hier einen ganz eigenartigen Fall. Mit einer sehr starken Leukocytose einsetzend ist der Beginn; in fünf Tagen ist die nor- male Leukocytenzahl wieder erreicht; dann folgt ein kurzes leukopenisches Stadium, dann wieder eine schwache Leukocytose. Nur allein der neutro- phile Blutbefund vermag für dieses Zickzackspiel eine vollwertige Er- klärung zu liefern; nach den bisherigen Anschauungen wäre es wohl nicht möglich gewesen. Der Fall gibt ferner zu folgenden Bemerkungen auf Grund der Tabellen Anlass: 1. Es fällt auf, dass in den ersten drei Tagen besonders viele Zellen mit 2K, 3K, 4K und auch 5K gefunden wurden, in allen späteren Untersuchungen aber nicht mehr. 2. Gleichfalls nur in den ersten drei Tagen tritt ein numerisches Überwiegen der Zellen 1 K1S gegenüber den Zellen 2 S hervor, von da ab ist dann so gut wie immer das Gegenteil zu finden; Wir hätten auf ähnliche Beziehungen schon öfter auch in den vorausgehenden Fällen aufmerksam machen können. 3. Mit dem Auftreten von Zellen W und M ist immer eine Ver- schlechterung des Blutbildes verbunden, der aber stets eine Ver- besserung auf dem Fusse nachfolgt. 4. Im Gegensatz zu den grossen Sprüngen, die in diesem Falle die Gesamtleukocytenzahl nach oben und nach unten machte, zeichnet sich das in den 10 Tabellen niedergelegte neutrophile Blutbild durch eine relativ grössere Gleichmässigkeit und mehr fliessenden Übergang der Einzelbefunde aus. 5. Inwiefern und ob die massenhafte Einverleibung von Kampferöl etwa einen Einfluss auf das neutrophile Blutbild ausgeübt hat, müssen Untersuchungen über die Wirkung des Kampfers am gesunden Tierkörper entscheiden. Fall 15 und 16 sind zwei seltene Fälle von ephemeren Pneu- monien, deren Blut zunächst nur deswegen untersucht wurde, weil sie 54 Pneumonie- beide sehr bald nach dem Schüttelfrost zur Beobachtung kamen. Nach- dem sie sich als etwas Besonderes herausgestellt hatten, wurden die Un- tersuchungen fortgesetzt. 15. Seh., Leonhard, 26 Jahre, Hausdiener, 12. IV. bis 2. 5. 03. Patient, aus gesunder Familie stammend und selbst immer vollkommen gesund, sehr kräftig, leidet angeblich seit 14 Tagen an Nasenkatarrh; am 6. IV. will er sich einmal erkältet haben; am 12. IV. früh V2IO h in der Kirche urplötzlich ohne jegliche weitere Vorboten Schüttelfrost mit Zähneklappern; nach Hause gekommen angeblich Temperatur von 39,5° in der Achselhöhle; gleichzeitiges Auftreten von Schmerzen links in der Seite beim Atmen und Husten; um 10 h, also xh h nach dem Schüttelfrost, Auftreten eines blutigen Auswurfes; starkes Kopfweh und heftiger Schwindel; 2 mal Erbrechen. Nirgends ist ein krankhafter Befund an den Organen des Patienten zu erheben; ein exquisites kopiöses pneumonisches Sputum beweist das Vor- handensein einer croupösen Pneumonie. Temperatur beim Eintritt (12. IV.) mittags: 38,5°, abends 6 h: 38,9° i. a. Leukocytenzahl: 13 600 um 1/24 h abends (7 h nach dem Schüttel- frost); Patient hat seit morgens nur 1 Tasse Tee zu sich genommen. 13. IV. In der Nacht Krisiseintritt; 36,8° am Morgen; die Schmerzen in der linken Seite haben bedeutend nachgelassen, das Sputum ist noch recht pneumonisch, rostbraun, zäh, reichlich; kein Lungenfund; nirgends Bronchophonie; abends 36,6°. Leukocytenzählung um 1,,2l2 h mittags: 6400. 14. IV. Früh 36,8°, abends 38,3°. Sputum noch schwach blutig, auf den Lungen keine Veränderung. 15. IV. Früh 37,0°, abends 37,2°. Leukocytenzählung um 3/4l2 h: 6100. 16. IV. 36,6° bezw. 37,1°. Auswurf zeitweise noch etwas blutig, Patient klagt wieder mehr über Stechen beim Atmen und beim Husten links hinten. Zum ersten Male heute abends ist über dem linken Unterlappen ein Befund zu erheben: tympanitischer-relativ-gedämpfter Schall, leises exspira- torisches Bronchialatmen, schwache Bronchophonie. Kein pneumonischer Auswurf mehr. 17. IV. 37,1° früh und abends. 18. IV. 36,8° bezw. 37,3°. Gestern und heute Zunahme der Dämpfung, die nun vom Winkel des Schulterblattes ab stärker entwickelt ist; nur schwache Bronchophonie, schwaches Bronchialatmen, abgeschwächter Pektoral- fremitus; Probepunktion negativ. 19. IV. 36,6° bezw. 37,4°. Leukocytenzählung um 12^4 h mittags: 7000. 20. IV. 36,8° bezw. 37,1°. Vereinzelt deutliches Knistern; der Schall ist etwas tympanitisch gedämpft; noch leises Bronchialatmen und schwache Bronchophonie; Pektoralfremitus abgeschwächt. 21. IV. 36,6° bezw. 36,7°. Leukocytenzählung: 5400. Von nun ab völlig entfiebert. 24. IV. Alle Erscheinungen über dem ünterlappen sind verschwunden, fast normales, nur noch etwas verschärftes, vesikuläres Atmen. 25. IV. ll1/* h vormittags Leukocytenzählung: 5200. 2. V. Entlassung als geheilt. Es fand sich während des ganzen Ver- laufes nie eine Spur Eiweiss im Urin. Fälle. 55 Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 3 4 und mehr 5 u. m. Fall 15 MWI t|J2k|2S 1K1S 3K3S 2K1S 2S1K 4E 4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K ScLm. Leonhard !' 1 12. IV. 03 . - — 32 2 26 17 4 — 6 10 — ~ 8 — - 13. IV. 03 . 1 1 141 26 28 2 1 8 14 2 -i 1 — 1 — 14. IV. 03 . - — 2,5 26 31 5 4 14 11 2 - — — 1 — 19. IV. 03 . - — 17j|l 31 22 — 2 4 15 1 - 3 — 3 1 21. IV. 03 . - — 5 — 26 27 2 1 15 12 1 - 6 — 5 25. IV. 03 . - — l'Jl 28 26 2 5 23 6 1 - 4 — 3 — Wie aus der Krankengeschichte hervorgeht, müssen wir den Fall eigentlich als eine halbtägige bezw. dreivierteltägige Pneumonie bezeich- nen; im hohen Grade interessant ist aber, dass volle drei Tage nach der Krisis vergehen, bis die Pneumonie an die Oberfläche dringt und physikalisch diagnostizierbar wird; das Sputum fehlt allerdings vom ersten Moment ab nicht. Es handelt sich demnach um eine postkri- tische Infiltration, bezw. um das WTeiterschreiten einer zentralen bei fast normalen Temperaturen. 7 h nach dem Schüttelfrost finden sich 13600 Leukocyten, das Blutbild ist mittelstark in bekanntem Sinne verändert. Mit der Krisis erfolgt ein jäher Abfall der Gesamtzahl auf 6400 und das Blutbild steht im allgemeinen näher dem Normalen, aber die Zellen M und W sind doch ein Zeichen, dass dieser Rückgang nur nach einem grossen Kampfe zu erreichen war, wir dürfen demnach ein grosses Sterben unter den Neutrophilen zur Zeit der Krisis annehmen, das nur deswegen sich nicht so stark in einer Verschiebung des Blutbildes nach links bemerkbar macht, weil die Hilfsquellen des Körpers noch wenig in Anspruch ge- nommen worden sind, und sonach die Reparatur rasch vor sich gehen kann. Ganz zur Norm vermag aber das Blutbild nicht zurückzukehren; wohl haben wir, was die Gesamtleukocytenzahl anlangt, von nun ab völlig normale Werte, aber im Blutbild findet selbst am 25. IV. noch eine Anhäufung in Klasse 2 statt, wie sie so stark nicht sein sollte; vorher am 19. IV. ist sogar auch in Klasse 1 eine grössere Anzahl zu finden gewesen, was wohl mit der Entwickelung der Infiltration vom 16. ab zusammenhing. Aus dem Falle geht hervor, dass entsprechend dem leichten abor- tiven Verlaufe der Pneumonie auch nur eine relativ unbedeutende Alteration des neutrophilen Blutbildes bestand, die uns auch eine Erklärung für den abnormen Verlauf in klarer Weise an die Hand zu geben vermag. 56 Pneumonie- 16. W., August, 42 Jahre alt, Kutscher, Eintritt am 2. III. 03. Heute morgens auf dem Kutscherbock angeblich plötzlich erkrankt, kann gerade noch ins Spital fahren, wo er sofort bei der Aufnahme unter unseren Augen einen heftigen Schüttelfrost um 10 h morgens durchmacht. Stechen beim Atmen, Husten schmerzhaft, beides rechts. Sehr kräftiger, sehr gut genährter Mann. Über dem Mittellappen besteht Dämpfung, Knistern, hinten über rechtem Unterlappen leichte Schallabkürzung. 39,3° i. a. nach dem Froste. Im Urin kein Eiweiss; Milz nicht zu fühlen; kein Sputum. Zählung um 12J/2 h mittags, 2 h nach dem Schüttelfroste: 4000 weisse Blutkörperchen. Um 2 h nachmittags sehr starker Schweissausbruch, Temperatur danach i. a. 37,8°. Abends und die ganze Nacht hindurch Schweiss. Am 3. III. früh 37,0° i. a.; Dämpfung über rechtem Unterlappen wenig deutlich, stark über dem Mittellappen, Knistern reichlich in der Achsel- höhle. Zählung um Vji h mittags: 5100 weisse Blutkörperchen. 6. III. Über dem Mittellappen hellt sich der Schall nicht auf, Unter- lappen frei. Knistern hält an. Eiweiss nie im Urin. Temperatur bleibt normal. Zählung ,um 12^2 h: 5100 weisse Blutkörperchen. 10. III. Die Aufhellung des Mittellappens macht nur geringe Fort- schritte ; Knistern, Reiben sehr deutlich in der Achselhöhle bis zur Mammillar- linie hin. Zählung um 123/4 h: 5000 weisse Blutkörperchen. 18. III. Immer noch Knistern — Reiben manchmal hörbar bei fast normalem Atmungsgeräusch; Dämpfung so ziemlich aufgehellt. Zählung um 123/4 h mittags: 6000 weisse Blutkörperchen. 29. III. 03. Entlassung als fast geheilt auf Wunsch; vollständig hell und voll ist der Schall immer noch nicht. Zählung um 121J2 h mittags: 5800 weisse Blutkörperchen. Neutrophile Blutbildtabellen: l 2 3 4 5 u. m. Fall 16 m]w T 2K2S' 1K1S 1 I 3K 3S 2K1S 2S1K 4Ki4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K W. August 2. III. 03 . 11 19 27 4 1 14 14 4 3 2 1 1 3. III. 03 . - — 4 1 36 12 1 6 13 18 2 — — 3 4 — 6. III. 03 . 1 2 7 - 25 16 5 3 15 14 6 - 5 — 1 — 10. III. 03 . - 1 4 - 24 10 3 8 17 17 2 — 10 — 4 — 18. III. 03 . - — 9 - 27 15 1 7 18 15 3 — 3 — 2 — 29. III. 03 . - — 4 1 25 22 6 3 19 15 4 - 1 — — — Dieser letzte unserer Pneumoniefälle bietet das abnormste Ver- halten von allen. Bereits 2 h nach dem Schüttelf roste ist die erste Untersuchung möglich; es findet sich eine Verminderung der Gesamtleukocytenzahl Fälle. 57 (4000), am Blutbilde dagegen fast keine Veränderung (Klasse 1 ist schwach vermehrt und die Zellen 2K1S überwiegen die Zellen 2S. 4h nach dem Schüttelfroste tritt schon die Krise auf; am nächsten Tage und an allen folgenden ist die Gesamtzahl der Leukocyten normal; auch das Blutbild der Neutrophilen zeigt vom 3. III. ab meist normale Mischung, wenn es auch hart an der Grenze nach oben steht; nur am 6. III. finden sich einige Prozente Zellen W und M, jedoch ohne sonstige weitere Verschiebung. Beim Überblicken der beiden Fälle erscheint der erstere relativ etwas schwerer als der zweite; wir haben bei ihm am Anfang eine stärkere qualitative und quantitative Reaktion der weissen Blutzellen und speziell der Neutrophilen; es kommt zwar zu einer verspäteten In- filtration, aber dieselbe saugt sich auch bald wieder auf. In dem letzten Falle mit einer Krankheitsdauer, von der ich nicht weiss, ob sie überhaupt schon je so kurz beobachtet worden ist, ist nur eine geringe qualitative Veränderung der Neutrophilen, dagegen eine Verringerung der Gesamtzahl zu verzeichnen. Es kommt überhaupt nicht zur Expektoration eines charakte- ristischen Sputums, aber von Anfang an ist sofort eine Infiltration da, die im Gegensatz zum Fall 15 nur langsam sich löst. Was wir im Falle 15 gesehen haben, kehrt im Falle 16 wieder: in geringem Grade ist und bleibt das neutrophile Blutbild bis zum Schlüsse der Beobachtung verändert. Die Infektion im Falle 15 war eine so leichte, dass der Körper nur geringe Anstrengungen zur Überwindung zu machen brauchte. Im Falle 16 bestand in der Mitte seiner vierstündigen Dauer eine Verringerung der Gesamtleukocytenzahl, also eine Hypoleukocytose; nach dem Bestände der Klassen 3 und 4 am 2. III. kann die Vernich- tung nicht hochgradig gewesen sein; wir dürfen nach dem Befunde vielleicht annehmen, dass die einfachen Reservekräfte des Markes, die den Klassen 2, 3 und 4 angehörten, zur Deckung des Defizites aus- reichten, und es so zu keiner Vermehrung, sondern zu einer einfachen Verringerung der Leukocyten und nur zu einer ganz unbedeutenden relativen Vermehrung der Klasse 1 der Neutrophilen kam. In beiden Fällen ist trotz normaler Zahl der Leukocyten aus den neutrophilen Blutbefunden zu ersehen, dass ein gesteigerter Bedarf an Leukocyten relativ lange Zeit anhält. II. Typhus abdominalis. Übersicht. Die ältere Literatur über Leukocytenzählungen bei Typhus ab- dominalis ist ebenfalls eine grosse; siehe diesbezüglich wiederum bei Türk und Grawitz. 58 Typhus. 0. Nägeli1) hat in seiner Habilitationsschrift „Die Leukocyten beim Typhus abdominalis" die Materie an der Hand von 50 Fällen einer sehr gründlichen Bearbeitung unterworfen; es kann kein besseres Bild von den jetzt geltenden Anschauungen gewonnen werden als durch Wiedergabe seiner präzisen Zusammenfassungen. Sie lauten: „Die Blut- untersuchung, besonders die systematisch fortgesetzte Zählung der Leuko- cytenarten ist eine der wertvollsten Methoden zur Diagnose und Prognose des Typhus. Die Mengenveränderungen der Neutrophilen, Eosinophilen und Lymphocyten sind gesetzmässige und nehmen in den verschiedenen Stadien der Krankheit einen bestimmten spezifischen Verlauf. Derselbe ist bedingt durch die Einwirkung der Typhustoxine auf das Knochenmark, indem die Bildung neutrophiler und eosinophiler Zellen gehemmt wird, und wahrscheinlich auch durch den Einfluss der- selben auf die Funktion des lymphatischen Apparates, wodurch die Menge der Lymphocyten verändert wird. Der anatomische Ausdruck der Toxinwirkung auf das Knochen- mark ist ein bestimmter pathologischer Befund, ein starkes Überwiegen der Myeloblasten und eine hochgradige Verminderung der neutrophilen und eosinophilen Myelocyten. Im I. Stadium des Typhus (ansteigende Kurve) besteht wahrschein- lich eine neutrophile Leukocytose massigen Grades, die bald abnimmt und einer Verminderung der Neutrophilen Platz macht. Die Eosinophilen verschwinden ganz oder bis auf wenige Exem- plare. Die Lymphocyten erfahren eine massige Verringerung. Das IL Stadium (Continua) führt zu einer weiteren Herabsetzung der Neutrophilen und Lymphocyten; die letzteren steigen aber häufig gegen Ende wieder an. Im III. Stadium (Remissionen) beginnt die Vermehrung der Lympho- cyten, die jetzt schon häufig sehr erheblich wird; die Neutrophilen sinken noch tiefer; Eosinophile beginnen am Ende dieses Zeitpunktes wieder aufzutreten. Bei Erwachsenen bleiben die Lymphocyten oft noch spärlich. Das IV. Stadium (absteigende Kurve) wird charakterisiert durch noch tieferes Abfallen der Neutrophilen, die jetzt ihr Minimum ein- nehmen Die Lymphocyten sind meist noch stärker vermehrt und viel- fach zahlreicher als die Neutrophilen (Kreuzung beider Kurven). Die Eosinophilen steigen langsam und regelmässig an. In den ersten Tagen nach Ablauf des Fiebers beginnt der Wieder- anstieg der Neutrophilen; die Lymphocyten sind sehr zahlreich; die Eosinophilen nehmen stetig zu. i) Deutsches Archiv für klin Medizin, Band LXVII, 1900. Übersicht. 59 Einige Zeit nach Ablauf der Krankheit trifft man eine erhebliche Lymphocytose, eine starke Eosinophilie und wieder normale oder leicht vermehrte Werte der Neutrophilen. Dieser Zustand ist am ausge- sprochensten bei jungen Individuen und am besten 2—3 Monate nach Entfieberung zu treffen. Bei Erwachsenen ist er weniger hochgradig und verschwindet gewöhnlich nach zwei Monaten, während er bei Kindern länger dauert. Auch während des Typhus sind alle Schwankungen der Leukocyten bei Kindern viel lebhaftere, insbesondere der Wiederanstieg der Lympho- cyten. Dagegen kommt es selbst bei schweren Erkrankungen der Kinder selten zu so niedrigen Zahlen wie bei Erwachsenen (anscheinend geringere Schädigung des Knochenmarkes und des lymphatischen Apparates). Komplikationen nicht typhöser Natur beeinflussen nur die Neutro- philen, die in der Regel auf Eiterungen, Cystitis, Parotitis, Pleuritis, Bronchopneumonie, Nephritis etc. zunehmen, in der Regel aber nicht sehr erheblich. Fehlende Leukocytose trotz Komplikationen zeigt den gefahr- drohenden Zustand der Knochenmarksinsuffizienz an (Unmöglickkeit der Bildung von Neutrophilen). Für die Prognose ergeben sich wertvolle Anhaltspunkte aus dem Nichtverschwinden oder frühem Auftreten der Eosinophilen, aus dem geringen Sinken der Neutrophilen und dem starken Ansteigen der Lympho- cyten im günstigen Sinne, aus dem tiefen Sinken aller Arten und der fehlenden Leukocytose bei Komplikationen im ungünstigen Sinne. Rezidive rufen in allen Einzelheiten die gleichen Verhältnisse wie die erste Affektion hervor. Die früheren Theorien der Leukocytcnschwankungen beim Typhus (ungleiche Verteilung, fehlende Exsudation, Milztumoreneinfluss, positive und negative Chemotaxis etc.) sind zu ersetzen durch die Annahme einer Toxinwirkung auf Knochenmark und Lymphapparat im Sinne der Funktionslähmung. Mit Bezugnahme auf die neutrophilen Leukocyten ist aus vor- stehendem zu ersehen, dass wir es nach dieser modernen Anschauung mit einem hemmenden Einflüsse des Typhustoxins auf das Knochenmark zu tun haben, der in einer hochgradigen Verminderung der Neutro- philen und einem starken Vorwiegen der Myelocyten und Myeloblasten seinen Ausdruck findet. Im zirkulierenden Blute besteht im Stadium der ansteigenden Kurve wahrscheinlich eine massige Vermehrung der Neutrophilen, die aber sehr rasch und noch mehr im Stadium der Continua von einer Verminderung gefolgt ist; im Stadium der Remissionen weist die Zahl der Neutrophilen ihr Minimum auf, um dann in den ersten Tagen nach Ablauf des Fiebers wieder langsam anzusteigen; einige Zeit nach Ab- 60 Typhus. lauf der Krankheit findet man wieder normale oder leicht vermehrte Werte. Fehlende Leukocytose trotz Komplikationen — sie ist bei diesen gewöhnlich nicht sehr erheblich — verrät die Unmöglichkeit der Bildung von Neutrophilen im Marke, somit dessen Insuffizienz. Von Detail sei aus dem Text der Arbeit noch hinzugefügt, dass Nägeli das Minimum der Neutrophilen fast ausnahmslos in den letzten Tagen der Lysis oder den ersten Tagen der Rekonvaleszenz gefunden hat. — Auf den Grad der Verminderung ist die Leichtigkeit oder Schwere des Falles und das Alter (bei Kindern weniger starke Vermin- derung) von erheblichem Einflüsse. — Der Anstieg der Neutrophilen in der Rekonvaleszenz geht immer nur sehr langsam vor sich, besonders beim Erwachsenen, so dass erst in zwei Monaten und später normale Werte der Neutrophilen erreicht werden. Gelegentlich sind schliesslich auch übernormale Werte gefunden worden. — Rezidive nach einem fieberfreien Intervalle beginnen mit einer neutrophilen Leukocytose, indem sich zu der vorherbestehenden Zahl der Neutrophilen eine An- zahl von 3000—5000 hinzugesellt. — Nachschübe und Rekrudeszenzen im Typhusverlaufe selbst, sich superponierende zweite Darmtyphen, haben immer beim ersten Einsetzen eine, jedoch meist nur geringgradige, kurz- dauernde Vermehrung der Neutrophilen zur Folge. A. Kühn1) (Rostock) fand in 0,2°/o bei Typhus Leukopenie; er bezeichnet mit Türk das Phänomen daher als eines der sichersten, das alle anderen inkl. der Grub er-Vidaischen Reaktion weit in den Schatten stellt. Seine Werte schwankten zwischen 2000 und 5000; in einem Falle fanden sich nur 1000. Die Leukopenie ist aber auch eines der frühesten Typhussymptome; nach Uskow und Chetagerow (zit. nach Ried er), beginnt die Leukopenie am Ende der ersten Woche, was mit Naegelis Angaben nahezu übereinstimmt. Nach Türk be- steht in der ersten Woche keine Leukocytose, vielmehr sollen normale Zahlen, vielleicht sogar häufig genug bereits tiefnormale oder subnormale Werte zur Regel gehören (S. 161). Kühn fand in 10 Typhen in der ersten Woche bereits deutliche Leukopenie. Ried er (1. c.) fand keinen Parallelismus zwischen Leukocytenver- minderung und dem Gang der Temperatur; mit der Rückkehr zur normalen Temperatur wurde auch die normale Leukocytenzahl wieder erreicht. Jeder Nachschub, jede Verschlimmerung des Allgemeinbefindens jedes Recidiv kündigte sich-durch weiteres Absinken der Zahl an. In der dritten Woche fand sich die Leukopenie besonders stark, weniger in der zweiten, noch weniger in der vierten. Die niedrigste Zahl betrug 1800. Drei Fälle, die mit croupöser Lungenentzündung, und ein Fall, ') Münch. med. Wochenschrift 1902, Nr. 49. Übersicht. 61 der mit chronischer Lungentuberkulose kompliziert war, zeigten deutlich gleichfalls die Verminderung. Nach Grawitz (S. 537) nehmen infolge von Komplikationen, Eiterungen, Pneumonie und Pleuritis die Neutrophilen meist zu, aber nicht erheblich. Fehlende Leukocytose, trotz Komplikationen, ist ein prognostisch schlechtes Zeichen. Im Zusammenhange mit diesen Angaben steht das Experiment Kuhns, der bei einem Typhösen am dritten Krank- heitstage Hetol injizierte und dadurch die Leukocyten von 5500 auf 10600 trieb; es gelang ihm das gleiche noch in einem zweiten Falle, während in zwei anderen Fällen das Experiment fehlschlug. Über Entstehung und Bedeutung der Leukopenie. Pee (zit. nach Türk) vermutet eine spezifische Wirkung der Toxine auf die Leukocyten. Nach von Limbecks (zit. nach Türk) Ansicht sei sie der Aus- druck der durch die mangelhafte Nahrungsaufnahme bedingten Inanition; dagegen sprechen jedoch direkt die Zählungsresultate; denn gegen Ende des Typhus, wo doch die Inanition am grössten ist, nehmen die Leuko- cyten wieder an Zahl zu. Um die von Gabritschewski und Büchner experimentell ge- fundene Eigenschaft der Kulturen des Typhusbazillus und seiner Proteine im Sinne einer starken positiven chemotaktischen Wirkung auf die weissen Blutkörperchen mit der klinischen gegenteiligen Beobachtung in Ein- klang zu bringen, macht Türk (S. 179) folgende Annahme. Da der im lebenden Organismus vegetierende Bazillus einen anderen Stoffwechsel haben wird als der auf dem Nährboden künstlich gezüchtete, so werden auch seine Wirkungen andere sein können. Er nimmt daher zur Er- klärung des typhösen Blutbefundes zwar eine aktive Tätigkeit der Toxine an, aber eine im negativen Sinne wirksame, die er sich als eine De- pression auf die Bildung in den leukocytenbildenden Organen und als eine hemmende Wirkung auf die Fortentwickelung der im Blute kreisenden jungen Leukocytenformen vorstellt; so wird einerseits die Leukocyten- zahl im strömenden Blute herabsinken, während andererseits zugleich eine Entwickelungsbeeinträchtigung der Lymphocyten im Kreislauf zu stände kommt. Auf diese Weise muss allmählich eine prozentische Zu- nahme dieser letzten Zellen erfolgen, da die älteren Elemente, die poly- nukleären neutrophilen, in normaler Weise absterben und zerfallen, ohne durch einen entsprechenden Nachwuchs ersetzt zu werden. — Für eine vermehrte Zerstörung von Leukocyten hat Türk nie einen Anhalts- punkt finden können. — Gegen Ende der Infektion nimmt dann nach Türk die depressive Wirkung auf die blutbereitenden Organe allmählich ab, es werden zumal mehr Lymphocyten gebildet, jedoch nicht sehr 62 Typhus. lebhaft, und in kurzer Zeit ist die normale Leukocytenzahl wieder er- reicht. Jetzt erst soll dann die durch wochenlange Überernährung bedingte Schwächung der Organe bedingen, dass deren Tätigkeit noch eine Zeitlang unvollständig bleibt. Dass in der Rekonvaleszenz die Leuko- cytenwerte perzentisch in die Höhe gehen, erklärt er durch eine ver- mehrte Neubildung aber zugleich noch verminderte Entwickelungs- fähigkeit. Auch für die mit seiner Hypothese in Widerspruch stehende Schwellung der Milz und der mesenterialen Lymphdrüsen und das Vorkommen von Reizungsformen im Blute weiss er eine Erklärung zu geben. Grawitz äussert sich bezüglich dieser Frage (S. 537) dahin, dass noch keineswegs eine Klarheit über die Ursachen dieses eigenartigen Verhaltens herrsche. Während Bohl and in Tierexperimenten kon- statierte, dass sowohl Typhuskulturen mit Toxinen dieser Bakterien als auch Serum Typhöser bei Einführung in die Blutbahn leukocytenver- mindernd (negativ chemotaktisch) wirken, glaubt Naegeli, dass die Typhustoxine auf die Zellbildung des Knochenmarkes direkt einwirken, da er im Marke der Röhrenknochen Typhöser die neutrophilen Formen gegenüber den homogenen vermindert fand. Grawitz findet aber diese Hypothese gewagt, denn es sei schwer zu denken, dass eine so inten- sive Toxinwirkung schon in den ersten Stadien der Krankheit, wenn sonstige Zeichen derselben, z. B. die Vi dal sehe Reaktion, noch gar nicht vorhanden sind, sich gerade im Knochenmarke und hier wieder gerade an den neutrophilen Zellen äussern sollte. Kühn (1. c.) macht bezüglich der supponierten hemmenden Wir- kung der Typhustoxine auf die leukocytenbildenden Organe die Bemerkung, dass dieselbe nicht bedeutend sein kann, da sie durch eine Reihe anderer Reize, wie die bei vielen Komplikationen auftretende Hyperleukocytose lehrt, aufgehoben werden kann. Auch experimentell gelang es ihm, wie schon oben erwähnt wurde, dieselbe in nicht unerheblicher Weise zu beeinflussen, indem er bei einem leichten und bei einem sehr schwe- ren Typhus, bei dem ersteren am dritten Erkrankungstage, durch Hetolinjektionen die Zahl der Leukocyten von 5000 auf 10600 in beiden Fällen hinaufdrücken konnte. In zwei anderen Fällen misslang ihm aber dieses Experiment. Bohland1) machte die Untersuchungen von Gabritschewski und Buchner ergänzende ähnliche Experimente mit dem Typhus- toxin, das durch Filtration der Bouillonkultur durch ein Berkefeld- i) Über die chemotaktische Wirkung der Toxine des Typhusbazillus auf die Leukocyten; Zentralbl. f. inn. Med. 1899, S. 409. Übersicht. 63 filter gewonnen war. Ca. lccm des Toxins, das von nur 48-stündiger Kultur (35° C.) stammte, wurde Kaninchen eingespritzt, subkutan oder intravenös. In 8 von 10 Versuchen erfolgte eine Abnahme der Leuko- cyten, die nach 10—15 Minuten schon eintrat und bei 20—30 Minuten ihren Höhepunkt erreichte; die Verminderung wechselte in den einzelnen Versuchen erheblich von 5—63 °/o. Nach einer Stunde war entweder die normale Zahl wieder vorhanden oder es trat sogar eine mehr oder weniger starke Vermehrung ein. Gold scheider und Jacobs (s. später] Erklärung über das Zustandekommen dieser Hypoleukocytose wird akzeptiert, auch die Hypoleukocytose durch Arzneimittel sei so zu er- erklären Auch bei Einspritzung von Typhuskrankenblutserum trat Hypo- leukocytose auf, und ist nach ihm auf die im Blute kreisenden Typhus- toxine zurückzuführen (darum bei Typhus Hypoleukocytose, solange Fieber; Verstärkung derselben bei Rezidiven und Nachschüben). Auch der Befund Weigerts, dass man beim Menschen die Typhusbazillen ohne Leukocytenwall findet, sei durch diese Eigenschaft der Toxine erklärt. Bei hinzukommender Sekundärinfektion überwiege die positiv- chemotaktische Wirkung der Toxine der anderen Mikroorganismen die negativ-chemotaktische der Typhusbazillen; daher trete dann Hyperleuko- cytose auf. Sehr interessant ist, dass dieselben Versuche, mit dem Toxin des Bacterium coli commune ausgeführt, eine Vermehrung der Leuko- cyten ergaben und zwar schon innerhalb 10—12 Minuten; die Ver- mehrung betrug 12—74°/o des Normalen, lmal stieg sie auf 145°/o. Im übrigen sei hier bezüglich der Injektion von anderen Toxinen an- gefügt, dass dieselbe an Tieren auch sonst meist zu einer deutlich ausge- prägten Leukocytose führte. So ist bekannt, dass die Tiere bei den Immuni- sierungsprozessen (z. B. gegen Diphtherie) sich in einer beständigen Hyper- leukocytose befinden. Chatenay1) hat nach Metschnikoff eine Reihe hieher gehöriger Versuche angestellt. Er injizierte Tieren Toxine, die von Bakterien (Tetanus, Diphtherie), von Phanerogamen (Abrin, Ricin) und von höheren Tieren (Schlangengift) stammten. In bezug auf die Leukocytenzahl ergab sich grosse Ähnlichkeit mit den Veränderungen, welche infolge Einspritzung von Bakterien selbst aufzutreten pflegten. Tritt nach kurzer Zeit der Tod ein, so nimmt der Gehalt an Leukocyten rapide ab; leben die Tiere länger als 24 Stunden oder bleiben sie völlig am Leben, so kommt es zu einer häufig sehr ausgesprochenen Hyperleukocytose. Bei dem gegen Tetanus stark em- pfindlichen Meerschweinchen kommt es noch zu einer deutlichen Leukocytose nach der Injektion einer mehrfach tötlichen Giftmenge und erst die lOOfache Toxindosis bewirkt einen Stillstand oder Rückgang in der Zahl der Leu- kocyten. Bezüglich dieser auch von uns gefundenen Ausnahmestellung des Teta- nustoxins verweisen wir (der Verf.) auf Nr. XIII unserer Schlussfolgerungen. ') Les r^actions leucocytaires, vis-ä-vis de certaines toxines, Paris 1894. 64 Typhus. Naegeli, auf dessen Anschauungen in dieser Richtung wir nun noch im Einzelnen einzugehen haben, betrachtet nach Erörterung der verschiedenen Theorien das vorliegende Material in der Leukocytosen- frage zu einer allen Verhältnissen gerecht werdenden Erklärung noch durchaus ungenügend und seiner Ansicht nach ist es mehr empfehlend, für einzelne Momente eine Lösung anzubahnen und dann induktiv vor- zugehen, als von Theorien aus deduktiv mit mehr oder weniger Zwang die Spezialfälle zu erklären. Die ungleiche Verteilung der Leukocyten kann beim Typhus seiner Ansicht nach unmöglich in Betracht kommen; er bemerkt mit Recht, dass nur durch die willkürlichsten Theorien durch so viele Wochen hindurch — nicht nur während der Krankheit, sondern auch nach derselben — ein derartig konstantes und gesetzmässiges Verhalten (s. S. 58) jedes der drei Hauptarten weisser Blutzellen lediglich auf Grund ungleicher Verteilung erklärt werden könne. Nach Naegeli haben Bauer1) und P. Jacob2) auf den Zu- sammenhang zwischen Leukopenie und Milztumor aufmerksam gemacht und unter anderem in einer Minderleistung der Milz die Ursache der geringen Zahl der weissen Blutkörperchen erblicken wollen. Unter dem Einflüsse der Typhusnoxe leide die Produktion der einkernigen Ele- mente; da aber aus ihnen die mehrkernigen hervorgehen, so sei die Verminderung begreiflich. In gleicher Weise werde auch bei der Malaria- milz die verminderte Zahl der weissen angetroffen. Den gewichtigsten Einwand gegen diese Ansicht hat Ehrlich erhoben, nach dem aus der Milz überhaupt keine Neutrophilen hervorgehen. Nach Naegelis Unter- suchungsresultaten besteht aber überhaupt und besonders beim Typhus kein Zusammenhang zwischen der Vermehrung der Lymphocyten und derjenigen der Neutrophilen (S. 305 und 306). Die Löwitsche Lehre der Leukolyse und der darauffolgenden Leukocytose hält Naegeli beim Typhoid kaum für diskutierbar, da das Typhoid im völligen Widerspruch zu der erwähnten Theorie mit Leukocytose einsetzt und darauf eine langdauernde Leukopenie ver- ursacht. Aber auch die chemotaktische Lehre stösst nach Naegeli beim Typhus auf die grössten Schwierigkeiten. Den Begriff der negativen Chemotaxis bezeichnet er als eine Umschreibung für Leukocytenver- minderung, der die Unmöglichkeit einer einleuchtenden Erklärung ver- hüllen soll. Die Auffassung, die Naegeli selbst auf Grund seiner Unter- suchungen gewonnen hat, ist folgende. Er geht von dem Befund des Kno- i) Virchows Archiv Bd. 156. 2) Verein f. innere Medizin 14. Juni 1898. Übersicht. .65 chenmarkes bei Typhusleichen aus. Femur und Rückenmark ist, was auch der Verfasser zu bestätigen in der Lage ist, gerötet, oft tiefrot. Mikrosko- pisch finden sich die Myelocyten gegenüber dem normalen Mark in ganz auf- fälliger Weise vermindert. Während sie sonst überwiegen, gehört oft nur noch 1U oder 1/6 der Zellen diesen wichtigen Elementen an. Ihren Platz nehmen granulalose, etwas kleinere Zellen mit ebenfalls sehr grossem blassen Kern ein, die schon normal im Knochenmark und bei myelogener Leukämie auch im Blute zu treffen sind (Myeloblasten Naegelis = Vor- stufen der Myelocyten). Da er somit die Bildungsstätte der Neutrophilen, das Knochenmark, verarmt an neutrophilen Elementen findet, so wundert er sich nicht, dass auch die polynukleären Zellen des Blutes so spärlich vor- handen sind. Er führt daher die Abnahme der Neutrophilen im Blute auf eine mangelhafte Funktion des Knochenmarkes zurück, die nur als eine Folge der Einwirkung von Typhustoxinen gedacht werden kann. Die an- fängliche Leukocytose beim Typhus fasst er als eine der Lähmung voraus- gehende Reizung der Funktion auf. Das Typhusgift scheint den normalen Prozess der Umbildung der Myeloblasten in Myelocyten und dieser in Polynukleäre zu schädigen und teilweise zu verunmöglichen. Die bei Komplikationen trotzdem eintretende Neutrophilie erklärt er so, dass zwei verschiedene Bakteriengifte in verschiedener Weise auf das Knochenmark einwirken; je stärker das eine ist, desto mehr wird es die ihm eigentümliche Reaktion hervorrufen. Myelocyten sind ja auch immer noch vorhanden und können auf den hinzukommenden Reiz antworten. Dass bei schweren und ganz besonders bei den letalen Typhen die Zahl der Neutrophilen ausserordentlich herabgesetzt sein kann, hält er bezüglich seiner Erklärung für in hohem Grade wichtig, sowie dass es in diesen Fällen trotz Komplikationen nicht mehr zu Leukocytose kommt. Er erklärt damit, warum bei Pneumoniekompli- kation bald Vermehrung der Neutrophilen eintritt, bald aber nicht, und warum letzterer Zustand prognostisch so ungünstig ist, ferner warum Bauer1) bei Typhösen mittelst Terpentiniujektionen keine oder erst in der Rekonvaleszenz geringgradige Eiterung hervorrufen konnte. Bezüglich der Eosinophilen nimmt der die gleiche Funktions- schädigung der eosinophilen Myelocyten an. Die Störung des lymphatischen Apparates tritt nach seiner Ansicht als eine von der Funktionsstörung des Knochenmarkes voll- kommen unabhängige und korrekte Erscheinung auf, ebenfalls durch die Typhusnoxe bedingt. In den schweren, besonders den letalen Fällen ist der Lymphocytensturz eine sehr charakteristische Erscheinung; aber die lymphatischen Apparate scheinen eine sehr viel grössere Resistenz zu haben, indem auf das Stadium der Lähmung sehr bald eine ver- mehrte funktionelle Leistung eintritt. i) Virchows Archiv Bd. 156. Arneth, Blutkörperchen. 5 66 Typhus- Krankheitsfälle. 17. S., Johann, 16 Jahre, Bäckerlehrling, 16. I. 03. Typhus abdominalis mit schulgemässem Verlauf ohne jede Komplikation. Die beigefügten Angaben für Temperaturen liefern den besten Anhaltspunkt für den Zeitpunkt der Erkrankung, in dem die jeweilige Blutuntersuchung ausgeführt wurde, was regelmässig alle 2—4 Tage geschah. Erwähnt sei aus der Krankengeschichte, dass am 17. I. zuerst Roseolen konstatiert wurden, am 19. I. erstmals starke Diazoreaktion auftrat, die Gruber- Vi dal sehe Reaktion am 19. I. bei 1:30 ganz schwach, am 26. I. dagegen bei 1 : 300 Verdünnung noch positiv ausfiel. Die Milz war schon beim Eintritte zu fühlen, der Urin enthielt nur Nukleoalbumin. Der Puls war audauernd relativ verlangsamt. Fiebertabelle (in axilla gemessen): Januar 1903 Fi l •br. 1903 16 17 18 19 | 20 21 22 23 | 24 | 25 26 ) 27 | 28 29 30 31 2 3 | 4 Grad Grad Gi ad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Graii 1 3rad Grad Grad Grad 6 h - 40,0 40.51) 38,8 39,4 40,3') 38,9 39,4 38,1 38,0 38,0 38,0 37,6 37,4 37,8 37,6 37,0 36,7 36,8 36,8 9 h - 39,2 39,6l) 39.71) 39,2 39,2 39,8'J 39,2 38,2 37,6 37,5 37,4 :-7,2 37,0, 38,4 37,0 36,8 37,6 36,3 36,3 12 h - 40,0') 40,3') 39,2 39,8l) 40,0l) 39,9«) 39,6*) 39,0 39.61) 39.3 39,0 39,4 38,9 38,9 38,2 38,6 38,0 37,7 36,6 3 h - 39,5») 40.41) 39,7') 40,4') 39,6') 40,3') 40,2') 39,5') 40,2') 39.71) 40.21) 38,3 39,1 38,4 38,6 38,5 38,2 38,9 37,0 6 h 40,0») 40,5») 40,1') 39,6 j 40,0») 39,0 39,4 39,8») 38,9 39,2 39,3 39,0 38,2 38,5 38,2 38,0 38,4 37,6 37,9 37,5 9 h 39,7 39,2 39,2 39,5 39,7 39,0 39,3 39,0 38,8 38,8 38,8 38,4 38,0 38,2 38,0 37,4 37,8 37,2 37,6 37,3 Leukocytenzählungen: 1. 17. I. 03: 6200 W 1 h 2. 19. I. 03: 6300 W 12x/4 h 3. 21. I. 03: 4300 W 121/» h 4. 23. I. 03: 3000 W 12 h 5. 27. I. 03: 3100 W 121/* h 6. 30. I. 03: 4700 W 12 h 7. 2. IL 03: 3800 W 121/* h 8. 5. IL 03: 6000 W 121/* h 9. 8. IL 03: 7000 W lh 10. 11. IL 03: 6100 W 121/* h 11. 16. IL 03: 5800 W 1 h 12. 22. IL 03: 5000 W 121/* h 13. 17. III. 03: 5900 (am Tage vor dem Austritt). Das Blutbild nach seiner neutrophilen Seite ist hier wieder ein ungemein lehrreiches. Wir haben am 17. und 19. noch ganz normale Ge- samtleukocytenzahlen, aber die Veränderungen in der Zusammensetzung der Leukocyten sind schon ganz gewaltige, die schwersten im ganzen Verlauf überhaupt. Nicht weniger als 93°/o aller Neutrophilen finden sich am 17. I. unter Klasse 1 und 2, ein wohl gänzlich unerwartetes und auffallendes Resultat. 1) Bad, am Anfange einige Male Phenacetin. Fälle. 67 Die dazu gehörigen Tabellen lauten: ,1 1 il 2 l 3 |i 4 |j 5 und mehr Fall 17 j Mjwl T| >K2S 1K1S 5K3S 2K1S 2S1K 1K4S 3K1S 3S1K 2K2S 5KJ4K1S [3K2S S. Johann | il ! 1 17. I. 03 . — 32 8 15 38 3 — 3 1 - 19. • I. 03 . - - 27j'llj 17i 35 4 — 5 — 1 — — — — - — — 21. I. 03 . — — 39 7 16' 27 5 — 5 — — — - - — 1 — — 23. I. 03 . — — 23 2 21 36 4 1 10 2 - — — — 1 — — - 27. I. 03 . - — 6 1 36 27 5 — 16 5 — - 2 1 - — 1 — 30. I. 03 . — — 14 2 31 29 — 2 12 6 2 — 2 — — - - - 2. II. 03 . - — 9 1 30 11 1 4 13 16 6 - 4 — 4 1 — — 5. II. 03 . — - 18 2 21 13 — 1 21 19 1 - 3 — 1 — — — 8. H. 03 . 1 — 12 - 23 12 1 4 12 24 — — 6 1 4 - — — 11. IL 03 . - - 6 - 31 15 1 11 13 14 2 - 5 1 1 — — — 16. II. 03 . — 4 — 25 9 — 8 18 16 4 1 6 — 9 - — — 22. II. 03 — 1 - 21 6 1 7 11 80 1 6 5 10 — - 1 17. IIT. 03 . - 11 1 29 17 1 3 14 13 4 1 6 — 1 - — Vom 21. I. 1903 ab haben wir bis zum 2. IL 1903 ständig leuko- penische Gesamtzahlen der Leukocyten. Unbekümmert um diese sub- normalen Werte und im geraden Gegensatze zu den obigen Angaben der quantitativen Verminderung der Neutrophilen im Stadium der Continua und der Remissionen, steht ihre, aus den Tabellen hervor- gehende qualitative Verbesserung. Es finden sich zwar einige Schwan- kungen bezüglich der Verteilung der Neutrophilen innerhalb der Klassen 1 und 2, aber ihre Gesamtzahl nimmt in diesen immer mehr ab und die Zahl der Klassen 3, 4 und 5 immer mehr zu; dies geht soweit, dass wir an den Tagen, wo nach Naegeli das Minimum der Neutrophilen be- steht, in der qualitativen Zusammensetzung fast schon wieder völlig normale Verhältnisse vorfinden. Jedermann hätte doch wohl sicher ein Parallelgehen beider Prozesse erwartet; da dem nicht so ist, beweist uns immer nur wieder, was wir schon des öfteren feststellen konnten, dass man nur mit der allergrössten Vorsicht an die Deutung der durch ein- fache Zählung erhaltenen Resultate gehen darf. Am Anfang, um das Ganze nochmals zu wiederholen, ist die Verwüstung unter den Neutro- philen am stärksten und mit Zunahme der schweren Krankheitssymptome bessern sich die Verhältnisse, so paradox es auch klingen mag, immer 5* 68 Typhus- mehr, wobei die Zellen jedoch, wie oben angeführt ist, an absoluter Zahl immer weiter abnehmen; in dem Momente, wo ihre absolute Zahl auf dem tiefsten Niveau angelangt ist, sind ihre Formverhältnisse bereits fast wieder normal. Diese Tatsachen weisen darauf hin, dass wir jetzt auch im Marke schon wieder fast normale Verhältnisse haben müssen, und dass die Myeloblasten und Myelocyten wohl nur am An- fang der Erkrankung dort in überwiegender Anzahl zu finden sein werden. Wir ersehen aus den vom Anfang bis Ende der Erkrankung durch- geführten Tabellen wiederum die ausgezeichnete Harmonie, in der jeder unserer Blutbelünde zum anderen steht; wir dürfen in ihnen wohl eine graphische Darstellung des Kampfes erblicken, den der Organismus vom Momente der schweren Infektion ab durchzufechten hat; nur ganz allmählich vermag er die Oberhand zu gewinnen, Position um Position wird langsam zurückerobert, bis schliesslich wieder normale Verhältnisse eintreten. Vom 5. IL ab ist Patient völlig fieberfrei; wir finden von da ab nach sechs Tagen auch die letzten Spuren der qualitativen Veränderung der Neutrophilen als verschwunden, und die beiden Untersuchungen vom 16. IL und 22. IL zeigen gerade das umgekehrte Verhalten der Neutro- philen wie beim Eintritt; wir sehen am 22. IL 1903 nur 1 °/o in Klasse 1 und nur 27% in Klasse 2, während das Gros in Klasse 3, 4 und 5 sich angesammelt hat; es sei bei dieser Gelegenheit besonders auf die grosse Anzahl der Zellen 2 S 1 K verwiesen. Die Gesamtleukocytenzahl ist seit 5. IL immer in normaler, fast gleicher Zahl gefunden worden. Wir dürften nach diesem Falle kaum fehlgehen, wenn wir die Verschiebung des neutrophilen Blutbildes vom 22. IL 1903 nach rechts, wie sie auch am Gesunden nur selten so stark sein wird, als Reaktion gegenüber der wochenlang währenden Karapfesperiode auf- fassen; die Zellen bezw. das Mark ist so wenig mehr in Anspruch ge- nommen oder so leistungstüchtig, dass nur mehr ganz ausgereifte Neutrophile im Blute zirkulieren bezw. dorthin auswandern. In Übereinstimmung mit dem sich qualitativ immer mehr ver- bessernden Mischungsbilde der Neutrophilen steht auch die Tatsache, dass im ganzen Verlauf keine Zellen mit dem Kerntypus W und nur einmal (8. IL 1903) ein einziger Myelocyt gefunden wurde. Die letzte Untersuchung wurde am Tage des Austrittes ca. 6 Wochen nach Verschwinden des Fiebers ausgeführt. Diese Tabelle lehrt, dass das Blutbild sich nun wieder mehr verjüngt hat. Des weiteren ist bei einer allgemeinen Übersicht über die Tabellen eine Verschiebung innerhalb der Zellen 2 S und 1 K 1 S wiederum sehr auffallend. Bis zum 27. I. inklusive überwiegen die 1 K 1 S zuerst ganz bedeutend, dann immer weniger die Zellen 2S; am 30. I. sind beide Fälle. 69 sich an Zahl fast gleich und von da tritt nun gerade das umgekehrte Verhältnis ein, das dann seinerseits am 22. IL 1903, dem Tage des Austrittes, das Maximum erreicht. Wenn wir in der Krankenge- schichte nachsehen, welchen Befund wir etwa um die Zeit des Um- schlages hatten, so ist gewiss auffallend genug, dort die Angabe zu finden, dass am 26. I. die Grub er-Vida Ische Reaktion schon stark positiv ausfiel, während sie am 19. I. noch negativ war, und dass nach der Fiebertabelle ab 27. I. die Temperaturen zum ersten Male so niedrig waren und dann auch blieben, dass kein Bad mehr notwendig wurde. Trotz dieser sehr in die Augen springenden Verhältnisse fällt uns natürlich nicht ein, auf den einen Fall hin naheliegende Schlüsse zu ziehen; weitere Untersuchungen werden diese merkwürdigen Verhältnisse aufzuklären haben. 18. St., Joseph, 25 Jahre, Bäckergeselle; 5. IV. bis 28. VI. 03. Äusserst muskulöser, gut genährter Mann; vor 5 Jahren laut Kranken- geschichte leichte Rippenfellentzündung rechts; .sonst immer gesund. Am 27. III. Beginn der Erkrankung mit Kopfschmerz, Frost; er arbeitet, trotzdem Kopfschmerz, Schwindel, Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit, Husten und Auswurf bestehen, bis 5. IV. weiter. Beim Eintritt nur perkutorisch nachweisbare leichte Milzschwellung, bronchitische Geräusche beiderseits hinten unten, hohes Fieber. Ab 10. treten Roseolen am Körper auf, zuerst vereinzelt, dann in grösserer Anzahl (13. IV.); am 10. erstmals schwache Diazoreaktion; fuli- ginöse Zunge, Durchfälle, Zunahme der Bronchitis, hohes Fieber, weicher, dikroter, relativ verlangsamter Puls; viel mit Essigsäure ausfällbares Eiweiss. Ab 13. zeitweise Sensorium nicht frei. Am 14. IV. ist die Spitze der Milz deutlich zu fühlen. Bis zum 16. treten immer noch mehr Roseolen auf. Seit dem 14. bestehen beiderseits hinten unten alle Symptome der katarrhalischen Pneumonie, auf der übrigen Lunge diffuse Bronchitis; blutig-eitriger Auswurf. 19. abends 6 h Darmblutung: ca. 1 Liter. Puls kleiner, jedoch nicht besonders frequent (108). 24. reichlicher, stark bluthaltiger Stuhl; sehr anämisches Aussehen. Am 25. und 27. neuerdings Blutungen (schwarze Stühle), die den Patienten an den Rand des Grabes bringen. Das Andauern des hohen Fiebers ist wohl auf die bestehende doppelseitige Pneumonie zurückzuführen. Bis zu diesem Zeitpunkte wurden folgende Blutuntersuchungen aus- geführt : Leukocytenzählungen: (Seit gestern V2 Spuckschale eite- rig-blutiges Sputum.) 1. 7. IV. 03, 12 h mittags: 4800. 2. 10. IV. 03, 12 h „ 5200. 3. 13. IV. 03, HV2 h vormittags: : 5800. 4. 16. IV. 03, 12 h mittags: 4600. 5. 19. IV. 03, mittags: 5300. 6. 21. IV. 03, mittags: 5700. 7. 25. IV. 03, 10 h früh: 3100. (Doppelseitige katarrhalische Pneu- monie.) (Am 19. IV. abends grosse Darm- blutung.) (Sehr grosse Anämie.) 70 Typhus- Leider musste ich aus äusseren Gründen nunmehr meine Unter- suchungen abbrechen; es wäre gewiss interessant und wichtig gewesen, zu verfolgen, in welcher Weise sich weiterhin das Blutbild bei dem Interferieren von Pneumonie und Typhus gestaltet hätte, um so mehr, als beide Krankheiten sich nach der geltenden Ansicht in ihrer Wirkung auf die Zahl der weissen Blutkörperchen für gewöhnlich diametral gegenüberstehen sollen, und hier ein durch den vorausgehenden schweren Typhus sowie durch die grossen Blutungen äusserst geschwächter hämatopoetischer Apparat anzunehmen ge- wesen wäre; wie ich aus der Krankengeschichte ersehe, kam später sogar noch ein Erysipel des halben behaarten Kopfes hinzu. Patient trat nach 23/4 Monaten als geheilt aus. Die Pulskurve überschritt nie die Frequenz von 120. Die Temperaturen i. a. bis zum Abbruch der Blutuntersuchungen waren folgende. Fiebertabelle (in axilla gemessen): April 1903 5 | 6 | 7 | 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 | 21 | 22 23 24 25 Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad 6 h - 38,7 38,8 39,0 38,7 39,2 38,2 39,4 39,2 39,0 39,0 39,0 38,7 38,7 38,3 35,8 38,7 39,0 38,8 38,0 36 9 9 h 39.0 38,9 38,8 38,9 38,8 38,5 38,6 35,8 38,5 39,1 40,2 38,2 36,7 12 h 39,4 - 39,3 39,4 40,0 39,6») 39,0 39,1 39,2 39,1 39,6«) 39,5') 39,6») 39,2 35,0 39,4 38,9 40,2 40,1 37,6 3 h " r 39,3 39,3 39,3 39.71) 40,2l) 40,1!) 40.31) 36,8 39,5 39,0 39,8 39,9 38,3 6 h 38,8 39,3 39,8 39,2 39,5 38,4 38,6 39,6 39,8») 39,8») 39,6') 39,0 39.61) 39,7') 39,2 39,1 39,4 38,8 39,5 39,7 38,8 9 h 39.61) - 38,8 38,8 39,2 38,8 38,2 38,9 38,9 38,7 39,2 38,9 38,9 I 11 Neu trophile BF atbi Idta be 11 en: l 2 3 *_ 6 u. m. Fall 18 M w| T 2K 2S 1K1S 3K3S 2K1S 2S1K 4K4SJ3K1S 3S1K 2K2S St. Joseph ! 7. IV. 03 . — -44 3 25 24 2 - 1 1 — — - — — 10. IV. 03 . — 4 50 6'20 17 1 - 1 1 — — — — - 13. IV. 03 . - — 50 1 12 33 2 — 2 — — — — — - 16. IV. 03 . — 3 26 9 23 35 2 — 2 — — - — — 1 19. IV. 03 . - 1 33 3 16 30 4 — 8 3 1 — — — 1 21. IV. 03 . - 3 21,4 26 35 1 - Ö 3 1 — — — 25. IV. 03 . - — 18 2 40 28 3 2 5 2 1) Bad; I = 1. Blutung; II = 2. Blutung. Fälle. 71 Der vorliegende Fall wurde für die Blutuntersuchung ausgewählt, weil bei dem äusserst muskulösen und gut genährten Manne am ehesten ein unkomplizierter Verlauf des Typhus von vorneherein erwartet werden durfte; diese Hoffnung ging jedoch nicht in Erfüllung, indem sich beiderseitige katarrhalische Pneumonie und dann schwere Blutungen hinzugesellten. Dadurch zog sich der Fall hinaus und wurde atypisch; aber soweit die Tabellen reichen und sie umfassen sicherlich ZU des schwersten Verlaufes, sind sie ausgezeichnet zu verwerten. Wir sehen im wesentlichen einen Abklatsch des vorigen Falles, nur mit dem einzigen Unterschiede, dass hier das neutrophile Blutbild noch schwerer als dort affiziert ist; aus diesem Befunde im allgemeinen lässt sich vielleicht sehr wohl auch erklären, warum der Fall schon von Anfang als ein besonders ernster und schwerer sich gestaltete. Nurmehr 3 und 4°/o sehen wir in den Untersuchungen am 7., 10., 13. und 16. IV. in der Klasse 3; die Klassen 4 und 5 sind überhaupt völlig verwaist; bis zu 54°/o treffen wir am 10. IV. allein in Klasse 1; trotzdem sich zweimal (auch später noch zweimal) Zellen W vorfinden, sind jedoch Myelocyten unter den gezählten Zellen nie angetroffen worden. Offenbar fällt die erste Untersuchung hier (s. Fiebertabelle) früher als die erste Untersuchung im vorausgehenden Falle; darum ist auch hier noch nicht die schwerste Veränderung im Blutbefunde anzutreffen, sondern erst in der nächstfolgenden Tabelle, wo Patient das erste Mal auch 40,0° überschreitet. Von diesem Höhepunkt der Veränderung, die das neutrophile Blutbild aufzuweisen hat, folgt nun wie im ersten Falle eine kontinuierliche Besserung des Blutbefundes bei den Neutrophilen; sie ist jedoch augenscheinlich durch die starken Darmblutungen ab 19. IV. und die katarrhalischen Pneumonien beeinflusst; während nämlich am 19. IV. bereits 17°/o Zellen in Klasse 3, 4 und 5 sich finden, geht dies Ver- hältnis am 21. IV. zurück auf ll°/o und vermag auch am 25. IV. nicht weiter vorwärts zu schreiten. Auch hier ist das Verhältnis zwischen Zellen 2 S und 1 K1S ein sehr eklatantes: am 7. und 10. IV. halten sich beide numerisch das Gleichgewicht, von da bis zum 21. IV. überwiegen die Formen mit 1 K 1 S mächtig, an diesem Tage jedoch sind beide am meisten genähert und am 25. IV. bereits in das umgekehrte Verhältnis umgeschlagen. Eine logische Konsequenz ist es, aus diesem Verhalten den Schluss zu ziehen, dass der grösste Teil der Zellen in Klasse 1 sich zunächst bezüglich seines Kernes in dem Sinne der Kernform 1K 1S weiter- entwickelt und daraus erst dann die Zellen mit der Kernform 2 S etc. sich ableiten. Wenn wir weiterhin uns erinnern, dass wir schon öfter auf das Überwiegen der Kernform 2S aufmerksam geworden sind in normalen und allen den Fällen, die dem normalen Blutbefunde zustreben, so haben wir ziemlich genau den ganzen Entwicklungsgang der neutro- 72 Typhus- philen Zellen vom Myelocyten bis zur Klasse 5 vor uns, denn die Ab- teilung 2 S dürfte in den zitierten Fällen nur deswegen immer besonders stark vertreten sein, weil sie ihrerseits wieder die Stammform für die Klassen 3, 4 und 5 in den meisten Fällen abgibt. Ausser diesen beiden genauer untersuchten Typhusfällen wurden noch bei einigen anderen Stichproben gemacht, die im folgenden noch kurz wiedergegeben werden sollen. Es sind im ganzen vier. 19. R., Apollonia, 24 Jahre, Köchin, 30. I. Ol bis 13. III. Ol. Typhus abdominalis; am 2. IL, 3 Tage vor Beginn der steilen Kurven, Zählung der weissen Blutkörperchen: 4000. Keine Komplikationen ausser einem Rezidiv späterhin; in den Zeiten des hohen Fiebers am Anfang schwerste epileptische Anfälle. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5 u. mehr Fall 19 M W T 2K 2S | 1K IS 3K 3S 2K1S 2S1K |4K|4S 3K IS j 3S 1K 2K2S 5K 4K1S R. Apollonia. . - 1 41 1 22 22 3 — 5 4 - — - — 1 — -1) Der Blutbefund muss uns nach den obigen Ausführungen etwas überraschen; wir hätten schon eine etwas weiter fortgeschrittene Besse- rung erwartet; ob dabei schon das später eintretende Rezidiv in irgend einer Weise beteiligt oder vielmehr, ob umgekehrt daraus vielleicht Schlüsse auf ein später zu erwartendes Rezidiv gerechtfertigt sind, diese Fragen können natürlich auf Grund dieser einen Untersuchung nicht diskutiert werden. 20. B., Marie, 20 Jahre, Dienstmädchen, 6. XII. 1900 bis 5. III. Ol. Typhus abdominalis; hier wurde die Blutuntersuchung am 8. XII. aus- geführt, zu einer Zeit, wo ausser der Temperatur und der Puls verlangsamung kein anderes Symptom vorhanden war: 4000 weisse Blutkörperchen. Am Abend eine Roseole, am 12. XII. Gruber-Vidal 1 : 60 positiv, Diazoreaktion positiv; am 17. XII. Milz palpabel. Neutrophile Blutbildtabelle: l 2 3 4 5u . mehr Fall 20 M W T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K r 4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K 4K IS B. Marie . . . -- — 41 1 29 20 4 2 i 1 — - 12J i) S. Ausführliche grosse Tabelle: Fall 19. *) S. Ausführliche grosse Tabelle: Fall 20. Fälle. 73 Das Blutbild stimmt mit dem überein, wie wir es am Anfang eines Typhus abdominalis nach unserer Anschauung verlangen (s. o.). 21. S.. Barbara, 18 Jahre, Dienstmädchen, 23. VIII. Ol bis 10. IX. Ol (f). Patientin wurde in somnolentem Zustande eingeliefert, von Anfang an das Bild eines schweren Typhoids bietend; sie lässt alles unter sich gehen; Roseolen bestehen vereinzelt beim Eintritt; am 27. VIII. neue starke Roseoleneruption. Die Sektionsdiagnose lautete: Intumescentia lienis; Nephritis, Hepatitis parenchymatosa acuta; Ulcera typhosa intestini ilei in statu sanationis; Myo- degeneratio cordis; Bronchitis ; Infiltrationes medulläres circumscriptae utriusque pulmonis; Infarctus haemorrhagicus lobi superioris pulmonis dextri; Pleuritis serofibrinosa dextra. Die aufgeführten Komplikationen sind erst im Verlaufe nach der Blut- untersuchung eingetreten; es ist auch aus dem Befund ersichtlich, dass die Untersuchung in einem frühen Stadium der Typhuserkrankung ausgeführt worden sein musste. Leukocytenzählung 24. VIII. 01, 10 h früh: 3100. Neutrophile Blutbildtabelle: Fall 21 S. Barbara MW 38 2K 2S 1K1S 18 26 3K 3S | 2K IS ^1'. 2S1K J4K4S 3K1S '3S1K 2K 2S 5 u. m. Wir sehen hier ein neutrophiles Blutbild zu Beginn eines Typhus, das sich durch relativ sehr viele Zellen W auszeichnet; der Ausgang bewies die Schwere des Falles. 22. M., Joseph, 11 Jahre alt, 4. XII. 1900 bis 16. I. Ol. Fall 22 Neutrophile Blutbildtabelle: M.W T;2K 23, 1K1S 3K 3S 2K IS 2S1KJ4K4S 3K. IS j 3S 1K ■ 2K. 2S 5 u. m. M. Joseph —! 1 "l9ll— 30 17 2 2 13 3 — 1 Die Blutuntersuchung wurde am 21. XII. 1900, also mindestens in der 3. Woche des Verlaufes ausgeführt; mit dieser Zeit stimmt auch der neutrophile Blutbefund überein. i) ,S. Ausführliche grosse Tabelle: Fall 22. 74 Angina- III. Anginen. Übersicht. Das Verhalten der Leukocyten bei Anginen ist, wie es scheint, nur äusserst spärlich untersucht worden. Nur ein Autor (Halla) gibt an, eine absolute und relative Vermehrung der weissen Blutkörperchen auf der Höhe des Entzündungsprozesses gefunden zu haben, die mit Abnahme der Entzündung wieder zurückging; zwischen der Zahl der farblosen Zellen und der Höhe des Fiebers bestand ein gewisser Parallelismus. Im folgenden werden in einer Gradatio ad maius zunächst eine Angina simplex catarrhalis, dann eine Angina follicularis und dann eine Angina necrotica zur Besprechung kommen. Als Schluss- und Höhe- punkt dieser Steigerung, die in sinnfälliger Weise sich dokumentieren und damit wiederum in voller Harmonie zu den Krankheitsbildern stehen wird, kann der weitere Abschnitt über Diphtherie gelten: Fälle: 23. P., Valentin, I6V2 Jahre, Schullehrerseminarist, leidet an einer einfachen Angina catarrhalis seit IV2 Tagen; beim Eintritt (28. IL 03 abends) 38,9° i. a., ab nächsten Tag fieberfrei. Leukocytenzählung 28. IL 03 abends 9 h (um 7hl Tasse Milch ge- nossen): 12 800. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5 u. m. Fall 23 M wl T 1 | 2K 1 2S 1K IS 3K 3s]2KlS 2S1K 4K 4S 3K IS 3S 1K 2K2S P. Valentin . . " -11 1 28 24 4 1 15 11 1 — 4 — — Aus der Tabelle geht hervor, dass wir nur eine unbedeutende Alteration des neutrophilen Blutbildes vor uns haben, die sich in einer geringen Verschiebung des Blutbildes nach links zu erkennen gibt. Wir haben bei ähnlichen Leukocytosen von 12800 in anderen Fällen schon die grössten Verschiebungen im neutrophilen Blutbilde anführen können. Darum ist es wichtig, zu konstatieren, dass wir bei dieser Infektion derartige Verhältnisse nicht haben. Immer wieder findet sich eben die Tatsache, dass Leukocytose und Leukocytose bei Infektionskrankheiten zweierlei Dinge sind, und dass wir nimmermehr die verschiedenen Krankheiten bezüglich der bei ihnen auftretenden Leukocytose und deren Zustandekommen in einen Topf werfen dürfen. Dieselben Schlüsse müssen wir auch aus dem folgenden Falle ableiten. Fälle. 75 24. S., Dorothea, 19 Jahre, Köchin; 5. XII. 02 bis 11. XII. 02. Angina follicularis; am 5. und 6. Fieber. Lcukocvtenzählungen: 1. 5. XII. 02 abends 8 h bei 38,3° i. a.: 15 600 (mittags und abends nur je 1 Tasse Milch genossen). 2. 7. XII. 12 h mittags: 8400. Temperaturen am 6. XII. 38,5° bezw. 37,5°. 7. XII. Mandeln gereinigt, keinerlei Beschwerden mehr. Abends 37,1°. Neutrophile Blutbildtabellen: 1 l 2 3 4 5 u. m. Fall 24 M^V T 2KJüSJlKlSjj3K 3S 2K1S 2S1K ,4K 4S ! 3K IS i i 3S1K 2K2S 4K1S S. Dorothea 5. XII. 02 . 7. XII. 02 . 14 14 3 28 8 29 17 21 2 3 3 10 16 15 6 3 4 3 4 — 1 1 Die Leukocytose ist hier etwas stärker wie im vorigen Falle, und das Blutbild ist etwas weiter nach links gerückt; späterhin fällt auf, dass wir, selbst nachdem die Entzündung schon auf den Mandeln abge- heilt ist, zwar nur mehr 8400 weisse Blutkörperchen haben, aber das Blut- bild sich noch nicht nach rechts bis ins völlig Normale verrückt hat. Wie lange dies in solchen Fällen eventuell noch dauern kann, ferner, ob nicht ganz zu Anfang der Infektion — die Patienten kommen meist zu spät zur Beobachtung — nicht noch schwerere Verhältnisse sich ergeben, muss weiterer Untersuchung vorbehalten werden. In beiden Fällen ist an Hand der Tabellen zu konstatieren, dass die Zellen 2S immer in Übergewicht bleiben über die 1K1S, ein Be- fund, der uns schon mehrmals aufgestossen ist und der, wie wir sahen, nur bei leichteren Veränderungen vorkommt. Wir dürfen sagen, dass wir in diesen Fällen eigentlich die denkbar günstigste Konstellation im Blute vor uns haben, auf der einen Seite eine ziemliche Vermehrung der absoluten Zahl, auf der anderen eine möglichst geringe Alteration der neutrophilen Leukocyten; die leichte Infektion dürfte sich daraus von selbst ohne alle Schwierigkeit erklären lassen. Gleichzeitig sehen wir auch in dem Falle 24, dass die Gift- wirkung auch in solchen leichten Fällen durchaus noch nicht mit dem Abklingen des Fiebers und dem Abheilen des lokalen Prozesses beendet ist. Wir finden auch diese Verhältnisse bekanntlich nicht zum ersten Male hier. 25. M., Rosine, 11 Jahre, taubstumm; 28. XL 02 bis 2. I. 03. Nach Angabe der Angehörigen sei zuerst vor einigen Tagen bei dem sonst gesunden Kinde eine Halsdrüsenanschwellung bemerkt worden; am 26. Hinzutritt von Fieber. 76 Angma- Es besteht eine Angina necrotica rechts; die hinteren oberen Teile der r. Mandel sind schwarz verfärbt, ringsum weissliche Beläge, die nicht in die Tiefe gehen; starke Anschwellung und Schmerzhaftigkeit der regionären Lymphdrüsen. Prophylaktische Diphtherieheilserumeinspritzung, obwohl Diph- theriebazillennachweis nicht gelingt, am 28., 29. und 30. Eine weitere Aus- breitung des Prozesses findet nicht statt, am 1. XII. beginnt sich die nekro- tische Partie abzustossen. Urin: nur Nukleoalbumin enthaltend. Am Herzen keine Veränderung. Wie aus den Temperaturzahlen ersichtlich ist, tritt die Entfieberung am 7. XII. ein und hält bis 15. XII. an. In die Zeit bis hierher entfallen folgende Untersuchungen: 1. 28. XL 02 7 h abends (um 1/26 h 0,5 Phenacetin, nur Suppe und 1 Tasse Milch genossen): 4700 Leukocyten. (Nachm. Behrings Heilserum Nr. IL) 2. 30. XL 02 abends 6V2 h, (vor 3 St. 1 Tasse Milch mit Zwieback): 10 800 Leukocyten (12 h mittags Behrings Serum Nr. III). 3. 3. XII. 02, 12 h mittags: 12 700 Leukocyten. 4. 5. XII. 02, 12 h „ 12 000 5. 8. XII. 02, 121/4 h „ 13 100 Die Tage bis zum 15. XII. sind fieberfrei. Am Abend des 13. tritt an den Extremitäten eine fleckige Rötung auf. Am 16. XII. Ausbruch eines masernähnlichen Exanthems an den oberen und unteren Extremitäten. Sonst keine Anhaltspunkte für Masern. (Der Urin enthält eine Spur Albumin. Am 17. XII. ist dasselbe bereits wieder ver- schwunden). Nachdem noch bis '20. XII. geringes Fieber bestanden hat, von da ab wieder fast normale Temperaturen und Genesung. — Während der ersten Fieberperiode bestand zwischen Temperatur und Pulszahl kein besonderes Missverhältnis, in der zweiten dagegen relative Pulsbeschleunigung, ab 18. XII in ziemlich hohem Grade. Leukocytenzählungen: 6. 17. XII. 02, 12 h mittags: 10 900. 7. 22. XII. 02, 12 h „ 9 700. 8. 31. XII. 02, 12x/2 h „ 12 000. Temperaturentabelle November 1903 Dezember 1903 28 Grad 29 Gi ad 30 1 2 Grad 8, 4 5 6 7 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad Grad,Grad Grad Früh . . — 39,0 38,0 37,4 39,0 39,4 37,2 37,1 37,4 36,5 37,4 38,2 !38,0 ! 36,2 36,6 37,436,6 37,0,37,0136,5 Mittag . - 39.81) 39,8 39,8 38,0 38,5 37,6 37,0 37,4| - - —: — i _ J _ - Abend 40,1') 40,2I)38,0 38,0 39,8 38,2 38,0 37,5 36,8 36,8 38,6 40.21) 38,2 38,0 38,6 37,8 37,2 37,437,5 37,0 ') = 0,5 g Phenacetin. Fälle. 77 Neutrophile Blutbildtabellen: 1 3 1 5 11. m. Fall 25 M W T 2K 2S 1K IS 3K3S 1 2K1S 2S1K 4K4S 3K IS 3S1K 2K 2S 5K M. Rosine 28. XL 02 . - 1 22 2 il 42 26 4 — 2 1 — - — — — — 30. XI. 02 . -: 1 35 2 34 22 1 — 3 2 - — — 1 — — — 3. XII. 02 . — 1 22 — 34 31 - 1 4 7 — — — — — — 5. XII. 02 . 1 —:27!! 3 '191 35 4 - 9 1 1 — — — ~ — 8. XII. 02 . -'2 '32'1 22 1 ' 26 3 — 10 3 — - — — — 1 17. XII. 02 . -l—12'— 32 31 — — 13 8 2 — — — 1 1 22. XII. 02 . 1 2 21 — 30 28 3 - 7 7 — — 1 — — — 31. XII. 02 . 1 8 - 42 14 1 5 9 14 — 4 ~ - 6 — Dieser Fall, der auch bezüglich der Lymphocyten unser besonderes Interesse an anderem Orte in Anspruch nehmen wird, zeichnet sich durch seine lange Dauer und einen eigentümlichen Verlauf aus. Die Veränderungen innerhalb der Neutrophilen sind hier uner- wartet starke. Das Mädchen erschien trotzdem am Anfang und auch auf dem Höhepunkt der Krankheit eigentlich nicht schwer infiziert, lachte immer und war munter. Wir finden am Anfang (30. XL und 3. XII.) mindestens ebenso umfangreiche Verschiebungen als bei unseren graven Typhusfällen, wo die Allgemeininfektion doch eine viel schwerere war. Wenn wir daraus und aus ähnlichen, auch schon bei der Pneu- monie gemachten und noch später vielfach zu machenden Erfahr- ungen einen Schluss ziehen wollen, so dürfte es vielleicht der sein, dass nicht der Leukocytenzerfall an dieser graduellen Verschiedenheit der Allge- meininfektion die Schuld tragen wird, dass sie möglicher Weise auch nicht so sehr abhängig sein wird davon, ob die Leukocyten fertig oder nicht fer- tig werden mit dem Gifte, dass eher die im Kampfe der Leukocyten mit den pathogenen Organismen entstehenden Vernichtungs- bezw. Zerfalls- oder Neutralisationsprodukte in spezifisch verschiedener Weise die Eigen- schaft der Intoxikationserregung besitzen* können, oder dass in den ver- schiedenen Fällen ein verschieden stark er Überschuss des eigentlichen Virus, bezw. seiner Stoffwechselprodukte in spezifisch verschiedener Weise seinen Einfluss auf den Organismus ausübt; im letzteren Falle müsste man sich vor- stellen, dass der Organismus immer nur partiell das massenhaft sich regene- rierende Gift oder dessen Produkte zu paralysieren bezw. zu eliminieren vermag. Als ein auffallendes Faktum scheint aus allen Untersuchungen hervorzugehen, dass es für die Schwere oder Leichtigkeit der Allgemein- infektion gleichgültig sein kann, ob die angezogene Veränderung des 78 Angina- neutrophilen Blutbildes bei einer gleichzeitig bestehenden Hyper- oder Hypoleukocytose besteht. In unserem Falle war nun zwar Diphtherieheilserum vorher ge- geben worden; da aber das Blutbild auch später noch in ähnlichem Sinne sich verändert zeigt bezw. wieder verändert, können wir wohl die Möglichkeit einer starken Einwirkung desselben auf das neutrophile Blutbild ausser Betrachtung lassen und höchstens nur eine Einwirkung auf die Leukocytenzahl in den Bereich der Möglichkeit ziehen. Die Krankheit beginnt mit einer Verminderung der Gesamt- leukocyten (4700 am 28. XL); schon am übernächsten Tage jedoch ist die Zahl auf 10800 (30. XL) gestiegen und nach weiteren drei Tagen auf 12700, auf welcher Höhe sie sich mit kleineren Schwankungen un- gefähr erhält bis zum Schlüsse der Untersuchungen (und Entlassung). Trotzdem nun die Gesamtzahlen immer fast gleich bleiben, ändert sich das neutrophile Blutbild sehr; aus den an anderem Orte zu machenden Angaben der Mischungsverhältnisse der Leukocytenklassen innerhalb der Gesamtzahl wsrden wir seinerzeit ersehen, dass inv dieser letzteren Be- ziehung noch ganz besondere Verhältnisse obwalten. Dieser Wechsel des Blutbildes bei sich gleichbleibender Zahl, den wir wiederum nicht zum ersten Male finden, wäre wohl am ehesten mit im stände, die Annahme zu erwecken, dass immer nur eine be- stimmte morphologische Klasse durch ein bestimmtes Gift angegriffen und vernichtet wird, oder umgekehrt, dass sich das Blut immer nur mit einer bestimmten Klasse von Zellen gegen das Gift bezw. dessen Variationen wehrt. Wir können jedoch diese Annahme nicht machen. (S. später Näheres.) Am zweiten fieberfreien Tage (8. XII.) ist das Blutbild noch stark nach links verschoben; bis zu diesem Tage finden sich immer ent- weder Zellen W oder auch M ein, zum Zeichen der Mehrleistung des Knochenmarkes und des starken Verbrauches an neutrophilen Leukocyten. Wir erkären uns den Fall bis hierher wohl am besten so, dass an den ersten Tagen infolge der starken Inanspruchnahme der Leukocyten des strö- menden Blutes und damit zugleich auch ihrer Ursprungsstätte, des Kno- chenmarkes durch das Gift (septisches Gift) die neutrophilen Leukocyten sich zunächst in verminderter Anzahl, dann aber in reaktiver Weise in erhöhter Anzahl im Blute einfinden und nun in dieser verstärkten Zahl den Kampf ausfechten, als dessen sichtbaren Effekt wir die verschiedenen Schwankungen in der Blutbildzusammensetzung betrachten können. Mit dem 15. XII. trat der Fall in eine neue Fieberperiode ein, für die eine ersichtliche Ursache nicht vorlag und die mit der Eruption eines masernähnlichen Exanthems unter 40,2° Fieber ihren klinischen Höhepunkt am 16. XII. erreichte. — In bezug auf die Verhältnisse bei Fälle. 79 den Leukocyten sehen wir den Höhepunkt erst viel später erreicht, denn am 17. XII. sind die Mischungsverhältnisse noch viel bessere als am 22. XII., wo wieder eine bedeutende Verschlimmerung ersichtlich ist; nach der Temperaturtabelle ist aber die Patientin an diesem Tage schon fast fieberfrei. Aus der Schlussuntersuchung zwei Tage vor dem Austritte (als ,,geheiltaj, der doch ein über acht Tage langer fieberfreier Intervall vorausging, ersehen wir dann schliesslich, dass auch jetzt das Blutbild noch nicht völlig normal ist. Leider konnten bei der hochgradigen Empfindlichkeit des Mädchens gegen die kleinen Lanzettenstiche nicht mehr Untersuchungen gemacht werden; in den Zwischenzeiten etwa noch öfter ausgeführte Unter- suchungen hätten den Zusammenhang der Blutbefunde in der geschil- derten Weise wahrscheinlich noch besser fundieren können. Aus der Krankengeschichte ist zum Schlüsse hervorzuheben, dass besonders ab 18. XII. eine relative Pulsbeschleunigimg in hohem Grade bestand. Wir konstatieren lediglich den Zusammenfall der Beschleuni- gung nicht etwa mit der Akme der Eruption, sondern mehr mit dem Auftreten des schlechteren Blutbefundes. Die Beziehungen zwischen den Zellen 2 S und 1 K 1 S sind wiederum bemerkenswert: am 28. XI. und 30. XL überwiegen die Zellen 2S stark, dann nähern sich beide Abteilungen am 3. XII.; am 5. und 8. XII. ist das umgekehrte Verhältnis wie zuerst, am 17. und 22. sind beide wieder fast gleich an Zahl, um dann am 31. XII. wieder ihr ursprüngliches normales Verhältnis aufzunehmen. IV. Diphtherie. Übersicht. Fast stets findet sich bei der Diphtherie Leukocytose; in schweren septikämischen Fällen hat man sogar eine akut leukämische Blut- beschaffenheit gefunden (Bouchut). Auch Engel hat bis ll,9°/o Myelocyten in einem tödlich verlaufenden Falle im Blute gefunden: im allgemeinen lässt sich nach den vorliegenden Untersuchungen sagen, dass die Leukocytose mit der Schwere der Erkrankung zunimmt und mit der Besserung wieder abnimmt; in den leichteren Fällen soll eine be- deutendere Leukocytose nicht auftreten; diese verschwindet dann wieder mit dem Absinken des Fiebers. Die prognostischen Schlüsse ergeben sich aus dem Ausgeführten von selbst. Unter 84 Fällen hat Bouchut nur einmal unter 5000 Leukocyten gefunden, im Maximum 100000; die Mittelzahl von 93 Zäh- lungen betrug 26824. 80 Diphtherie. Unter den Angaben über das Mischungsverhältnis findet man bald die Neutrophilen, bald, und dies wird von verschiedenen Autoren betont, die Lymphocyten relativ vermehrt (Lymphocytose). Untersuchungen über die Leukocytenverhältnisse bei der Diphtherie sind besonders auch in der ausländischen Literatur verzeichnet. Die Re- sultate dreier diesbezüglicher Arbeiten der letzten Zeit seien nach aus- führlichen Referaten im Zentr.-Bl. f. innere Medizin angeführt. J. Ewing1) schickt seinen eigenen Resultaten die anderer Auto- ren voraus, die ebenfalls mitgeteilt seien. Bouchut und Dubrisay fanden eine mit der Schwere der Diphtherie zunehmende Leukocytose, Cuffer zweifelt die Regelmässigkeit sowie die prognostisch ungünstige Bedeutung eines solchen Befundes an; P e e hat die Leukocytose bei Diphtherie weniger ausgesprochen gefunden als bei der Angina folli- cularis; Rieder hält die Blutuntersuchung hinsichtlich der Differential- diagnose zwischen Diphtherie und gutartiger Pharyngitis für belanglos; Gabritschewsky hält eine progressive Leukocytose für ein prognostisch schlechtes Zeichen und glaubt, dass die Analyse des Blutes eine wert- volle Indikation hinsichtlich des Wertes der eingeschlagenen Behand- lung geben kann. Ewing selbst kam auf Grund von Untersuchungen von 53 Fällen zu folgenden Schlüssen: Die Diphtherie geht gewöhnlich mit einer deutlich ausgesprochenen Leukocytose einher. Dieselbe ist schon einige Stunden nach der Infektion zu beobachten, bei wenig empfänglichen Individuen wahrscheinlich früher, bei sehr empfänglichen und schwerer Infektion häufig sehr verspätet. In günstigen Fällen erreicht sie ihren Höhepunkt auf der Höhe der Erkrankung, um in der Rekonvaleszenz stetig abzunehmen. Bei Komplikationen kann eine prolongierte Hyper- leukocytose beobachtet werden. In ungünstigen Fällen dauert die Leuko- cytose bis zum Tode an oder es wird ein ununterbrochenes Sinken der Zahl beobachtet. Der Grad der Leukocytose steht oft in Beziehung zur Höhe des Fiebers, viel häufiger aber zur Ausdehnung der lokalen Läsion. Eine komplizierende Pneumonie bringt gewöhnlich eine beträchtliche Zunahme der Leukocyten. — Die Leukocytose ist ein Massstab für die Reaktion des Körpers gegenüber den im Blute kreisenden Toxinen. Hohe Leukocytenwerte deuten auf eine ernste Infektion, sind aber nicht stets von übler prognostischer Bedeutung; eine stetige Abnahme spricht, wenn auch nicht stets, für einen günstigen Verlauf; leichte Leukocytose weist gewöhnlich auf eine leichte Erkrankung hin, aber auch letale Fälle können mehrere Tage keine Vermehrung, ja sogar eine Abnahme der Leukocytenzahl zeigen. Von Bedeutung für die Prognose der Er- krankung ist der Affinitätsgrad der Leukocyten zum Gentianaviolett, in i) The leucocytosis of diphteria under the influenze of serum therapy. New York med. journ. 1895 August 10. und 17. Übersicht. 81 dem Sinne, dass mit der Schwere der Erkrankung die Zahl der schwach gefärbten Leukocyten zunimmt und diejenige der gut gefärbten Zellen sinkt. Die Injektion von Antitoxin ruft schon nach 30 Minuten als unliebsame Nebenerscheinung, die soweit wie möglich vermieden werden sollte, eine Hypoleukocytose hervor. Dieselbe betrifft speziell die uni- nukleären Leukocyten, während die multinukleären Zellen vermehrt sind und eine gesteigerte Affinität zum Gentianaviolett aufweisen. Das Fehlen der letzteren Erscheinung ist von ungünstiger Vorbedeutung. — In günstigen Fällen erreicht die Leukocytose nach Antitoxininjektion nicht mehr ihre ursprüngliche Höhe. In schweren Fällen folgt nach wenigen Stunden eine Hyperleukocytose und Fieber, in verzweifelten Fällen geht dem Tode eine rapide Hyperleukocytose oder eine extreme Hypoleuko- cytose voraus. — Die Änderung der Farbenreaktion der Leukocyten nach der Injektion des Heilserums beweist, dass die Kerne dieser Zellen eine für die „Phagocyten und Immunität" wichtige Substanz enthalten. A. File1) (Florenz) fand bald nach Beginn der Erkrankung bei der Diphtherie eine ausgesprochene Leukocytose, die im Verhältnis steht zur Schwere des Falles und stärker ist bei Beteiligung des Larynx; unbeeinflusst bleibt sie von dem Alter des Kindes, von dem Verhalten der Temperatur, von dem Vorhandensein pyogener Kokken, von renalen Komplikationen; nur beim Auftreten einer Pneumonie nimmt sie zu. In den günstig verlaufenden Fällen erreicht die Leukocytose ihren Höhe- punkt bei der Akme der Infektion, nimmt dann allmählich ab, um meist nach vorausgehender Vermehrung der mononukleären Formen vollkommen zu verschwinden; bei letalen Fällen nimmt die Leukocytose bis zum Tode zu und zwar tritt insbesondere eine Vermehrung der polynukleären Formen auf. Eosinophile Zellen fehlen fast vollständig. Injektionen von Antitoxin bedingen schon nach Väli eine Hypo- leukocytose, auf welche eine Hyperleukocytose folgt, die am stärksten 5—6 h nach der Injektion ist und dann — in günstigen Fällen — inner- halb 24h rasch abnimmt, so dass die Zahl der Leukocyten unter die- jenige vor der Injektion sinkt. In schweren Fällen zeigt sich eine Zu- nahme der Leukocyten mit grosser Inkonstanz ihrer Zahl, die durch weitere Injektionen nicht beeinflusst wird und bis zum Tode hochbleibt. Bei dem nicht diphtheritischen Croup fehlt nach Seruminjektionen die Hypoleukocytose; die Zunahme der Leukocyten ist zwar vorhanden, aber nicht bedeutend; bei den nicht diphtheritischen Anginen besteht meist von Anfang an eine Hypoleukocytose. Nach Präventivinjektionen bei gesunden Kindern tritt eine rasch vorübergehende leichte Vermeh- rung der Leukocyten auf. i) La leucocitosi nella infezione difterica con speciale riguardo alla sierotera- pia. Sperimentale 1896. Fase. IV. Zentralblatt f. innere Med. 1898, 13. Arneth, Blutkörperchen. 6 82 Diphtherie- Eine starke Leukocytose ist ein Beweis für die Reaktion des Or- ganismus gegen stark virulente Infektionskeime, ist aber prognostisch ohne Bedeutung. J. S. Billings1). Die Ergebnisse von Bi 11 ings Untersuchungen mit Bezug auf die Leukocyten sind: Gewöhnlich ist die Vermehrung der Leukocyten proportional dem Grade der Schwere des Falles. Die Zahl der Leukocyten bleibt häufig noch tagelang nach dem Schwinden der entzündlichen Erscheinungen gesteigert; die Leukocytose ist ähnlich wie bei Pneumonie und Scharlach. Die Leukocyten werden durch das Antitoxin scheinbar nicht beeinflusst. Auch bei Gesunden werden die Leukocyten durch Antitoxininjektion scheinbar nicht beeinflusst. Diphtheriefälle. 26. J., Alex, 31/» Jahre alt; Eintritt am 11. IL 03 um ll1/« h vor- mittags; Temperatur 40,0° p. an.; sofort Diphtherieheilserum Nr. III; um 12 h Tracheotomie notwendig. Leukocytenzählung lx/4 h: 14 000. Eintritt des Todes am Morgen des 12. II. 03. Path.-anat. Diagnose: Inflammatio diphtheritica laryngis et tracheae; Oedema glottidis; Hyperplasia tonsillarum; Cyanosis pulmonum; Emphysema mediastini; Hepatitis parenchymatosa; Myocarditis acuta; Haemorrhagiae pleurales; Erosiones haemorrhagicae ventriculi; Hyperplasia lymphatica lienis, glandularum mesenterialium et folliculorum intestini. Neutrophile Blutbildtabelle: l 2 Fall 26 M.W Tj 2K 2S 1K1S J. Alex. . . . — 5 60 3 12 13 4K4S 3K1S 3S 1K 2K 2S 5 u. m. — 3 Von den drei tödlich verlaufenden Fällen, die zur Beobachtung kamen, bezw. zur Zählung verwendet wurden, gleichen sich dieser und der nächste im Prinzip fast völlig; die Krankengeschichte des zweiten sei darum sogleich angefügt: 27. H., Karl, 1^2 Jahre alt, Eintritt am 1. XII. 02 um 10 h vor- mittags; sofort Injektion von Behrings Diphtherieheilserum Nr. II; um V2I h muss die Tracheotomie ausgeführt werden. V22 h erfolgt die Zählung der Leukocyten: 24900. In der Nacht Exitus letalis. Path.-anat. Diagnose: Pharyngitis, Laryngitis, Tracheitis diphtheritica; Bronchitis catarrhalis diffusa; Pneumonia lobi inferioris pulmonis sinistri; Emphysema subcutaneum regionis medianae et lateralis colli, regionis supra- claviculari9 lateris utriusque, mediastini anterioris; Status post tracheotomiam. 1) The blood corpuscles in diphtheria; with especial reference to the effect produced upon them by the antitoxin of diphtheria. Med. record 1896, Nr. 17. Fälle. 83 Neutrophile Blutbildtabelle: l M |w 1 T 2 2K 2S 1K IS 1 I 3 4 5 u. ru. Fall 27 3K 3S 2K IS 23 1K ' | . ! 4K 4S|3K1S:3S1K:2K2S H. Karl . . . 1 ' i "-------------------------------------- 1 10 54 2 13 12 ; ; si 1 1 — 2 2 3 1 1 1 In beiden Fällen handelt es sich um eine Leukocytose; in Fall 2 ist sie bedeutend höher, aber nicht direkt hochgradig. Im Falle 1 haben wir 5°/o W, im Falle 2 10°/o W und l°/o M: da, wie (am Anfange unserer Arbeit) ausgeführt ist, uns ganz leichte Einbuchtungen der runden Myelocytenkerne schon genügen, um die Zellen zu den W zu schreiben, so ist es im Vergleiche zu den Befunden anderer Autoren wohl erklärlich, dass wir nur 1 °/o reine Myelocyten und auch nur in dem einen Falle vorfanden. Mutatis mutandis gilt diese Bemerkung bezüglich der Zellen W und M überhaupt für unsere ganze Arbeit. Ganz abnorm hoch an Zahl sind entsprechend die Zahlen für T in beiden Fällen; wir haben bis jetzt noch in keinem Falle in dieser Beziehung eine so hochgradige Alteration des neutrophilen Blutlebens gefunden, wie in diesen beiden, ein handgreiflicher, sichtbarer Beweis für die ungeheure Schwere der Diphtherieinfektion. Wir verstehen jetzt auch, dass der Organismus mit einem solchen unfertigen Stab von Neutro- philen trotz ihrer relativen Vermehrung nicht mehr haushalten kann, sondern zu gründe geht. Noch besser ist dies der folgende Fall zu lehren im stände. 2.8. Z., Walpurga, l1/* Jahre alt; Eintritt am 17. III. 03 abends V26 h; sofortige Tracheotomie, darauf Diphtherieheilseruni Nr. III, 2 Stunden später Nr. IL Temperatur 39,5 ° p. a. 18. III. Trotz die ganze Nacht hindurch fortgesetzter kühler Ein- wickelungen Temperatur am Morgen 39,5° p.a.; jagende Atmung, schwerste Infektion. Leukocytenzählung mittags: 4900. Tod im Laufe des Nachmittags. Path.-anat. Diagnose: Inflammatio crouposa mucosae tracheae; Bronchitis fibrinosa; Myocarditis acuta; Hepatitis parenchymatosa acuta; Intumescentia et inflammatio glandularum mesenterialium. Enteritis follicularis in statu sanationis. Neutrophile Blutbildtabelle: !! 1 __2_ | _J__ 4 5 u. m. m| w t 2K 2S 1K IS 3K' 3S 2K IS 23 1K | : 1 l| 1 1 ! 4K 43.3K1S 3S1K 2K2S 1 9 39 .7 15 27 1 - 1 — 1! - — " 6* m Gelenkrheumatismus. Der Fall zeichnete sich durch eine ungemein schwere Infektion aus, und der chirurgische Herr Kollege erklärte, dass seiner Ansicht nach wohl mehr eine septische Form der Diphtherie vorliegen dürfte, wenn auch die Erscheinungen im Rachen etc. nicht ausgesprochen seien. In der Tat sprach dafür später der Sektionsbefund insoferne, als eigent- liche richtige Diphtheriehäute weniger, dagegen um so mehr eine aller- stärkste infektiöse Schwellung aller Organe vorlag. — Die Leukocytengesamtmenge ist auf 4900 reduziert; nur 2 °/o aller Neutrophilen finden sich in Klasse 3 und 4. Die Zellen W sind wieder sehr stark vermehrt, auch reine Myelocyten finden sich zu l°/o. Somit treffen in diesem Falle die denkbar schlimmsten Möglich- keiten zusammen: Verringerung der Gesamtmenge und schwerste Schä- digung des Mischungsverhältnisses. Über den Ausgang und die Schwere des Verlaufes braucht man sich da auch nicht zu wundern. In den drei Fällen war vor der Zählung bereits Diphtherieheil- serum injiziert worden; in den ersten beiden Fällen wenige Stunden, in dem letzten über V2 Tag früher; inwieweit dieses Mittel etwa auf das Blut eingewirkt hat, welche Wirkung bei der Beurteilung der Blut- befunde Berücksichtigung verdiente, kann nicht gesagt werden. Jeden- falls wäre es zur Erklärung ähnlicher Fälle sehr wichtig, die Wirkung dieses Mittels isoliert nach unserer Methode zu prüfen; es ist ja nicht ausgeschlossen, dass dessen vielbestrittene günstige Wirkung auf diese Weise in definitiv sichtbarer und handgreiflicher Weise erkennbar wird; möglicherweise ist aber auch ein gegenteiliger Schluss zu ziehen. Ahnliche Postulate sind auch aufzustellen bezüglich aller anderen Serum- und sonstigen Präparate. V. Gelenkrheumatismus. Übersicht. Bei Grawitz finden wir den Gelenkrheumatismus überhaupt nicht besprochen; um so ausführlicher sind die Untersuchungen von Türk, die Pribram1) akzeptiert. Nach seinen Zusammenstellungen gewinnen wir folgendes Bild über das Verhalten der Leukocyten beim Gelenk- rheumatismus (Literaturbesprechung siehe bei Türk). Die Autoren fanden meist nur eine geringgradige bis massige Leukocytose; selbst bei grosser Intensität der Krankheit und Schwellung der Gelenke zählte man fast nur ausnahmsweise 10—15000—21000 Leukocyten; bei Komplikationen (Pleuritis, Perikarditis, Pneumonie) stellten sich bis 20000 ein, die aber mit dem Rückgange derselben ebenfalls wieder zurückgingen. 1) Pribram, der akute Gelenkrheumatismus, 1899; Alfred Holder, Wien; N othn agel sches Sammelwerk. - Übersicht. 8.1 Der relativ niedrige Stand der Leukocyten gilt daher als ein konstantes Symptom bei unkompliziertem Gelenkrheumatismus, das man im Notfalle differentialdiagnostisch verwerten kann, weil eiterige Gelenk- ergüsse in der Regel von höherer Leukocytose begleitet sind; ob die zerebralen Formen des Rheumatismus ein gleiches Verhalten zeigen, ist nicht bekannt. Mit dem Weichen des Fiebers schwindet auch die Leuko- cytose und anfangs hochnormale, dann normale Werte greifen Platz, auch wenn die Schmerzen nachlassen oder exarcerbieren; geringgradige Rezidive oder Temperatursteigerungen haben keine wesentlichen Leuko- cytenvermehrungen mehr zur Folge. Besondere prognostische Schlüsse lassen sich aus den Zahlen nicht ableiten. Bezüglich des prozentualen Verhaltens der einzelnen Formen fand sich, dass, solange irgend höhere Leukocytose besteht, der Prozentsatz der polynukleären, neutrophilen Zellen sichtlich erhöht ist und etwa zwischen 72—92°/o schwankt. Wenn jedoch die Leukocytenzahl sich um 10000 bewegt, fehlt diese relative Vermehrung oftmals; eine pro- zentuale Verminderung ist nicht zu beachten gewesen. — Die Zahl der Lymphocyten ist während des Bestehens einer stärkeren Leukocytose immer percentisch und zumeist auch absolut vermindert; beim Schwinden des Fiebers hebt sich der Perzentsatz dann allmählich bis zur normalen Höhe und übersteigt diese bisweilen in massigerem Grade. — Die mono- nukleären grossen Zellen und Übergangsformen bewegen sich immer innerhalb normaler Grenzen, nur in einem frischen Fall zeigten sie anfangs eine relative und absolute Vermehrung, ebenso einmal zu Beginn und gegen Ende der Beobachtung. — Die eosinophilen Zellen fehlen, ähnlich wie bei Pneumonie und Typhus, nur in ganz frischen Fällen, ehe noch irgend ein Nachlass der ersten Erscheinungen statthat. Nach einigen Tagen aber und im Falle des Rückganges der Erscheinungen finden sich die eosinophilen Elemente trotz Fieber und Gelenkschwellung immer vor, wenn auch in komplizierten Fällen äusserst spärlich. Nach der Entfieberung zeigen sie in den meisten Fällen eine ausgesprochene Neigung zur Vermehrung, mehrmals die obere Grenze der Norm um ein Beträchtliches überschreitend. Fast alle diese Zellen dokumentieren sich durch ihren nur leicht eingekerbten oder einfach zerteilten Kern und ihre zahlreichen, aber zarten und relativ kleinen Granulationen als neu- gebildete Formen. Die hochgradige Vermehrung der Eosinophilen gilt als ein sehr günstiges Symptom, das eine spontane Heilung der Krank- heit anzeigt; die Eosinophilen steigen in einem Falle mit der Abheilung bis auf 13,83% an, allerdings unter gleichzeitigem Abfall der Leuko- cytose. Doch mag man sich hüten, aus dem Vorhandensein eosinophiler Zellen im Blute eine relativ günstige Prognose in bezug auf die Krank- heitsdauer zu stellen, da man sich sonst den grössten Täuschungen preisgeben könnte. 8fi Gelenkrheumatismus,- Fälle: 29. L., Martin, 26 Jahre, Kutscher; 21. IL 03 bis 18. V. 03. Patient, angeblich immer gesund, aus gesunder Familie stammend, er- krankt am 19. abends mit Schmerzen im rechten Kniegelenk; am 20. früh ist das Gehen noch ohne besonders heftige Schmerzen möglich, abends über- haupt nicht mehr; dazu Schweiss- und Frostausbrüche. Am 21. IL auch linkes Kniegelenk befallen. Typischer Befund einer akuten entzündlichen Schwellung der beiden Kniegelenke, leiseste Berührung ist schmerzhaft; die anderen Gelenke sind frei. Am Herzen eine frische Endokarditis. Am 21. und 22. besteht Fieber über 38,4°, am 23. Abfall; am 24., 25. und 26. Abendtemperaturen zwischen 37,2° und 37,4°, dann mit 2. III. fieberfrei. Am 25. IL ist an den Kniegelenken keine Veränderung mehr zu konstatieren (auf Salicylbehandlung). Am 3. III. setzt ein Rezidiv ein mit Fieber und Lokalisation des Rheumatismus besonders in den Wirbelgelenken der mittleren und unteren Brustwirbelsäule, auch alle anderen Körpergelenke sollen weh tun; das Fieber hält diesmal vom 3. mit 14. an, einige Male abends 38,9° erreichend; nun folgt eine fieberfreie Periode vom 15. mit 24. III., wo ein zweites Rezidiv anhebt: nacheinander werden die verschiedensten Gelenke be- fallen, an den Händen mit besonders starker Anschwellung und fleckenhafter Rötung der Haut. Alle Medikamente versagen, das Fieber dauert vom 24. mit ganz unbedeutender Remission (29. III. bis 2. IV.) bis zum 13. IV.; vom 13. bis 18. Temperaturen an der oberen Grenze des Normalen und von da ab das dritte Rezidiv, das wieder mit Fieber (am 22. IV. bis 38,8° abends) einhergeht und bis zum 28. IV. andauert; von da ab fieberfrei; am 18. V. Entlassung mit einem Vitium cordis. Leukocytenzählungen: 1. 21. IL 03, nachmittags S1'i2 h, nachdem mittags so gut wie nichts gegessen wurde: 15 600. 2. 23. IL 03, 12 h mittags: 9 300. 3. 25. IL 03, 12 h „ 6 600. 4. 4. III. 03, 12 h „ 8100. 5. 5. IV. 03, 12V2 h „ 5 900. 6. 21. IV. 03, 12 h „ 8100. Neutrophile Blutbildtabellen: l 2 2K 23 1K1S i 3 4 5 und mehr Fall 29 M;W T 3K 33 2K1S 2S1K 4K|4S 3K IS 3S1K 2K2S 5K 4K1S 4K2S 3K23 3K3S L. Martin ' j 21. II. 03 . - - 8 — W 22 _ 7 12 11 1 1 4 2 3 1 — — : — — 23. IL 03 . _ — 3 1 '32 23 3 5 15 11 2- 2 — 3 — — — — 25. IL 03 . 1 — 4 - il 17 3 3 11 25 4 - 3 — 2 I- _ i _ — 4. III. 03 . _J_ 9 — '25' 15 i— 6 12 20 4 — 4 4 7 — 1 1 — 5. IV. 03 . 1 -U i I — !27; 6 1 14 8 24 H2 3 2 7 — 1 _ — — 21. IV. 03 . 2 —|lö! 5 i 10 13 19 1 - 10 6 12 1 1 l 8 1 Fälle. 87 Die sechs Zählungen, die-in diesem Falle ausgeführt wurden, stimmen mit den vorstehenden Ausführungen überein; wir müssen nur betonen, dass wir Steigerungen bei Rezidiven, wenn auch nicht hochgradig im absoluten Sinne, so doch nicht unbedeutend im Vergleich mit der jeweils vorher (25. IL und 5. IV.) gefundenen Leukocytenzahl angetroffen haben. Die in den rezidivfreien Zeiten gefundenen Werte decken sich aber nach unseren des Eingangs entwickelten diesbezüglichen Ansichten mit den normalen Werten überhaupt. Welcher Befund ist nun im speziellen aus dem Blutbild der Neutrophilen zu erheben? Auch hier sind wir überrascht; denn es liegen wiederum besondere Verhältnisse vor. Die Tabelle 21. IL zeigt uns ein Blutbild bei einer Leukocytose von 15600, das nicht viel verändert ist und nur unbedeutend z. B. von einem an und für sich etwas hochgestellten normalen Blutbilde abweicht; stärker fällt uns schon ein Unterschied auf, wenn wir die Endtabelle 21. IV. desselben Falles betrachten. Die zwischen diesen beiden Tabellen am Anfange und Ende gelegenen Blutuntersuchungen bedeuten in Wirklichkeit weiter nichts, als dass sie den sukzessiven Übergang von der Anfangs- in die End- tabelle in fliessender Weise vermitteln, unbekümmert um die inter- kurrenten Rezidive. Wir müssen somit die erste Tabelle doch als pathologisch auffassen und sind erstaunt, dass der akute Gelenkrheu- matismus, der doch eine schwere Infektionskrankheit darstellt, mit so augenscheinlich leichten Veränderungen der Neutrophilen einhergeht. Es scheint seine Ausheilung mit der Sanation des Blutbefundes Hand in Hand zu gehen, beziehungsweise mit seiner Sanation das Blutbild besonders weit nach rechts zu rücken. 30. M., Adolf, 18 Jahre, Bauer; 12. I. 03 bis 16. III. 03. Von öfterer Halsentzündung als Knabe abgesehen, immer gesund. Am 7. Januar, nach starker Erkältung am 6., verspürt er Schmerzen im linken Hüftgelenk, dann auch im linken Kniegelenk, seit gestern auch im rechten Kniegelenk, die ihm das Gehen unmöglich machen. Die beiden Kniegelenke sind stark geschwollen, besonders das linke; alle Rezessus sind stark entfaltet; dementsprechend Druck und Bewegung sehr schmerzhaft. Gleichzeitig be- steht eine Angina follicularis und eine Endokarditis; im Urin wenig Eiweiss. __ 38 40 Achsel-Temperaturen: 12. I. 39 00 13. 3g'no> vom 14. ab fieberfrei. Auf Salicylmedikation rasch Rückgang der Erscheinungen. Leukocytenzahl am 13., 12 h mittags: 15200. 15. I. 03, 12^2 h mittags: 10500. Am 19. sind alle Veränderungen an den Gelenken verschwunden. 22. L, 121/« h mittags, Leukocytenzahl 10900. Am 24. I. treten Sehmerzen und Schwellung am linken Fussgelenk und linken Ellbogengelenk auf, am 29. I. sind diese letzteren Erscheinungen schon wieder gebessert, aber dafür bestehen heute neue Schmerzen im rechten Ellbogengelenk bei Bewegungen. 88 Gelenkrheumatismus. Zählung der Leukocyten um I2V2 h: 13800. Auch im weiteren Verlaufe traten noch öfters kleine Rezidive auf, eine weitere Blutuntersuchung wurde nicht ausgeführt. Die Temperaturen bewegten sich meist direkt an der oberen Grenze des Normalen, ohne sie jedoch selbst bei den Nachschüben zu überschreiten. Neutrophile Blutbildtabellen: - 1 2 3 4 1 5 u. m. Fall 30 M W Ti2K!2-> IKlSjW 33 2K1S 2S1K 4kUsJ3K1S 3S 1K 2K23 5K4K23 M. Adolf ! !j 1 1 13. I. 03 . — — 7 1 24 16 7 4 16 7 5 — 9 — 2 2 — 15. I. 03 . - 8 -28 17 — 4 18 15 1 - 4 — 3 1 1 22. I. 03 . — — 3 -33 .5 1. 8 10 14 4 — 8 1 2 1 — 29. I. 03 . ~ 7 — 33 12 3 10 15 15 2 — 2 1 — — — Fast genau dasselbe Verhalten wie im vorigen Falle zeigt sich hier. Am Anfange findet sich ebenfalls eine massige Leukocytose mit einem kaum etwas höher gestellten neutrophilen Blutbild; der Abfall ist aber nachher nicht ein so kompletter zur Norm wie im ersten Fall. Bei dem ersten Rezidiv sehen wir auch hier ein relatives Wiederansteigen der Gesamtleukocytenzahl. Später tritt dann gleichfalls eine grössere Reihe von Rezidiven auf; aber es wird der Fall nur bis in das erste Rezidiv hinein häma- tologisch verfolgt. Aus den bis dahin angelegten vier Tabellen ist genau so wie im obigen Falle ersichtlich, dass das Blutbild im Verlaufe nur ganz schwache Verschiebungen nach beiden Seiten aufweist, und dass am ehesten noch bei Rezidiven (29. I. 03) ein etwas stärkerer Ruck nach links zu ver- zeichnen ist. Ob rasch ablaufende Fälle von akutem Gelenkrheumatismus (ohne Rezidive) eine schnellere Rückkehr des Blutbefundes zur Norm aufweisen, müssen weitere Untersuchungen feststellen. Wir kommen also merkwürdigerweise zu dem Schlüsse, den Gelenk- rheumatismus in bezug auf die Einwirkung seines Giftes auf die Neu- trophilen mit zu den leichtesten aller uns bis jetzt begegneten und, wir können es vorausnehmen, aller uns noch in dieser Arbeit be^e«1"- nenden Infektionskrankheiten rechnen zu müssen; dabei allerdings haben wir nur Fälle ohne besondere Komplikationen und mit verschiedenen kleine- ren Rezidiven im Auge (entsprechend unseren beiden Fällen). Skorbut. R9 VI. Skorbut. Übersicht. Befunde bei Skorbut fehlen fast ganz in der Literatur. Litten1) erwähnt kurz, dass man bei Skorbut im Blute nichts Charakteristisches gefunden habe. Nach einem französischen Autor (Labullene) sei die Zahl der weissen Blutkörperchen vermehrt, er selbst könne dies jedoch nach eigenen Beobachtungen nicht bestätigen. 31. W., Karl, 30 Jahre alt, Hausdiener, will seit Fastnachtsonntag (22. IL 03) an unstillbaren Blutungen aus Mund und Nase leiden. Patient ist im höchsten Grade anämisch und zeigt Blutungen im Zahnfleisch und am Gaumen; die Uvula ist blutig infiltriert, sehr stark angeschwollen und in gangränösem Zerfalle begriffen; Blutung aus den Nasenhöhlen; ferner finden sich Petechien der äusseren Haut. Leukocytenzählung am 19. III. 03 um 12^4 h mittags: 1200. Im Verlaufe muss die kolossal geschwollene, hämorrhagisch infiltrierte Uvula abgetragen werden. Es gelingt weiterhin nicht, die Blutungen völlig zu sistieren. Zungen-, Konjunktivalblutungen, Gangrän der linken Tonsille kommen vielmehr noch hinzu. Leukocytenzählung am 5. IV. 03 um IIV2 h mittags: 1100. Der Tod erfolgt am 13. IV. im Zustande der höchsten Anämie. Aus dem Sektionsprotokoll ist zu erwähnen, dass sich auch an den inneren Organen Blutungen fanden, so in der Pleura, dem Peri- und Endokard, der Schleimhaut des Ösophagus und des Magens; die Milz war klein, die Kapsel etwas runzlich, die Nierenzeicbnung verwaschen, das Herzfleisch ge- tigert, die Mitralklappe Sitz einer leichten chronischen Endokarditis; die linke Lungenspitze wies eine alte Narbe auf. Neu trophile Bl utbi ldta bell en: 1 2,3 4 5 u. m. Fall 31 M w T 2KJ2S 1K1S l3K 3S 1 1 1 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S W. Karl 19. III. 03 . 5. IV. 03 . — 18 17: 8 3 32 40 31 28 2 4 1 6 8 6 1 — — - — — Das ungeheuer wässerige und äusserst hämoglobinarme Blut ent- hielt, wie aus den beiden Zählresultaten hervorgeht, beide Male nur etwas über 1000 Leukocyten im cmm; es ist dies die niedrigste Zahl, die uns bis auf den heutigen Tag überhaupt bei unseren Zählungen vorgekommen ist. Die Blutbilder bei den Neutrophilen anlangend kon- statieren wir, dass die Veränderungen in beiden Tabellen fast identisch sind; es finden sich wieder die meisten Zellen in Klasse 1 und 2 zu- sammengedrängt, auffallenderweise jedoch keine W und M, im ganzen 1) Litten, die Krankheiten der Milz und die hämorrhagischen Diathesen 18ü8. Wien, Holder, Nothnagels Sammelwerk. 90 "Varizellen. also schwere, aber nicht so schwere Veränderungen, als man von vorne- herein angesichts der speziellen Erkrankung des Blutes zu erwarten berech- tigt gewesen wäre. Es scheint danach, dass vielleicht das Hauptgewicht der Erkrankung mehr auf der Seite der roten Blutkörperchen gelegen ist. VII. Varizellen. Blutuntersuchungen bei dieser Erkrankung sind, wie es scheint, überhaupt noch nicht viele ausgeführt worden; wenigstens ist nirgends hierüber eine ausführlichere Angabe zu finden gewesen, selbst in der monographischen Darstellung von Jürgensen nicht; nur bei Türk ist gelegentlich erwähnt, dass Sobotka1) die Beobachtung machte, dass im Inkubations- und Prodromalstadium eine Leukocytose bestehe, die jedoch ziemlich konstant vor dem Eintreten des Fiebers bis oder selbst unter die Norm herabsinke. Wahrscheinlich rührt dies daher, weil bei den Varizellen wegen ihres raschen Verlaufes und ihres alleinigen Auftretens bei Kindern für die Untersuchung sich meist nicht günstige Umstände ergeben. Ge- legentlich einer kleinen Varizellenendemie im Juliusspitale konnte ich einige Fälle bequem der Untersuchung unterwerfen. 32. L., Martin, 1 Jahr, gut genährt, nur ein wenig blass, wegen Klumpfüssen ins Spital gebracht, die unblutig bis jetzt behandelt wurden. Er wird noch fast ausschliesslich mit Milch ernährt. Am 8. III. 03 früh morgens beim Baden wird der Ausschlag erstmals bemerkt; nachmittags 2 h (eine Portion Milch um 12 h genommen) Leuko- cytenzählung: 7200. Die zweite Zählung am 12. III. 03, mittags 12*/2 h (x/2 h vorher Milchzufuhr) ergibt 9600 Leukocyten, die dritte am 21. III. 03: 11500. KU * o TTr no frÜh 37>5° n 37>°° ^ 36,9° Analtemperaturen: 8. III. 03 abends 37>9o 9. 37>l0 10. 37jg0 .. 36,5° 36,6° L1' 36,8° ld' — 33. M., Friedrich, 1 Jahr alt, ebenfalls wegen Klumpfüssen ins Spital gebracht, die gleichfalls unblutig behandelt wurden; dies Kind ist etwas schlechter genährt, mehr anämisch und hatte schon öfters mit Verdauungs- störungen zu kämpfen. Gleichzeitig wie im vorigen Falle, also am 8. III. morgens, wurde der Ausschlag bemerkt; nachmittags 2*/* h Leukocytenzählung: 9200. Zählung am 12. III. 03: 12800 (11 h vormittags). „ 21. III. 03: 11300. Analtemperaturen: 8. III. f^l 9. jjjj^ 10. Hf0 11. j}*'j}Ü 12 37'9° 13 37'8° 14 37'7'° i* 37'1'° i« 37>°°' 17 36>2°' 1Z. 39>1o lö. 38)4o 14. 380o 15. 37j3o 16. 3?j0o 17. _ Weiterhin normal. Die höheren Temperaturen, die sich hier vorfinden, sind auf eine gleich- zeitig einsetzende katarrhalische Pneumonie zurückzuführen. i) „Zur Kenntnis des Vaccineprozesses", Prager Zeitschr. f. Heilkunde XIV, 1893. Fälle. 91 34. B., Gustav, 3 Jahre, befindet sich wegen rechtsseitiger Knöchel- tuberkulose, die vor längerer Zeit operiert wurde, im Spital; es besteht zur Zeit dort eine gut granulierende, fast nicht eiternde Wunde. Der Ernährungs- zustand ist auffallenderweise ein sehr guter. Das Exanthem wurde am 7. III. nachmittags bemerkt; am 8. III. 23/4 h Leukocytenzählung: 16200. 12. III. Il3/* h vormittags: 16100 Leukocyten. Temperaturen, im After gemessen: 38,0° 37,6° 37,7« 37,2° 36)8o ». 111. 374o y- 379o 10. 37j5o 11. 37j3o 12. _ Die zu den drei Fällen gehörigen Tabellen lauten: 1 2 ~ 3 4 5u. m. Fall 32—34 MW|T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 1 3K1S 3S1K 2K2S 5K L. Martin 8. III. 03 . — — 34 — 28 28 1 2 4 2 - - 1 — — — 12. III. 03 . - — 16 1 33 19 2 3 8 13 2 - 1 — 2 — 21. III. 03 . - — 11 1 28 15 2 5 14 12 4 - 6 — 1 1 M. Friedrich ! 8. III. 03 . — _ 22 1 40 24 — 1 7 2 1 — 1 — 1 - 12. III. 03 . — — 21 - 41 15 — 3 6 9 2 - 1 1 1 — 21. III. 03 . - - 14 — 30 27 1 1 12 9 1 — 3 — 1 1 B. Gustav 8. III. 03 . — - 16 — 29 24 2 5 13 11 l_ — - - — — 12. III. 03 . — — 15 1 43 19 2 4 7 5 1 — 2 — 1 — Die beiden ersten Fälle sind Parallelfälle. Der Verlauf des zweiten ist durch eine hinzukommende Pneumonie etwas erschwert und in die Länge gezogen. Auch im Blutbilde sind beide Fälle im Wesen völlig identisch. Die Krankheit beginnt im ersten Falle mit einer relativen Ver- minderung der Gesamtleukocyten, auch der zweite weist bei der ersten Zählung den niedrigsten Wert auf. Dabei ist vorausgesetzt, dass wir mit den Autoren die Zahl der Leukocyten im ersten Lebensjahr etwas höher annehmen; wir haben diesbezüglich keine anderen Erfahrungen als eben die an. diesen beiden Kindern gewonnen; wir sehen aber in beiden Fällen am 21. IH., wo Untersuchungen nach völliger Heilung der Varizellen ausgeführt wurden (13 Tage nach Ausbruch), Zahlen von 11500 und 11300, also gut mit der allgemeinen Annahme überein- stimmende Resultate. 92 Varizellen. So scheinbar unbedeutend und gefahrlos die Varizellen ganz ge- wöhnlich für die Kinder zu sein pflegen, ebenso sehr überraschend wirkt im Gegensatz dazu die doch bedeutende Veränderung des neutrophilen Blutbildes. Wir haben im ersten Falle nur mehr 10°/o aller Neutro- philen in Klasse 3, 4 und 5, im zweiten 13°/o. Was den ersten Fall anlangt, so dürfen wir bezüglich der Gesamtzahlen eine langsame Rück- kehr zur Norm annehmen, genau so verhält es sich auch mit dem neutrophilen Blutbild; es liegt also hier ein Parallelgehen in der Besserung beider Erscheinungen vor. Am 21. III. 03. weicht das Blut- bild nur mehr in Klasse 1 um einige Prozente von dem normalen Blut- bilde beim Erwachsenen ab. Im zweiten Falle liegen die Verhältnisse wegen der interkurrenten katarrhalischen Pneumonie etwas komplizierter. Die anfängliche Ge- samtleukocytenverringerung ist zwar auch ausgesprochen (9200), nur nicht so auffallend, vielleicht wegen der gleichzeitigen, Leukocytose bedingenden Pneumonie; jedoch haben wir auch hier nur mehr 13 °/o aller Neutrophilen in Klasse 3, 4 und 5 und eigentlich unbekümmert um die Pneumonie geht das neutrophile Blutbild langsam wie oben seiner Besserung ent- gegen (12. III. und noch mehr am 21. III., wo fast normal). Ein Ein- fluss der Pneumonie und des schwächlichen Organismus ist vielleicht nur daran zu erkennen, dass diese Sanierung des Blutbildes ein lang- sameres Tempo im Vergleich zum ersten unkomplizierten Falle einhält, wie sehr gut aus den untereinanderstehenden Tabellen hervorgeht. Den dritten Fall können wir nicht gut verwenden, da offenbar aus dem bei dem Jungen bestehenden Knochenleiden andere Motive für die Zahl und Mischung der Leukocyten bestehen, die einen massgebenderen Einfluss auf die weissen Blutkörperchen ausüben, als es das Varizellen- gift vermag. Doch können wir eben daraus wenigstens das Eine er- sehen, wie nämlich durch Interferenz verschiedener Krankheiten kom- plizierte, kaum unter ein Schema zu bringende Untersuchungsresultate resultieren können. Hierein Ordnung zu bringen, wird sich voraussicht- lich viel schwieriger gestalten; einstweilen müssen wir uns jedenfalls ausschliesslich mit der Erschliessung der Verhältnisse bei Krankheits- typen begnügen. Sind diese definitiv festgestellt, wird es ungleich leichter sein, Kombinationen in Erwägung zu ziehen. VIII. Masern. Übersicht. Hierfür können wir fast nur allein die ausführlichen Angaben Türks benützen. Unkomplizierte Masern geben beim Erwachsenen niemals zu einer Leukocytose Anlass, gehen vielmehr gewöhnlich mit einer ausgesprochenen Masern. 93 Leukopenie einher, die während der Eruption und der Blüte des Exan- thems am deutlichsten hervortritt. Gleichzeitig besteht anfangs keine Verminderung des Prozentsatzes der polynukleären neutrophilen Zellen; die Lymphocyten sind dagegen vermindert und ebenso zumeist die eosinophilen Zellen, die höchstens normale Werte aufweisen. Grosse mononukleäre Leukocyten und Übergangsformen zeigen zumeist schon jetzt eine Tendenz zu auffällig hohen Werten. — Mit der Abblassung des Exanthems und der Schuppung nimmt auch die Leukocytenzahl bald früher, bald später wieder zu und erreicht rasch die Norm. Die prozentischen Werte der polynukleären neutrophilen Elemente sinken manchmal etwas unter die Norm, die Lymphocyten nehmen zu und können mitunter ihre Mittelwerte überschreiten, namentlich aber finden wir konstant und dauernd hochnormale oder gesteigerte Prozentzahlen für die grossen mononukleären Leukocyten und die Übergangsform. — Gleichzeitig hat auch der Prozentsatz der eosinophilen Zellen zuge- nommen und erreicht hochnormale oder leicht gesteigerte Werte, die nach kurzer Dauer aber wieder zur Norm absinken. —Nach Sobotka soll auch bei den Masern im Inkubations- und Prodromalstadium eine jedenfalls durch das Eindringen der Infektionserreger verursachte Leuko- cytose zu konstatieren sein, die jedoch ziemlich konstant vor dem Ein- treten des Fiebers bis oder selbst unter die Norm herabsinke. — K. Franz1) fand die Gesamtmenge der Leukocyten (100 Masern- kranke) annähernd normal. Am meisten charakteristisch war die fast konstant auf der Höhe und während der Rückbildung des Krankheits- prozesses auftretende, gewöhnlich auch länger in der Rekonvaleszenz andauernde prozentuale und absolute Vermehrung der mononukleären grossen Leukocyten und der Übergangsformen; in dieser Periode traten zum Teil die polynukleären Neutrophilen, zum Teil die Lymphocyten in ihrer Zahl zurück. Fälle: 35. K., Georg, 18 Jahre, Schneider; 17. IL 03 bis 27. II. 03. Der früher immer gesunde Patient fühlt sich seit 14. nicht wohl, hatte über Müdigkeit, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit zu klagen, arbeitete jedoch weiter. Am 16. verschlimmerte sich sein Zustand plötzlich unter Auf- treten eines Schüttelfrostes, zu gleicher Zeit bemerkte er das Auftreten eines Ausschlages am ganzen Körper. Er will nicht mit Masernkranken zu- sammengekommen sein. Seit heute Diarrhöen, Kopfschmerz, Schwindel, massiger Husten. Vollentwickeltes Masernexanthem in Blüte, auch die Mund- und Rachenschleimhaut gerötet, K o p 1 i k sehe Flecken. 18.11. starke Heiser- keit; Injektion der Kehlkopf Schleimhaut. Exanthem besteht noch, aber nicht mehr in vollster Blüte. Gestern abends noch 40,0° i. a., heute früh 37,8°, abends nochmals 3b,6°; vom 20. ab Temperaturen unter 37°. i) Klinische Beobachtungen während einer Masernepidemie unter den Soldaten der Wiener Garnison, mit besonderer Berücksichtigung der Diazoreaktiou im Harn und des Blutbefundes. Wien. med. Wochenschr. 1899. Zentralbl. f. i. M. 1900, Nr. 39. 94 Masern- Ab 20. Beginn der Schuppung. 1. Leukocytenzählung am 18. IL I2V2 h mittags: 7700, 2. am 19. IL 12 h: 3000. 3. am 20. IL 12 h: 5900. 4. am 22. IL 12 h: 6400. 5. am 26. IL 121/« h: 7600. Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 1 _J_ 4 5 u. m. Fall 35 M W T 2K 2S 1K1S 3K SS 2K IS 23 1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S K. Georg 18. IL 03 . — — 33 6 22 35 1 - 2 1 - — — — — 19. IL 03 . - — 21 3 27 40 5 3 1 — — — — — — 20. II. 03 . — 2 33 6 16 32 6 - 5 — _ — — - — 22. IL 03 . — - 13 3 26 28 8 1 11 8 — — 2 — — 26. IL 03 . - - 14 - 27 19 4 6 15 10 2 - — — 3 1 Wiederum stossen wir im Blutbilde der Neutrophilen auf voll- kommen neue, bis jetzt der Beobachtung entgangene Verhältnisse. Wenn irgendwo, so ist gerade hier bei den Masern wieder der schlagende Beweis geliefert, wie wenig mit den einfachen Zählungen bezüglich des Verhaltens der Neutrophilen anzufangen ist. Allein ausschlaggebend ist und völlig emanzipiert von den Zäh- lungsresultaten bewährt sich auch hier nur allein das Blutbild der Neutrophilen, das, wie wir wieder sehen werden, für alle Fälle unver- gleichlich mehr gemeinsame Gesichtspunkte und Übereinstimmung bie- tet, für das richtige Verständnis aber vollends unerlässlich erscheinen dürfte. Die erste Zählung mit der normalen Zahl von 7700 liefert uns die allerschwersten Veränderungen des neutrophilen Mischungsverhält- nisses; nur mehr 4°/o finden sich in den Klassen 3, 4 und 5; beim Unterleibstyphus haben wir seinerzeit keine schwereren Veränderungen antreffen können. Dabei haben wir aber in unserem Falle den Höhe- punkt der Erkrankung schon überschritten. Langsam nehmen weiterhin die Prozentzahlen zunächst in Klasse 3 zu (am 19. IL == 9°/o, am 20. IL = ll°/o); in den Klassen 1 und 2 bestehen trotzdem an diesen beiden Tagen noch lebhafte Schwankungen in dem Sinne, dass die Veränderungen am 20., dem ersten fieberfreien Tage, die schwereren sind. Nur am 19. IL hatten wir die für Masern als charakteristisch angegebene Leukopenie, an allen anderen Tagen sehen wir normale, gegen den 26. IL zu langsam ansteigende Werte. Fälle. 95 Entsprechend diesem langsamen Ansteigen der Gesamtzahl und damit wahrscheinlich vielleicht auch der Teilzahl der Neutrophilen, fällt die Schwere des Blutbildes wieder ab, jedoch erreicht dasselbe nicht so rasch die Norm wie etwa die Gesamt- oder Teilzahl; noch am 26. IL ist es nicht völlig normal. Wir sehen somit, dass die Rückkehr des neutrophilen Blutbildes zur Norm selbst nach sechs fieberfreien Tagen noch nicht definitiv er- folgt ist. Zur Erklärung müssen wir hinzufügen, dass es sich hier um einen mittelschweren Fall von Masern handelte; wir werden aus den folgenden Fällen ersehen, was des Zusammenhanges wegen an dieser Stelle so- gleich erledigt werden soll, dass die Dauer des Reparationsvorganges der Neutrophilen genau proportional der Schwere des Verlaufes zu sein scheint. 36. B., Kaspar, 32 Jahre, Maschinistengehilfe, 4. III. 03 bis 26. III. 03. Der äusserst kräftige, bis jetzt immer gesunde Mann erkrankte am 2. III. mit Kopfschmerz, starkem Husten, Schnupfen, Frost, Appetitlosigkeit; in der Nacht vom 3. zum 4. III. (ab 11 h nachts angeblich) kam dazu ein Ausschlag am ganzen Körper. Patient besinnt sich nicht, mit Masernkranken in Berührung gekommen zu sein. Es findet sich das ausgesprochenste Masernexanthem am ganzen Körper, besonders im Gesichte; sehr starke Con- junctivitis, Rhinitis, Tracheitis. Schön entwickelte Kopliksche Flecken; Fauces, Gaumen stark gerötet. Die Milz ist gut fühlbar; kein Eiweiss, deut- liche Diazoreaktion. 5. III. Exanthem noch in voller Blüte; Leukocytenzahl (12 h mittags): 2400. 7. III. Heute Morgen normale Temperatur; Kopliksche Flecken ver- schwunden; Rachen, Gaumen immer noch stark gerötet; die Haut an der Brust schon ganz weiss, am Gesicht ist das Exanthem noch vorhanden, aber abgeblasst; Diarrhöen sind nicht aufgetreten; kein Eiweiss, starke Diazo- reaktion. Milz sehr deutlich palpabel. Leukocytenzahl: 4300 (12x/2 h mittags). 9. III. Schuppung beginnt im Gesicht; Leukocytenzahl: 4200 (12x/2 h mittags). 12. III. Bis heute Diazoreaktion nachweisbar, allerdings nur schwach. Milz noch sehr deutlich zu fühlen. Leukocytenzahl: 4100 (121/2 h mittags). 16. III. Patient klagt über Ohrensausen, Schwerhörigkeit; Leukocytenzahl: 4400 (1 h mittags). 20. III. Die Ohrenbeschwerden sind wieder verschwunden. Leukocytenzahl: 6000 (12x/2 h mittags). 26. III. Leukocytenzahl: 4500 (12^2 h mittags). Gesund entlassen; vor 4 Tagen war der Milztumor noch deutlich palpabel. Temperaturen i. ax.: 4. III. 8~ „ 5. III. f9% 6. III. «& 7. III. »«$ 8. III. «# 9. III. »W; Weiterhin fieberfrei. 96 Masern- l 2 1 ? f * 5u. m. Fall 36 2K 2S 1K1S J3K 33 2K1S 2S1K 4K 4S 1 3K1S ' 3S1K 2K2S B. Kaspar 5. III. 03 . 1 ! ! — .25-27 39 4 2 1 _ _ 1 — 7. III. 03 . — 2 1216 33 i il 32 6 — 6 2 — — 1 — — 9. III. 03 . — 1 18ii2 34 28 5 — 6 3 3 — — — — 12. III. 03 . — - 14 1 137; 29 1 2 8 7 1 - - - — 16. III. 03 . — — 5 229: 29 7 1 12 13 2 — — — 20. III. 03 . — — 13'j-l32! 18 2 — 17 9 5 — 3 1 — 26. III. 03 . - — io' -23 15 5 4 18 15 4 — 4 — 2 Dieser Fall ist eine Seltenheit an und für sich, da die Masern- erkrankung in einem Alter von 32 Jahren als etwas ganz Aussergewöhn- liches zu betrachten ist. Entsprechend der Erfahrung, dass die Masern bei Erwachsenen im allgemeinen einen schwereren Verlauf nehmen, war auch hier das Bild ein bedeutend graveres, was sich durch eine schwere Allgemeininfektion, ein in seltener Blüte entwickeltes Exanthem, durch eine gewaltige, lange Zeit zu fühlende Milzanschwellung und durch das Auftreten und Anhalten der Diazoreaktion zu erkennen gab. Es ist ein ganz besonderer Zufall gewesen, dass um die Zeit unserer Unter- suchungen rasch hintereinander drei Masernfälle bei Erwachsenen bezw. Fasterwachsenen auf der Abteilung sich befanden, die sich aber wegen ihrer ausserordentlich ausgesprochenen Natur nur um so besser zur Untersuchung eigneten (Fall 35 und 38 sind wie ersichtlich die bei- den anderen Fälle). Es vergehen hier volle 21 Tage, bis wir ein ganz normales neutro- philes Mischungsbild vor uns haben. Am Anfang ist die Veränderung ebenfalls stark (8°/o in Klasse 3, 4, 5). — Das Gros der Vermehrung der Klassen 1 und 2 ist in dem ganzen Verlaufe mehr in der Klasse 2 gelegen. Im speziellen ist der Fall ausgezeichnet durch eine am Anfange (5. III.) besonders hochgradige Leukopenie (2400), die sich in zwei Tagen bis auf 4300 hebt, dann aber so gut wie unverändert bis zum Schlüsse unserer Untersuchungen bestehen bleibt; aber trotzdem kehrt das Blutbild zur Norm zurück. 37. E„ Vinzenz, 13 Jahre. 9. XII.—19. XII. 02. Ein sehr mild verlaufender Fall von Masern mit höchster Blüte des Exanthems, das beim Eintritt am 9. eben aufgetreten war, am 10. XII; das Exanthem selbst ist jedoch relativ nicht so stark, wie in den obigen Fällen. Fälle. 97 __ on qO qß 70 Temperaturen: 9. XII. 3g()0 10. XII. ^0 11. XII. ^'^0 Am 12. XII. ist von dem Ausschlag nichts mehr zu sehen; von da ab andauernd fieberfrei. Leukocyten Zählungen: 1. 10. XII. 02, 12 h Exanthem in Blüte . 2. 12. XII. 02, 12 h fieberfrei .... 3. 14. XII. 02, 12 h....... 4. 19. XII. 02, 12 h....... Neutrophile Blutbildtabellen: l 2 3 4 5u. m. Fall 37 m|w T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1R 3S1K 2K2S 5li E. Vinzenz 1 1 i 1 | 1 | 10. XII. 02 . : 25 - 28 28 4 11 8 6 h - - — - — 12. XII. 02 . Ji 23 7 20 23 10j-| 15 — 1 14. XII. 02 . —' — 9 6 16 26 12 -1 22 i 4 3 — 1 — 1 - 19. XII. 02 . - 1 3 - 26 6 3 3 24 11 6 - 11 — 3 3 Dieser Fall bietet die Unterlage für unsere oben ausgesprochene Behauptung, dass in leichten Fällen die Rückkehr des neutrophilen Blut- bildes, das hier, wie wir sehen, von Anfang an nicht so schwer ver- ändert ist (10. XII.), sich rascher vollzieht; denn schon fünf Tage nach Beginn haben wir fast das normale Blutbild wieder erreicht (14. XII.), am 19. XII. dagegen ist es sogar weit nach rechts entwickelt. Die initiale Leukopenie fehlt auch in diesem Falle zu Anfang nicht, dann aber erreicht die Gesamtzahl rasch die normale Höhe und bleibt dort stehen. 38. L., Babette, 15 Jahre, Dienstmädchen, 26. IL 03—20. III. 03. In der Familie des Dienstherrn hatte ein Kind vor ca. 10—12 Tagen Masern. Patientin fühlt sich seit dem 24. nicht recht wohl, klagt über Kopf- schmerzen, Mattigkeit, schlechten Appetit, starken Schnupfen und Hals- schmerzen. Seit heute Morgen bemerkt sie einen Ausschlag und geht des- wegen ins Spital. Es findet sich am ganzen Körper ein ausgesprochenes Masernexanthem, jedoch nicht sehr stark entwickelt. Die Koplik sehen Flecken sind schön ausgebildet. Die Zählung am Tage des Eintrittes (26. II. 03, abends 7 h; Mittag nur etwas Suppe genossen) ergibt 3200 weisse Blutkörperchen. 28. IL Zählung der weissen Blutkörperchen um l23/4 h mittags: 3400, das Exanthem ist im Rückgange. 1. III. Nachdem das Exanthem am Körper ganz abgeblasst i3t, und im Gesicht schon die Schuppung begonnen hat, erfolgt heute Mittag die Eruption eines neuen, diesmal äusserst starken, charakteristischen Masern- exanthems im Gesicht und am ganzen Körper inkl. Extremitäten; Diarrhöen, Arneth, Blutkörperehen. 7 ' 3900. 5500. 6800. 6400. 98 Masern- starker Husten, starke Conjunctivitis, Rhinitis, Mundschleimhaut diffus gerötet, Kopliksche Flecken. Gestern Abend unter Schüttelfrost 39,9° i. a. 2. III. Vollste Blüte des Exanthems. Starker Katarrh der oberen Luftwege, Lunge frei. Keine Diarrhöen mehr. Urin: kein Eiweiss, keine Diazoreaktion. Die Blutuntersuchung ergibt Mittag 12x/2 h 5000 weisse Blut- körperchen. 4. III. Gestern Mittag begann das Exanthem abzublassen, ist jedoch noch deutlich zu sehen; im Gesichte bereits Beginn der Schuppung, starke Conjunctivitis, Schnupfen, Husten. Zählung ergibt mittags 4800 weisse Blut- körperchen. 5. III. Heute auf der Lunge bronchitische Geräusche, verstärkter Hustenreiz. 6. Zählung um 123/4 h Mittag: 4600 Leukocyten. Erstmals normale Temperatur, Exanthem ganz verschwunden. 9. III. Starke Schuppung im Gesicht und am Körper; viel Husten infolge starker Bronchitis. Zählung um 1 h: 6200 Leukocyten. 13. III. Seit gestern Abend gibt Patientin an, Schmerzen im rechten Ohr zu haben. Heute früh gelblicher Ohrenausfluss, damit Nachlassen der Schmerzen. Zählung der Leukocyten um 1 h mittags: 11300; abends 38,7° i. a. 14. III. Konstatierung einer Otitis media suppurativa acuta mit ein- getretener Perforation, durch die kgl. Universitätsohrenklinik. 16. III. Nochmalige Zählung mittags ergibt 9300 Leukocyten. Patientin hat zeitweise immer wieder stärkere Ohrenschmerzen. Weitere Zählungen wurden nicht gemacht wegen der durch die Komplikation augenscheinlich be- dingten Veränderung des Blutbefundes. Temperaturen i. ax.: oß tt 07 tt ^7,8 9R TT 38,3° t TTT 38,3° _ TTT 38,1° Jb. 11. 3820 27. 11. 3920 28. 11. 3990 1. 111. 3990 2. III. 3Q6Q 3 III 38'8° 4 III 38'3° 5 III 36>7° 6 III 36'6° 7 TTT 36'5 ° d. 111. 3980 4. 111. 38>80 5. ill. 3830 b. 111. 38>00 7. HL 375o ttt 36,8° m 36,9° nT 36,7° m 36,5° TTT 36,6° 8. III. 3690 9. III. 36>90 10. III. 36/?0 11. III. 3660 12. III. 3730 TTT 37,2° m 38,1° m 37,6° m 37,2° ,_ TTr 37,2° 13. III. 3g70 14. III. 39s0 lo. III. 39o0 16. III. 3g20 17. III. 37^0 18. in. 377;20°019. in. i«*: Auch dieser Fall hat Besonderheiten, die ihn gleichfalls zu einem selteneren stempeln. Um so besser hat er sich eben dadurch (zwei getrennte Masernexantheme = Superinfektion ?) als Prüfstein für unsere Untersuchungsmethode bewährt. Er ist auch deswegen interessant, weil er erstens schon sehr bald nach Auftreten des Exanthems, noch an dem gleichen Tage, zur Unter- suchung gelangte, und zweitens, weil sich zuletzt eine eiterige Otitis media anschloss. Fülle. 99 Neutrophile Blutbildtabellen: 1 s 3 4 5u.m. Fall 38 M w|t 2KJ2S 1K1S 1 3K;3S 1 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S L. Babette M ■ ! | | 26. IL 03 . — 1 44 — 41 22 1 Ü3 6 10 1 — — 1 28. TL 03 . ----261| 1 32l 32 -'2 0 4 ~T — - 2. III. 03 . -:—353 22, 33 1 - 1 4 1 — — 4. III. 03 . 1 |— 39 1 30 22 1 - D 0 3 -; — — — 6. III. 03 . - 1 20 3 !29 18 1 3 8 15 1 1 — — 9. III. 03 . 4|3 16 -23 25 6 1 7 10 2 _ 1 — 2 13. III. 03 . 1 -13 -,25 16 3 4 15 17 1 — 3 1 1 16. III. 03 . 2 -6 — 29 19 1 3 14 17 2 1 4 — 2 Die Zählung am ersten Tage ergibt nun zwar eine ziemliche Leuko- penie, aber das Blutbild der Neutrophilen selbst ist nicht einmal ganz so stark verändert (22 °/o in Klasse 3, 4, 5), wie bei unserem leichtesten, eben beschriebenen Falle 37. Die Tabelle vom 28. IL weist jedoch schon bedeutend viel schwerere Störungen auf und noch mehr die folgende Tabelle 2. III.; offenbar liegt zwischen den beiden Tabellen 28. IL und 2. III. der Höhepunkt der Erkrankung; wir erkennen dies vielleicht daran, dass von einer Tabelle zur anderen das Mengenver- hältnis zwischen den Zellen 2 S und 1K 1S umgeschlagen ist. Dieses Verhalten des neutrophilen Blutbildes steht aber in geradem Gegensatz zu unseren bisherigen Ausführungen, nach denen doch bei den Masern am Anfang das Blutbild immer am stärksten verändert war und dann besser wurde. Da wir aber im Verlaufe sehen, wie das Auftreten eines zweiten schwereren Exanthems am 1. und 2. III. dem Befunde zu seinem Rechte und zu seiner Bedeutung verhilft, so liegt darin ein um so erfreu- licheres Resultat unserer Untersuchungen. Nunmehr (nach dem 4. III.) erfolgt der langsame Abfall des neutrophilen Blutmischungsbildes gegen die Norm zu, jedoch nicht komplett; jedenfalls ist derselbe beeinflusst durch die am 13. perfo- rierende Otitis media suppurativa; am 9. III. 03 sehen wir den Abfall stocken und eine Verschlechterung allerdings fast nur bezüglich der Klasse 1 (3°/o W, 4°/o M.!) auftreten. Die Gesamtzahl ist am 9. schon wieder von 4600 auf 6200 gestiegen und schnellt am 13. auf 11300 hinauf. 10D Masern. Wir verzeichnen also hier das Zusammentreffen zweier Noxen, von denen die eine eine Leukopenie, die andere eine Leukocytose, beide aber als gemeinsame Wirkung eine Verschlechterung des neutrophilen Blutbildes bedingen; es zeigt sich das Leukocytose erzeugende Gift aller- dings erst in der Rekonvalescenz als das stärkere, und wir sehen mit einer besonderen Kraftanstrengung (am 9. III. 93 daher 4°/o M, 3°/o W) — bezw. wenn anders aufgefasst unter besonderer Schädigung — die Gesamtleukocytenzahl schnell ansteigen. Auch am 13. und 16. III. (9300 L) findet sich je noch 1 °/o Myelocyten, wenn auch im übrigen ein Abfall deutlich erkennbar ist. (Die Otitis geht der Besserung entgegen.) Am Schlüsse der Besprechung unserer Masernfälle angelangt, ver- dienen noch zwei Punkte hervorgehoben zu werden. Einmal, dass wir zu Anfang der Erkrankung, wo die Blutverände- rungen doch immer am stärksten sind, relativ wenig Zellen M und W vorfinden und zweitens ist es wiederum die aus den Tabellen sich er- gebende Eigentümlichkeit des Verhaltens der Zellen 2S und 1K IS. In Fall K., Georg (35) sehen wir in den ersten drei Tabellen die Zellen 1 K 1S in bedeutend überwiegender Anzahl gegenüber den Zellen 2 S; am 22. IL sind sie sich fast an Zahl gleich und schlagen dann in das gegenteilige Verhältnis um. Im Falle B., Kaspar (36) haben wir in den ersten fünf Unter- suchungen sich mehr nahestehende Zahlen beider Zellarten, die Zellen 2S aber doch meist um einige Prozent im Übergewichte; dann aber erfolgt der immer wieder zu treffende Umschlag in für die Zellen 2S günstigem Sinne. Bei E., Vinzenz (37) dauert trotz der Leichtigkeit des Falles das Überwiegen der Zellen 1K1S bis zum 1-1. XII. an; in der letzten Tabelle aber ist das normale Verhalten zu verzeichnen. Bezüglich des Falles L., Babette (38) haben wir oben schon für den ersten Teil der Tabelle das Nötige gesagt; wir sehen also am 4. III. bereits die Umkehr des Verhältnisses beider Zellarten etabliert und vom 6. III. ab fast immer sehr ausgesprochen bestehen. Mit dem 9. III., an dem offenbar die Wirkung der Otitis media suppurativa auf die weissen Blutkörperchen (s. o.) einsetzte, tritt nun eine auffallende Näherung beider Zahlen bis auf 2°/o wieder ein. Wir können dies gewiss nicht als einen Zufall bezeichnen, um so weniger, als nachher das Verhältnis wieder stark abnimmt. IX. Parotitis epidemica (Mumps). Übersicht. Türk gibt im Jahre 1898 noch an, dass er in der Literatur über etwa bei der Parotitis epidemica erhobene Blutbefunde keinerlei An- Parotitis epidemica. 101 gäbe habe finden können. Er selbst kann nur einen subfebril ver- laufenen Fall mitteilen, bei dem der Befund folgender war: Massige Leukocytose mit mittelstarkem Vorwiegen der Neutrophilen; perzentische, kaum absolute Vermehrung der Lymphocyten; mononukleäre grosse Leukocyten anfangs in hoher Zahl, dann allmählich zur Norm abfallend; Eosinophile anfänglich hochnormal; er schliesst besonders aus dem letzteren Befunde, dass die Höhe der Infektion und der Blutveränderung bereits überschritten war und früher es sich um eine noch stärkere Veränderung des Blutes gehandelt haben mag. Er hält schliesslich auf Grund der konkomitierenden hämorrhagischen Nephritis und der An- wesenheit von kernhaltigen Blutkörperchen die Infektion für eine schwerere. E. Sacquepee1) untersuchte das Verhalten der Leukocyten in 15 Fällen von einfacher und in 6 Fällen von mit Orchitis komplizierter Parotitis epidemica. Danach tritt im normalen Krankheitsverlauf eine massige Hyperleukocytose auf, an der vorwiegend die mononukleären und nicht oder nur wenig die mehrkernigen Zellen beteiligt sind. Tritt eine Orchitis hinzu, so wird das Verhalten der Einkernigen nicht alteriert, aber eine beträchtliche Mengenzunahme der Polynukleären stellt sich ein. F. Pick2) hat an 10 Fällen gelegentlich einer Epidemie in Prag Leukocytenzählungen angestellt. Er konstatiert, dass der typische Mumps mit und ohne Beteiligung der Hoden auch bei starkem Fieber und All- gemeinerscheinungen ohneLeukocytose verläuft. Eine genuine Orchitis ohne Parotitis epidemica geht im Gegensatze dazu mit deutlicher Hyper- leukocytose einher. Da wir bei allen Entzündungen, wo es zu fibri- nöser Exsudation und entzündlicher Diapedese der Leukocyten kommt, eine Hyperleukocytose im Blute finden, so beweist ihr Fehlen bei Mumps, dass es sich um eine rein seröse Exsudation handelt und man wird daher den Mumps nicht mit der croupösen Pneumonie, sondern mit der serösen Pleuritis oder dem Gelenkrheumatismus in Analogie bringen können. Was die Qualität der Leukocyten betrifft, so ergab sich eine massige Vermehrung der mononukleären Leukocyten im Verhältnis zu den polynukleären Elementen, indem der Prozentsatz der letzteren auf 46—53 gesunken, die Zahl der ersteren auf 47—59 stieg; die Eosino- philen erschienen etwas verändert, 1—1,5 °/o gegen 2,5 °/o in der Norm. Fälle. 39. T., Paul, 20 Jahre alt (22. I. mit 31. I. 03), tritt ein mit einer ziemlich hochgradigen Anschwellung der linken Parotis, die bis zum 24. etwas i) „Formale hemo-leucocytaire des oreillons"; Arch. de m6d. experim. etc. 1902, p. 114. Zentralblatt f. inn. Med. 1902, S. 1284. 3) „Einiges über Mumps (Parotitis epidemica)". Wien. klin.Rundschau 1902, Nr. 16. 102 Parotitis epidemica- zurückgeht; Patient will schon wieder austreten, bekommt aber nun am 27. und 28. auch auf der anderen Seite eine Anschwellung; am 30. ist nur noch eine ganz geringe Schwellung zu bemerken; die Testes bleiben frei. Leukocytenzählungen: 1. 23. I. 03 mittags vor dem Essen: 4600. 2. 27. I. 03 „ „ „ „ 5500. 3. 30. I. 03 1 h nach Mittagessen: 11000. Neutrophile Blutbildtabellen: 1 l 1 2 i 3 il J_ 5 u. m. Fall 39 MiW I. 2K 2s'lKlS i ! i i i 3K|3S 1 1 2K1S 2S 1K J4K 4S 3K IS 3S1KI2K2S 5K T. Paul 23. I. 03 . 1 27. I. 03 . 30. I. 03 . i -36 — j7 - 19 1 r 27 31 27 28 29 24 | ! i !-N1 2|3 2 16 11 2 8 7 2 3 3 1 2 2 1 2 1 Wir finden in diesem Falle gerade das umgekehrte Verhältnis wie Türk in dem seinigen; Türk konstatierte zu Anfang eine Leukocytose, die dann langsam zurückgeht; wir dagegen haben zu Beginn eher eine Leukopenie zu verzeichnen. Viel wichtiger ist jedoch das neutrophile Blutbild. Wir sind ge- wohnt, die Parotitis epidemica als eine leichte Infektionskrankheit zu betrachten; viele Menschen begeben sich deswegen gar nicht in ärzt- liche Behandlung. Um so hochgradiger ist unsere Überraschung beim Anblick des Blutbildes, das (23. I. 06) eine Veränderung aufweist, wie wir sie bei Masern und Typhus nicht hochgradiger gesehen haben. Es ist dies wiederum etwas vollständig Neues für uns. Am 27. I. 03 ist nun allerdings schon die Besserung eingetreten, aber das Befallenwerden der anderen Seite bedingt wieder eine Ver- schlechterung, deren Ausdruck selbst am 30. I. noch sehr manifest ist. Patient ging am 31. I. schon wieder an die Arbeit; er fühlte sich voll- kommen gesund. Wir wissen aber jetzt, dass sein Blut noch nicht völlig den Stempel der Gesundheit an sich trug. Eventuell lassen sich aus derartigen Untersuchungen in der Zu- kunft neue Anhaltspunkte für die Dauer der Rekonvaleszenz bei Krank- heiten, speziell bei den Infektionskrankheiten, gewinnen. 39 a. Der unter dieser Nummer zu beschreibende Fall konnte knapp vor Abschluss unserer Arbeit noch beobachtet werden. K., Johann, 20 Jahre alt, befindet sich seit längerer Zeit wegen Tuber- kulose der linken Fussknochen im Spitale; in seinem Zimmer ist vor kurzem ein Mumpsfall gelegen. Am 1. X. 03 trat bei ihm Kopfschmerz und Hitze- gefühl auf und in der Nacht vom 1.—2. bemerkte er eine leichte Anschwel- lung beiderseits am Kieferwinkel, links stärker als rechts. Fälle. 103 Zur Zeit der ersten Blutuntersuchung 2. X. 5 h nachmittags (mittags wurde nur eine Suppe und nachmittags 3 h Kaffee getrunken) bestand eine massige Anschwellung beider Parotiden, die bis zum 5. X. zunahm und am 7. X. schon fast wieder zurückgegangen war. Temperaturen: 1 X — 2 X 36'8° 3 X 37'4° 4 l' A" 38,0° *' A- 38,9° ö' *" 37,8° 4> A' 37,8° u' ^ 37,7° Patient trat am 14. X. aus, es konnten daher nur bis zum 13. X, Blutuntersuchungen ausgeführt werden. 37 10 37 0° öi>l 5. X. ll'Xn fieberfrei. Blutkörperchenzählungen: 2. X. 5 h nachmittags: 7900 Leukocyten. h mittags: 3. X. 12 4. X. 121/* h 5. X. 12x/2 h 7. X. 12 h 9. X. ll3/4 h 13. X. 121/* h 7700 5500 5600 9200 10000 5200 Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 3 4 5u.m. Fall 39 a M W T lT^~ 2S 1K1S 3K 3S 2KIS 2S1K 4KJ4S 3K1S 3S1K 2K2S E. Johann 2. X. 03 . — 2 58 — 21 17 1 ~ — 1 — - - - — 3. X. 03 . — 1 54 - 25 17 1 1 1 — — — — — — 4. X. 03 . -;2 44 - 24 27 — 1 — 1 1 — — — — 5. X. 03 . ! __1__ ! 55: 2|23 20 - — — — - — — - — 7. X. 03 . — 1 47! 1 48 30 — — — 3 — - — — — 9. X. 03 . 38 — 31 21 1 2 4 1 - - 1 1 — 13. X. 03 . 1 - 43 ~ 37 17 - - 1 2 - - — — — Der Fall bestätigt unsere Ausführungen bezüglich des neutro- philen Blutbildes in besonders schöner Weise, so dass wir uns mit seiner Einschiebung begnügen können. 40. H., Karl, Schneider; 18. IL 03-27. IL 03. Der Patient, der immer gesund gewesen sein will, akquirierte angeblich am 13. IL eine Anschwellung der Drüsen am Ohr, am Tage darauf be- merkte er eine Hodenanschwellung. Gleichzeitig Frost, Kopfweh, Schmerzen in der linken Seite des Unterleibes. Es findet sich bei dem ziemlich schmächtigen jungen Mann eine nur mehr schwache Anschwellung beider Parotiden, die Ohrläppchen stehen fast nicht mehr ab; auf Druck geringer Schmerz auslösbar. Der linke Testis ist ausserdem massig geschwollen, schmerzhaft; aus- strahlende Schmerzen von hier aus in die linke Seite des Unterleibes. Die 104 Parotitis epidemica. Temperatur am 18. IL mittags 39,1°, abends 39,7°; am 19. IL früh 39,4°, abends 39,8°; am 20. früh noch 38,2°, dann rasch abfallend zur Norm; gleichzeitig Rückgang des orchitischen Prozesses. LeukocytenZählungen: 18. IL \lk h mittags, vor Mittagessen 13300. 19. H. 1 h........10400. 22. IL 121 2 h........5200. 26. IL 121/! h........11400. Neutrophile Blutbildtabellen: 1. 2. 3. 4. Fall 40 I T^ 'MW T 2K 2S 1K1S 3S 2K IS 2S 1K 4K 4S 3K IS 3S 1K 2K2S 5u. m. 5K 'i i H. Karl 18. II. 03 —i1 23 1 26 25 4 19. IL 03 22. IL 03 26. IL 03 19 1 33' 2 11 38; 24 4— 9 24 32 4-4 -351 19 11 4 I 1 1 3 1 14 Leider ist der Patient erst fünf Tage nach Beginn der Erkrankung eingetreten; nur die Orchitis allein trieb ihn ins Spital. Der neutro- phile Blutbefund, (18. IL 03) fünf Tage nach Beginn der Parotitis, oder vier Tage nach Beginn der Orchitis, ist trotzdem noch stark nach links verschoben; gleichzeitig besteht in diesem Falle bei Eintritt eine schwache Leukocytose (13300). Im Vordergrund unseres Interesses an diesem Falle steht aber die weitere Verschlechterung, die das neutro- phile Blutbild bis zum 22. IL erleidet. Obwohl die Gesamtleukocyten- zahl der Norm zustrebt, ja am 22. IL, dem Tage der schwersten Blut- bildveränderung, gar nur mehr 5200 beträgt, entfernt sich umgekehrt das Mischungsverhältnis der Neutrophilen bis zu diesem Datum immer mehr vom Normalen; wir rechnen am 22. IL nur mehr 9°/o Zellen der Klasse 3 heraus. Zu dieser Zeit war aber der Patient schon völlig fieberfrei. So bleibt uns auch hier nichts anderes übrig, als immer wieder die Tatsache zu betonen, dass die Entscheidung einer Infektionskrank- heit noch lange nicht identisch ist mit der Wiederherstellung des status quo ante insbesondere in bezug auf das Blutkörperchenzählresultat, und dass viel eher durch das Examen des neutrophilen Blutbildes eine dies- bezügliche genauere Orientierung möglich sein dürfte. Die Leukocyten- zählungen sind daher an sich allein wohl meist ungeeignet, die angezo- gene Untersuchung zu ersetzen, und nur das Blutbild dürfte die mass- gebende Grundlage abgeben, von der aus jeder Fall bis in alle seine Einzelheiten und oft in hohem Grade interessanten Besonderheiten ana- Erysipelas. 105 lysiert und damit einem Verständnisse in unserem Sinne möglichst nahe gerückt werden kann. Was unseren Fall schliesslich noch anlangt, so führt uns die Zählung der Leukocyten nach dem 22. IL wieder in die Höhe (11400 L.), das Blutbild der Neutrophilen aber ist auf dem Wege, ziemlich rasch zur Norm abzufallen; also wieder besteht hier ein Gegensatz. Erwähnenswert bezüglich der Zellen 2 S und 1K 1S ist, dass im Falle 39 die Zellen sich am Tage der schwersten Blutbildalteration das Gleichgewicht hielten (23. L), um dann ihre normale Beziehung wieder aufzunehmen; im vorliegenden Falle ist das erstere am 18. IL der Fall, dann entfernen sich die beiden Werte ebenfalls etwas; am 22. IL aber, auf der Höhe der Veränderung, ist das Verhältnis wieder umgedreht, am 26. IL definitiv wieder im alten Geleise. X. Erysipelas. Übersicht. Türk fasst die in der Literatur vorhandenen Angaben und die Ergebnisse seiner eigenen Untersuchungen in folgenden Sätzen zu- sammen : .,Das Erysipel geht in der Mehrzahl der Fälle mit einer massigen Leukocytose einher, während eine Minderzahl normale und hochnormale Leukocytenwerte aufweist. Es ist unstatthaft, aus dem Fehlen oder Vorhandensein oder aus der Stärke der Leukocytose allein bestimmte Schlüsse auf die Intensität oder den Verlauf der Erkrankung zu ziehen; nur sehr hochgradige Leukocytenvermehrung dürfte in der Regel für eine Eiterbildung sprechen. Bei einigermassen intensiverer Erkrankung dürften wohl immer die polynukleären, neutrophilen Elemente auf Kosten der Lymphocyten vorwiegen und die Eosinophilen eine starke Verminderung aufweisen oder gänzlich fehlen, — Verhältnisse, die mit dem Abfalle der Tempe- ratur und dem Rückgange der Erkrankung der Norm weichen.—Reizungs- formen und mononukleäre neutrophile Zellen kommen wie bei anderen Infektionskrankheiten vor. Als zeitlich nach der Türkschen Arbeit gelegen sind mir Un- tersuchungen von Chantemesse et Rey1) bekannt geworden. Die Autoren fanden, dass die Leukocytose beim Erysipel der Schwere der Infektion parallel geht, und dass hauptsächlich die polynukleären Ele- mente vermehrt sind. i) La forraule hemo-leucocytaire de l'erysipele. Presse med. 1899 Juli. 106 Erysipelas- Fälle. 41. W., Babette, 20 Jahre alt, Dienstmädchen, tritt am 6. I. 02 ein mit einem sehr heftigen Erysipel des Gesichtes; am 7. I. 02 Auftreten von grossen Blasen auf beiden Wangen; fast das ganze Gesicht ist befallen; die Patientin ist den ganzen Tag so gut wie bewusstlos, lässt alles unter sich gehen. Leukocytenzählung (7. I. 03 mittags): 12200. Temperaturen am 6.1.: 39,3° mittags, 39,2° abends; am 7. früh: 37,6 °. Schon am 9. ist Patientin fieberfrei, eine weitere Ausbreitung des Erysipels hat nicht stattgefunden. In der Rekonvaleszenz wurden noch folgende Zäh- lungen ausgeführt: Am 15. L: 11800 um 12 h mittags. Am 21. L: 9400 „ 121/* h „ Am 28. L: 8100 „ 12^2 h „ Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 3 4 5 11. m. Fall 41 m|w T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K 3E2S W. Babette 7. I. 03 . — — 39 4 17 26 - 1 8 4 - - 1 — — — 15. I. 03 . - — 7 1 9 21 6 6 21 14 7 - 6 — — 2 — 21. I. 03 . - — 1 1 24 9 5 5 19 19 5 - 9 1 — 1 1 28. I. 03 . 1 — 7 - 19 20 4 6 21 17 1 — 2 — 2 - — In diesem schweren, aber nur kurz dauernden Falle fand sich zwar ein relativ unbedeutender Grad von Leukocytenvermehrung, dagegen zeigt sich das neutrophile Blutbild (7. I. 03) beträchtlich auf der Höhe der Erkrankung verändert (39°/o T); es überwiegen auch die Zellen 1K IS die Zellen 2S. Acht Tage später (15. I. 03), nachdem allerdings schon längere Zeit kein Fieber mehr bestanden hat, könnten wir das neutro- phile Blutbild wieder als völlig normal bezeichnen, wenn nicht die Zellen 1K 1S die Zellen 2 S noch bedeutend auffallenderweise übertreffen würden. Auch ist an diesem Tage bezüglich der Gesamtleukocytenzahl besonders zu bemerken, dass dieselbe noch leukocytotisch ist (11800); wenn wir die folgenden diesbezüglichen Zählungen hinzunehmen (9400 am 21. I. und 8100 am 28. L), so ergibt sich, dass die anfangs nur wenig hochgradige Leukocytose ungemein langsam — also selbst in der Rekonvaleszenz — abfällt; wenn wir aber die Blutbilder dieser Tage betrachten, so müssen wir in der Tabelle (21. I.) eine gewisse Über- reifung des Blutbildes erblicken, wie sie sich bisher auch in manchen unserer anderen, einige Zeit nach Ablauf der Infektion noch weiter untersuchten Fällen gefunden hat. Es scheint dann auf diese Schwankung nach rechts immer wieder eine kleine Schwankung nach links reaktiverweise einzutreten (28. I.) Fälle. 107 und dann das Blutbild — vielleicht unter weiteren kleinen, nicht mehr kontrollierbaren Schwankungen — in seine normalen Bahnen wie zuvor einzulenken. 42. H., Barbara, Köchin, 37 Jahre alt, hat vor einiger Zeit schon ein- mal Gesichtsrose durchgemacht; am 26, XI. Eintritt mit einem Erysipel an der rechten Wange, das sich am 27. auf das ganze Gesicht ausbreitet und blasig wird. Seit Beginn sehr hohes Fieber. Am 28. XL Leukocytenzählung mittags: 7800. Die Temperatur am Morgen beträgt 40,1°. Ab 1. XII. ist und bleibt Patientin fieberfrei; keine weitere Ausbreitung des Prozesses. Leukocytenzahl an diesem Tage um 12V4 h mittags: 6600. Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 3 4 5 und mehr Fall 42 M W T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4E 4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K 4K1S 3S2E H. Barbara 28. XL 02 . - 1 29 3 17 32 3 — 4 6 4 — 1 — — - — — 1. XII. 02 . - — 18 2 29 18 4 1 14 5 3 — 3 — — 1 1 1 Über den Fall ist nichts besonderes Neues zu sagen. Wir haben eine, die normale Grenze wenig oder nach den bisherigen Anschauungen gar nicht überschreitende Leukocytengesamtmenge am 28. XL (7800), trotzdem aber starke Veränderungen des neutrophilen Blutbildes und sehen ferner aus der Tabelle vom 1. XII. den rückgängigen Prozess im Blutbilde deutlich. Die Verhältnisse zwischen den Zellen 2 S und 1K 1S sind auch hier zu beachten. 43. B., Margarete, 34 Jahre, leidet seit 7 Jahren an einer chronischen Eiterung der Beckenknochen mit zur Zeit geringer Sekretion. Sie erkrankt am 23. XL 02 an einem schweren Erysipel der Haut des Gesässes und der Bauchdecken; das Fieber hält sich mit kleinen Remissionen am Morgen (bis 38,4°) seit dem 23. den ganzen Tag über um 40,0° in axilla. Die Leukocytenzählung, am 26. um 12 h mittags ausgeführt, er- gibt 10700. Am 29. noch Temperaturen um 40,0 °, am 30. wird am Abend nur mehr 37,2° erreicht und von nun ab fieberfrei. Leukocytenzählungen: am 1. XII. mittags 121/* h: 8800; am 16. XH. um 12 h mittags: 8300. Neutrophile Blutbildtabellen: l M|W! T 2 3 4 [[ 5 und mehr Fall 43 2K 2S 1K1S 3K'3S|2K1S 1 1 2S1K 4K'4S 3K1S 3S1K 2K23 5K| 2S 3K 5K1S K. Margarete 26. XI. 02 . — 19 1 ^22 l 25 2 1 17 6 1 — 3 1 i 1! l 1 1. XII. 02 . - 1 10 1 '30' 22 I< S [ — i il 12 11 21- 2 — il - — 16. XII. 02 . -i- u i 31 21 1 i 3 1 17 10 ~- 1 ' 1 — 108 Erysipelas- Dieser Fall wurde mehr des allgemeinen Interesses halber unter- sucht; man musste sich von Anfang an sagen, dass bei einer lang- wierigen Knochenerkrankung die Mischungsverhältnisse schon vor dem interkurrenten Erysipel gegenüber der Norm veränderte gewesen sein durften. In dieser Beziehung gehen wir kaum fehl, wenn wir den Blut- befund am 16. XII., d. i. 14 Tage nach völligem Ablauf des Erysipels als mit dem vor dem Erysipelausbruch als wahrscheinlich konform be- zeichnen. Dies angenommen, hätten wir also nach unseren Begriffen das andauernde Bestehen einer schwachen Leukocytose und eine Höher- stellung des neutrophilen Blutbildes schon vor dem Auftreten des Ery- sipels zuzugeben, also an sich schon eine Mehrleistung des Knochenmarkes zu verzeichnen. Auf dieser, gegenüber der Norm veränderten Unter- lage baut sich nun das neutrophile Blutbild des dazu kommenden Ery- sipels auf. Wir ersehen, dass zwar bezüglich der Gesamtleukocytenzahl eine Vermehrung um einige Tausend mit dem Einzug des Giftes Platz greift, an dem neutrophilen Blutbild (26. XL) dagegen sehen wir nur ganz schwache Verschiebungen, von denen vielleicht als die wichtigste wieder die Umkehr des Zahlenverhältnisses zwischen den Zellen 2 S und 1K 1S zu betrachten ist. Offenbar ist das durch die jahrelange Übung sehr funktionstüchtig gewordene Mark leichter als ein normales im stände, den gesteigerten plötzlichen Bedarf an Leukocyten sofort zudecken. Wenn wir wollen, können wir diesen Fall auch für eine andere Überlegung verwerten. Man hat in neuerer Zeit vorgeschlagen, durch Einverleibung von Leukocytakticis Infektionskrankheiten günstig zu be- einflussen, da man gesehen hat, dass im Körper sich im Anschlüsse an die Infektion eine Leukocytose sehr oft entwickelt. Auf eine nähere Würdigung des ganzen Vorganges werden wir zwar erst später ein- gehen können, aber das sei jetzt schon gelegentlich dieses Falles, wo die chronische Eiterung ein chronisches Leukocytaktikum wohl sicher abgab, erwähnt, dass wir allerdings es hier anscheinend mit einer leichteren Überwältigung des Giftes zu tun haben, wenn wir als Mass- stab dafür nur die Veränderung im neutrophilen Blutbilde anlegen. Aber es handelt sich beim Erysipel nach allem, was wir aus unseren Fällen kennen gelernt haben, nur um eine relativ unbedeutende Mehr- leistung des Knochenmarks; ein richtig ausgeführtes vorausgegangenes Training dürfte sicher kaum anders wie nützlich bei einer solchen weniger schweren Infektion sein; aber wer garantiert, dass mit den Mitteln, die wir einspritzen, nicht ein Übertraining des Knochenmarks herbeigeführt wird, um so mehr, als wir den Grund ihrer Wirkung und ihre genaue Dosierung noch gar nicht kennen. Vielleicht ist uns der Umstand, dass durch chronische Leiden Geschwächte jeglicher Infektion gegenüber weniger widerstandsfähig sind, ein guter Fingerzeig für diese Ubertrainierung des Knochenmarks, das dann genau ebensowenig auf Fälle. 109 die Dauer stark leistungsfähig ist wie etwa ein dauernd hypertrophiertes und deswegen erkrankendes Herz. Bei unseren Ausführungen wurde aber stillschweigend immer an- genommen, dass die Hervorrufung der Leukocytose in chronischer Weise gemacht worden ist, eine Forderung, die natürlich praktisch illusorisch ist, aber meiner Ansicht nach, wenn überhaupt, nur allein in Betracht käme. Die Autoren verlangen selbstverständlich, man solle sofort mit dem Auftreten der Infektion die Einspritzungen etc. machen. Wir werden später sehen, wie ungleich ungünstiger sich in diesem Falle die Sache verhalten dürfte. 44. Seh., Katharina, 36 Jahre alt, erkrankt am 6. III. 03 im An- schlüsse an eine Wunde am rechten Beine an einein allerschwersten gangrä- nösen und phlegmonösen Erysipel mit Sepsis; acht Tage lang kontinuier- liches sehr hohes Fieber, dann bis zum 22. III., am Tage der Blutunter- suchung, ausgesprochenstes intermittierendes Fieber (am 21. morgens z. B.: 36,9, abends 39,9°). Die Zählung der Leukocyten am 22. Mittag ergibt 8100. Das Blut erweist sich schon bei der makroskopischen Betrachtung als äusserst wässerig, hämoglobinarm, sehr leicht zerfliesslich. Weitere Untersuchungen wurden nicht ausgeführt. Neutrophile Blutbildtabelle: Fall 44 M W T Sch. Katharina 26 2K 2S 1K1S 40 24 3K 3S 2K IS 2S1K Dieser schwerste septische Fa 4K 4S 3K IS f 8 1K 2K 2S 5u. m. 1 von phlegmonösem Erysipel weist eine zum Verwundern geringe Vermehrung (8100) der Gesamtleukocyten auf; man bezeichnet diese Zahl heutzutage ja als normal, und dies soll mitten in einem schwersten septischen Zustand der Fall sein, der kurz darauf zum Exitus letalis führt! Ist es da nicht für die Erklärung willkom- men, nunmehr wenigstens nach einer Seite und zwar nach einer Hauptseite hin untrüglich konstatieren zu können, dass trotz der anscheinend nor- malen Zahlen der Gesamtleukocyten dieselben in der Tat allerschwerst geschädigt sind! Dieses Faktum sehen wir aber wiederum an unserer neutrophilen Blutmischungstabelle; nur mehr 9°/o aller Zellen sind den Klassen 3, 4, 5 angehörig, alle anderen sind junge, unreife Elemente. XL a) Peritonsillitis phlegmonosa, Meningitis suppurativa, Septieaemia, Osteomyelitis ehroniea, Decubitus, Caries tubereulosa, Empyema ehronieum. Übersicht. Auf dem Gebiete der septischen Erkrankungen, in das wir mit dem folgenden eintreten, herrscht ein fast ebenso grosser Wirrwarr, 110 Eiterangen- wie wir es z. B. bei der Pneumonie gesehen haben. Von einer einheit- lichen Erklärung der sich völlig widersprechenden Befunde ist absolut keine Rede. In dem allerneuesten und ausführlichsten Werke, das die medizinische Spezialliteratur besitzt, „Die septischen Erkrankungen" von Lenhartz, 1903, Nothnagels Sammelwerk, ist die Frage der Leuko- cytenveränderung im Blute auffallenderweise fast kaum angeschnitten. Es finden sich auf Seite 54, 55, 57 einige kurze Bemerkungen, die in der Konstatierung gipfeln, dass wir in der Mehrzahl der Infek- tionskrankheiten, zumal bei den septischen Erkrankungen, einer mehr oder weniger ausgesprochenen Hyperleukocytose begegnen und ihr Aus- bleiben oft als ein Signum mali ominis deuten dürfen (S. 57). Auf S. 173 lesen wir: „In sehr vielen Fällen septischer Erkrankung finden wir eine nennenswerte Vermehrung der farblosen Blutkörperchen. Von vielen Seiten wird der Hyperleukocytose auch eine günstige Wirkung bei der Bekämpfung der Infektion zugeschrieben. Auch bei unseren (Lenhartzs) eigenen Untersuchungen wurde die zeitweise erhebliche Vermehrung der Leukocyten oft beobachtet. Immerhin haben wir auch eine recht beträchtliche Steigerung der Leukocytenzahl in solchen Fällen gefunden, bei denen die recht trübe Prognose dadurch nicht günstiger gestellt werden konnte. Weniger bekannt ist, dass es im Verlaufe der Sepsis zu einer schweren Blutveränderung kommen kann, die in mancher Hinsicht mit dem Bilde der akuten Leukämie übereinstimmt." Von den dort veröffentlichten Fällen interessiert uns besonders ein Fall von Streptokokkensepsis (S. 174) mit 2100 weissen Blutkörper- chen, bei dem lh post mortem eine Blutprobe entnommen wurde; aus einem Tropfen des Blutes wuchsen unzählige Streptokokkenkolonien in Reinkultur. Ebenso ist der Fall auf S. 456 interessant: In einem Falle von Saprämie im Anschlüsse an ein Puerperium fand sich eine steigende Hyperleukocytose (in vier Tagen von 30468 auf 39680) aber bei zwei- maliger bakteriologischer Untersuchung das Blut absolut keimfrei, dagegen wurden aus dem Cavum uteri — intra vitam — zahlreiche Strepto- kokken, plumpe und feine Stäbchen, vereinzelte Staphylokokken ge- züchtet. In dem Fall Seite 104 handelte es sich ebenfalls um eine starke Hyperleukocytose; bei 5 mal ausgeführter Blutuntersuchung wurde dasselbe als steril gefunden. Dasselbe gilt ferner von den zwei Fällen auf S. 175, wo ebenfalls Leukocytose und sterile Beschaffenheit des Blutes zusammenfiel. Leider enthalten die sechs übrigen nur kurz mit- geteilten Fälle nicht darauf bezügliche Angaben. Grawitz (S. 555—558) stellt zuerst die widersprechenden Be- funde der Autoren zusammen und nimmt dann auf Grund eigener Unter- suchungen das Wort. Er bestätigt, dass bei allen möglichen Formen septischer Erkrankungen Leukocytosen in der grösseren Mehrzahl der Fälle vorkommen, dass nicht selten aber auch sehr aktive Entzün- Fälle. 111 dungsprozesse mit Eiterbildung vorhanden sein können, ohne dass eine Leukocytose besteht. Er betont dies aus- drücklich, weil von manchen Seiten die diagnostische Bedeutung dieses Symptoms zu hoch angeschlagen wird, denn wenn auch der positive Befund einer ausgesprochenen neutrophilen Leukocytose in manchen Fällen die Diagnose in ganz bestimmter Weise beeinflussen kann, so spricht doch ein negativer Befund keineswegs mit Sicherheit gegen das Bestehen eines Eiterherdes. Er exemplifiziert dann auf die Verhält- nisse bei der Appendicitis; wir werden dort seine Ansicht kennen lernen. Weiterhin betont er, dass auch sonst Entzündungen mit Eiterbildung verlaufen, ohne Leukocytose hervorzurufen, wie er bei einem Fall eiteriger Cholangitis zu beobachten Gelegenheit hatte, wo sich bei der Obduktion multiple Leberabszesse fanden. Es war dies um so auffälliger, als im übrigen schon bei nicht so akuten Leberkrankheiten Leukocytosen sehr häufig und hochgradig zu beobachten sind. Ebenfalls bei einem anderen Fall eiteriger Cholecystitis Hess sich keine Leukocytose nachweisen Er sagt: „Worauf dieses schwankende Verhalten der Leuko- cyten beruht, wissen wir noch nicht, man muss sich indess dieser Unsicherheiten für die praktische Diagnostik be- wusst sein." Über das Mischungsverhältnis der verschiedenen Leukocytenformen gehen die Ansichten der meisten (von Grawitz) zitierten Autoren da- hin, dass die neutrophilen Formen vorzugsweise vermehrt sind, und die Lymphocyten an Zahl zurücktreten. Fälle. 45. E., Johann, 28 Jahre, Diener; 27. HL—10. IV. 03. — Patient leidet bereits seit 8 Tagen an einer Halsentzündung, die sich jedoch in der Nacht vom 26. auf 27. III. unter Schüttelfrost bedeutend verschlimmert. Es findet sich eine kolossale linksseitige peritonsilläre Phlegmone mit 39,6 ° i. a. Er hat seit vier Tagen angeblich so gut wie nichts gegessen. Leukocytenzählung beim Eintritt: 19900. Neutrophile Blutbildtabelle: II 1 2 3 4 5u. m. Fall 45 "^T MW T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S '1 1 E. Johann . . —— 21 - 34 19 | 11 1 9 12 2 — 1 Der vorliegende Fall und der nächste sind Paradigmata einer akut verlaufenden Eiterung unter den speziellen Verhältnissen, wie sie sich bei der Peritonsillitis phlegmonosa vorfinden. 112 Eiterungen- Wir hätten auch einfachere Eiterungen, Furunkel, Karbunkel, Panaritien etc. in den Bereich unserer Untersuchungen ziehen können; da wir aber überzeugt sind, dass die Blutveränderungen nur wenig sich von den folgenden unterscheiden dürften, speziell keine neuen Gesichts- punkte zu erwarten sein werden, so haben wir zunächst darauf ver- zichtet, um die Arbeit nicht übermässig auszudehnen. Wir sind nun mit der Gruppe der septischen Erkrankungen bei der eigentlichen Domäne der neutrophilen Leukocyten angelangt; seit Entdeckung der weissen Blutkörperchen weiss man, dass der Eiter fast nur aus neutro- philen Leukocyten zusammengesetzt ist, und dass diesem Vorgang die allergrösste Bedeutung im Haushalte des Körpers zukommt. Viele Ex- perimental- und andere Untersuchungen haben von dem Markstein der Eiterung ihren Ausgangspunkt genommen und die wichtigsten Schluss- folgerungen hat man an die gewonnenen Resultate geknüpft. Der allerheisseste Kampf hat getobt über die Entscheidung der Frage, woher die Zellen der Eiterung eigentlich stammen, ob nur aus dem Blute allein, ob nur lokal aus den Geweben, oder ob aus beiden zusammen; auch heutzutage ist noch keineswegs Frieden in diesem Punkte in der Pathologie; handelt es sich doch dabei um, wenn nicht die wichtigste, so doch eine der allerwichtigsten Fragen dieser Wissen- schaft überhaupt. Ich hoffe darum, dass vorliegende Untersuchungen, die der einen Quelle des Hauptkontingentes der weissen Blutkörperchen bis auf den Urgrund nachspüren, dazu beitragen werden, diese Frage in ein neues Licht zu setzen. Aufs genaueste ist die Untersuchung der Eiterungsvorgänge in der Peripherie an ihrem lokalen Sitze mit Hilfe der anatomisch-mikro- skopischen Technik möglich und auch bis in die letzten Konsequenzen bereits ausgeführt. Auch das Knochenmark, das bis jetzt auffallenderweise in dieser Richtung sehr vernachlässigt war, ist in allerneuester Zeit Gegenstand lebhafter Untersuchungen geworden1) und wird es noch mehr werden; jedenfalls ist es für die Technik leicht zugänglich. Nur allein bezüglich des Bindegliedes, des Blutes, besteht eine bis jetzt unüberbrückte Kluft; hieran ist aber nicht die Technik schuld, die etwa bis auf den heuligen Tag fehlte, — sie steht vielmehr gerade bezüglich des Blutes in hoher Entwickelung —, sondern es lag teils an der Schwierigkeit der Untersuchung, die durch die grossen, sehr zeit- raubenden Zählungen bedingt ist, teils in dem Umstände, dass solche Untersuchungen wohl nur am Lebenden selbst ausführbar sind> d. h. i) Rubinstein, Grawitz, Schur und Löwy. Siehe die Literaturangaben bei Grawitz S. 126 und 127. Fälle. 113 von dem Kliniker, der aber nur vereinzelt über die nötige Zeit ver- fügen dürfte. Die Hauptursache indessen, warum bis jetzt alle darauf gerichteten Untersuchungen nur ganz unbefriedigende Resultate ergaben, ist wohl hauptsächlich in dem Mangel einer leicht ausführbaren und dabei doch leistungsfähigen Methodik begründet. Als Beleg für die unbefriedigenden Resultate der bisherigen Unter- suchungen seien an dieser Stelle kurz einige der Autoren zitiert, die heutzutage mit zu den besten Kennern der einschlägigen Verhältnisse zu rechnen sind. v. Limbeck sagt (1. c.) S. 248 am Schlüsse seiner allgemeinen Ausführungen über die Leukocytose speziell im Anschlüsse an den Er- klärungsversuch, den Jakob und Goldscheider bezüglich der Leuko- cytose machen: „Man sieht, dass die gegebene Erklärung der Erscheinungen der Hyper- und Hypoleukocytose nur eine indirekte Beschreibung des Beob- achteten ist, in welcher das tätige Eingreifen der Leukocyten anziehenden oder abstossenden Kräfte der betreffenden Substanz sich rechtzeitig ein- stellt. Tatsächlich sind wir auch heute nicht in derLage, eine wirkliche Einsicht in die Erscheinungen der positiven und negativen Chemotaxis zu erlangen und müssen uns auf die Kenntnis gewisser Tatsachen beschränken." Grawitz (IL Aufl. 1902, S. 121) sagt aus gleicher Veranlassung: „Als Resümee ergibt sich bei objektiver Prüfung der bis jetzt sicher gestellten Tat- sachen, dass die Entstehung des unter so ausserordentlich verschiedenartigen Bedingungen auftretenden Phänomens der Leukocytose nicht in einer einheitlichen Weise ge- deutet werden kann." Türk sagt am Schlüsse seiner mühevollen Untersuchungen S. 345: Der Blutbefund bei den Infektionskrankheiten ist ein Symptom wie manches andere, allerdings oft genug ein wichtiges, manchmal ein kardinales Symptom; aber einen absolut charakteristischen morphologischen Blutbefund für irgend eine Infektions- krankheit gibt es nicht." Nach dieser Abschweifung kehren wir zu unserem Falle zurück. Wenn wir uns einen Peritonsillarabszess richtig besehen, wie er sich entwickelt in den eminent weiten Bindegewebsmaschen um den Ton- sillen herum, in diesem sukkulenten, adenoiden Gewebe, wo für einen Abschluss und eine Abkapselung des Prozesses am denkbar wenigsten gesorgt ist, so wundern wir uns nicht über die stürmischen Erschei- nungen, die dieser Prozess lokal setzt; wir verstehen auch, dass es sich dabei, wenn irgendwo bei akuten Eiterungen, um eine schwere Allge- meininfektion, hohes Fieber etc. handeln kann, da eben die Lymph- Arneth, Blutkörperchen. 8 114 Eiterungen - spalten dort alle weit und so den Resorptionsprozessen von Toxinen etc. Tür und Tor geöffnet sind. Dementsprechend finden wir nun eine aus- gesprochene Leukocytose im Blute, oft sogar in ziemlich hohem Grade. Bei unserem ersten Falle beträgt sie 19900. Das Blutbild der Neutro- philen, das, wie erwähnt, in den Fällen der Eiterungen eine erhöhte Bedeutung gewinnt, weil die Neutrophilen in direktem Konnex zu den Eiterzellen stehen sollen, ist nun gleichfalls verändert; wir verzeichnen 26°/o Zellen in Klasse 3, 4, 5; 21 °/o in Klasse 1. Wenn wir nun die kleine Menge Eiter, — und speziell in unserem Falle war sie, wie nachträglich erwähnt sein soll, sehr gering — die sich oft bei der Inzision ganz im Gegensatz zu den schweren Intoxikationserscheinungen findet, in Rück- sicht ziehen, so müssen wir notgedrungen sagen, dass es kaum möglich ist, dass durch Entzug einer so relativ kleinen Eitermenge aus dem Bestände der weissen Blutkörperchen des Blutes das Korps der Leuko- cyten einer doch ziemlich starken Veränderung wie der in der Tabelle 27. III. 03 entgegengeführt werden konnte. Auch der Umstand, dass es hier in der Tat die älteren mehrkernigen Zellen sind, die aus dem Blutbilde weggeraubt wurden, und sich vielleicht dafür im Eiter wieder- finden, wäre kein Beweis. Wir können diese Behauptung in sehr einfacher Weise sogar zahlenmässig belegen. Wenn wir des Exempels und der Einfachheit halber die normale Leukocytenzahl des Erwachsenen zu 6000 in cmm annehmen und das neutrophile Blutbild des Falles 45 als um 25°/o gegenüber der Norm nach links verschoben betrachten, somit also 25 °/o der in diesem Blutbilde vorhandenen Zellen als normalerweise nicht vor- handen und ebensoviele (25°/o) als dafür zu gründe gegangen in Rech- nung ziehen, so ergibt sich bei der Ausrechnung (den Radius eines weissen Blutkörperchens nur zu 0,005 mm in die Formel für den Kugel- inhalt 4/3 r3?i eingesetzt), dass die 25°/o zu gründe gegangenen neutro- philen Leukocyten 5 ccm Volumen ausmachen. (Die Gesamtblutmenge des Patienten, der 169 Pfund wog, wurde zu 6V2 Liter in Rechnung gestellt.) Nun geht aber der Prozess der Absumption der weissen Blut- körperchen oft tagelang, mindestens solange als der akute unabge- kapselte Prozess besteht, im Blute weiter und ausserdem ist in Anschlag zu bringen, was wir der Einfachheit halber gar nicht in Betracht ge- zogen haben, nämlich dass immer eine Leukocytose gleichzeitig (in unserem Falle sogar von 19900) existiert. Es muss daher das Resultat in zunächst nicht übersehbare Poten- zen noch erhöht werden. Eine Ungeheuerlichkeit wäre es also, die Ansammlung der kleinen Eitermenge um den Tonsillen herum als Ursache für die Massenvernich- tung von Neutrophilen im Blute anzusehen. Fälle. 115 Daraus ergibt sich aber die zwingende Notwendigkeit, nach einer anderen Ursache für das so massenhafte Verschwinden der Leukocyten aus dem Blute zu fahnden, die denn auch auf der Hand liegt. In einem später erscheinenden Teil unserer Arbeiten dürften wir — zum Teil auf Grund eigener ad hoc angestellter Experimente, zum Teil an Hand der Literatur — vielleicht dieser Frage näher zu treten haben. Das eine sei hier in Rücksicht auf die obigen Ausführungen betreffs Provenienz der Leukocyten bei akuten Eiterungen und in den Geweben in positiver Richtung betont, dass nunmehr ohne Schwierig- keit die Herkunft der Eiterzellen auf das Blut, wenn dasselbe entspre- chende Veränderungen in dem ausgeführten Sinne aufweist, zurück- geführt werden könnte. Selbst grösste Eiterungen könnten so unter Umständen bezüglich ihrer Provenienz die einfachste Erklärung finden. Auf Grund unserer obigen Ausführungen sind aber auch die anderen Fragen aufzuwerfen: ist es vielleicht gar nicht eine der Hauptauf- gaben der Blutleukocyten, nach dieser Richtung tätig zu sein, und ist es vielleicht doch nicht mehr den lokalen Zellen überlassen, den Eiter zu bilden? Angesichts unserer Erfahrungen, die wir aus dem Verhalten der Neutrophilen bei den Infektionskrankheiten in vorliegender Arbeit ge- wonnen haben, die Notabene ja ohne Eiteransammelung ablaufen und doch das gleiche Blutbild aufweisen (bezüglich der Leukopenie s. u.), sind wir eigentlich zu dieser Annahme genötigt. Es erscheint in der Tat einstweilen keine andere Erklärung möglich, den vollgültigen Beweis wird aber die morphologische Unter- suchung des jeweils produzierten Eiters zu liefern im stände sein; denn wenn die Eiterzellen die aus dem Blute verschwindenden Leukocyten in Wirklichkeit sind, so müssen sie auch die gleiche formale Beschaffen- heit haben. Wir fahren nun in der Wiedergabe unserer klinischen Beobach- tungen fort. 46. F., 19 Jahre, Landwirtschaftsschüler, 19. XII. 02—23. XII. 02, leidet seit drei Tagen an einem Peritonsillarabszess; Fieber bis 38,5° i. a. Zweimalige Inzision; das erste Mal am 21. XII. Mittag, dann am 22. früh 10 h; beide Male entleerte sich stinkender Eiter. Leukocytenzählung vor der IL In- zision 22. XII. 02: 14600. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5u. m. Fall 46 MjW1 T 1 i 2K 2S 1K1S 31^ 3S 2K1S 28 1K 4Kj4S 3K1S 3S1KJ2K2S I F. 19 Jahre . . — 1 — 18 — 31 25 6 1 9 8 ' 1 1 ] — 1 i 8* 116 Eiterungen- Der Fall gleicht dem vorausgehenden vollständig, wir brauchen darum nichts zuzufügen. Dasselbe Verhalten müssen wir dem folgenden Fall gegenüber an den Tag legen. 47. K., Joseph, 35 Jahre, Schuhmachermeister, 8. IV. 03—9. IV. 03 (+). Stirbt einen Tag nach Verbringung ins Spital unter den Symptomen einer manifesten Meningitis suppurativa, ausgehend von einer chronischen Eiterung im rechten Ohr. Path.-anat. Diagnose: Meningitis suppurativa diffusa ex perforatione. Otitis media suppurativa chronica. Der gesamte Subarachnoidealraum war in einen grossen Eitersee, be- sonders auch an der Konvexität verwandelt, die Hirnmasse sehr hyperämisch, in den Ventrikeln trübe Flüssigkeit, keine Sinusthrombose, mit Eiter aus- gefüllte Perforationsöffnung. Leukocytenzählung am 9. IV.: 10700. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5u. m. Fall 47 M w T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1E 4E 4S 3K1S 3S1K 2K2S K. Joseph . . — — 32 2 20 27 1 2 10 4 1 — 1 — — Naturgemäss ist für den Übergang des Eiters, bezw. der Ver- giftungsprodukte der Bakterien in die Säftemasse in den weiten Subarach- noidealräumen so gut wie gar keine Grenze gezogen, wir verstehen daher den unfehlbar letalen Ausgang und auch das schwere Bild der Allgemeininfektion, das die akute eiterige Meningitis darbietet. Das neutrophile Blutbild (9. IV. 03) ist dabei selbstverständlich viel stärker verändert, wie bei den obigen Fällen von Angina phlegmonosa. 48. K., Marie, 27 Jahre; septische Schenkelvenenthrombose im An- schluss an eine Geburt vor zwei Tagen; 2 h nach einem Schüttelfrost bei 41,7 ° in der Achselhöhle. Leukocytenzählung: 12300. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5u. m. Fall 48 M W T 2K 2SJ1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4KJ4S 3K1S 3S1K 2K2S 4K1S K. Maria . . 1 — 16 4 18 26 4 — 19 5 2 — 4 — — 1 Wir sind überrascht, die Veränderungen der Neutrophilen direkt nach einem septischen Schüttelfrost nicht einmal so stark zu finden wie bei der Angina phlegmonosa, auch die Leukocytose von 12300 erreicht die dortige Höhe nicht. Wir haben es eben wahrscheinlich nur mit einer einmaligen Überflutung des Blutes mit dem Gifte zu tun, wäh- rend dort in fortgesetzter Weise. Fälle. 117 49. Gl., Georg, 70 jähriger, aber noch kräftiger Mann, der wegen einer allerschwersten Phlegmone mit Vereiterung des Schultergelenkes in septischem Zustande eingeliefert und sofort operiert wurde. Noch am Tage nach der Operation schwebte er zwischen Leben und Tod, da die Phlegmone zunächst nicht zurückging. In diesem Zustande wurde am 19. V. 01 bei einer Tem- peratur von 39,0° in axilla eine Leukocytenzählung gemacht, die das ex- zeptionelle Resultat von 4200 ergab. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 II 2 1 3 4 5u. m. Fall 49 lllwl T^K^S 1K1S 3K 3S 2K lS 2S 1K 4E 4S 3K IS 3S1K 2K2S Gl. Georg . . 5 55'4|21| 15 1 l !: ! Nicht minder ausgezeichnet ist der Befund bezüglich des Blut- bildes; bei allen unseren Untersuchungen ist uns kein Fall begegnet, der eine derartig hochgradige Veränderung der Neutrophilen aufge- wiesen hätte; selbst der Fall St. Valentin (Nr. 64), der zu 71°/o Zellen T bietet, hat wenigstens noch 4 °/o Zellen in der Klasse 3 (s. später); hier aber sind davon überhaupt keine mehr vorhanden. Aber trotzdem sich 100°/o der Zellen in den Klassen 1 und 2 finden, fehlen doch Myelo- cyten ganz, wenigstens unter den 100 gezählten Zellen; bei längerem Suchen sind wTohl vereinzelte Exemplare gefunden worden, ebenso ist es beim Falle St. Valentin (s. später); vielleicht ist dieser Umstand prognostisch in die Wagschale zu werfen; beide Fälle konnten nämlich durch die Operation zunächst gerettet werden; der 7Q jährige starb allerdings acht Tage später an einer Lungenentzündung. Hiermit verlassen wir zunächst das Gebiet der akuten Eiterungen und gehen zu den chronischen über; wir werden unten bei der zusammen- hängenden Besprechung der Perityphlitis noch einmal auf das erstere Kapitel kurz zurückkommen müssen. Wir müssen bei den chronischen Eiterungen am besten unter- scheiden zwischen offenen und geschlossenen. Von einfachen offenen haben wir zunächst 4 reine Fälle zu besprechen. 50. H., Stephan, 65 Jahre alt, hat seit acht Tagen besonders starken Auswurf; in den letzten drei Tagen vor der Untersuchung hat er täglich V2 Spuckschale reinen Eiters im Spital ausgehustet (= 250 ccm). Leukocytenzählung am 21. IV. 03, mittags 12 h: 6800. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 mjwIt 2 3 4 5u.m. Fall 50 2KJ2S 1K1S 3K| 3S| 2K IS ', 2S 1K 4K 4s| 3K IS 3S 1K 1 2K 2S 1 1 1 EL Stephan . . -j-is 1 —j38 1 23 2 ! 4 7 14 2 — 2 — 118 Eiterungen- 51. K., Michael, 72 Jahre alt, gibt an, seit zwei Jahren jeden Tag min- destens eine halbe Spuckschale eiterigen Auswurfes zu haben; am Tage vor der Untersuchung betrug die beobachtete Menge 3/4 Spuckschale. Leukocytettzähluug am 21. IV. 03, mittags 12^2 h: 8700. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5u.m. Fall 51 M W T 2K 2S 1K 1SJ3KI3SI 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S K. Michael . . — 11 24 21 — 5 1 I 15 15 21 — 3 1 3 fall 50 und 51 sind Zwei gleichzeitig auf der Abteilung befindlich gewesene Fälle von chronischer Bronchitis bei Emphysem mit einem kopiösen rein eiterigen Auswurf. Im ersten dieser beiden Fälle, wo die Bronchitis erst seit acht Tagen besonders reichliches Sekret lieferte, also eine akute Verschlimme- rung eines chronischen Leidens anzunehmen ist, besteht nach unseren Begriffen nur eine ganz geringe Vermehrung der Gesamtleukocyten (6800); dementsprechend haben wir auch im neutrophilen Blutbilde nur eine kleine Verschiebung nach links, die sich hauptsächlich in der Klasse 2 bemerkbar macht (61°/o). In dem zweiten ganz chronischen Falle be- steht zwar eine noch etwas höhere Gesamtleukocytenzahl, aber das neutro- phile Blutbild ist kaum verändert. In keinem der Fälle handelte es sich etwa um Fieber oder sonstige Zeichen der Allgemeininfektion. In dem ersten Falle könnten wir daher die Erklärung geben, dass die seit acht Tagen erst bestehende Bronchialeiterung quasi als Leuko- cytaktikum wirkte und hier eventuell ein nicht unbeträchtlicher Teil der im Blute vermehrt anwesenden Neutrophilen für die kontinuierliche Eiterbildung seine Verwendung findet. Ob wir es aber in Wirklichkeit bei solchen offenen Eiterungen und bei dem Mangel jeder Infektion im Gegensatz zu unseren obigen Ausführungen mit einem aus dem Blute erfolgenden Ersatz der Eiterzellen zu tun haben, sei ebenfalls einst- weilen noch dahingestellt (vergl. S. 115). In dem zweiten Falle besteht nach unserer Anschauung eine chronische Form einer leichten Leukocytose, sie datiert wahrscheinlich schon seit zwei Jahren; darum finden wir auch keine Veränderung des Blutbildes, weil sich das Knochenmark auf eine etwas höhere Leuko- cytenproduktion im ganzen für dauernd eingestellt zu haben scheint und so nur die Quantität aber nicht die Qualität der Zellen eine Veränderung erleidet. 52. M., Franz, 19 Jahre alt. Patient hat wegen einer Osteomyelitis zwei Knochenoperationen am 21. II. 03 und 25. III. 03 durchgemacht und leidet jetzt an einer profusen rahmigen Eitenmg aus einer grossen Wunde am linken Oberschenkelknochen. Er ist sehr blass, sein Ernährungszustand ebenfalls Fälle. 119 reduziert, Fieber besteht nicht; die Zählung der Leukocyten am 8. IV. 03 ergibt 11600. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 2K2s!lKlS 3 4 5 u. m. Fall 52 m|w T 3K3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S M. Franz . . 1 1 39 1 I 1 23) 27 J ! 1 2 1 4 1 — — — — — Das Blutbild ist sehr hochgradig verändert, nur 8°/o finden sich in Klasse 3, 4, 5; W und M sind zu je l°/o vertreten und nicht weniger als 39°/o T. Da wir hier keine sonstigen Anhaltspunkte haben für einen besonderen Verbrauch von Neutrophilen im Blute selbst oder zu anderen Zwecken, so könnten wir auch in diesem sehr ausgesprochenen Falle die Blutveränderung fast nur allein als durch den chronischen Eiterverlust bedingt ansehen. Es wird jedoch auch in solchen Fällen späterhin die gleichzeitige Eiteruntersuchung auszuführen sein und viel- leicht die Entscheidung geben können. Der Organismus arbeitet in unserem Falle, um das tägliche Defizit zu decken, mit Vermehrung der Gesamtzahl auf 11600 und einer starken Verschiebung des neutrophilen Blutbildes nach links. Wir verstehen, dass unter solchen Zuständen die übrigen Geschäfte der Leukocyten im Körper Not leiden müssen und die Individuen zugleich auch aus diesem Grunde rasch stark herunterkommen. 53. St., Christian, 27 Jahre alt, Bauer, leidet an einer durch die Sektion bestätigten reinen Myelitis transversa im unteren Brustmark. Es hat sich ein ungeheuerer Decubitus trotz bester Pflege entwickelt; soweit das Gesäss reicht, sowie an den beiden Trochanteren liegen die Knochen bloss, auch an dem rechten Unterschenkel hat sich ein unaufhaltsamer, sogar die Waden- muskulatur befallender Brand eingestellt; eine riesige jauchig-eitrige Sekretion besteht besonders seit acht Tagen, täglich muss zweimal der Verband gewechselt werden, da die untergelegten Mooskissen immer in kurzer Zeit vollständig durchtränkt sind. Patient, der bis vor acht Tagen, wo der Brand am Unter- schenkel noch nicht bestand, leidlich gut ernährt gehalten werden konnte, ist seitdem rapid verfallen. Trotz des schrecklichen Eiter- und Jaucheprozesses besteht kein Fieber. Die -vorstehenden Angaben sind gemacht mit Bezug auf die Leukocytenzählung am 7. IX. 03, die 27100 ergab. Neutrophile Blutbildtabelle: l l |m|w] t 2 3 4 5u.m. Fall 53 2K 2S 1K1S 3KJ3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S 4K1S St. Christian . 12 34 1 — 38 15 1 — 1 6 — — — — 1 1 120 Eiterungen- Das neutrophile Blutbild ist fast genau ein Abklatsch des vorigen Falles; im Vergleiche mit diesem, der chronischer verlief und nicht so kolossale Eitermassen produzierte, haben wir jedoch entsprechend eine fast dreifach so starke Vermehrung der Gesamtzahl. Sonst gilt vice versa alles, was bei dem vorigen Falle ausgeführt wurde auch hier. 54. K., Elise, 9 Jahre alt, leidet an einer ungemein ausgebreiteten tuberkulösen Karies der Wirbelsäule, ferner an einer Calcaneus-Tuberkulose rechts, sowie an Hauttuberkulose am Halse; in den letzten Tagen hat sich sehr heftiges Fieber eingestellt. Leukocytenzählung am 17. III. 03 abends 61/» h: 22600. Am 26. III. Exitus letalis. Die Sektion ergab das Bestehen einer kolossal entwickelten Karies der Brustwirbel 1 mit 9, eine grosse putride Ent- zündung und Eiterung ausserhalb des Duralsackes infolge Perforation am 3. 4. und 5. Brustwirbel und multiple tuberkulöse Abszesse. Als Folgezustand fand sich eine ausgedehnte Erweichung des Rückenmarkes; im übrigen be- stand noch eine Enteritis follicularis und eine Bronchitis. Neutrophile Blutbildtabelle: l 2 3 4 5 u. m. Fall 54 M W T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S 1K 4KJ4S 3K IS 3S1K 2K 2S 5K K. Elise . . . 1 1 45 1 17 18 - 1 3 8 — ~ 3 1 — 1 Wie aus der Krankengeschichte hervorgeht, haben wir hier eine halb geschlossene, halb offene Form der Eiterung vor uns; mehr wiegt jedoch der geschlossene Charakter vor. Das Blutbild ist nicht ganz so stark wie bei Fall 49 verändert; dort besteht aber eine Leukopenie von 4200, hier eine Leukocytose von 22600. Wenn wir uns die beiden Fälle 49 und 54 in ihrem gegen- sätzlichen Verhalten erklären wollen, so können wir dies einstweilen nur in der Weise tun, dass wir sagen, bei dem Falle 49 handelt es sich offenbar um eine viel schwerere Form der Intoxikation, wahrschein- lich schon um Generalisation der pathogenen Mikroben im Blute, darum finden wir auch die denkbar ungünstigsten Verhältnisse, die der Blut- befund überhaupt logischerweise aufweisen kann, nämlich hochgradige Verminderung der Leukocytenzahl und gleichzeitige schwerste Alteration des neutrophilen Blutbildes. In dem Falle 54 sind ebenfalls sehr grosse Abszedierungen vorhanden; dieselben sind jedoch mehr chronischer Natur, halb und halb abgekapselt, aber es findet trotzdem von ihnen aus eine schwere Intoxikation statt, die sich äussert in hohem Fieber etc.; wahrscheinlich haben wir es hier nicht mit einer Bakteriämie wie im ersten Falle, sondern mit einer Toxinämie zu tun. Die Wirkungen beider Arten der Vergiftungen scheinen aber prinzipiell verschiedene zu sein. Damit haben wir wieder einen Kapitalpunkt berührt, der uns vielleicht späterhin noch mehr beschäftigen wird. Fälle. 121 55. M. E., Margarete, 40 Jahre, Bauersfrau; seit mehreren Wochen besteht ein septikämischer Prozess; es bestehen multiple Abszesse in den unteren Ex- tremitäten, die jeweils gespalten werden; sie sind bedingt durch entzündete Beinvenenthrombosen; auf dem linken Fussrücken hat sich auch aus der- selben Quelle ein gangränöses Erysipel entwickelt. Sechs Tage vor dem Tode (1. XII. 02), am 26. XL Leukocytenzählung um 12 h Mittag: 7100; das Blut erweist sich als äusserst wässerig und hämoglobinarm. 30. XL Bewusstlosigkeit, von Zeit zu Zeit Krämpfe; Leukocytenzahl: 4100 (also einen Tag vor dem Tode). Path.-anat. Diagnose: Dilatatio, Myo- degeneratio cordis; Emphysema, Oedema pulmonum, Pneumonia hypostatica lobi inferioris pulmonis sinistri; Pleuritis fibrinosa sinistra; Hepatitis paren- chymatosa acuta; Tumor inflammatorius lienis; Nephritis parenchymatosa acuta; Thrombosis venae femoralis lateris utriusque partim in statu emollientiae puru- lentae; Erysipelas gangraenosum dorsi pedis sinistri; Abscessus multiplices incisi subcutanei extremitatis inferioris utriusque. Septicaemia. Neutrophile Blutbildtabellen: l 2K 2 3 4 5 u. ni. Fall 55 M w|t 1 2S 1K1S 3K 1 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S E. M. Margarete 26. XL 02 . 30. XI. 02 . — 1 1 23 19 3 32 25 26 32 1 2 2 2 7 6 5 9 — 1 — 3 Der Fall stellt eine eklatante Septikämie vor, die, wie erwähnt, von thrombophlebitischen Erweichungs- und Abszessherden an den unteren Extremitäten ihren Ausgangspunkt genommen hat; gleichzeitig aber be- steht, da operativ eine Reihe von Abszessen an den unteren Extremi- täten geöffnet wurde, eine offene Eiterung dort. Das Blutbild der Patientin, die an der hochgradigsten Anämie litt, ist nach der Seite des neutrophilen Blutbildes nicht ganz so stark ver- ändert, wie wir es bei einem derartig schweren Prozess erwartet hätten. Am 26. XL 02 finden wir bei einer Gesamtleukocytenzahl von 7100 ein kaum etwas höher gestelltes neutrophiles Blutbild als am 30. XL, einen Tag vor dem Tode. Dagegen ist an diesem letzten Tage eine Leukopenie von 4100 vorhanden und fällt um so schwerer ins Gewicht. Offenbar ist der Befund nur deswegen nicht viel mehr verändert, weil durch den wochenlang vorher andauernden, eine Leukocytose erhal- tenden Prozess das Knochenmark sich der gewaltigen Mehrleistung im ganzen Umfang angepasst hat und wir vielleicht gerade in dem Momente der Überschwemmung des Blutes mit dem Gifte unsere letzte Unter- suchung ausgeführt haben; es scheint aber, dass im ersten Momente eine derartige Überschwemmung von einem Zerfall der neutrophilen Leukocyten im grossen gefolgt ist. 56. F., Valentin, 2 Jahre, leidet nach ärztlichem Bericht seit einigen Wochen an einem hochgradigen, linksseitigen postpneumonischen Empyem. 122 Eiterungen- Der Junge ist stark heruntergekommen, sehr anämisch. Die Leukocyten- zählung am 12. VIII. 03 (Blut wässerig, sehr wenig Hb. enthaltend) ergibt 12000. Nur ganz leichtes Fieber. Die Operation am folgenden Tage ent- leert gut einen Liter dicken, rahmigen, nicht riechenden Eiters, der mit Fibrin- klumpen vermischt ist. Es handelte sich demnach offenbar um ein grosses, altes, in Eindickung begriffenes, wahrscheinlich völlig steriles Empyem, das sich gegen den Körper bis zu einem gewissen Grade abgekapselt hatte. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 || 5 und mehr Fall 56 m|w| t 2K 2S 1K1S 3K3S12K1S 1 2S1K 4k'4S 1 SKIS 3S1K 2K2S 4K1S 3K2S I 4K 2S 1 I! i F. Valentin — 1 — 17 ! — 28 13 — .'8 9 i i 12 - 3 2 5 1 1 1 Trotz der im Vergleiche mit den Dimensionen des herunter- gekommenen Knaben als kolossal zu bezeichnenden Eiteransammlung finden wir nun einen Blutbefund, der uns wiederum sehr zu denken gibt. Es besteht nur eine Gesamtzahl von 12100 Leukocyten, und was das neutrophile Blutbild anlangt, so dürfte dies nur wenig, höchstens um 10°/o, nach links verschoben sein. Der Fall ist äusserst lehrreich. Es besteht eine sogenannte asep- tische Eiterung im Körper; der Prozess ist in ein chronisches Stadium eingetreten, in dem der Bedarf an Leukocyten nur mehr geringen Um- fang hat; wegen Mangels, von pathogenen Mikroben und deren Produkten kommt es nicht mehr zu Fieber und sonstigen Äusserungen der Allge- meininfektion; nur der Ernährungszustand hat im ganzen darunter ge- litten; infolgedessen hat der Körper möglicherweise nur den täglichen Mehrbedarf an Leukocyten, der bei der chronischen, fast abgekapselten Natur des Empyems offenbar sehr bescheidene Grenzen innehält, zu decken; ein Zerfall von weiteren Leukocyten im Blute, durch resorbierte Substanzen bedingt, kommt aber auch möglicherweise in Betracht. Wir sind nun schon verschiedenen Fällen begegnet, wo wir eine bakteriologische Kontrolle des Blutes bezw. des Eiters sehr gut zur Stütze unserer Anschauungen hätten verwenden können; dass diese nicht ausgeführt wurde, liegt daran, dass wir erst bei der Ausarbeitung der Befunde auf die Notwendigkeit solcher aufmerksam geworden sind; sie dürfte in künftigen Fällen nicht zu versäumen sein. b) Perityphlitis. Die hier zu besprechenden Fälle gehören zu den geschlossenen Eite- rungen, von denen wir oben schon gesprochen haben; die bereits be- sprochenen Fälle Nr. 45, 46, 47, 56 gehören eigentlich ebenfalls zu den- selben. Da aber in der allerneuesten Zeit gerade das Gebiet der Peri- Perityphlitis. 123, typhlitis und die mit ihr verbundenen Leukocytenveränderungen, wie es scheint, nicht mit vollem Rechte übermässig auf den Schild gehoben wurden, so möchte ich dieses Kapitel auf Grund meiner Untersuchungen, getrennt von den übrigen Eiterungen, einer zusammenfassenden Be- sprechung unterwerfen, die, wie ich hoffe, die widersprechenden Anschau- ungen bis zu einem gewissen Grade zu vereinen im stände sein wird. Wir müssen in der Perityphlitis eine besondere Form der Eiterung ähnlich wie bei der Peritonsillitis phlegmonosa nur insoweit erblicken, als hier wiederum die Lokalisation des Eiters eine für den Körper denkbar ungünstige ist. In dem Peritoneum und in dem retroperi- tonealen lockeren Bindegewebe wird es relativ schwerer zu einem völligen Abschluss der Eiterung gegen den Körper kommen. Eine In- fektion wird daher besonders leicht möglich sein, beziehungsweise noch höhere Grade erreichen können als sonstwo. A priori ist hier logischerweise eine strenge Unterscheidung zu machen. Es wird Fälle geben, wo die Abgrenzung der Eitererreger nicht eintritt; wir müssen zuvörderst hierzu diejenigen rechnen, wo in- folge der eminenten Virulenz der in Betracht kommenden Bakterien sofort eine eklatante Sepsis mit bakterieller Überschwemmung des Blutes auftritt; derartige Fälle sind nach allgemeiner Erfahrung nicht zu selten, wir müssen sie in Parallele setzen mit den auch sonst ge- legentlich zu beobachtenden, akutesten, rasch letalen Blutvergiftungen im Anschlüsse an oft geringfügige Affektionen. Auch die Operation hilft in solchen foudroyanten Fällen, trotzdem sie anscheinend gelungen ist, natürlich nichts; die Patienten kommen rapid ad exitum. Wir haben in den letzten Jahren zwei derartige Fälle zu verfolgen Gelegenheit gehabt. Blutuntersuchungen stehen noch aus; sie werden voraussicht- lich von grösserer Bedeutung nach mancher Richtung werden. Patho- logisch-anatomisch findet sich entweder gar kein Befund als die sep- tischen parenchymatösen Veränderungen an den Organen, bezw. die- selben eben im Beginne der Entwickelung, oder eine beginnende Peri- tonitis septica mit Folgen (dann kommt wohl auch eine reine Toxin- ämie in Frage). Eine Peritonitis kann natürlich in einer zweiten Reihe von Fällen bei sofortigem Durchbruch ins Peritoneum auch primär sofort auf- treten; wir finden dann die diffuse eiterige Perforationsbauchfellent- zündung entwickelt. Ferner erinnern wir uns eines Falles, wo sich eine foudroyante Eiterung sofort in grösstem Massstabe in dem ganzen retroperitonealen Bindegewebe nach Art einer grossen Phlegmone nach oben, nach unten und gegen die Seiten ausbreitete und ebenfalls rasch septisch trotz Operation zum Tode führte. 124 Perityphlitis. Eine Reihe von Fällen, und damit kommen wir zu den gewöhn- licheren, verläuft ungemein rasch; sie setzen zwar auch mit den meisten charakteristischen perityphlitischen Symptomen ein, jedoch sind dieselben meist nicht so intensiv; es fehlt eventuell sogar der Schüttelfrost und das folgende hohe Fieber, eine Tumorbildung wird überhaupt nicht oder nur sehr schwach deutlich, verschwindet dann aber rasch im weiteren Verlaufe. Es sind dies die Fälle, die man auch als Perityphlitis serosa bezeichnet hat und bei der Schwierigkeit eines strikten Beweises klinisch vielleicht besser als Perityphlitis levis bezeichnen dürfte; der innere Kliniker hat es sehr oft mit solchen Fällen zu tun; nach unseren Er- fahrungen bleibt ein Teil dieser leichten Fälle für die ganze Zukunft gesund, diese Fälle sind dann wohl die eigentlichen Fälle von Peri- typhlitis serosa gewesen; ein grosser Teil dieser anfänglich ebenfalls so bezeichneten Fälle rezidiviert aber früher oder später und führt früher oder später zur Operation; man darf wohl annehmen, dass in diesen Fällen dann meist primär beim ersten Anfall schon Eiter vorhanden war, der jedoch wegen seiner geringen Infektiosität nur wenig stürmische Er- scheinungen setzte und durch gute Abkapselung für zunächst unschäd- lich gemacht wurde. Das Gros der Perityphlitiden verläuft jedoch akut in der Weise, dass es im Anschlüsse an die Perforation des Wurm- fortsatzes zu einer lokalen eiterigen, abgekapselten Peritonitis kommt, die die Indikation zur Entleerung des Eiters früher oder später abgibt. Derartige Fälle können, wenn sie nicht operiert werden, zu grossen Abszesshöhlen Veranlassung geben und sich, immer aber abgekapselt, besonders gerne nach oben bis unter die Leber aber auch nach unten und, wie ich in letzter Zeit zwei Fälle beobachtet habe, über die Mittel- linie über die Blase hinweg gegen die andere Seite (einer davon ist Fall 63) oder nach hinten (Fall 62) sich ausbreiten. Auch können die Abszedierungen relativ längere Zeit kleinen Umfang beibehalten und sind dann besonders gut abgekapselt. Damit sind die gewöhnlichsten Fälle des Verlaufes kurz erwähnt, wie wir es für unsere Bedürfnisse und mit Rücksicht auf die unten zu besprechenden Fälle für ausreichend gehalten haben. Wir wollen nun versuchen, zu einem umfassenden, aber möglichst kurzen Resümee der seit Curschmanns Veröffentlichung gefundenen Tatsachen zu gelangen. Übersicht. Curschmann1) war im Jahre 1901 mit einer Aufsehen erregenden Arbeit die Veranlassung, dass auf unserem Gebiete sich alsbald eine ') „Zur diagnostischen Beurteilung der vom Blinddarm und Wurmfortsatz ausgehenden entzündlichen Prozesse." Münch. med. Wochenschr. 1901 Nr. 48 u. 49. Übersicht. 125 rege Untersuchungstätigkeit entfaltete. Schon früher (Hayem, Rieder Grawitz, v. Limbeck u. a.) waren mit Bezug auf Eiterungen Unter- suchungen jedoch mehr im allgemeinen ausgeführt worden. Die wichtigsten seiner Schlussfolgerungen aus einer grossen Reihe von Leukocyten- zählungen bei Perityphlitis lauten nach den uns interessierenden Rich- tungen ungefähr folgendermassen: AppendicitismitsogenannterfibrinöserExsudationist fast immer sicher zu entscheiden durch die Leukocytenzählung; man findet entweder gar keine oder nur geringe, im weiteren Verlauf zur Norm zurückkehrende Vermehrung. Höhere Leukocytenzahlen (eventuell bis 22000) kommen nur vorübergehend am Anfang vor. Appendicitis mit Abszessbildung. Dauernd hohe Zahlen in den ersten Tagen oder im Verlaufe verraten mit Sicherheit Abszess- bildung. Einmalige Zahlen über 25000 sind schon am Anfang der Er- krankung sehr verdächtig, nach längerer Dauer so gut wie sicher Eiter anzeigend. Die Leukocytenzählung ist diagnostisch hier weit besser zu verwerten als das Verhalten des Fiebers. Wie aus dem Referate einer Arbeit von Bruhn-Fahraeus *) zu ersehen ist, hat dieser Autor schon vor 1901 die Leukocytenfrage bei Appendicitis behandelt. Er fand —, dass das Vorhandensein einer Leukocytose mit Sicherheit für Eiteranwesenheit spricht; ihr Fehlen dürfte dagegen in den meisten Fällen den nicht-eiterigen Charakter dar- tun. Die weissen Blutkörperchen seien daher auch dahin von differen- tial-diagnostischer Bedeutung, ob sterkorale, hysterische oder echte Peri- typhlitis vorliegt. Auch für die Behandlung sei die Zahl zu kennen wichtig. M. Wassermann2) bestätigt die Sätze Curschmanns insoweit, als er über günstig verlaufene Fälle ohne operativen Eingriff berichtet, die trotz klinisch bedenklicher Symptome auf Grund der Leukocyten- zählungen nicht operiert wurden. Auch bei der Abszessbildung fand er die gleichen Resultate wie Curschmann und preist die neue Methode in hohem Grade, fügt aber hinzu, dass es allerdings auch Fälle mit klinisch nachgewiesener ausgebreiteter Abszessbildung gibt mit nur massiger Erhöhung der Leukocytenzahl; dieselben gehörten jedoch zu den ganz seltenen Ausnahmen und seien in der Eigentümlichkeit der Fälle begründet. (Schwere der Erkrankung und damit verbundene Er- schöpfung des Organismus an Reaktionskraft einerseits, andererseits chronischer Verlauf und starke Abkapselung). i) Klinische Studien über die Zahl der weissen Zellen im menschlichen Blute. Nord. med. Archiv 1897, Nr. 15 u. 20. Zentralblatt f. inn. Med. 1898, 33. 2) „Über das Verhalten der weissen Blutkörperchen bei einigen chirurgischen Eiterungen, insbesondere bei der Appendicitis." Münch. med. Wochenschrift 1902, Nr. 17 und 18. 126 Perityphlitis. Die Leukocytose ist eine im wesentlichen polynukleäre, neutro- phile; eine Relation zwischen gewissen Bakterien und der jeweiligen Leukocytenvermehrung ist nicht abzuleiten. Auch peritoneale Reize, die nicht auf Infektion und Eiterung be- ruhen, wie Zerrung durch Brucheinklemmung, Verletzung durch Messer- stiche oder operative Eingriffe, können eine massige, individuell ver- schieden hohe Leukocytose hervorrufen. In dieser spezifischen Reaktions- kraft des Peritoneums dürfte der Grund liegen, dass wir im Gegensatze zu den hohen Leukocytenwerten bei Eiterungen in seiner unmittelbaren Nähe bei an anderen Körperstellen lokalisierten Abszessen und phleg- monösen Eiterungen nur geringere Leukocytenvermehrungen antreffen. Joy and Wright1) bringen nichts Neues in dieser Frage. Küttner2) ergänzt die Ausführungen Curschmanns nach folgenden Richtungen: In den Fällen foudroyanter allgemeiner Peritonitis im Gefolge der Perforation des Appendix fehlt mangels der Reaktion des schnell unter- liegenden Organismus auch die Leukocytose. Dagegen konstatiert man in Fällen, die klinisch ganz den Eindruck einer allgemeinen Peritonitis machen, bei denen aber wohl der eine oder andere Abschnitt der Bauch- höhle noch frei oder jedenfalls die Widerstandskraft des Organismus erhalten ist, ungewöhnlich hohe Leukocytenzahlen. Sehr beeinträchtigt wird die praktische Bedeutung der Leuko- cytenzählungen dadurch, dass nur dem Befunde hoher Leukocytenzahlen eine gewisse Beweiskraft zukommt, während niedrige Zahlen gar nichts beweisen. Ist z. B. die Entwickelung des Prozesses eine mehr chronische oder bekommt man den Patienten mit dem bereits fertigen Abszess in einem nicht mehr ganz akuten Stadium in Behand- lung, so kann die Zählung niedere Werte ergeben. Dies wurde kon- statiert in einem älteren, 1 Liter Eiter enthaltenden Abszesse und bei einem kleineren, allseitig von derben Schwielen abgekapselten Eiterherd. Sowohl bei einfachem ohne Operation genesendem Falle, als auch bei der lebensgefährlichen Gangrän des Wurmfortsatzes kann in den ersten Tagen die Leukocytose gleich massig ausgesprochen sein; darum ist die grösste Vorsicht nötig und die Zählungen können nur als Unterstützung und Ergänzung unserer sonst keineswegs zu vernachlässigenden klinischen Kriterien gelten, die für die Zeit des Operierens massgebend sind. Küttner betont des öfteren, dass überall weniger die absoluten Zahlen an sich Bedeutung haben als die Tendenz zum Steigen oder Fallen. i) Leucocytosis as a point of progressis in appendicitis, New York med. news 1902 April. 2) „Diagnostische Blutuntersuchung bei chirurgischer Eiterung." Zentralblatt für Chirurgie 1902, Nr. 26; Beiblatt (Selbstbericht.) Übersicht. 127 J. Schnitzler (Wien)1) ist in folgenden Punkten abweichender Meinung. Er behauptet, dass jedes klinisch nachweisbare appendi- citische Exsudat Eiter enthalte und dass man nicht den Schluss machen dürfe, Fälle ohne ansteigende Leukocytose gehörten in das Gebiet der inneren Medizin. Gibt es doch frische Fälle von Gangrän, ja frische Fälle von Perforation des Processus vermiformis ohne Eiterung und infolgedessen ohne Leukocytose. So scharf man die Leukocytose zur Diagnose der Eiterung verwenden kann, so wenig soll sie entscheidend sein bei der Indikationsstellung zur Operation. Da Costa (Philadelphia)2) betont, dass mit den Zählungsresultaten, deren Bedeutung er im übrigen beipflichtet, für die Diagnose nicht viel gewonnen sei, insoferne auch eine niedrige Leukocytenzahl bei septischen Fällen vorkommen kann. Das Fehlen einer Leukocytose bei unzweifel- haft septischen Fällen ist von ernster Bedeutung, sonst ergibt eine sehr niedrige Leukocytenzahl noch keinen sicheren Anhalt für die Prognose. Blassberg3). Von seinen Schlüssen sei folgendes erwähnt: Bei jedem eiterigen Prozesse ist Leukocytose anzutreffen, kleiner bei äusseren, grösser bei inneren Eiterungen. Die Leukocytose ist als spezifischer reaktionärer Vorgang des Organismus gegen Infektion aufzufassen; diese Reaktion bleibt aus bei schwacher oder ganz starker Infektion, welcher rapid der Tod des In- dividuums folgt und wodurch zur Entwickelung einer Leukocytose keine Zeit erübrigt. M. Dükmann (Greifswald)4) hat die Curschmannschen Er- fahrungen bei gynäkologischen Prozessen (40 Fälle) bestätigt gefunden und bezeichnet die Zählung der weissen Blutkörperchen als ein wesent- liches und unentbehrliches Hilfsmittel in der Diagnose der weiblichen Genitalerkrankungen. A. Kühn (Rostock)5) bringt eine Bestätigung der Curschmann- schen Angaben und der von den vorauszitierten Autoren bereits ge- machten Einschränkungen. i) „Über die Verwertung der mikroskopischen Blutuntersuchung zur Diagno- stik und Indikationsstellung bei intraabdominalen Eiterungen." Wien, Klin. Rund- schau 1902, Nr. 10. Referat im Zentralblatt für Chirurgie 1902, Nr. 24. *) „The clinical value of blood examination in appendicitis" (Amer. journ. of the med. sciences 1901 November.) Referat im Zentralblatt für innere Medizin 1902, Nr. 19. 3) „Über das Verhalten der weissen Blutkörperchen bei eiterigen Prozessen." Przeglad lekarski (polnisch) 1902, 34 ref. deutsche mediz. Wochenschr. 1902, Nr. 36. 4) „Das Verhalten der weissen Blutkörperchen bei eiterigen Prozessen im Geni- talapparat der Frau — ein diagnostisches Hilfsmittel in der Gynäkologie" 1902, Nr. 14 ref. Münch. med. Wochenschr. 1902, Nr. 15. 5) „Zur diagnostischen Bedeutung der Leukocytenwerte bei Typhus abdomina- lis und bei chirurgischen Eiterungen. Münch med. Wochenschr. 1902, Nr. 49. 128 Perityphlitis. Coste (Strassburg)l) kann auf Grund von 29 Fällen ebenfalls das meiste bestätigen. Er fand in drei Fällen auch die Beobachtung Küttners als zutreffend, dass bei eiteriger Perforativperitonitis die Zahl der weissen Blutkörperchen nicht wesentlich vermehrt sei, trotz- dem grosse eiterige Exsudate durch die Operation eröffnet werden. (1. Fall: 6900 und 12900; 2. Fall: 14000 und 12000; 3. Fall: 12000.) In einem vierten Fall betrachtet er das innerhalb eines Tages vor der Operation erfolgende Abfallen der Leukocyten von 26000 auf 13000 als ein Zeichen der Erlahmung der Widerstandskraft des Organismus. Aus seinen Schlusssätzen sei noch hervorgehoben: Die mit der Perforation eines Kotsteines eintretende eiterige Peritonitis kündet sich nicht durch Leukocytose, sondern durch Zunahme der Schwere der Symptome an. Goetjes (Berlin)2) untersuchte 40 Fälle; von diesen fielen 80°/o in positivem und 20°/o in negativem Sinne nach den von Cursch- mann aufgestellten Sätzen aus. Unter den letzten 20°/o befanden sich aber gerade diejenigen Fälle, bei denen eine baldige und richtige Er- kenntnis der Schwere des Falles für die Behandlung von grösster Wich- tigkeit gewesen wäre. In zwei Fällen handelte es sich um foudroyante Peritonitiden nach Gangrän des Wurmfortsatzes mit 5000, 10000 und 28500 (Agone) bezw. 13000, 12000 und 27000 Leukocyten an den drei letzten Tagen vor dem Exitus. (Diese beiden Befunde der gegen den Exitus zu steigenden Leukocytenzahlen können wohl nicht mit der an und für sich kaum auf- recht zu erhaltenden Motivierung einer agonalen Leukocytose Erklärung finden und sprechen direkt gegen die dort vorausgeschickte, bezüglich der Fälle gegebene Erklärung. Der Verf.). In einem anderen Falle lag ebenfalls eine allgemeine foudroyante Peritonitis mit zeitweise septischen Erscheinungen vor, aber es bestand eine Leukocytose von bis zu 48000; der Fall ging in Heilung aus. Einen ähnlichen Fall habe auch Küttner beobachtet, aber nirgends finde sich in der Literatur eine Erklärung. Küttner bezeichne die Widerstands- fähigkeit des Organismus als die Ursache. Der negative Fall 4, den Goetjes ins Feld führt, dürfte wohl damit zu erklären sein, dass es sich hier, nachdem schon zweimal Peri- typhlitis vorausgegangen war, doch wohl um einen mehr oder weniger abgekapselten Prozess gehandelt haben muss; darum nur eine Steigerung auf 15000 Leukocyten. Es ist von den obigen Autoren bereits auf diese Ausnahme hingewiesen worden. (Der Verf). i) „Über das Verhalten der Leukocyten bei Appendicitis." Münchener med. Wochenschritt 1902, Nr. 49. 2) „Beiträge zur Frage der Leukocytose bei Perityphlitis." Münchener med. Wochenschrift 1903, Nr. 17. Übersicht. 129 In einem weiteren Falle (Abszess im Douglas und zwei Lumbai- abszesse) findet er im Widerspruche mit der Wasser mann sehen Annahme von dem Einflüsse der Beteiligung des Peritoneums niedrige Leukocytenwerte. Seine Schlusssätze stimmen fast völlig mit den Küttner sehen überein und er präzisiert den Wert der Leukocytenzählung dahin, dass sie im Verein mit den anderen klinischen Symptomen in den meisten Fällen ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel ist. Grawitz nimmt in seinem neu erschienenen Lehrbuche in der Frage der Appendicitis eine sehr prononcierte Stellung ein. Er betont (S. 557) sehr ausdrücklich im allgemeinen, dass nicht selten sehr aktive Entzündungsprozesse mit Eiterbildung vorhanden sein können, ohne dass eine Leukocytose besteht, dass aber die diagnostische Bedeutung dieses Symptoms von manchen Seiten zu hoch angeschlagen wird, dass zwar in manchen Fällen der positive Befund einer ausgesprochenen neutro- philen Leukocytose die Diagnose in ganz bestimmter Weise beeinflussen kann, dass aber ein negativer Befund keineswegs mit Sicherheit gegen das Bestehen eines Eiterherdes spreche. Im speziellen zur Frage der Leukocytose bei Appendicitis aber erklärt er aus eigener Erfahrung, dass Perityphlitiden ohne Leukocytose verlaufen können, trotzdem sich bei der Operation Gangrän des Wurmfortsatzes und starke Abszess- bildung findet, während andererseits eine ganz gutartige Perityphlitis gelegentlich mit Leukocytose verläuft, so dass bei negativen Be- funden an den Leukocyten von einer diagnostischen Verwertung dieses Symptoms bei Perityphlitis nicht wohl die Rede sein kann. Die zuletzt veröffentlichten Untersuchungen auf unserem Gebiete stammen von R. Gerngross1). Dieser Autor bestätigt die Cursch- mannsehen Anschauungen, insoweit es sich um leichte Fälle handelt, bei denen die Leukocytenzahl anfangs nicht unbeträchtlich vermehrt ist, dann aber in kurzer Zeit zur Norm zurückkehrt, und gleichfalls auch bei schwereren Fällen, wo die anfängliche Leukocytose in gleicher Höhe anhält oder weiter ansteigt und ein operatives Eingreifen erforder- lich macht. Nicht bestätigen konnte er die Ansicht, dass vereinzelt beobachtete Leukocytenzahlen von 25000 und darüber schon die Indikation zur Operation geben sollen. Ferner fand er, dass niedrigen Werten für das Bestehen oder Nichtbestehen von Eiterung keine Beweiskraft zu- kommt, ja dass die Leukocytose bei den rapid verlaufenden Fällen konstant zu fehlen scheint. Zur Aufstellung des letzteren Satzes kommt er hauptsächlich auf Grund zweier Fälle, von denen der eine eine akute ') R. Gerngross, Perityphlitis und Leukocytose. Münch. med. Wochen- schrift 1903, Nr. 37. Arnöth, Blutkörperchen. 9 130 Perityphlitis- eiterige Peritonitis bei Gangrän des Wurmfortsatzes, der andere eine eiterig-jauchige Peritonitis ebenfalls bei Gangrän des Appendix aufwies; in beiden Fällen fanden sich niedere Leukocytenwerte. Gerngross betrachtet daher die Leukocytenzählung nur als unter- stützendes Moment für die Diagnose und als Fingerzeig, ob der Prozess im Steigen oder in der Rückbildung begriffen ist; einen sicheren Indi- kator für oder gegen die Operation kann er darin nicht erblicken. Den Zeitpunkt für die Operation gewinnt er nach wie vor aus den anderen klinischen Symptomen. Fälle: 57. D., Johann, 15 Jahre, Schneiderlehrling, 20. XII. 02—26. 1. 03. Patient erkrankte am 20. XII. abends mit Erbrechen und Frost, sowie Schmerzen in der rechten Unterleibsseite, sowohl beim Gehen als beim Husten; keine Schmerzen beim Urinlassen. Am 20. XII. mittags erfolgte die letzte reichliche Stuhlentleerung. Der Unterleib ist nicht aufgetrieben, dagegen bretthart gespannt, in der Blinddarmgegend handtellergross druck- und perkussionsschmerzhaft; keine Dämpfung; Palpation wegen Spannung nicht möglich. Bewegungen des rechten Beines sind schmerzhaft. Es besteht am 20. abends eine Rektaltemperatur von 37,9°. In den nächsten 14 Tagen immer unter 37,8°, zweimal 37,8° am Abend. Zählung der Leukocyten am 20. abends: 7400. 22. XII. Rückgang aller Erscheinungen bis auf eine kleine zirkum- skripte, ungefähr welschnussgrosse, deutlich fühlbare Resistenzbildung in der Wurmfortsatzgegend, die nur bei stärkerem Druck schmerzt. Zählung der Leukocyten ergibt abends: 6500. Aus dem weiteren Verlaufe ist zu erwähnen, dass am 4. I. 03 Patient auf Diätfehler hin wieder etwas stärkeren Schmerz an der bezeichneten Stelle spontan angab, auch 37,9° im After wieder erreicht wurde; von da ab Rückgang der Beschwerden und völliges Verschwinden der kleinen Resistenz, so dass am 26. I. Entlassung als geheilt. Eine weitere Zählung wurde nicht gemacht. Neutrophile Blutbildtabelle: l 2 3 4 5 u. m. Fall 57 M W T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K IS 3S1K 2K2S D. Johann 22. XII. 02 . - — 7 — 26 25 1 4 12 19 - — 2 2 2 Wir haben es hier offenbar mit einem sogenannten Fall fibrinöser, seröser oder einfacher Perityphlitis zu tun. Die Resultate der Leuko- cytenzählungen weisen die denkbar geringsten Veränderungen auf: am 20. XII., dem Tage des Höhepunktes der Erscheinungen finden sich 7400, nach zwei Tagen nur mehr 6500 pro cmm; es ist so wenigstens Fälle. 131 die Tendenz auch bei diesen bis jetzt für normal gehaltenen Zahlen im Sinne einer Rückkehr zur Norm, die wir ja im Gegensatze zu anderen im nüchternen Zustande als niedriger gelegen annehmen (s. fr.) nicht zu verkennen. — Patient hatte die zwei Tage hindurch fast nichts zu essen be- kommen. — Wiehtig ist das neutrophile Blutbild vom 22. XH., ins- besondere , wenn wir es mit dem Blutbild des folgenden Falles ver- gleichen. Der folgende Fall ist nämlich, wie wir sehen werden, ebenfalls eine Perityphlitis levis. Leider wurden am 20. in dem vorliegenden Falle keine Ausstrichpräparate angefertigt, und so müssen wir die beiden Fälle kombiniert betrachten, um bezüglich des neutrophilen Blutbefundes eine richtige Anschauung zu gewinnen. Es sei darum die Kranken- geschichte des anderen Falles hier sofort angefügt. 58. F., Karl, 42 Jahre, Schlosser, 21. XII. 02—12. I. 03. Patient, der gleichzeitig, wie sich später zeigte, ausserdem an einer ganz leichten Spitzen äff ektion litt, die jedoch kein Fieber und keine Abmagerung bis dato verursacht hatte, erkrankte in der Nacht vom 19.— 20. XII. un- vermittelt mit Erbrechen, Durchfall (5 mal), Schmerzen in der rechten Unter- bauchgegend beim Gehen, Husten, Atmen, Urinlassen (besonders am Schluss), Hitze und Frost. Temperatur beim Eintritt 38,5° im After, am 22. XII. früh 37,6°, abends 37,9°, dann acht Tage lang um 37,8°, jedoch nicht darüber, erst ab 30. niedrigere Temperaturen. Befund genau wie bei Fall 57: Es findet sich zunächst eine perkutorisch und palpatorisch schmerzhafte Stelle, die nur- etwas mehr gegen das Leistenband zu gelegen ist, ca. handflächengross. Leukocytenzählung am 22. XII. abends 1J2l h: 10600. Mit der Rückbildung der akuten Erscheinungen wird der Leib abtast- bar und ein gänseeigrosser Tumor gefühlt, der dem Patienten bei Betastung schmerzt. Es folgt dann sukzessive Rückgang der Empfindlichkeit und Ver- schwinden der Geschwulst, so dass am 30. XII. bereits kaum mehr etwas davon gefühlt werden kann. Der Fall kam genau zur gleichen Zeit mit dem Falle 57 zur Beobachtung. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5 u. m. Fall 58 M W T 2KJ2S IE IS 3K 3S 2K1S 2S1K 4K|4S 3K1S 3S1K 2K2S F. Karl 22. XII. 02 . — - 14 1 2j28 25 2 1 13 9 3 — 2 — 1 Der Fall unterscheidet sich von dem vorigen durch das etwas höhere Fieber und die etwas grössere Geschwulstbildung; dement- sprechend betrug die Zahl der Leukocyten am 22. XII. 10600. Wenn wir nun das neutrophile Blutbild von diesem Tage betrachten, so müssen wir eine massige Verschiebung nach links zugeben (69°/o in Klasse 1 und 2); im Vergleiche damit ist das neutrophile Blutbild des vorigen Falles niedriger gestellt, entsprechend dem etwas späteren Termin der 9* 132 Perityphlitis- Untersuchung, es befindet sich aber sicher an der allerobersten Grenze des Normalen. Wir vermuten darum mit Recht, dass auch bei Fall 57 im Beginn das Blutbild stärker verändert war und ebenso wie die Ge- samtleukocytenzahl (s. o.) sich auf der Rückkehr zur Norm befindet. Als Schlussfolgerung ergibt sich somit aus diesen beiden leichten, völlig genesenden Fällen, dass wahrscheinlich infolge der in jedem Falle erfolgenden massigen Resorption von Toxinen es zu einer unbedeutenden Vermehrung der Leukocyten kommt, die charakterisiert ist durch eine ebenfalls nur leichte bis massige Blutbildveränderung der Neutrophilen im Sinne einer Verschiebung nach oben. 59. Z., Ludwig, 23 Jahre, Diener, 4. IL 03—12. IL 03. Der angeblich bis jetzt immer gesunde Patient erkrankte am 3. IL nachts 12 h plötzlich mit stechenden Schmerzen rechts im Unterleib. Am 4. abends 7 h Schüttelfrost mit 40,5 ° i. a.; hierauf unter Schweiss Abfall der Temperatur auf 37,2° (10 h abends). Befund am 4.: Keine Auftreibung des Unterleibes, gut handgrosse schon auf Perkussion schmerzhafte Stelle in der Blinddarmgegend, ein Tumor nicht deutlich fühlbar. Atmen, Husten schmerzhaft, Urinlassen nicht. Am 5. IL Mittag Leukocytenzahl: 8800 (bis jetzt nichts gegessen). Temperatur früh 37,2°, abends 38,2°; Katheterisation nötig; die bei Per- kussion schmerzhafte Stelle hat sich verkleinert auf eine handtellergrosse Stelle; eine Resistenz ist heute deutlich fühlbar. 37 8° 6. IL Temperatur „ ' „. Ab 7. fieberfrei bis zum 11. IL In dieser Zeit fühlte man deutlich einen inzwischen zirkumskripter ge- wordenen kleinen Tumor, der zuletzt nicht mehr schmerzhaft war. Am 11. IL 37,3° im After, die Geschwulst ist grösser geworden und wieder schmerzhaft, abends 38,7°; am 12. IL 38,5° morgens; Leukocytenzahl: 13000; sehr starke Spannung der Bauchdecken; Operation; es findet sich ein sehr gut abgekapselter Perforationsabszess mit jauchigem, stinkenden Eiter in ziemlicher Menge (ca. 100 Gramm). Heilung. Neutrophile Blutbildtabellen: i 2 3 4 5 u. m. Fall 59 M wl T 2k!2s'iK1S 1 1 3K3S 2K1S 2S1K 4K'4s'3KlS 3S1K 2K2S Z. Ludwig 5. II. 03 . - - 21 1 32 32 3 2 2 7 !- — — — — 12. II. 03 . — - 12 — 35 20 — 5 * 12 12 2 — — 1 1 Mit dieser Krankengeschichte treten wir in das Gebiet der Fälle ein, die operiert wurden. Wir werden hier auffälligere Resultate erhalten. Der Fall beginnt am 4. IL im Gegensatz zu den obigen mit einem heftigen Schüttelfrost und folgendem Fieber von 40,5° i. a. Am Fälle. 133 5. IL Mittag beträgt auffallenderweise die Gesamtleukocytenzahl nur 8800; dagegen ist aber, was sehr wichtig ist, das neutrophile Blutbild sehr verändert; 86°/o aller Neutrophilen finden sich in Klasse 1 und 2; wir können uns dies Bild wohl nicht anders als durch eine hochgradige rapid einsetzende Zerstörung der Neutrophilen erklären, die vielleicht einer schubweisen (Schüttelfrost) Einfuhr von Bakterien ins Blut oder einer besonders starken Menge von Toxinen ihre Entstehung verdankt; eine reine Toxinresorption hätte möglicherweise eine höhere Zahl von Leukocyten gesetzt. Das Fieber klingt dann ab; vom 7.—11. ist sogar eine fieberfreie Periode; dann aber tritt unter Vergrösserung der Ge- schwulst eine steigende Temperaturzunahme ohne Schüttelfrost auf; auch die Gesamtzahl der Leukocyten steigt nunmehr höher (13000). Eine passende Erklärung Hesse sich vielleicht in folgender Weise abgeben. Während am Anfang, wo die Abkapselung des Prozesses noch nicht er- folgt war, ein septischer Schüttelfrost, wahrscheinlich infolge Aufnahme kleinerer Mengen von Bakterien oder grösserer Mengen von Toxinen ins Blut, erfolgen konnte, haben sich, dafür ist die starke Abkapselung (siehe Operationsbefund) ein guter Hinweis, die Verhältnisse in dieser Rich- tung nunmehr geändert; der Charakter des Rezidives besteht wahr- scheinlich darin, dass nun nur mehr die Toxine der Bakterien allein ins Blut übergehen, nachdem sie durch die abkapselnde Membran von den Bakterien quasi abfiltriert worden sind. Ihre Wirkung ist aber in diesem Falle keine hochgradige, weil sie wohl zunächst nur in relativ geringen Mengen ins Blut übertreten können. Wahrscheinlich hätten wir, wenn die Operation nicht sofort gemacht worden wäre, im weiteren Verlaufe mit der Ausbreitung des Abszesses und damit der Steigerung der Toxin- resorption auch eine weitere Vermehrung der Leukocyten bis zu den postulierten 20000 oder darüber erwarten dürfen. Gut würde mit dieser Anschauung auch das neutrophile Blutbild am 12. IL harmonieren. Dieses ist im Gegensatz zum 5. IL viel besser beschaffen. Es muss wohl angenommen werden, dass es sich vorher in der fieberfreien Periode wieder gut von der ersten schweren Verände- rung erholt hatte, und dass diese Veränderung daher mehr in Beziehung zum normalen Blutbefunde als zu dem am 5. IL gesetzt werden muss; wir haben nurmehr 67°/o Neutrophile in Klasse 1 und 2 gegen die 86°/o von oben, jedenfalls also eine ganz und gar nicht unbedeutende Besse- rung. Und trotzdem fand sich bei der, l^h nach der Zählung ausge- führten Operation, ein stinkender, jauchiger Eiter in ziemlicher Menge. Dieser eklatante Fall verdient nach beiden Richtungen in der uns interessierenden Frage des Zusammenhanges der Eiterbildung und der Vermehrung der Leukocyten im Blute eine hervorragende Stellung an- gewiesen zu erhalten. Wir konstatieren diesbezüglich also noch einmal, dass trotz ziem- 134 Perityphlitis- licher, höchst übelriechender Eiterbildung, und obwohl in dem Falle der Prozess der Abkapselung nur wenige Tage Zeit zur Entwickelung gehabt hat, sich eine Leukocytose von nur 13000 findet, und das neutrophile Blutbild gleichfalls nur sehr wenig an Veränderungen davongetragen hat. Mit den ausgeführten, langsam eintretenden Blutveränderungen von so unbedeutender Natur stimmt auch die langsam ansteigende Tem- peratur gut überein; auch das Allgemeinbefinden war relativ sehr wenig gestört. 60. M., Rudolf, 18 Jahre, Landwirtschaftsschüler, 29. III. 03—9. IV. 03. Angeblich immer gesund; am 28. III. bekam Patient plötzlich Schmer- zen im Unterleib, Schüttelfrost, Erbrechen. Stuhlgang in der folgenden Nacht, nicht schmerzhaft, ebenso Wasserlassen nicht, dagegen grosse Schmerzen beim Gehen, weniger beim Atmen, mehr beim Husten. Im Laufe der Nacht (28.— 29.) nochmaliges galliges Erbrechen, auch gestern früh und Mittag, so oft etwas aufgenommen wurde. Ein weiterer Schüttelfrost trat nicht auf. Der Unterleib ist gespannt, massig aufgetrieben, diffus schmerzhaft bei Perkussion und Palpation mit Ausnahme einer Stelle am linken Hypochondrium; Leberdämpfung vorhanden, seitliche Dämpfung links fehlt. Der Schall in der Blinddarmgegend ist dagegen deutlich abgekürzt und wird besonders seit- lich gedämpfter. Katheterisation notwendig. Kein verfallenes Aussehen, guter Puls. 30. III. 03. Leukocytenzahl 18200 um 9 h früh. 31. III. Leukocytenzahl 16300 um dieselbe Zeit; die Schmerzhaftig- keit des Unterleibes ist auffallend schnell zurückgegangen. 1. IV. 13000 Leukocyten früh 9 h. 3. IV. Der Unterleib ist so gut wie schmerzfrei; ein Tumor nicht deut- lich, sehr gutes Allgemeinbefinden. 6. IV. Rezidiv unter geringer Fieberbewegung; neue Schmerzhaftigkeit; die Symptome wie zuerst setzen wieder alle ein, nur bleibt die Schmerzhaftig- keit bei Perkussion und Palpation auf eine zirkumskripte Stelle genau in der Blinddarmgegend begrenzt; Resistenz an der bezeichneten Stelle fühlbar. Puls andauernd ausgezeichnet. Leukocytenzahl: 18400 früh 9 h. 7. IV. Ohne neue Lokal- und Allgemeinerscheinungen steigt das Fieber heute und am 8. IV.; am letzteren Tage früh 9 h: 14300 Leukocyten. Der Unterleib ist wieder sehr stark gespannt. 9. IV. 27600 Leukocyten früh 9 h; guter Schlaf, angebliches Wohl- befinden. Mehr wie ein undeutlicher, länglicher Wulst ist in der Blinddarm- gegend nicht zu fühlen; trotzdem sofortige Operation; es findet sich ein grosser extraperitonealer Perforationsabszess, der weit nach hinten oben und nach unten sich ausgedehnt hat und über */» Liter stinkenden, jauchigen Eiters entleert. After-Temperaturen: 37,1° 38,2» 376o 37go 29. III. — 30. III. 37,8° 31. III. 37,8° 1. IV. 37,8° 2. IV 37 4" 38,1° 38,2° 37,4° 38,0° 37^4° s. iv. $: , IV. ,«5; , IV. sm° , iv. m:, IV. tt: 39,3° Fälle. 135 39,0 qoco 8. IV. 39,4° 9. IV. X°'0 38,8« °Pera Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 3 4 5 und mehr Fall 60 M Wi T 2Kj2S 1K1S 3K,3S 2K1S 2S1K 4K4S 3K1S 3S1K 2K2S 4K1S 5K 3K2S 4K2S M. Rudolf 30. III. 03 . — — 18 — 31 14 1 4 11 14 — — 3 2 1 1 — — — 31. III. 03 . — — 8 - 40 23 1 6 9 8 2 — 1 — 2 — — — — 6. IV. 03 . — - 10 — 35 8 — 12 4 21 — — 2 1 7 — — — — 8. IV. 03 . — - 11 - 35 8 1 9 6 14 1 - 3 2 5 1 2 2 — 9. IV. 03 . - — 8 — 29 23 - 6 7 12 2 - 6 — 3 2 — 1 1 Mit diesem Fall liegt ein dem vorigen ähnlicher der Besprechung ob. Wiederum ist der Beginn mit Schüttelfrost; hier aber ist der erste Insult ein protrahierterer; die Blutuntersuchung, die erst zwei Tage nach dem Schüttelfrost gemacht werden kann, verrät eine stärkere Er- höhung der Gesamtleukocytenzahl; das neutrophile Blutbild ist aber trotzdem nicht so hochgradig verändert, wie in dem vorigen Falle zu Beginn. Dieser Umstand weist vielleicht darauf hin, dass die resorptive Gift- wirkung von Anfang an in einem stärkeren Grade bestand, beziehungs- weise infolge der protrahierten Dauer des Insultes länger anhalten musste. Aus dem Befunde am 31. III., also dem des nächsten Tages geht wohl hervor, dass die Schädigung der neutrophilen Zellen noch bis zu diesem Tage eine ansteigende war, obgleich die Gesamtleukocytenzahl sich bereits wieder auf der absteigenden Linie (16300) befindet; die Schädi- gung, die das Blutbild im vorigen Falle bei 8800 Gesamtzahl erreichte, ist aber auch an diesem Tage nicht erreicht worden. Ob bei diesem zweiten Falle der initiale Schüttelfrost der Ausdruck des Übertrittes von Bakterien bezw. deren Toxinen oder von beiden zusammen ins Blut war, ist noch viel weniger wie im vorigen Falle zu entscheiden, da wir keine Blutuntersuchung speziell auch keine bakteriologische direkt im Anschlüsse daran zur Verfügung haben. Die Vorfrage, die wir, um hier die richtige Antwort geben zu können, zuerst entscheiden müssten, würde die sein: Wie äussert sich die reine Toxinwirkung (sc. der bei der Peri- typhlitis in Betracht kommenden Mikroben) und wie die reine Bakterien- wirkung bezüglich der Gesamtzahl der Leukocyten und speziell bezüglich der Morphologie des neutrophilen Blutbildes? Wir können diese Frage zunächst nicht beantworten. Die Leukocytenzahl am 1. IV. (13000) weist auf einen kontinuier- lichen weiteren Rückgang der Gesamtzahl hin; Präparate wurden an diesem 136 Perityphlitis- Tage nicht angefertigt. Was sich im folgenden vom 6. IV. ab zuträgt, ist be- züglich des morphologischen Blutbildes bis jetzt noch in keinem unserer Fälle zu beobachten gewesen. Wir finden mit Eintritt des Rezidives am 6. IV. zunächst 18400, dann am 7. IV. 14300 und am 8. IV., zwei Stunden vor der Operation, 27600 Leukocyten; trotz dieser wenigstens am 8. IV. als stark zu bezeichnenden, im wesentlichen naturgemäss neutrophilen Leukocytose, bei der es sich doch um eine ganz enorme Mehrproduktion von Neutrophilen gehandelt haben muss, finden wir am 6. und 8. das neutrophile Blutbild nur um eine im Vergleiche dazu ganz unbedeutende Prozentzahl nach links verschoben; selbst am 9. IV. finden sich noch 40% in Klasse 3, 4, 5. Wir haben also als ganz neu zu verzeichnen, dass eine hoch- gradige Vermehrung der Neutrophilen von einer kaum nennenswerten Verschiebung des Blutbildes nach oben begleitet ist. Mit jeder neuen Variation erhöht sich aber die Schwierigkeit der Deutung des Befundes. Wir können ihn so interpretieren, dass — auch im vorigen Falle haben wir ähnliches, nur in kleinerem Massstabe an- getroffen — das Knochenmark sich im Laufe der primären Erkrankung auf eine Mehrleistung eingerichtet hat; tritt nun das Rezidiv auf, so setzt das Mark mit einer durch die Pause bis zum Rezidiv ge- steigerten Leistungsfähigkeit ein; ein grosser Teil von den gelieferten Leukocyten geht durch die Wirkung des Giftes zu gründe, ein anderer kleinerer wird vielleicht zur Bildung des Abszesseiters verbraucht; beide letztgenannten Faktoren sind nach dem Verlauf (siehe einerseits die Fiebertabelle, andererseits den Operationsbefund) viel stärker als in dem vorigen Falle, darum besteht auch hier eine stärkere Leukocytose (27600; die obligate Zahl ist also überschritten) aber die beiden Faktoren in ihrer, die Neutrophilen beeinträchtigenden Wirkung, sind nicht im stände, zunächst das Knochenmark und damit das Blutbild so zu erschöpfen, wie wir es sonst bei so hochgradigen Leukocytosen zu sehen ge- wohnt waren. 61. B., Joseph, 21 Jahre, Kaufmann, 3. IL 03—4. IL 03. Patient hat vor 1^2 Jahren angeblich bereits einmal eine Blinddarm- entzündung durchgemacht. Am 1. Februar begann das Leiden von neuem; einmaliges Erbrechen, kein Schüttelfrost, Schmerzen im Unterleib rechts beim Gehen, Atmen, Husten; keine Schmerzen beim Urinlassen; seit 1. IL kein Stuhlgang; er hat aus eigenem Antrieb seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Der Unterleib ist ziemlich stark aufgetrieben, stark gespannt. Perkutorisch ist ein zwei hand- tellergrosser Bezirk in der Blinddarmgegend schmerzhaft, daselbst starke Dämpfung und schon bei leichter Palpation ist eine starke Tumorbildung zu konstatieren. Bei etwas stärkerem Druck kontrahieren sich sofort die Bauch- decken. Leukocytenzahl: 18100 am 3. IL 03 abends 7 h. Fälle. 137 Am 4. IL Operation; es fanden sich grosse alte Verwachsungen des Konvolutes der vorliegenden Darm schlingen untereinander und mit der Um- gebung; zwischen den einzelnen Darmschlingen 1—2 Esslöffel födider dicker Eiter. Die After-Temperatur war am 3. IL abends: 38,4°, am 4. II. früh: 37,6°. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 1 > 3 * 5 u. m Fall 61 i M|W TJsK^sIlKlS Ml ! 3K3S 2K1S 2S1K ,4K 4S j 3K IS ' 3S 1K 2K2S B. Joseph . . - — 6 — 26 12 8 17 20 ii - 4 6 Wir haben nun schon verschiedene eigentümliche Befunde bei der Perityphlitis kennen gelernt; damit ist die Reihe derselben aber noch lange nicht erschöpft. Der vorliegende Fall weicht in seinem neutrophilen Blutbefunde auch nicht im mindesten ab von dem normalen Bilde; daneben besteht trotzdem eine Gesamtleukocytenzahl von 18100, also mindestens eine Vermehrung der Neutrophilen um das dreifache. Während wir bei den obigen Fällen wenigstens noch eine geringe Verschiebung des neutro- philen Blutbildes nach links hatten, fehlt dieselbe hier vollständig. Wie gleich bemerkt sei, steht dieser Fall nicht etwa vereinzelt da, indem der folgende Fall genau dasselbe Verhalten aufweisen wird; es sei auch auf den Fall 56, der ebenfalls hier im gleichen Sinne seine Verwendung finden könnte, hingewiesen. Der angezogene Parallelfall hatte folgenden Verlauf: 62. Schm., Sebastian, 17 Jahre, Ökonomensohn, 7. IV. 03—8. IV. 03. Patient will Ende Februar an Blinddarmentzündung zu Hause erkrankt sein; er habe deswegen drei Wochen strenge Diät halten müssen; seit acht Tagen sei wieder Fieber aufgetreten, während er vorher mindestens eine Woche fieberfrei gewesen sein will. Er hat jetzt angeblich keine Schmerzen im Leib, auch nicht beim Husten, Urinlassen, nur allein das Gehen schmerzt rechts im Unterleib. Stuhlgang angehalten, ohne Schmerz. Die Untersuchung des stark heruntergekommenen Jungen ergibt eine sehr starke Fluktuation rechts am Rücken zwischen dem Darmbeinkamm und den letzten Rippen; auch vorne gegen die Spina anterior superior zu glaubt man noch Fluktuation zu fühlen; ein wirklicher Tumor in der Blinddarm- gegend fehlt. Leukocytenzählung: 19600. Temperatur im After: 38,7° (8. IV. 03 früh). Operation am anderen Tage (9. IV.) entleert massenhaft aus einem grossen sich nach hinten senkenden und nach oben und unten weit reichen- den Abszesse stinkenden Eiter. Auch hier haben wir eine ganz nahe an 20000 herangehende Leuko- cytose; in beiden Fällen jedoch ist die Zahl nicht erreicht worden und doch fand sich Eiter, in dem einen Falle sogar in grössten Mengen. 138 Perityphlitis- Neutrophile Blutbildtabelle: |_L_II___l___ 3 4 | 5 u. mehr Fall 62 m|w Tj2K|2S 1K1S 3K 3S 2K IS 2S1K 4KJ4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K 4K IS 4K2S Schm. Sebastian '- 7 - 23 17 2 3 15 14 6 — 8 1 1 1 1 1 Es trifft sich nun gewiss nicht aus Zufall, dass die beiden Fälle chronischen Verlauf aufwiesen. In dem ersteren verhinderten die alten Verwachsungen umfangreicher Art die Ausbreitung des Prozesses, aber eine Infektion hat trotzdem stattgefunden (Fieber, Leukocytose etc.), in dem anderen war die Abkapselung gegen die Bauchhöhle jedenfalls eine sehr gute und der Eiter hatte sich bereits einen Weg neben dem Quadratus lumborum gebahnt; in dem ersten Fall fand sich nur relativ wenig Eiter, in dem anderen eine grosse Masse; bei beiden bestanden ungefähr gleich hohe Leukocytenzahlen und gleicher, d. h. normaler (!) morphologischer Blutbefund bei den Neutrophilen. Eine Erklärung für diesen normalen Befund hat ihre grossen Schwierigkeiten; man könnte im zweiten Falle sich mit der Abkapselung gegen die Bauchhöhle, mit dem geringeren Druck, der infolge der Senkung nach aussen auf dem Eiter lastete, und der dadurch bedingten geringeren Resorption von Eiter, oder mit der hohen Leistungsfähigkeit des Markes, die sich auf Grund der längeren Dauer mit der Zeit ausgebildet hatte, eine Not- erklärung geben; in dem ersten Fall käme doch wohl nur die alte Ab- kapselung zur Erklärung in Frage; aber wenn wir auch auf Grund dieser Überlegungen schliesslich noch verstehen würden, dass das neutro- phile Blutbild wenig oder selbst gar nicht verändert ist, weil eben die beiden Abszesse besonders gut abgekapselt waren, und infolgedessen sich ein geringerer Bedarf an Neutrophilen möglicherweise ergab, so ver- stehen wir doch dann wiederum nicht gut, warum die Leukocytenzahl bis fast auf 20000 erhöht wurde. In beiden Fällen haben wir keine schwere Allgemeininfektion (leichtes Fieber); der durch letztere bedingte, infolgedessen aber geringgradigere Bedarf an Neutrophilen, konnte vielleicht eben wegen seiner Kleinheit, ohne eine besondere Blutbildveränderung zu setzen, aus den stark ver- mehrten Leukocyten gedeckt werden; bezüglich der Vermehrung selbst aber ist man ganz von selbst zur Annahme gezwungen, dass dabei Sub- stanzen unbekannter Art im Spiele sein müssen, denen keine in stärkerem Masse zerstörende Einwirkung auf die neutrophilen Leukocyten zukommt, sondern die nur eine ausschliesslich ihre Proliferation anregende Wir- kung besitzen, ähnlich wie wir es bei der Verdauungsleukocytose ge- sehen haben. Obwohl beide Fälle nicht eigentlich — mit Ausnahme der Abkapselung des Prozesses — gleichwertig sind, kommt ihnen die Fälle. 139 Produktion dieser Substanz gemeinsam zu, über deren Natur wir weiter keine Angaben zu machen im stände sind. In dem früher ausgeführten Falle 56, wo es sich um ein altes Empyem ebenfalls mit relativ leichter Infektion handelte, käme eine ähnliche Überlegung in Betracht. Die nun folgenden beiden letzten Fälle unserer Serie von Peri- typhlitiden weichen von den bis jetzt geschilderten Verhältnissen wiederum gänzlich ab; sie selbst gehören, nach der einen Seite des neutrophilen Blutbildes betrachtet, innig zusammen, in bezug auf die Gesamtleuko- cytenzahl stehen sie aber in einem direkten Gegensatze. 63. R., Anton, 17 Jahre, Tünchergeselle. Vor 10 Wochen begann das Leiden mit allen Symptomen der Perityphlitis; seitdem bettlägerig; seit acht Tagen besteht angeblich wieder Fieber. Starke Abmagerung, grosse Anämie. Es findet sich auf beiden Seiten des Unterleibes etwas nach oben und auswärts von der Mitte der Leistenbänder je ein faustgrosser Tumor, der bei Betastung schmerzt; die Haut darüber ist etwas blaurot verfärbt, jedoch ver- schieblich; auf der Höhe beider Tumoren bestehen Gewebslücken in Finger- kuppengrösse, durch welche hindurch man in der Tiefe Fluktuation zu fühlen glaubt; sonst sind die Tumoren derb und hart; sie kommunizieren durch eine ebenso harte Verbindungsbrücke, die quer über und vor der Blase dahin- zieht; im Anschlüsse an die grösseren Tumoren finden sich auch noch kleinere, die mit ihnen zusammenhängen; der Prozess ist für die Palpation auf beiden Seiten gleich stark entwickelt. Nach einigen Tagen Beobachtung, während der die Temperaturen des Morgens 36,8°—37,0° und abends 38,0°— 38,3° in axilla betrugen, wurde eine Probepunktion durch die linke Gewebslücke hin- durch gemacht, die Eiter ergab; am nächsten Tage erfolgte alsdann (18. VIII. 03) die Operation. Leukocytenzählung am 16. VIII. 03: 7200 weisse Blut- körperchen. Die Operation entleerte ca. 1 Liter stinkenden Eiter; es führte, wie angenommen war, eine Kommunikation der beiden Eiteransammlungen über die Blase hinweg; ob das Peritoneum bei der Affektion stark in Mitleiden- schaft gezogen war oder ob die Eiterung mehr extraperitoneal gelegen war, konnte nicht direkt bestimmt werden. Neutrophile Blutbildtabelle: l 2 3 _L_ 5 u.m. Fall 63 MW T 2kW 1K1S 3K 3S 2K1SJ2S1K 4K|4S 3K IS j 3S 1K 2K2S1 R. Anton . . | ■\ - 38 18 — 1 6 3 — — — — " 64. S., Valentin, 17 Jahre, Kellner, 19. X. 02—31. X. 02. Patient lag vom 22. VIII. — 1. IX. 02 bereits auf der Abteilung, hatte damals drei Tage leichtes Fieber und alle Symptome einer Perityphlitis, die jedoch spurlos unter der Behandlung wieder verschwanden. Bei seinem zweiten Eintritt bietet er dasselbe Bild wie zuerst. Die After-Temperaturen sind: __ 37 6° 19. X. qqqo 20. X. q7'no> dann normal. Auf fällt der deutliche Verfall 140 Perityphlitis- der Gesichtszüge im Sinne der Facies hypocratica. Ein Tumor ist trotz ge- nauer Exploration nicht deutlich. Die peritonealen Reizsymptome sind meist wieder gänzlich verschwunden. Am 28. X. klagt er plötzlich wieder über heftigen Schmerz in der Blinddarrngegend; er stöhnt und jammert Tag und Nacht. Unterleib stein- hart gespannt. Es setzen starke Diarrhöen ein, die auch, jedoch geringer, in den vorausgegangenen Tagen bestanden hatten. 29. X. Leukocytenzahl: 19200, im Rektum besteht eine Vorwölbung des rektovesikalen Raumes. 30. X. Leukocytenzahl: 21600. Leichtes Ödem der Bauchdecken, die Vorwölbung im Rektum ist gewachsen; eine Palpation am Unterleib ist wegen der kolossalen Spannung nicht ausführbar. Operation: Es findet sich ein Abszess, der sich retro- bezw. intraperitoneal in kolossaler Ausdehnung bis weit hinauf gegen die Leber und weit hinunter um das Rektum herum aus- gebreitet hat, dem späteren günstigen Verlaufe nach abgekapselt war, und sicher iVa Liter stinkenden, jauchigen Eiter entleert. After-Temperaturen: 28. X. ~0 29. X. ^'^ 30. X. ^'g0. Patient genas vollkommen. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 j! 3 1 * 5u. m. Fall 64 M W T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K IS 28 1K 4K4S 3K1S 3S1K 2K2S St. Valentin. . — — 71 - 14 11 1 — 1 1 - 1 — *) Beiden Fällen ist gemeinsam der chronisch-suppurative Verlauf der Perityphlitis mit Ausbreitung des Prozesses im retro- bezw. sub- peritonealem Bindegewebe nach allen Richtungen, genau so, wie wir es auf dem Gebiete der Gynäkologie bei dem Fortkriechen einer Para- metritis beobachten können; aber auch der peritoneale Weg ist be- schritten worden. In dem einen Falle hatte der Eiter ferner durch das prä- vesikale Gewebe hindurch seinen Weg auf die linke Seite genommen und dort ebenfalls einen dem auf der rechten Seite konformen Befund erzeugt. Gemeinsam beiden ist ferner die grosse Quantität der sich ent- leerenden Eitermassen und das Fehlen einer direkten septischen In- fektion; bei dem Falle 63 bestand eine Intoxikation jedenfalls, soweit der Fieberverlauf darüber Aufschluss zu geben vermag, nur ganz massig, in dem anderen Falle 64 dagegen schon stärker; in diesem letzteren Falle, wo man anfangs bei der Operation infolge der kolossalen Aus- dehnung der Eiterung bereits eine diffuse Peritonitis vor sich zu haben glaubte, war die Ausbreitung des Prozesses offenbar eine floridere 1) Die hierzu angefertigte grosse ausführliche Tabelle ist Fall 64. Fälle. 141 und deswegen, wie auch die Temperaturen anzeigen, die Resorption von toxischen Substanzen eine grössere. Der neutrophile Blutbefund ist bei beiden Fällen sehr hochgradig in die Höhe getrieben, in dem ersten Falle sind nur 10°/o Neutrophile in den älteren Klassen 3, 4, 5 zu finden, in dem zweiten gar nur mehr 4 °/o. Dieser letzte Fall weist ausserdem eine ganz ungeheuerliche Ver- mehrung der Zellen T auf, ganz sonderbarerweise aber ohne Ver- mehrung der Zellen W und M. Es ist die höchste Zahl, die in allen unseren Untersuchungen jemals für die Zellen T aufgefunden wurde. Aus diesem ganz abnormen Blutbilde, in dem, trotzdem es denkbar am höchsten gestellt ist, alle Zellen, die eine besonders starke Reizung und Proliferation des Knochenmarkes verraten [W und M] fehlen, muss der zwingende Schluss gezogen werden, dass hier der Reiz, der eine derartige Blutveränderung auslösen konnte, sich von den bis jetzt bei den akuten Infektionskrankheiten gefundenen in einem wichtigsten Punkte unterscheidet. Wir sind hier noch am ehesten geneigt, ange- sichts der ganz enormen Eiterung, die besonders in den letzten Tagen vor der Operation einen starken Fortgang genommen haben musste, anzunehmen, dass die Reaktion des Knochenmarks zum Teil vielleicht doch zur Deckung des Bedarfs der Leukocyten für die Bildung der Eitermassen eintrat, und dass dieser aus formativen Gründen bestehende Reiz sich von dem, der mit stärkerer Toxinwirkung kombiniert ist, nach der in Frage stehenden Richtung unterscheidet. Eine definitive, nach allen Seiten völlig durchsichtige Erklärung dürfte wahrscheinlich erst auf Grund der oben in Aussicht gestellten Versuche zu geben sein. Die Vermehrung der Gesamtleukocyten auf 21600 ist also bis zu 71°/o aus Zellen T bestehend, die normalerweise nicht einmal 10°/o zu erreichen pflegen. Von unseren obigen Fällen kann am ehesten der Fall 53 zu diesem in lehrreiche Parallele gesetzt werden; auch dort besteht eine ganz enorme Eiterproduktion, aber eine offene, darum wahrscheinlich kein Fieber und keine sonstigen Symptome der Intoxikation; hier dagegen eine geschlossene und darum Resorption von Toxinen, Fieber etc. Dort und hier besteht hochgradige Leukocytose und somit hochgradige Prolifera- tion von Neutrophilen, im Falle 53 aber ist vielleicht der Bedarf an Leuko- cyten, da die Ausfuhr aus dem Körper sofort aus weiten Pforten erfolgt, ein viel grösserer; darum besteht eine Leukocytose von nahe an 30000, und auch Zellen W und M finden sich, obwohl keine Infektion vorliegt; hier dagegen müssen, da die aus dem Marke ausgeschwemmten Zellen nicht sofort alle bei der geschlossenen Form der Eiterung und der Ab- kapselung aus dem zirkulierenden Blute austreten können, die meisten erst einen kürzeren oder längeren Blutaufenthalt nehmen, so dass sie dort zu 70°/o zu den Zellen T heranreifen; in Rückwirkung auf das 142 Perityphlitis. Mark und Anpassung an diesen primären Vorgang im Blute, der vor unserer Untersuchung gelegen sein muss, werden dort die Zellen, bevor sie austreten, einen den Zellen T ähnlichen Reifungszustand erhalten. Bei derartigen nur behufs des Versuches einer Erklärung aus- geführten Überlegungen müssen wir jedoch uns immer wohl bewusst bleiben, dass wir dabei immer nur einstweilen mit Annahmen operie- ren, die noch sehr eines Beweisses bedürfen. — Aus dem Blutbilde des Falles 64 spricht ferner direkt heraus, dass die Zellen T, die hier so ungeheuer vermehrt sind, überhaupt noch nicht die Funktion haben können, als Eiterzellen zu figurieren, sonst wären sie doch zum Teil mitausgetreten und das Blutbild hätte sich, wenn alle Zellen gleich- wertig für den Austritt waren, gleichmässiger gestaltet; ich vermute, dass dasselbe auch zum guten Teil für die Zellen der Klasse 2 gilt; es käme darauf an, im Eiter solcher Fälle die Anwesenheit von Zellen der Klasse 1 und 2 nachzuweisen, um eventuell das Gegenteil beweisen zu können. In dem Falle 53 musste die Reifung im Blute viel rascher vor sich gehen, da nicht genug Zellen sonst zur Auswanderung zur Ver- fügung gestanden hätten. Sehr auffällig gerade in Rücksicht auf ähnliche Überlegungen ist, was nebenbei hier noch bemerkt sein mag, das Verhalten der Zellen 2S und 1K1S. Sämtliche Fälle der Abteilung XIb ohne Ausnahme weisen, so ausserordentlich different ihr sonstiges Verhalten auch gestaltet sein mag, volle Übereinstimmung in dem Punkte des Überwiegens der Zahl der Zellen 2S über die mit 1K 1S auf; wir können uns dies nicht anders erklären, als dass eben hier in dieser Abteilung eine ganz besondere Tendenz und Notwendigkeit für die Weiterentwickelung der Neutrophilen zu mehrkernigen Exemplaren besteht. Wir sind bei unseren Betrachtungen ganz zuerst ausgegangen von einem Vergleiche zwischen den beiden Fällen 63 und 64; wir müssen nun zu- letzt konstatieren, dass sie eminent verschieden sind in bezug auf die Gesamtanzahl der Leukocyten. Bei dem Falle 63 finden wir nämlich im Gegensatz zu den 21600 Zellen des Falles 64 nur deren 7200. Eine Erklärung, wenn eine solche überhaupt zur Zeit möglich ist, kann höchstens nur in der aussergewöhnlich ausgiebigen, mit einer Tumoren vortäuschenden Bindegewebs- und Schwartenbildung einhergehenden Abkapselung fundamentiert werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass überhaupt bei allen unseren Untersuchungen, sofern sie sich auf chronische Fälle beziehen, die mit einer hochgradigen Veränderung des Gesamtblutlebens (insbesondere auch der roten Blutkörperchen und des Plasmas etc.) und der Gesamt- konstitution einhergehen, auch dort zu suchende und nicht unwichtige Faktoren eine Rolle für die Zahl und Mischungsverhältnisse der Neutro- philen spielen. Aus unseren Untersuchungen kann dies zwar nicht direkt Tuberkulosis. 143 erschlossen werden, das gleichzeitige Auftreten spricht jedenfalls nicht gegen eine diesbezügliche Wirkung. Inwieweit und ob bei Konstitutions- und Stoffwechselanomalien sowie überhaupt bei allen anderen Krankheiten sich eventuell bezüglich der Neutrophilen Veränderungen bei der Untersuchung nach der in dieser Arbeit befolgten Richtung ergeben werden, werden diesbezügliche Unter- suchungen zeigen müssen. XII. Tuberkulosis. Übersicht. (Ausführlicheres über die Literaturangaben siehe bei Reinert, R iede r, v. Li m be ck, Co r ne tx), Str aus sundRohn st ein2), Grawitz). In keiner anderen Krankheit ist das Missverhältnis zwischen dem Aus- sehen des Kranken und dem Zustand des Blutes so gross wie bei der Lungenschwindsucht. Dies gilt insbesondere bezüglich des Hämoglobin- gehaltes und der Zahl der roten Blutkörperchen, zum Teil aber auch bezüglich der Leukocyten. Halla fand meist, wenn der Prozess Fort- schritte machte, eine mehr oder weniger hochgradige Vermehrung der farblosen Blutkörperchen; da damit Fieber gewöhnlich verbunden ist, so traf Fieber und Leukocytenvermehrung meist zusammen. Auch R e i n e r t fand Leukocytose mitunter. Rieder hat sehr schwankende Zahlenwerte gefunden, bei vor- geschrittener Tuberkulose, besonders wenn sie mit Fieber einherging, im allgemeinen höhere Werte (leichte Leukocytose) als bei beginnender oder fieberloser Erkrankung (normale Leukocytenzahl). Die Untersuchung solcher Kranken, die mit Kochschem Tuberkulin behandelt wurden ergab in der Höhe des Reaktionsstadiums gewöhnlich — aber nicht immer — Vermehrung der weissen Blutzellen. Bei Miliartuberkulose (zwei Fälle) und bei chronischer Tuberkulose der Lungen, die mit lobu- lärer Pneumonie und Chlorose (je ein Fall) kompliziert waren, wurde die Leukocytenzahl normal, bei einem Falle von Lungentuberkulose, der mit Pleuritis einherging, vermehrt gefunden. Eine ebenfalls hierher gehörige Arbeit, die ich wenig zitiert finde, ist die folgende. Stein und Erbmann3) fanden bei beginnenden Phthisen und bei auf die Lungenspitzen beschränkten vorgeschrittenen Fällen ohne Kavernenbildung normale Zahlen. Hämoptoe ging meist mit massiger Leukocytose einher. Vermehrung der Leukocyten fand sich bei Kavernen- i) Cornet, Die Tuberkulose 1899; Nothnagels Sammelwerk. Wien, Holder. 2) H. Strauss und R. Rohnstein: Die Blutzusammensetzung bei den ver- schiedenen Anämien. Berlin 1901, Hirschwald. 3) Zur Frage der Leukocytose bei tuberkulösen Prozessen. Deutsches Archiv f. klin. Med. 56. Bd., 3. u. 4. H. 144 Tuberkulosis. bildung, chronischen Eiterungen, bei kariösen Prozessen, bei terminalen exsudativen Entzündungsprozessen und bei Hyperplasie der Lymph- drüsen ohne weitgehenden Zerfall. Ihre Folgerungen diagnostischer Art sind: Leukocytose ohne chroni- sche Eiterung und ohne exsudativen Entzündungsprozess beweist einen ulze- rösen Zerfall in der Lunge; der Beginn eines Zerfallsprozesses wird durch die von einem gewissen Momente ab im Vergleiche zu den vorher immer normal gefundenen Zahlen eintretende Steigerung der Leukocyten- zahl markiert. Normale Leukocytenzahlen lassen meist das Bestehen und die Bildung einer irgendwie erheblichen Kaverne ausschliessen. Gestützt auf diese Befunde haben die Autoren bezüglich der Ent- stehung der Leukocytose die Anschauung, dass die eiterige Einschmel- zung in den Lungen den primären Vorgang und die Leukocytose den sekundären, durch den Untergang der Kavernenelemente bedingten Prozess darstelle. v. Limbeck spricht sich aus, wie folgt: Die rein tuberkulöse Infektion bedingt an sich nicht Leukocytose. Hierfür sprechen be- sonders die Befunde von tuberkulöser Meningitis und miliarer Peri- tonealtuberkulose, welche auch zur Zeit hohen Fiebers stets normale Zahlen für die weissen Blutkörperchen ergeben. Das Bestehen einer Leukocytose bei Meningitis spricht nur insolange für die eiterige Natur derselben, als jede anderweitige Quelle ausgeschlossen ist. Auch bei der akuten Miliartuberkulose der Lungen vermisst man stets eine Zu- nahme der Leukocyten, sie zeigt gewöhnlich Werte zwischen 7000 und 10000. Bei der chronischen Lungentuberkulose kommt abgesehen von Blutverlusten, starken Schweissen und Diarrhöen ausser der Tuberkel- noch die Mischinfektion mit Eiterpilzen in Betracht. Darum wird bei Kavernenbildung nie eine Leukocytose vermisst. Hämoptoe bei initialer Phthise ist wie ein Aderlass von einer oft nur geringgradigen Leuko- cytose gefolgt. Drüsentuberkulose zeigt meist besonders bei Zerfall massige Leukocytose. Abweichend von dem angeführten scheint sich die sogenannte infiltrierte Form der Lungentuberkulose zu verhalten. Nach den Besonderheiten der Fälle findet man Normalwerte aber auch mächtige Leukocytosen, ähnlich wie bei der croupösen Pneumonie (eine Differenzierung auf Grund des Blutbefundes ist nicht möglich). Tuber- kulininjektionen verursachen bei tuberkulösen Individuen eine Leuko- cytose, gleichzeitig auch eine Zunahme der Eosinophilen. Türk fasst die Befunde bei tuberkulöser Meningitis zusammen in die Sätze: „Bei der tuberkulösen Meningitis kommen sowohl normale, als hochnormale, als ausgesprochen erhöhte absolute Leukocytenzahlen bis zu 20000 und darüber vor. Dabei dürfte der Prozentsatz der poly- nukleären Zellen hochnormal oder vermehrt, derjenige der Lymphocyten herabgesetzt sein; die Übergangsformen scheinen eine auffällige Tendenz Übersicht. 145 zur Erhöhung ihrer Werte zu zeigen; die eosinophilen Zellen waren äusserst spärlich. Mangelnde Leukocytose bei Spärlichkeit des Fibrins spricht nach Türk direkt für tuberkulöse Meningitis, Leukocytose bei gleichen Fibrinmengen eher dafür, Leukocytose und reichliche Fibrin- anwesenheit gegen eine unkomplizierte tuberkulöse Meningitis." Strauss fand in fünf von sieben untersuchten Fällen zum Teil eine recht beträchtliche Vermehrung. Er geht dann ausführlich auf die Literatur ein und zieht den Schluss, dass sich bezüglich der Zahl der Leukocyten in den drei Stadien der Lungentuberkulose einheitliche Re- sultate bis jetzt nicht ergeben haben. Es sei besonders auch bisher für kein Stadium fieberfreier Tuberkulose eine bestimmte Änderung der Leuko- cytenmenge einwandsfrei nachgewiesen. Strauss führt dann (S. 77, 78) elf Autoren auf (nähere Literaturangaben siehe dort), die eine Vermehrung der Leukocyten bei der chronischen Tuberkulose als solcher gefunden haben. Die Beziehungen zwischen der Schwere des Falles und dem Grad der Leukocytenvermehrung sind besonders von Haeberlein? S trau er und Grawitz diskutiert worden. Eine einheitliche Regel hat sich aber bisher noch nicht aufstellen lassen, indem sich die Unter- suchungsbefunde widersprechen. Bezüglich der Mischungsquotienten ergibt sich bei der chronischen Lungentuberkulose aus der Literatur und den Beobachtungen von Strauss eine grössere Gleichheit insoferne, als sich niemals eine Erhebung des uninukleären Mischungsquotienten (i. e. Prozentsatz der Uninukleären) über die Norm, wohl aber oft ein Sinken desselben bis zu ganz abnorm niedrigen Werten gefunden hat. Als Mittelwerte stellte Strauss 80,8°/o Multinukleäre, 17,2°/o Uninukleäre mit 13,1% Lymphocyten fest. Aus- nahmen gibt es jedoch auch hier (s. o.). Strauss erwähnt dann, dass er auf Grund seiner eigenen Fälle den Eindruck gewonnen habe, dass mit dem Fortschreiten des tuberkulösen Prozesses der uninukleäre Mischungsquotient eine Neigung zum Sinken zeigt; wenigstens fand sich in den leichtesten Fällen der höchste Gehalt, in den schwersten der niedrigste Gehalt an Uninukleären. Die eosinophilen Zellen waren durchweg multinukleäre; vermehrt waren sie in keinem Falle, zweimal fehlten sie ganz. — Myelocyten wurden in zwei Fällen zu Bruchteilen eines Prozentes gesehen. — Die grossen uninukleären Zellen betrugen im Mittel 3,4°/o (0,8°/oim Minimum, 7,5 °/o im Maximum), waren also im allgemeinen etwas vermindert. Grawitz unterscheidet (auf Grund von mit 0. S trau er aus- geführten Untersuchungen) drei Phasen der Blutbeschaffenheit, wenn zu- nächst von allen Komplikationen der chronischen Lungentuberkulose abge- sehen wird. Bezüglich der uns hier nur interessierenden Verhältnisse bei den weissen Blutkörperchen bezeichnet er in der ersten Phase, der beginnen- Arneth, Blutkörperchen. 10 146 Tuberkulosis- den Spitzenaffektion ohne Kavernen, deren Zahl als eine unregelmässige; in der zweiten Phase, dem chronischen Stadium der Kavernenbildung ohne oder mit nur geringem Fieber, gibt er die Zahl der weissen zwischen 5 und 10000 in cmm an; in der dritten Phase, als welche er die Stadien mit hektischem Fieber (stärkere remittierende und intermittierende Fieber) bezeichnet, findet er die weissen häufig vermehrt, aber sub finem vitae sich meist progressiv vermindernd. Bei akuten Formen, schnellem Zerfall des Lungengewebes und hohem Fieber sind die Zahlen stärker herabgesetzt, manchmal bis zu abnorm niedrigen Werten. Cornet führt aus, dass man nach von Limbeck in Fällen, die mit hektischem Fieber einhergehen, und bei denen sicher eine septische Mischinfektion besteht, Leukocytose selten vermisst, während sie immer fehlt, „wenn das Fieber auf einen akuten miliaren oder submiliaren Nachschub zurückgeführt werden muss." Cornet hält dies Moment wichtig für die Differentialdiagnose. Bei der chroni- schen Sepsis der Phthisis besteht meist eine geringe, bei der infiltrierten Form, der sogenannten käsigen Pneumonie, oft eine hochgradige Leuko- cytose, bei der miliaren Lungentuberkulose fehlt sie dagegen, so dass er auf Grund seiner Untersuchungen eine Leukocytose bei fieberhafter Tuberkulose in der Mehrzahl der Fälle als einen Indikator für Misch. infektion ansieht. Blum1) fand in 40 Fällen von Tuberkulose meist hohe Leuko- cytenzahlen; von 15 vorgeschrittenen Tuberkulosen wiesen neun Leuko- cytenwerte über 10000 auf. Fälle: a) Miliartuberkulose. 65. E., Franz, 32 Jahre, Erdarbeiter. Eintritt am 24. X. 02. Keine hereditäre Belastung, mittel kräftige Konstitution; Erkrankung am 20. X. mit Schüttelfrost; in den nächsten Tagen öfters Wiederholung. Ex- quisites, reichliches, blutig-pneumonisches Sputum. Über dem rechten Unter- lappen und Mittellappen die charakteristischen physikalischen Symptome der Pneumonie, auch links später Auftreten einer Infiltration. Gegen eine Pneu- monie sprach lokalisiertes und sich erhaltendes Auftreten von Rasselgeräuschen auch an anderen Stellen und der verschiedene Charakter derselben, die an- fänglichen, ziemlich beträchtlichen Remissionen des Fiebers, es kam dann im Verlaufe hinzu, dass eine Krise nach 1, 2, 3 Wochen nicht eintrat, dass die Allgemeinsymptome immer schwerer wurden, das Fieber immer höher stieg, so dass nur durch Bad oder Antipyreticum die Temperatur unter 39,0° und 40,0° heruntergedrückt werden konnte. Bis zum 13. XL wurde täglich die Temperatur von 40,0° erreicht. Ab 12. XL Somnolenzeintritt, vom 13. XI. i) Über leukopenische Befunde bei Infektionskrankheiten; Wien. klin. Wochen- schrift 1899, Nr. 15; s. Zentralbl. f. inn. Med. 1899, S. 1290. Fälle. 147 abends bis 14. XL Bewusstlosigkeit; 15. XL Agone; um 4 h nachmittags Exitus letalis. Leukocytenzählungen: 1. 8. XL 02 12 h mittags: 7300. Um V2IO h früh Bad, um 10 h Tee. 2. 14. IX. 02 abends llJ2 h: 4200. Pathol.-anatom. Diagnose: Tuberculosis chronica apicis utriusque pul- monis praecipue sinistri; Caverna parvula apicis sinistri; Bronchitis caseosa loborum superiorum; Tuberculosis miliaris utriusque pulmonis; Pneumonia crouposa lobi superioris partim in statu hepatisationis griseae, partim in statu resolutionis; Intumescentia lienis; Cyanosis hepatis; Nephritis acuta paren- chymatosa; Myocarditis acuta; Hypertrophia modica ventriculi dextri; Pleuritis adhaesiva bilateralis, praecipue dextra; Gastritis chronica; Hyperaemia mucosae jejunalis; Calcificatio partialis glandularuin bronchialium; Bronchitis; Soor. Neutrophile Bl utbildtabellen : 1 2 3 4 5u. m. Fall 65 M W T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S 1K ;4K 4S 3K IS I381K 2K2S E. Franz i ! i ! 1 j 8. XI. 02 . - 1 30 1 25 21 8>j 11 2 l|- 11 1 l) 14. XL 02 . 1 1353 13 16 1 -i 2 1 — — — | ~ — ! ■' 66. J., Georg, 30 Jahre alt, f am 21. 02. Bei dem Patienten, der mehrfach klinisch vorgestellt wurde, und bei dem längere Zeit die Diagnose zwischen Typhus und Miliartuberkulose schwankte, wurde am 15. V. eine Blutuntersuchung gemacht, die 2500 weisse Blut- körperchen ergab (12 h mittags). Die pathologisch-anatomische Diagnose lautete: Tuberculosis miliaris pulmonum, hepatis, renum, pericardii, pleurarum, peritonei; Myodegeneratio cordis; Nephritis, Hepatitis parenchymatosa. Tuber- culosis miliaris meningum, praecipue in loco gyri frontalis III sinistri. Ulcus inveteratum tuberculosum laryngis; Laryngitis, tracheitis acuta. Ulcera in- testini recti, cicatrices duo intestini ilei; Pleuritis pericardiaca sinistra in- veterata. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 II 3 4 5u. m. Fall 66 M W; T 2K 2S 1K1S 3K3S 2K1SJ2S1K 4K 4S| 3K IS j 3S 1K 2K2S J. Georg . . . 1 — 39 2 25 29 1 - 1 I 2 11 1 — — — — 67. R., Anna, 9 Monate, 4. XII. 02—17. XII. 02 (f). Ein Fall von allgemeiner Miliartuberkulose bei einem 9 monatlichen Kinde; seit Eintritt bewegt sich das Fieber um 39,0° ohne besondere Re- 1) Für beide Zählungen wurden ausführliche, sehr lehrreiche grosse Tabellen angefertigt (s. Fall 65). lö* 148 Tuberkulosis- missionen, in den letzten acht Tagen meist über 39,0 °. Zuletzt meningitische Symptome. Die Sektion erweist alle Organe als durchsetzt mit miliaren Tuberkeln, und als Primärherde die beiderseitigen verkästen Bronchialdrüsen mit Kavernenbildung an dem beiderseitigen Hilus; Kommunikation einer Kaverne rechts mit dem Hauptbronchus. Zählung der weissen Blutkörperchen am 15. XII. abends x/29 h, nachdem das Kind schon seit 3U Tag nichts mehr zu sich genommen hat: 9400. Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 4 5u. m. Fall 67 M w|t 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K t 4S 3K1S 3S1K 2K2S R. Anna . . . - 3 44 4 12 29 5 — — 3 — — Der Fall 65 unterscheidet sich insoferne von den beiden anderen, als es sich bei ihm nur um eine allein über die beiden Lungen ausgebreitete Miliartuberkulose und schwerste Infektion der anderen Organe handelt, während die anderen beiden allgemeine Miliartuberkulosen im eigentlichen Sinne des Wortes darstellen. Alle drei Fälle sind aber in den meisten Punkten gleichwertig bezw. nur graduell verschieden. Von dem ersten Falle stammen zwei Blutuntersuchungen; bei der ersten fanden sich 7300, bei der zweiten nur noch 4200 Leuko- cyten; wir ersehen daraus, dass bei einer akuten Miliartuber- kulose der Lungen allein zunächst (wie in unserem Falle bis acht Tage vor dem Tode) noch keine direkte Leukopenie vorhanden zu sein braucht, eine Leukocytose allerdings aber auch nicht vorhanden ist; erst sub finem vitae, hier 14 Tage vor dem Tode, ist dann eine Leukocyten- veränderung zu verzeichnen. Auch das neutrophile Blutbild ist acht Tage vor dem Tode noch nicht besonders stark verändert, obwohl schon ein über zwei Wochen dauernder, äusserst schwerer Verlauf vorausgegangen war. Um so stärker ist dies aber einen Tag vor dem Tode der Fall; nicht weniger als 53°/o Zellen T, 13°/o W und l°/o M sind zu ver- zeichnen, wobei besonders auf die hohe Zahl von W hinzuweisen wäre. Im zweiten Falle, ebenfalls bei einem Erwachsenen, haben wir schon sechs Tage vor dem Tode eine viel hochgradigere Leukopenie (2500) als bei dem ersteren; ob die Verallgemeinerung des Prozesses über alle Organe schuld daran ist, kann auf diesen einen Fall hin von unserer Seite nicht behauptet werden. Jedenfalls ist hier in Übereinstimmung mit der starken Leukopenie auch die Veränderung des neutrophilen Blut- bildes eine sehr bedeutende; es finden sich — beim Falle 65 erst einen Tag vor dem Tode — hier fünf Tage vorher nur mehr 4 °/o der Zellen in Klasse 3, 4 und 5. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Fälle. 149 in den letzten Tagen das Blutbild noch schwerer als beim Fall 65 ver- ändert hat. Was den dritten Fall, ein neunmonatliches Kind, anlangt, so müssen wir hier allerdings als Leukocytenzahl fünf Tage vor dem Tode eine Zahl von 9400 anführen; wenn man aber bedenkt, dass bei der- artigen kleinen Kindern schon normalerweise die Leukocytenzahl viel höher gefunden wird als beim Erwachsenen, dass sie nach den Autoren sogar meist die Zahl 10000 überschreitet, und dass sonst die Kinder ausserordentlich leicht auf Schädlichkeiten mit Steigerung der Leuko- cytenzahl reagieren, ferner wenn man wiederum die hochgradigen Ver- änderungen des neutrophilen Blutbildes betrachtet, die doch sonst wohl am besten mit einer hochgradigen Leukocytose zu denken wären, so kann kein Zweifel obliegen, dass auch die Zahl 9400, wenn auch keine hoch- gradige, so doch immerhin eine Leukopenie bei dem kleinen Kinde bedeutet und im gleichen Sinne wie die obigen Fälle aufgefasst zu werden verdient. Leider haben wir uns bei der Beobachtung der Fälle, die natürlich nicht alle Tage, selbst bei grossem Materiale, vorkommen und daher weiter zurückliegen, immer mit einer einmaligen Untersuchung begnügt, nur in dem einen Falle 65 wurden deren zwei ausgeführt; wir hatten eben damals noch nicht die Einsicht in die Bedeutung dieser Verhältnisse. Wir werfen nun noch einen vergleichenden Blick auf die drei Tabellen (die vom Fall 65 am 8. XL ist nicht direkt berücksichtigt) und konstatieren, dass überall die Zellen 1K 1S im Übergewicht sind; wenn wir vergleichen, welchem bis jetzt schon geschilderten leuko- penischem Blutbefunde diese Tabellen am nächsten kommen, so fällt uns besonders die Ähnlichkeit auf mit Fall 49. Den kausalen Zusammen- hang werden wir vielleicht später erkennen können. b) Subakute und chronische Formen der Lungen- tuberkulose. 68. W., Karl, 32 Jahre, Kaminkehrer; Eintritt am 16. XII. 02, gest. am 10. IL 03. Der hereditär unbelastete, kräftige, bis dato immer gesunde Patient er- krankte vor 14 Tagen mit Frösten, angeblich hohem Fieber, Kurzatmigkeit, schwerem Krankheitsgefühl. Beim Eintritt ist kaum auf den Lungen eine Veränderung zu konstatieren, dagegen finden sich massenhaft Tuberkelbazillen im spärlichen Auswurf. Im Verlaufe Febris continua continens zwischen 39,0 und 40,0° i. a. bis zum 6. I. 03, von da ab inter- und remittierend, in den letzten Tagen 38,0° nicht mehr überschreitend. Die auskultatorisch und perkutorisch manifeste Entwickelung der Tuber- kulose der Lungen setzt einige Tage nach Eintritt in beiden Spitzen und im linken Unterlappen ein (Dämpfung der beiden Spitzen, Rasselgeräusche, be- sonders links). Am 22. XH. Beginn einer linksseitigen Pleuritis; ab 5. Januar auch weitere Ausbreitung auf den rechten Unterlappen. 150 Tuberkulosis- Anfangs hatte Patient wenig Ausvyurf, der sich jedoch rasch vermehrte; ein Monat lang (vom 20. Dezember bis 20. Januar) täghch mindestens x/a Spuckschale (zu 500 ccm Inhalt) rein eiterigen Auswurfes; von da ab weniger; Anfang Februar nur mehr 1/6 der früheren Menge. In Zusammenhalt aller dieser Momente mit der unten folgenden path. anat. Diagnose kann kein Zweifel bestehen, dass wir es zunächst hauptsäch- lich mit einer akuten käsigen Pneumonie des linken Oberlappens zu tun hatten, deren Zerfallsmassen bis Mitte Januar ausgehustet wurden; gleich- zeitig Pleuritis links. Dann erfolgte die Ausbreitung des Prozesses auf der rechten und linken Lunge in der Hauptsache in Form einer Bronchitis und Peribronchitis tuberculosa; daneben lokale miliare Eruptionen. Die Blutunter- suchungen mit 4. I. würden in die erste Periode, die anderen in die zweite zu rechnen sein. Leukocytenzählungen: 1. 18. XII. 02 5900 weisse Blutkörperchen; 12 h 2. 23. XII. 02 5900 >) » 12 h 3. 28. XII. 02 6900 >) » 12 h 4. 4. I. 03 9800 n » 123/4h 5. 11. I. 03 11000 >) 11 12V2 h 6. 19. I. 03 8400 >j 11 12»/2h 7. 26. I. 03 6600 >) 11 12V2h 8. 3. IL 03 ? » 11 12 h 9. 8. IL 03 10000 » n 12 h 0. 10. IL 03 16500 » „ 12 h , (in Agone). Am 10. IL um 1 h Exitus letalis; nur durch Druck bei sehr tiefem Einstich ist in der Agone dunkelrotes Blut zu erhalten gewesen. Pathol.-anatom. Diagnose: Pleuritis serofibrinosa haemorrhagica sinistra cum atelectasi partis itnae lobi inferioris ex compressione. Caverna permagna lobi sup. sin. Peribronchitis tub. disseminata lobi inf. sin. Tuberculosis peri- bronchialis disseminata pulmonis dextri. Tubercula miliaria pleurae dextrae. Bronchopneumonia recens disseminata dextra, praecipue lobi inf. dextr. De- generatio adiposa myocardii haemorrhagica. Nephritis parenchymatosa. Ulcera nonnulla intestini ilei tuberculosa. Wie aus der Krankengeschichte hervorgeht, konnte der Verlauf von Anfang bis Ende beobachtet werden; ebenso vollständig dürften die in kurzen Zeiträumen bis zum Exitus — selbst in der Agone noch — ausgeführten Blutuntersuchungen sein. Die Erkrankung setzte mit einer käsigen Pneumonie des linken Oberlappens ein; ganz im Gegensatz nun zu dem, wie wir es bei der croupösen und katarrhalischen Pneumonie früher gefunden haben, trat hierbei keine Leukocytose auf, und zwar ist das Fehlen derselben fast absolut genau für die ganze Dauer des kontinuierlichen hohen Fiebers anhaltend; es ist gewiss sehr auffallend, dass in dieser ersten Zeit, wo ausserdem so grosse Massen eiterigen Materiales täglich ausgeworfen wurden, nie die normale Zahl der weissen Blutkörperchen über- schritten wurde. Fälle. 151 Neu trophi le Blutbildtab eil en: 1 2 2K|2S'1KIS 3 i 4 5u. m. Fall 68 MW[ T 3K 3S 2K IS 2S 1K 4K.4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K 4E1S W. Karl | 18. XII. 02 . ■ - 18'!—'32 26 3 1 9 8 1 — 1 — 1 — — 23. XII. 02 . — - 6 - 29 17 4 - 22 15 — — 5 — 2 — — 28. XII 02 . — — 7 1 28 23 1 — 18 13 4 — 3 — — 1 1 4. I. 03 . - 1 5 1 30 19 1 6 16 16 1 — 3 — — 1 — 11. I. 03 . — — 9 1 36 14 - 4 8 14 1 — 3 — 8 2 — 19. I. 03 . — — 15 — 36 14 - 8 5 13 — 1 6 1 1 - — 26. I. 03 . - — 7 - 32 22 1 3 12 18 2 — 1 — 2 - — 3. II. 03 . — — 13 -37 16 1 6 6 18 - — — 3 — — — 8. IL 03 . — - -'30 24 1 — 15 13 1 — 4 — 1 — — 10. IL 03 . — — 45 — 30 22 — 1 1 1 Noch eigentümlicher berührt der Befund in dem neutrophilen Blut- bilde. Nur ganz am Anfange (18. XII.) ist eine massige Verschiebung nach links zu verzeichnen; dagegen lassen die Tabellen vom 23. XII., 28. XII., 4. I., die in die Zeit des schwersten Fieberverlaufes fallen, nur eine ganz geringe oder kaum das normale neutrophile Blutbild ver- ändernde Verschiebung erkennen; wir haben somit den unerwarteten Befund, dass die akute käsige Pneumonie bei der Tuberkulose der Lungen in ihrer Wirkung auf die Neutrophilen hier nur eine geringe Veränderung sowohl morphologisch, wie wahrscheinlich auch in bezug auf die absolute Zahl auszulösen vermochte. Angesichts dieses überraschenden Resultates ist vielleicht folgende Überlegung, die wohl schon manchem Beobachter bei der Behand- lung von durch lange Zeit hindurch hochfiebernden Phthisikern ge- kommen ist, am Platze. Es ist tagtäglich bei den Phthisikern zu beob- achten, dass selbst sehr hohes Fieber, und bei unserem Patienten war dies die ganze Zeit vom Eintritt bis Anfang Januar der Fall, nur eine relativ unbedeutende Wirkung auf das Sensorium, das Allgemeinbefinden, das Herz, die übrigen Organe und nicht zuletzt den gesamten Ernäh- rungszustand ausübt. Keine Pneumonie, kein Typhus oder sonst irgend eine Erkrankung wird bei gleich hohem und langdauerndem Fieberlauf so wenig an dem Bestand des Körpers zehren und so wenig dessen Organe intoxizieren als gerade diese hochfieberhaften Tuberkulosen. Bei keiner anderen Infektionskrankheit haben wir aber auch, wie wir nun- mehr wissen, eine so geringe Veränderung an dem Bestände und der 152 Tuberkulosis- Form der neutrophilen Leukocyten zu verzeichnen; diese in die Augen springende Koinzidenz ist es, auf die wohl mit dem gebührenden Nach- druck hingewiesen werden darf. Es ist bei dem Infektionsprozess der Tuberkulose anscheinend etwas ganz anderes im Spiele als bei den übrigen Infektionskrankheiten, da diese Erkrankung bezüglich ihrer Wirkung auf die Neutrophilen eine ganz exzeptionelle Stellung einnimmt; jedenfalls müssen wir bei der Tuberkulose auf Grund der obigen Befunde eine Unterscheidung gegen- über vielen anderen Infektionskrankheiten machen. Mit der zweiten Woche des Januar tritt unser Fall in ein anderes Stadium ein, das Fieber wird re- und intermittierend und erreicht auch nicht mehr abends die grossen Höhen von vorher. Auch im Gesamt- leukocytenzählungsresultat sind von nun ab mehr Sprünge und auch höhere Werte zu verzeichnen. Beide Änderungen sind vielleicht bedingt durch die nunmehr stärker sich geltend machende Mischinfektion. Das neutrophile Blutbild ist von eben da ab im allgemeinen etwas höher eingestellt. Während am 23. XII., 28. XII. und 4. I. niemals 60°/o in Klasse 1 und 2 erreicht wurden, haben wir am 11. I., 19. L, 26. L, 3. IL und 8. IL nie unter 60°/o, aber auch nicht über 66°/o neutrophile Zellen in diesen Klassen. Erst mit Eintritt der Agone sehen wir eine, jetzt allerdings aber auch gewaltige Veränderung im Typus der Bluttabelle erfolgen, indem die Klassen 1 und 2 auf 97°/o hinaufschnellen; gleichzeitig besteht eine Leukocytose von 16500. Wir müssen diese agonale starke Veränderung mit einer plötzlichen Erschöpfung des Knochenmarks zusammenbringen, nachdem wir den ganzen Verlauf hindurch seine Suffizienz konstatiert haben; die Neutrophilen werden mit dem Eintritte der Agone in be- sonders hohem Masse geschädigt und darum reagiert das Mark, nachdem es qualitativ seinen Blutbestand nicht mehr erhalten kann, wenigstens quantitativ unter Aufbietung aller verfügbaren Kräfte; M- nnd W-Zellen fehlen allerdings dabei. 69. E, Friedrich, 32 Jahre, Hausdiener; Eintritt 12. X. 02. Beiderseitige tuberkulöse Spitzenaffektion. Gleichzeitig schon vorge- schrittener Typhus abdominalis; am 7. Tage nach Eintritt steile Kurven, am 24. X. fieberfrei. Anfang Dezember in der Rekonvaleszenz findet sich ein bereits stark entwickelter luetischer Primäraffekt am Penis. Bei diesem Falle, wo also die Gifte von drei Infektionskrankheiten im Körper sich mischten, wurde am 13. X. 02 auf der Höhe des Fiebers eine Blutuntersuchung gemacht: 3400 weisse. — Patient ist späterhin vom Typhus genesen. Eigentlich ist hier nicht der richtige Platz für diesen Fall. Wir möchten ihn aber absichtlich hier erledigen, weil der neutrophile Blut- bildbefund fast aufs Haar dem agonalen des vorigen Falles gleicht und er doch von denen des vorigen Falles unter ganz ausserordentlich ver- schiedenen Verhältnissen zu stände gekommen ist. Fälle. 153 Neutrophile Blutbildtabelle: ■ l 2 3 4 5u.m. Fall 69 MW T 2K 2s|lKlS 3Kl3S \ 2K1S 2S1K 4K 4S'3K1S 1 3S1K 2K2S E. Friedrich . I 1 ljl 45 3 23 24 - — 3 — - 1 — — Es findet sich hier eine starke Leukopenie (3400); dort hatten wir eine Leukocytose (16500), Wir könnten sogar das neutrophile Blutbild in dem gegenwärtigen Falle, in dem drei Infektionskrankheiten zusammenfallen, noch für schwerer afifiziert als dort in der Agone halten, da wir hier auch Zellen M und W vorfinden, wenn wir nicht das Fehlen derselben in dem ago- nalen Zustande als eine besondere Insuffizienzerscheinung betrachten wollen. Seinerzeit — bei dem reinen, unkomplizierten Typhus abdominalis — haben wir in diesem Stadium der Krankheit nie eine so hochgradige Alteration des neutrophilen Blutbildes gefunden; selbst zu Beginn der Typhen auf dem Höhepunkt der neutrophilen Störung, war dies nicht der Fall. Der Fall lehrt also die besondere Schädigung der neutrophilen Leukocyten durch kombinierte Erkrankungen, gleichzeitig aber, dass die Wirkung des Typhusgiftes hier dabei den überwiegenden Einfluss bei- behält — Leukopenie —, während doch die Lues gewöhnlich mit einer Leukocytenvermehrung, die chronische Form der Tuberkulose aber auch zum mindesten nicht mit einer Leukocytenverminderung einhergeht. Patient genas trotz der denkbar ungünstigsten Konstellation von Leukopenie und hochgradiger Verschiebung des neutrophilen Blutbildes, während der andere Patient dagegen mit der anscheinend günstigen Er- scheinung der Leukocytose bei gleichgeartetem neutrophilen Blutbefunde kurz nach der Untersuchung verschied. Eine differentere Würdigung der Blutbefunde bei den Neutrophilen kann kaum demonstriert werden; es erhellt daraus die Schwierigkeit, selbst nach diesen Einblicken in das neutrophile Blutleben eine treffende Erklärung zu geben; wir sehen uns infolge dieser Schwierigkeiten auf- gefordert, zur Erklärung noch nach anderen ausserhalb des neutrophilen Blutlebens gelegenen Faktoren zu suchen; immer aber werden wir wie- der daran gemahnt, uns möglichst vorsichtig gegenüber den modernen Anschauungen über die Bedeutung der Leukocytose und Leukopenie zu verhalten. Es dürfte kein weiterer Beweis mehr notwendig sein für die Be- hauptung, dass die Leukopenie eine ebenso salutäre oder kaum schäd- 154 Tuberkulosis- lichere Reaktion des Organismus ist wie die Leukocytose (natürlich zunächst immer nur mit Beziehung auf die Neutrophilen). 70. G., Andreas, 46 Jahre, Zimmermann; Eintritt am 8. I. 03, gest. am 9. IL 03. Keine hereditäre Belastung; Patient, der sonst noch nie krank gewesen sein will, leidet seit l1^ Jahren an Husten, Erbrechen, Bluthusten, Frösten und Nachtschweissen. Seit ca. 3 Wochen fühlt er sich besonders schlecht, will stärker abgemagert sein; seitdem reichlicher grüner, zuweilen etwas blutiger Auswurf. Der Fall erwies sich dem Befund und dem Verlauf nach als ein dem Falle 68 fast völlig genauer Parallelfall, nur war hier die Tuberkulose in ihren Anfängen weiter zurückliegend; während wir bei dem Falle 68 einen akuten Ausbruch bei einer vielleicht nur latenten Spitzentuberkulose an- zunehmen haben, war hier bereits ein manifester tuberkulöser, chronischer Prozess vorhanden; dem entsprach auch ein bereits ausgebreiteter, fortge- schrittener Befund auf den beiden Oberlappen (Dämpfung, Bronchialatmen, klingende Raschelgeräusche, geballtes Sputum etc.). Das Fieber war genau wie bei dem ersten Falle zunächst neun Tage eine Febris continua continens um 40,0°, dann inter- und remittierend; die Menge des Sputums war zunächst V2 Spuckschale täglich, dann Steigerung bis zu 1 Spuckschale (= 500 ccm) meist rein eiterig, luftleer, münzenförmig. Vom 26. I. 03 ab verfiel Patient in einen Zustand der Somnolenz und des Phantasierens, in dem er bis zum Tode verharrte; zuletzt traten auch noch leichte Zuckungen in den Extremitäten auf. Er bot das Bild der pro- trahiertesten Agone, das seit langer Zeit in der Klinik zur Beobachtung kam. Daher rühren die grössere Reihe von Blutuntersuchungen gerade ab 26. I. 03, denn es war beabsichtigt, möglichst kurz vor dem Eintritt des Exitus letalis ein Resultat zu erzielen. Leider ist durch den Todeseintritt zur ungünstigen Zeit dies trotzdem nicht ganz erreichbar gewesen. Im Zusammenhalt mit dem Sektionsbefund ergibt sich auch hier, dass nach vorausgegangenem Zerfall der Infiltrationsherde in den Oberlappen sich die Tuberkulose nach unten auf dem Bronchialwege in Form einer aus- gebreiteten Bronchitis und Peribronchitis (stellenweise schon bis zur Pneumonie) und auch partiell auf dem Blutwege ausbreitete. Dem Alter der Verände- rungen nach konnte der Wechsel in der Fieberkurve mit dem Eintritt der Bronchialausbreitung völlig übereinstimmen. Leukocytenzählungen: 1. 11. I. 03: 5400. 2. 19. I. 03: 4400. 3. 26. I. 03: 6400. 4. 29. I. 03: 6700. 5. 1. IL 03: 8400. 6. 3. IL 03: 7300. 7. 6. IL 03: 6200. Pathol.-anat. Diagnose: Tuberculosis pulmon. chronica. Pleuritis ad- haesiva sinistra. Caverna permagna lobi sup. sin. Bronchitis et Peribronchitis tub. disseminata paene totius lobi inf. sin. Infiltratio pneumonica et tuber- cula miliaria lobi inf. sin. Tuberculosis miliaris pleurae dextrae. Pleuritis fibrinosa circumscripta dextra. Pleuritis fibrosa adhaesiva regionis apicis dextri. Caverna apicis dextri. Bronchitis et Peribronchitis tub. lobi sup. dextri cum Fälle. 155 Tuberculosi miliari. Peribronchitis tub. disseminata lobi inf. dextr. Hepar cyanot. et adiposum. Myodegeneratio fusca cordis. Renes cyanotici. Ulcera tub. nonulla intestini ilei. Ulcera tub. epiglottidis. Oedema piae matris. Neutrophile Blutbildtabellen: 1 > 3 4 5 u. m. Fall 70 M W T 2K'2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4SJ3K lS 3S1K 2K2S G. Andreas 11. I. 03 . — — 23 25 27 2 1 14 5 2 — 1 — — 19. I. 03 . — — 19 - 35 30 2 3 3 5 2 — 1 — — 26. I. 03 . - — 30 — 29 27 - 1 5 6 - 1 — 1 29. I. 03 . - — 28 - 37 21 2 1 5 5 — — 1 — — 1. IL 03 . - — 38 — 37 19 — — 4 2 — — — — — 3. IL 03 . - 49 31 15 - 1 1 3 — - — — — Wenn sich auch dieser Fall dem Verlauf und dem Sektionsbefund nach als fast völlig mit dem Fall 67 konform erwies, so spielte er sich doch in einem durchaus ganz anders situierten Organismus ab; dort hatten wir einen mitten aus der Arbeit herausgerissenen, in der vollen Mannes- kraft stehenden, gut genährten Mann vor uns, hier einen durch den bereits \xh Jahre bestehenden Krankbeitsprozess sehr geschwächten und abgemagerten Arbeiter, der beim Eintritt bis an die äusserste Grenze seiner körperlichen Leistungsfähigkeit gekommen ist. Was zunächst die Gesamtleukocytenzahlen anlangt, so besteht hier noch weniger wie im vorigen Falle eine Abweichung von der Norm, selbst in der protrahierten Agone wird sie bei mehrmaliger Unter- suchung nicht erhöht vorgefunden. Die neutrophilen Leukocyten sind dagegen hier nur in der ersten Untersuchung ähnlich stark wie im Falle 68 zu Anfang verändert; während dort die Veränderung im Verlaufe aber zurückgeht und erst in der Agone wieder stark auftritt, schreitet sie hier sukzessive mit dem Fort- schreiten des Prozesses fort, so dass sie schliesslich auf dem Wege der kontinuierlichen Steigerung bei einem am stärksten veränderten, termi- nalen Blutbilde angelangt ist. Diese Verschiedenheit dürfte zum Teil wohl auf die geringere Resistenz des Organismus, zum Teil auf die schon länger bestehende Mischinfektion zurückzuführen sein. Die gleichmässig zunehmende Verschlechterung erinnert an das Blutbild beim Typhus abdominalis, wo wir ebenfalls, aber in umgekehrter Weise von schlecht zu gut, eine sehr gleichmässige Entwickelung der einen Bluttabelle aus der anderen vorgefunden haben; die Zusammen- drängung sämtlicher Zellen in nur wenige Klassen (T, 2S, 1K IS meist) 156 Tuberkulosis- findet sich dort und überhaupt, wie wir sahen, bei fast allen schweren Blutbildveränderungen. Schliesslich sei mehr nebenbei noch darauf aufmerksam gemacht, dass in allen Untersuchungsbefunden der beiden Fälle mit Ausnahme des vom 11. I. 03 Fall 68, bis in die Agone hinein immer das Über- wiegen der Zellen 2S über die mit 1K1S besteht, und dass auch im Falle 70 genau wie im Falle 68 ein Auftreten von Zellen W oder M überhaupt nicht verzeichnet werden konnte. Wir können beide Befunde in Parallele zu der fehlenden Beein- trächtigung der Leukocytengesamtzahl setzen, da wir immer beide Momente meist dann anzutreffen in der Lage waren, wenn es sich nicht oder nicht mehr um allerschwerste Beteiligung der Neutrophilen handelte. 71. B., Franz Joseph, 36 Jahre alt, Schuhmacher; Eintritt am 17. VII. 02, ausgetreten am 18. III. 03. Patient leidet an einer tuberkulösen, relativ leichteren Erkrankung des linken Oberlappens; er ist seit Eintritt fieberfrei. Wenig Auswurf. Am 1. XII. 02 Leukocytenzählung: 8500 (12 h mittags). „ 15. III. 03 „ 6900 (121/« h mittags). Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 3 4 5u. m. Fall 71 M W T 2KJ2sjlKlS SS" 3S 2K1S 2S1K |4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S B. Franz Joseph 1. XII. 02 . 15. III. 02 . - — 6 3 1 31 29 18 20 3 5 3 13 21 19 10 3 — 6 3 1 2 3 72. K., Markus, 21 Jahre alt, leidet an einer chronischen Tuberkulose des linken Oberlappens; starke Dämpfung, klingendes Rasseln, Patient war vor kurzer Zeit x/± Jahr lang in einem Sanatorium; er ist fieberfrei; Ernäh- rungszustand relativ gut; wenig Auswurf. Leukocytenzählung am 1. XII. 02: 6600 (12x/2 h mittags). Neutrophile Blutbildtabelle: 1 2 3 _J__ 5 um. Fall 72 m| w|t 2K2s!lKlS 1 iK 3S! 2K IS i 2S1K t 4S 3K1S 3S1K 2K2SI K. Markus . . — 15 - 35 25 1 5 6 11 - — 2 — -| Die beiden vorstehenden Fälle von recht chronischem Verlauf der Lungenschwindsucht gehören zusammen. Beide Patienten sind seit längerer Zeit fieberfrei, haben relativ wenig Auswurf, sind leidlich gut ge- nährt und haben nur einseitige Veränderungen; jedoch ist der zweite Fall (72) schon etwas weiter fortgeschritten, bereits Kavernenbildung aufweisend. Fälle. 157 Die Gesamtsumme der Leukocyten steht an der oberen Grenze des Normalen; das neutrophile Blutbild dagegen hat sich etwas mehr von den normalen Grenzlinien entfernt, weniger wiederum bei dem leichteren P'all 71, mehr dagegen bei dem fortgeschritteneren Nr. 72. Wir können demnach bei chronischer Tukerkulose der Lungen, solange sie die oben zitierten Eigenschaften unserer Fälle aufweist, nur eine ganz geringgradige Vermehrung der Gesamtleukocytenzahl und eine relativ etwas stärkere Beeinträchtigung des neutophilen Blutbildes finden. 73. H., Babette, 47 Jahre, Pfründnerin, leidet an vorgeschrittener Tuberkulose der Lungen mit grossen Kavernen rechts; seit lU Jahr kopiöser, eitriger Auswurf in grossen Mengen. (In letzter Zeit gewöhnlich l\2 Spuck- schale voll, besonders des nachts ausgehustet.) Fieber nicht hoch. Die Blutuntersuchung wurde ausgeführt vier Tage vor dem Tode am 7. I. 03 um 12 h mittags: 14600 weisse Blutkürperchen. Neutrophile Blutbildtabelle: l 2 3 4 5u. m. Fall 73 M wl T 2K 2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S 2K3S H. Babette . . - — 11 — 41 21 - 3 9 12 - — 1 — 1 1 74. R., Johann, 20 Jahre, Hausknecht. Eintritt am 6. XL 02, ge- storben am 16. I. 03. Ein Fall von Lungentuberkulose im letzten Stadium mit grossen Ka- vernen; grosse Mengen eitrigen Auswurfes, Cyanose, Lufthunger, so gut wie kein Fieber. 1. 28. XL 02 erste Blutuntersuchung (Auswurf eine Spuckschale voll reinen, münzenförmigen Eiters): 14600 weisse Blutkörperchen. 2. 7. I. 03 unverändert, ca. XJ2 Spuckschale Eiter, besonders des Morgens: 21800 weisse Blutkörperchen. Pathol.-anat. Diagnose: Adhaesiones fibrosae utriusque pulmonis; Bronchiectasia diffusa cum cavernis bronchiectaticis tuberculosis pulmonis dextri; Cirrhosis et retractio pulmonis dextri; Emphysema vicarians pulmonis sinistri; Caverna bronchi- ectatica et caseosa lobi superioris sinistri; Peribronchitis diffusa tuberculosa lobi inferioris sinistri. Hypertrophia et dilatatio cordis dextri; Dislocatio cordis in latus dextrum. Hyperplasia lymphatica lienis; Hepar et renes cyanotici. Neutrophile Blutbildtabellen: i l 2 3 4 5u. m. Fa]1 U iImI^t 2Kj2S 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4K 4S 3K1S 3S1K 2K2S 4K1S R. Johann 28. XL 02 . 7. I. 03 . i ! -j i :22 -U27 ! ! 2 27 32 29' 27 2 — 7 6 6 5 2 1 — 1 — 1 158 Tetanus- Wiederum zwei zusammengehörige Fälle. Beide gehören dem Stadium der grossen Kavernenbildung an, die massenhaft eiterigen Aus- wurf produzieren. Sie zeigen beide Übereinstimmung in dem Vorhanden- sein einer Leukocytose, die in dem einen Falle (74) sogar ziemlich hoch- gradig ist, und harmonieren auch bezüglich des Verhaltens des neutro- philen Blutbildes, indem dasselbe in beiden wiederum höher gestellt ist, wie in den zuletzt beschriebenen Fällen 71 und 72. Wir sehen somit hier bei dieser chronischen Form eine Steigerung ad maius, die sich nach beiden Richtungen ziemlich gleichmässig entwickelt. Demgegenüber ist auf Grund unserer obigen subakuten Fälle 68 und 70 bezüglich des Verlaufes der subakuten Phthise an dem auf- fallenden Befunde des Fehlens jeder Veränderung der Gesamtzahl oder dem Auftreten einer nur massigen Vermehrung derselben festzuhalten, während wir bezüglich der Neutrophilen, je nach den Umständen des Einzelfalles, einen grösseren Spielraum für die Veränderung des Blut- bildes einräumen müssen; in unseren beiden Fällen ging die Zersetzung des neutrophilen Blutbildes in einer gegen den Exitus zu progressiven Weise vor sich. Was dann die akute Miliartuberkulose anlangt, so ist sie wie dort ausgeführt, in unseren Fällen mit Leukopenie und sehr hochgradiger Schädigung des neutrophilen Blutbildes verbunden gewesen. XIII. Tetanus. Kurz vor Drucklegung dieser Arbeit hatte ich noch Gelegenheit, einen sehr schweren Fall von Tetanus zu beobachten, der einen äusserst auffallenden Befund bezüglich des neutrophilen Blutbildes aufweist. Wir müssen danach der Tetanuserkrankung eine ganz eigenartige Stellung unter allen von uns bisher untersuchten Infektionskrankheiten ein- räumen. v. Limbeck gibt in seinem Lehrbuche (1896) an, nur einen Fall in der Literatur aufgefunden zu haben, dessen Leukocytenzahlen kon- trolliert wurden; Grawitz erwähnt 1902 den Tetanus bei der Be- sprechung der Infektionskrankheiten überhaupt nicht. In dem erwähnten einen Falle1) fand sich eine Leukocytose von 11000 bis 18000 (viertägige Beobachtung); v. Limbeck bezeichnet den Fall jedoch als nicht besonders geeignet, weil derselbe mit Tizzonis Antitoxin behandelt wurde und auch dieses Leukocytose massigen Grades erzeugt. 75. W., Gertraud, 5 Jahre alt, Eintritt am 24. IX. 03. Kräftiges, gut genährtes Mädchen. Die Angehörigen geben an, dass das Kind bis zum 23. IX. 03 ganz gesund war. Es besteht bereits exquisite Nackenstarre und i) Schwarz, Wien. med. Wochenschr. 1894, Nr. 49—52. Fall. 159 Trismus; am ganzen Körper findet sich keine Wunde, die als Eintrittspforte des Giftes angesprochen werden könnte. Leukocytenzahl um 4 h nachmittags: 10900. 5 h nachmittags: Tizzonis Antitoxin 1,0. 25. IX. 03 Tetanus in grösster Intensität entwickelt; in einem fort Anfälle, die die gesamte Muskulatur in Mitleidenschaft ziehen. 9 h früh: Tizzonis Antitoxin 1,0. 4 h nachmittags: Leukocytenzählung: 12000. 6 h nachmittags: Tizzonis Antitoxin 1,0. 7 h: Exitus letalis. Die Sektion ergab eine aussergewöhnliche Hyperämie der nervösen Zentralorgane, besonders des Gehirns. Respi- Temper. Pulszahl ration 6 h: 38,1° 120 32 Temperaturen: 24. IX. , , 0 25. IX. 9 h: 38,6° 136 35 abends: d7,0 ^ h. ^ 0 ^ 3 h: 39,5° 160 51 Neutrophile Blutbildtabellen: 1 2 || 3 4 5u.m. Fall 75 MW T 2K 23 1K1S 3K 3S 2K1S 2S1K 4E 4S 3K1S 3S1K 2K2S 5K 6K W. Gertraud 1 | 24. IX. 03 . ---7 -122 13 1 5 13 27 2 — 5 — 3 1 1 25. IX. 03 . - -4 — 30 10 1 11 12 15 1 1 6 2 7 — — Wir erhalten somit den wichtigen Befund eines vollkommen nor- malen neutrophilen Blutbildes bei einer Infektionskrankheit, die in rapi- dem äusserst schweren Verlauf zum tödlichen Ausgange führt. C. Schlussübersicht. Wir sind nun am Ende unserer Untersuchungen über die morpho- logischen Veränderungen, die die neutrophilen Leukocyten bei Infektions- prozessen erleiden, angelangt. Der Schlussteil dieser Arbeit wird sich mit der Zusammenfassung der Resultate unserer Untersuchungen befassen müssen. Bei der grossen Reihe von Einzelergebnissen haben dieselben eine etwas grössere Ausdehnung gewonnen, zum Teil auch deswegen, weil wir hier noch eine Anzahl von Schlüssen und Aufstellungen kennen lernen müssen, die im Text nicht eingestreut werden konnten. Es dürfte zweckmässig sein, den speziellen für die einzelnen In- fektionskrankheiten geltenden Zusammenfassungen die Fixierung einer Reihe von mehr generellen Gesichtspunkten vorauszuschicken. 1. Die Zahl der weissen Blutkörperchen beim gesunden Erwach- senen bewegt sich bei der Untersuchung im nüchternen Zustande oder um die Zeit der Mittagsmahlzeit unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht innerhalb der grossen Breite von 5000—10000 pro cmm, wie man heut- zutage fast allgemein anzunehmen geneigt ist. Die Schwankungen unter normalen Verhältnissen bewegen sich vielmehr meist nur zwischen 5000 und 6000. Jedenfalls halten sich abweichende Zahlen ganz nahe an diesen Grenzen, sowohl nach oben als nach unten. Für diese Behaup- tung stehen uns grosse Reihen von Untersuchungen, die wir unter den angegebenen Bedingungen am normalen Menschen im Laufe der letzten Jahre gemacht haben, zur Verfügung. Wir setzen uns damit in Wider- spruch mit den Angaben folgender Autoren: Schluss-Übersicht. 161 Angaben pro 1 cmm Welker1) 14171—14925 Moleschott1) 12605—14000 Thoma und Mittel Lyon1) Halla1) Tumas x) Patrigeon1 Reinecke1) v. Jaksch1) 7680 7655 Angaben pro 1 cmm Mittel Reinert (I.e.) 5125 morgens bis 8261 mittags Rieder (I.e.) Strauss (1. c.) (Mittel aus 9 Fällen) Grawitz (I.e.) 5000-10000 Türk (1. c.) 6000- 9000 5000— 6000=niedrige und 9000-10000= hohe Normalwerte Bruhn-Fahraeus2) 6500 5464— 8388 4960-10106 .. 7533 4800— 9600 .. 6200 2000—10000.. 6000 7143— 7351 7107 (Morgenzählung.) 7482 (Mittagzählung.) 7464 (Abendzählung.) von Lim- beck (I.e.) 8000— 9000 mit Schwankungen um 1000 nach oben und unten Völlige Übereinstimmung linden unsere Angaben nur mit denen Hayems, der als die normale Leukocytenzahl 6000 bezeichnet und Werte von 8000 bereits als Leukocytosen anspricht. Wir schliessen uns dem vollständig an. Malassez1) fand als Mittel 5633. Grancher1) gibt Zahlen von 3000—6000 an. Bouchut und Dubrisay1) fanden 6116 im Mittel. Nach Senator1) bewegt sich die Normalzahl, wenn man die An- gaben von Malassez, Grancher, Hayem, Bouchut, Dubrisay, Thoma zusammennimmt, zwischen 3000 und 6000 (pro cmm). Die Angaben der französischen Autoren stimmen also mit den unsrigen mehr überein als die deutschen. 2. Mit der einfachen Zählung der Leukocyten bei Infektionskrank- heiten und selbst mit der exaktesten Festsetzung des Mischungsverhält- nisses der einzelnen Leukocytenarten ist noch so gut wie nichts getan für die Auffassung der im Blute und im Körper sich abspielenden Vor- gänge. Als ein Beweis dafür muss schon allein der Stillstand, der auf diesem Gebiete, trotzdem es mit Zählresultaten geradezu überflutet wurde, seit Jahren eingetreten ist und noch immerfort bis auf den heu- tigen Tag anhält, und nicht überwindbar erscheint, gelten. Selbst die i) Zitiert nach Rieder S. 17 und 18. 2) Bruhn-Fahraeus. Klinische Studien über die Zahl der weissen Zellen im menschlichen Blute. Nord. med. Archiv 1897, Nr. 15 und 20, ref. im Z. Bl. f inn. Med. 1898, Nr. 33. Arn eth, Blutkörperchen. 11 162 Schluss- berufensten Kenner auf diesem Gebiete stehen, wie wir sahen, nicht an, zu erklären, dass wir uns hier einem Rätsel gegenüber befinden, das uns den Einblick in den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung noch verwehrt. Die fundamentale Wichtigkeit eines solchen Einblickes, falls der- selbe möglich werden sollte, wird von allen Seiten anerkannt; es gilt dies in ganz besonderem Masse für die Blutbefunde bei den uns be- schäftigenden Infektionserkrankungen, weil gerade diese die Grundpfeiler für die moderne Blut- und Serumforschung abgeben. Als Schuld an unserem Unvermögen, das undurchdringliche Dunkel zu erhellen, sind fast ganz allein die ungemein variierenden und oft in grassestem Widerspruch stehenden Blutbefunde zu bezeichnen, die ganz speziell bei den Infektionskrankheiten zu verzeichnen gewesen sind. 3. Eine grosse Reihe von Argumenten konnten wir an Hand unserer Blutuntersuchungen anführen, die die völlige Unzulänglichkeit der ein- fachen Zähl- bezw. Mischungsverhältnisse dartun. Wir erwähnen hier nur kurz den wichtigsten Punkt, nämlich, dass selbst trotz normalster Leukocytenanzahl die schwersten pathologischen Veränderungen im neu- trophilen Blutbilde bestehen können und nur zu oft in Wirklichkeit auch bestehen. 4. Wir sind in der Lage gewesen, zunächst bezüglich der neutro- philen Leukocyten eine Methode anzugeben, die es ermöglicht, in nor- malen sowohl, wie in pathologischen Verhältnissen, den genauesten Ein- blick in das Zellleben dieser wichtigsten und numerisch ausschlaggebend- sten Klasse von weissen Blutkörperchen zu tun. Die damit speziell durch unsere Untersuchungen bei Infektionskrankheiten zutage geför- derten Resultate sind sehr umfangreich und vielfach überraschend; sie eröffnen bei entsprechender Ausbeute möglicherweise eine günstige Per- spektive in die Zukunft für die Lösung vieler wichtiger Fragen. 5. So kolossal die Literatur über die Morphologie der weissen Blutkörperchen auch angeschwollen ist, und trotzdem oft die minutiö- sesten Beobachtungsresultate mit der grössten Breite behandelt sind, so sind doch alle Untersucher bis jetzt ahnungslos an den, wie ich ge- funden habe, ausserordentlich gesetzmässigen Veränderungen vorüber- gegangen, die sich in der augenscheinlichsten und tagtäglich zu beob- achtenden Weise an den Kernen der neutrophilen Leukocyten abspielen. Die morphologischen Untersuchungen an den neutrophilen Leuko- cyten des strömenden Blutes in pathologischen Verhältnissen fanden bis jetzt immer ihren Abschluss und Höhepunkt in dem ängstlichen Examen des gefärbten Blutpräparates, ob sich etwa auch Myelocyten, die Vor- stufen der „polynukleären" neutrophilen Leukocyten im Blute vorfänden. Übersicht. 163 Was sich sonst an neutrophilen Elementen im Blute darbot, näm- lich die „polymorphkernigen" oder „polynukleären" Leukocyten der Autoren schlechthin wurde in einen gemeinsamen Topf geworfen und auch nicht der leiseste Versuch gemacht, in diese gewaltigen Zellmassen, von deren grossen Mannigfaltigkeit und von deren äusserst bizarrem Verhalten bezüglich ihrer Kernbeschaffenheit die Autoren so anschaulich berichten, Ordnung zu bringen. Die genaue Kenntnis gerade dieser Klasse von Zellen und ihrer Veränderungen muss aber in Anbetracht ihrer alle anderen Zellen in der Zahl so weit übertreffenden Mengen als sehr wichtig und nicht zuletzt für die Lösung der heutzutage be- sonders aktuellen Fragen der Infektion, Intoxikation und der Immunitäts- lehre von bedeutendem Einfluss erscheinen. 6. Unsere Untersuchungsmethode ist auf der Feststellung der mikroskopischen nur mit der Ölimmersion erkennbaren morphologischen Veränderungen an den Kernen der gewaltigen neutrophilen Zellmassen, von denen eben die Rede war, begründet. Unsere Untersuchungen setzen also gerade da ein, wo man bis jetzt Halt machte und aus unserer Arbeit geht hervor, dass das gerade Gegenteil von der Gesetz- und Regellosig- keit innerhalb dieser neutrophilen Zellmassen herrscht, von der man unter dem Eindrucke der scheinbar planlosen und willkürlichen An- ordnung ihrer Kernbestandteile bis heute gesprochen hat. Die plan- mässige Feststellung dieser überaus einleuchtenden Gesetzmässigkeit und die Feststellung, inwieferne sich unter pathologischen Verhältnissen hierin Änderungen ergeben, letzteres zunächst bezüglich der Infektionskrank- heiten, ist das Ziel der vorliegenden Untersuchungen gewesen. 7. Auf Grund unserer methodischen morphologischen Kernanalysen ergibt sich bei den neutrophilen Leukocyten für den gesunden Erwachsenen bis ins höchste Greisenalter eine fast vollkommen gleichmässige und gleichsinnige prozentuale Zusammensetzung des Bestandes der neutro- philen Leukocyten. Unsere Kernanalyse trennt zur Feststellung dieser Verhältnisse die sämtlichen neutrophilen Leukocyten nach den Cha- rakteren ihrer Kerne für gewöhnlich in fünf Klassen ein; die Gesichts- punkte, nach denen diese Einteilung sich vollzieht, sind die denkbar einfachsten. Wir unterscheiden: 1. Klasse 1: Neutrophile Leukocyten mit einem Kern; ist der Kern völlig rund, so sind wir bis jetzt gewohnt gewesen, diese Zellen als Myelocyten zu bezeichnen; wir unterscheiden dann weiterhin neutrophile Zellen mit wenig und solche mit tief eingebuchtetem Kern (letztere Sorte von Zellen bilden wohl die Hauptzahl der von manchen Autoren speziell mit dem Namen .,polymorphkernige" Leukocyten bezeichneten Zellexemplare). 2. Klasse 2: Neutrophile Leukocyten mit zwei Kernen bezw. Kernteilen, wie wir dieselben zu bezeichnen uns gewohnt haben; 11* 164 Schluss- diese Kernteile können entweder Schlingenform oder die runde Kernform aufweisen. 3. Klasse 3: Neutrophile Leukocyten mit drei Kernteilen 4. „ 4: „ „ „ vier 5. „ 5: ;, „ „ fünf u. mehr „ In jeder dieser letzten drei Klassen (3, 4, 5) kann wiederum eine beliebige Kombination aus Schlingen- bezw. runden Kernteilen oder Schlingen- und runden Kernteilen gemischt vorliegen. In übersichtlichen Tabellen konnte allen Kombinationen Rechnung getragen werden und so ist es zur Anfertigung von sogenannten „neutro- philen Blutbildtabellen" gekommen, die die jeweilige prozentuale Zu- sammensetzung der neutrophilen Leukocyten bis ins feinste Detail anzu- geben im stände sind. Es ist nun ohne weiteres einleuchtend, dass durch Vergleich solcher Tabellen eine Fülle von Veränderungen in pathologischen Fällen gegen- über den Befunden beim normalen Menschen zu erwarten sein werden, wenn anders überhaupt die neutrophilen Leukocyten eine Rolle in patho- logischen Zuständen zu spielen haben. In der Tat sind unsere Erwartungen in unseren Untersuchungen bei Infektionsvorgängen nicht nur erfüllt, sondern in höchstem Masse übertroffen worden. Normalerweise finden wir das neutrophile Blutbild, wie aus den Tabellen zu ersehen ist, gleichmässig, fächerförmig von der ersten gegen die fünfte Klasse zu ausgebreitet, einer wohlgeordneten Pha- lanx vergleichbar, die jederzeit zum Angriff oder zur Verteidigung be- reit ist. Es bestehen normalerweise gewisse Prozentsätze, die für die ein- zelnen Klassen in sehr bemerkenswerter Weise verschieden sind, aber immer wiederkehren; dabei ist jedoch auch individuellen Verschieden- heiten genügend Spielraum gewährt. Um nicht zu viel Detail noch einmal aufrollen zu müssen, sei nur noch hinzugefügt, dass auch ausser- dem noch eine grössere Reihe gesetzmässiger, sehr wichtiger, immer wiederkehrender Eigentümlichkeiten gefunden wurden. 8. Gegenüber dem normalen, neutrophilen Blutbefunde, dessen Charaktere in ziemlich engen Grenzen umschrieben sind, finden sich nun unter pathologischen Verhältnissen und speziell bei den von uns untersuchten Infektionskrankheiten alle Veränderungen von den leichtesten bis zu den allerschwersten; es kann die Veränderung in dem Korps der neutrophilen Leukocyten soweit gehen, dass die Ord- nung des Blutbildes geradezu auf den Kopf gestellt zu sein scheint; die jeweils angefertigte entsprechende Tabelle ist dann immer im stände, Übersicht. 165 diese Verhältnisse in der schönsten gegensätzlichen Weise zu veran- schaulichen. Die enormen Umsetzungen innerhalb der neutrophilen Leukocyten- massen, die bei der Ausrechnung in Zahlen für unsere Begriffe kaum fasslich erscheinen, sind zu erkennen an der Änderung der Kernbeschaffen- heit der neutrophilen Leukocyten. Wir finden nur mehr einen grösseren oder geringeren Bruchteil der vorher vorhanden gewesenen Zellen auf den Tabellen. Dies kann zum Beispiele so weit gehen, dass wir alle Zellen aus der dritten, vierten und fünften Klasse verschwunden finden, oder dass wir in der ersten Klasse, wo normalerweise kaum 10°/o je anzutreffen sein werden, gleich 70 und mehr °/o Zellen zählen. Die Zellen verschwinden offenbar aus dem Blutbilde, sie werden aber durch neue, nun aber anders geartete ersetzt. Diese neuen Zellen stehen in fast allen Fällen um eine oder mehr Stufen höher — gegen die Myelo- cyten zu — bezüglich ihrer Entwickelung, so dass wir unter Umständen für die aus dem Blutbilde verschwundenen alten Generationen nur mehr ganz jugendliche anzutreffen in der Lage sind. Myelocyten brauchen deswegen keineswegs immer auch vorhanden zu sein. 9. Nach allgemein akzeptierten Gesetzen wissen wir, dass mit der Entwickelung der Neutrophilen aus den Myelocyten durch die polymorph- kernigen Übergangszellen zu den im wirklichen Sinne des Wortes poly- nukleären Exemplaren eine Alterung der Zellen eintritt; es sind darum die Zellen der Klasse 2 älter als die der Klasse 1, die Zellen der Klasse 3 älter als die der Klasse 2 u. s. w. Verschwindet eine Klasse von Zellen aus dem Blute oder trifft der Abgang mehrere Klassen, so ist es immer zuerst die fünfte, dann die vierte, dann die dritte Klasse, die Einbusse erleiden; Fälle, bei denen auch die zweite Klasse vollständig geschwunden war, kamen nicht zur Beobachtung. Der Verbrauch der aus dem Blut- bilde entschwundenen Zellen geht immer innerhalb der Blut bahn selbst vor sich; die bei besonders grossen Eiterungen gegebenen Ver- hältnisse machen dabei vielleicht bis zu einem gewissen Grade eine Ausnahme. 10. Die Untersuchungen wurden in jedem Falle, soweit dies not- wendig erschien, über einen entsprechend langen Zeitraum ausgedehnt und auch der Zwischenraum zwischen den einzelnen Untersuchungen entsprechend lange bemessen; in maximo verfügen wir bei mehreren Fällen über durch mehrere Monate fortlaufende Untersuchungs- resultate. 11. Wir betrachten nun das Verschwinden der gewaltigen Leuko- cytenmassen aus dem neutrophilen Blutbilde bei Infektionsprozessen als einen nach dem bestimmten Infektions- oder Intoxikationsprozess be- stimmten, spezifischen VernichtungsVorgang derselben. Jeder In- 166 Schluss- fektions- und Intoxikationstypus hat sein ihm bis zu einem gewissen Grade eigenes Vernichtungsbild bezüglich der weissen Blutkörperchen. Da, wie wir unten sehen werden, nur relativ wenig genau begrenzte Möglichkeiten bezüglich dieses Vernichtungsvorganges gegeben sind, so sind immer eine Reihe von Infektions- bezw. Intoxikationsprozessen in ihrer Wirkung auf die neutrophilen Leukocyten als zusammengehörig zu betrachten. Daraus lassen sich dann auch natürlich rückwirkende Schlüsse auf die zu erwartende Natur des vielleicht bei dem einen oder anderen Falle noch gar nicht bekannten infektiösen Agens ziehen. Um so mannigfaltiger sind aber die Unterschiede bezüglich des Grades der Blutbildveränderungen, sowohl innerhalb einer solchen zu- sammengehörigen Infektionskrankheitengruppe, als auch innerhalb ein und derselben Krankheitstype selbst. Massgebend für die graduellen Unterschiede der neutrophilen Blutbildveränderung bei Infektionspro- zessen derselben Art ist offenbar nicht nur die Schwere oder Leichtig- keit der betreffenden Intoxikation oder Infektion, sondern auch der Ernährungszustand und die spezifische Widerstandsfähigkeit des be- fallenen Organismus. Da wir aber in diesen Punkten selbstverständlich alle Intensitätsgrade anzutreffen erwarten müssen, so kann uns auch der verschiedene Grad der Schädigung des neutrophilen Blutbildes, der genau durch obige Momente determiniert ist, nicht mehr überraschen. 12. Bei diesen nur in grossen Zügen geschilderten Veränderungen des neutrophilen Blutbildes unter dem Einfluss der Infektionskrankheiten sind ausserdem noch eine Reihe sehr wichtiger, interessanter und gesetz- mässiger Details aufzufinden, deren Rekapitulation hier zu weit führen würde. 13. Eine Reihe sehr wichtiger biologischer und anderer Fragen harrt der definitiven Entscheidung durch unsere Untersuchungsmethode, so vor allem die Frage nach der Entstehung der Hyper- und Hypoleuko- cytose, in der sich so viele Autoren bemüht und eine Reihe von Theorien aufgestellt haben, die sich vielfach geradezu widersprechen. Nach unseren Untersuchungen in Fällen von Infektionskrankheiten der verschiedensten Art müssen wir die in bezug auf das neutrophile Blutleben aufgefundenen Veränderungen folgendermassen einteilen. (Wir bedienen uns dabei der von Jakob und Goldscheider stammenden, nichts präsumierenden Bezeichnungsweise: Hyper- und Hypoleukocytose für die Vermehrung bezw. Verminderung der weissen Blutkörperchenzahl.) 1. Hyperleukocytose oder Hypercytose. a) Isohyperleukocytose oder Isohypercytose, b) Anisohyperleukocytose oder Anisohypercytose. Übersicht. 167 2. Normoleukocytose oder Normocytose. a) Isonormoleukocytose oder Isonormocytose, b) Anisonormoleukocytose oder Anisonormocytose. 3. Hypoleukocytose oder Hypocytose. a) Isohypoleukocytose oder Isohypocytose, b) Anisohypoleukocytose oder Anisohypocytose. In allen Bezeichnungen soll das Wort Leukocytose nicht mehr wie bisher den Vermehrungszustand der Leukocyten bezeichnen, sondern nur die Zahl der Leukocyten im allgemeinen zum Ausdruck bringen, die dann durch den vorgesetzten Begriff in der entsprechenden Weise bestimmt ist. Doch dürfte es in dieser zusammengesetzten Wortbildung vielleicht zu empfehlen sein, nur mehr den kürzeren Ausdruck Cytose zu gebrauchen, der ebenfalls nicht zur Verwechslung Anlass geben wird; es wird dies um so mehr notwendig sein, als wir nach unseren bis- herigen Anschauungen eine Normoleukocytose ebenso wie eine Hypo- leukocytose als eine Contradictio in adjecto bezeichnen müssen. Die neuen, abgekürzten Bezeichnungen dürften aber an Prägnanz nichts zu wünschen übrig lassen. Was verstehen wir nun unter einer Iso- und dann unter einer A n i s o - Normocytose, -Hypercytose und-Hypocytose? Unter den Begriff einer I s o - Erscheinung subsummieren wir alle diejenigen neutrophilen Blutbilder, die dem normalen in ihrer durch Anlegung einer Bluttabelle zu ersehenden Zusammensetzung gleichen, unter den Begriff einer Aniso- Erscheinung alle diejenigen, die mehr oder weniger schwere Verände- rungen und Schädigungen gegenüber dem normalen Durchschnittsbild aufweisen. Auf Grund unserer Untersuchungen handelt es sich selbst bei der durch Infektionsprozesse bedingten Hyperleukocytose, die die höchsten Grade aller bekannten diesbezüglichen Vermehrungen der weissen Blut- körperchen überhaupt aufzuweisen pflegt und die eigentlich bisher den Ausgangspunkt für die meisten Untersuchungen abgab, niemals um eine I s o hyperleukocytose, sondern stets um eine A n i s o hyperleukocytose; auch haben wir nie eine Isohypoleukocytose in unseren Untersuchungen bei Infektionskrankheiten gefunden, sondern immer eine Anisohypoleuko- cytose; in Übereinstimmung damit fanden wir sehr oft nicht eine Iso- normocytose, sondern vielfach eine Anisonormocytose. Mit den bis auf den heutigen Tag dominierenden Anschauungen der positiven und negativen Chemotaxis können wir nimmermehr diese Befunde erklären. Denn wenn die Hyperleukocytose einer positiv-chemo- taktischen Anlockung von weissen Blutkörperchen ihre Entstehung ver- dankt, so erwarten wir wohl eine Vermehrung der Leukocytenzahl, nicht aber eine gleichzeitige, oft allerschwerste Schädigung und Umstürzung 168 Schluss- des neutrophilen Blutbildes. In Wirklichkeit ist aber beides der Fall, es findet nicht nur eine quantitative, sondern, und dies ist der sprin- gende Punkt, eine oft hochgradigste qualitative Veränderung der Zu- sammensetzung statt. Mutatis mutandis trifft das gleiche für die Hypo- leukocytose zu; bezüglich der Normocytose, d. h. bei der normalen Anzahl von weissen Blutkörperchen, aber haben wir bis auf diesen Tag über- haupt noch keine Kenntnis gehabt von einer dabei oft sehr schweren qualitativen neutrophilen Blutbildveränderung. Wie tief einschneidend diese Resultate für die Auffassung einer Blutveränderung sein müssen, liegt damit auf der Hand. Ich erwähne nur ein grasses Beispiel aus der Menge unserer diesbezüglichen Erfahrungen. Bei Parotitis epi- demica können nach Picks und unseren Untersuchungen völlig normale Leukocytenwerte bestehen; wie wir aber aus unseren Blutuntersuchungen sehen, besteht trotzdem in allen unseren Fällen eine sehr schwere quali- tative Veränderung des neutrophilen Blutkörperchenbestandes. Mit der Aufdeckung dieser Tatsachen muss natur- gemäss die ganze Lehre über die positive und negative Chemotaxis für die neutrophilen Leukocyten im strömenden Blute bei Infektionsprozessen, soweit sie sich auf diese Vorgänge bezieht und in diesem Sinne darauf bezogen worden ist, fallen gelassen werden. Es handelt sich im Gegenteil dem Wesen des Vorganges nach um Vernichtungs- vorgänge der neutrophilen Leukocyten, die, und nur in diesem Sinne kann der Begriff der Chemotaxis aufrecht erhalten werden, in einem fort während der ganzen Dauer der Erkrankung angelockt werden, um der Vernichtung anheimzufallen. Je nach dem Grade der Infektion oder Intoxikation, nach der spezifischen Wirkung des infizierenden oder in- toxizierenden Agens auf Blut undMark, je nach demErnäh- rungszustande und derResistenz des Indivi duums, je nach der Anwesenheit und dem Übertritt der Infektionserreger ins Blut oder nicht, je nach dem Ablauf des eventuell ge- setzten lokalen Krankheitsprozesses und seiner Folgen und wahrscheinlich noch aus einer grossen Reih e aller möglichen anderen Faktoren ergeben sich eine unendliche Reihe von Mannigfaltigkeiten und Übergängen, als deren prägnan- teste wir bis jetzt die Hyper[leuko]cytose, die Normo [leuko]- cytose unddie Hypo[leuko]cytose besonders herauszufassen gewohnt waren. Nachdem wir wissen, dass wir selbst bei normaler Leukocytenzahl die schwersten Veränderungen finden können, ist auch dieser Begriff an Wertigkeit den anderen gleichzusetzen. Übersicht. 169 Nunmehr sind wir auch in der Lage, die Erklärung der verschie- densten Blutveränderungen richtig zu geben, und wie unsere Arbeit in ihrer Ausführung beweist — es muss hier bis auf das feinste Detail verwiesen werden —, ergibt sich ein Gebäude von schönster Harmonie nach allen Richtungen, ganz im Gegensatze zu den bis jetzt gebräuch- lichen, oft planlos erscheinenden und verwirrenden Zahlenangaben, die weiter nichts anderes auszudrücken vermochten als eben nur die nackte Zahl allein. In manchen Fällen mag ja der Ablauf beider Veränderungen bis zu einem gewissen Grade parallel gehen, d. h. z. B. mit dem Abfall der Hyperleukocytose und damit dem Rückgang des Infektions- oder Intoxi- kationsprozesses auch Schritt für Schritt das neutrophile Blutbild sich bessern; eine Gesetzmässigkeit kann jedoch, wie aus unseren Unter- suchungen hervorgeht, unter keinen Umständen daraus konstruiert werden; auch für die Rückbildung der Hypoleukocytose gilt das gleiche. Dass dies in dem letzten Falle der Anisonormocytose vollends absolut ausgeschlossen ist, beweist natürlich der Zustand der Anisonormocytose selbst, wie wir so oft konstatieren konnten. Allein infolge der Unkenntnis dieses letzteren Zustandes und der dadurch bedingten Unmöglichkeit seiner Verwertung müssten schon von Anfang an bei den Erklärungsversuchen der Autoren eine grosse Reihe von Blutzählresultaten für die Erklärung in falscher Richtung benützt werden. 14. Wir müssen die gebräuchliche Einteilung der Leukocy tosen fallen lassen. Dieselbe lautete1) bis jetzt: I. Physiologische Leukocytose: a) Verdauungsleukocytose, b) Leukocytose der Schwangeren, c) Leukocytose der Neugeborenen. IL Pathologische Leukocytose: a) die entzündliche Leukocytose, b) die durch bösartige Tumoren verursachte Leukocytose, c) die posthämorrhagische Leukocytose, d) die agonale oder prämortale Leukocytose. III. Leukocytose durch medikamentöse und anderweitige Eingriffe. Nach unseren, zum grossen Teil bereits abgeschlossenen Unter- suchungen über die anderen, in dieser Arbeit nicht behandelten Arten dieser Leukocy tosen hat sich die Aufgabe der angeführten Nomenklatur als Notwendigkeit bereits herausgestellt. Hoffentlich bin ich bald in der Lage, die Resultate in extenso zu veröffentlichen. *) Zit. nach von Limbeck. 170 Schluss- Wir werden keinerlei neue Gesichtspunkte für alle diese Leuko- cytosenarten aufzustellen brauchen, so dass eine grosse Vereinfachung des ganzen Gebietes sich ergeben wird. Inwieweit für die eventuell zu den Isocytosen gehörigen Formen der oben aufgeführten Leukocytosenarten eine der bis jetzt gegebenen Erklärungen zutrifft, werden wir dann ebenfalls zu untersuchen haben. Aber auch die Einteilung der Zustände, bei denen sich eine Ver- minderung der Leukocytenzahl findet, kommt in Wegfall. Ehrl ich-Lazarus (S. 130 1. c.) unterschieden: 1. die Leukopenie i. e. Verminderung der Zahl der weissen Blut- körperchen durch Zerstörung eines Teiles der weissen Blut- körperchen (Löwit); Ehrlich-Lazarus schliessen sich der jetzt vorherrschenden Ansicht an, dass es sich hier gar nicht um eine wirkliche Zerstörung der weissen Elemente handelt, sondern um eine andere Lokalisation innerhalb der Blutbahn. 2. Die Leukopenie durch mangelnden Zufluss weisser Blutkörperchen: a) bei Infektionskrankheiten durch negative Chomotaxis (Ty- phus und Masern z. B.), b) bei Anämien u. ä. durch mangelhafte Leistung des Knochenmarkes. Die Leukopenie bei Infektionskrankheiten (2 a) erklären die beiden Autoren nicht sowohl durch eine Zerstörung weisser Blutkörper- chen, als durch den verminderten Zustrom derselben, der für die polynukleären Elemente wohl auf das Kreisen von negativ-chemo- taktischen Substanzen zurückzuführen ist. Die Leukopenie bei Anämien etc. (2 b) wird durch ungenügende Produktion von weissen Blutzellen im Marke erklärt, indem das Fettmark sich nicht, wie es sonst bei schweren Anämien die Regel ist, in blutbildendes rotes Mark umwandelt. Wir haben nun auf Grund unserer Untersuchungen gesehen, dass die alte Löwitsche Anschauung zu Recht besteht („Leukolyse" oder „Leukocytolyse") und zwar in allen unseren mit Leukocytenverminde- rung einhergehenden Infektionskrankheiten. Löwit selbst scheint in der letzten Zeit geneigt zu sein, seinen alten Standpunkt gegenüber dem durch Jacob und Goldscheider (S. früher) aufgestellten chemotak- tischen Erklärungsversuch aufzugeben; noch zuletzt haben dagegen Löwy und Richter1) allerdings auf Grundlage chemischer Untersuch- ungsmethoden die wiederholte Forderung aufgestellt, dass im Stadium der Hypoleukocytose ein Leukocytenzerfall stattfinde. i) „Zur Biologie der Leukocyten". Virchows Archiv Bd. 151; 1898. Übersicht. 171 Warum soll auch nach der modernen Anschauung die Hyperleuko- cytose allein als „entzündlich" bezeichnet werden müssen, die Hypo- leukocytose, die doch bei nicht minder entzündlichen Infektionskrank- heiten zu verzeichnen ist, selbst wenn sie nur durch ungleichmässige Verteilung der im übrigen unveränderten Leukocyten bedingt wäre dagegen nicht? Sie ist vielmehr ebenso „entzündlich" wie die Hyperleukocytose, wenn man überhaupt diese Bezeichnung gebrauchen will, ja, wie wir oben auseinandersetzten, angesichts der schweren Schädigung des Blutes nach den beiden Richtungen in Wirklichkeit noch viel „entzündlicher" als jene. 15. Die oben ausgeführte Neueinteilung wurde aufgestellt mit Rücksicht auf den in der Literatur bereits eingeführten Sprachgebrauch. Eine sehr einfache andere Einteilung, die allerdings nicht so prägnant und nur für den deutschen Sprachgebrauch geeignet ist, ist natürlich die sich von selbst ergebende folgende: 1. Normale Leukocytenzahl mit a) normalem neutrophilen Blutbild, b) pathologisch verändertem neutrophilen Blutbild. 2. Vermehrte Leukocytenzahl mit a) normalem neutrophilen Blutbild, b) pathologisch verändertem neutrophilen Blutbild. 3. Verminderte Leukocytenzahl mit a) normalem neutrophilen Blutbild, b) pathologisch verändertem neutrophilen Blutbild. Sicherlich ist die Löwit sehe Bezeichnung Leukolyse für die letzte Art: 3 b = Anisohypocytose als ganz zutreffend am Platze; ob wir die Bezeichnung Leukopenie für die Formen 3 a = Isohypocytose mit eben- soviel Recht verwenden dürfen, müssen weitere Untersuchungen lehren. 16. Inwieweit bei normalem neutrophilen Blutbefunde jedoch bei vermehrter oder verminderter Leukocytenzahl (Iso-hyper- und -hypocytose) das Zustandekommen der Befunde durch irgend welche andere Einflüsse (ungleichmässige Verteilung, Einflüsse durch ungleiche Konzentration des Blutes, vasomotorische Momente etc.) in Betracht kommt, wie sich ferner die Verhältnisse bezüglich der Untersuchung von Venen- gegen- über dem Kapillarblut gestalten, oder ob sich schon Differenzen im Ka- pillarblut verschiedener Körperteile und ob sich Differenzen im Venen- blut verschiedener Körperteile ergeben, bleibt alles späteren Unter- suchungen vorbehalten. Eine grosse Reihe von Experimenten, die sich im wesentlichen an die Namen Becker, Bohland, Cohnstein und Zunz, Descatello und Czinner, Grawitz, Friedländer, P. Jacob und Goldscheider, Hannes, Knöpfelmacher, Winter- 172 Schluss- nitz, Rovighi, Wells, Zollikofer knüpfen, sind da mit Hilfe un- serer Untersuchungsmethode nachzuprüfen. Sehr wichtig erscheint mir z. B. auch die Untersuchung der Frage, ob bei künstlich erzeugten Absorptionsherden von Leukocyten das Ar- terienblut des Bezirkes, in dem z. B. der künstliche, Unmassen von Leukocyten in kontrollierbarer Weise absorbierende Eiterherd sitzt, ein verändertes neutrophiles Blutbild aufweist gegenüber dem in der dazu gehörigen Vene. Oder ob sich die bei einer eventuellen Differenz er- gebenden fehlenden neutrophilen Leukocyten im Eiter etwa wiederfinden? Allgemeininfektion musste bei dieser Eiterung natürlich ausgeschlossen sein. Manche anscheinend wichtige Theorie dürfte so die ihr noch fehlende Stütze erhalten oder überhaupt fallen gelassen werden müssen. — Auch bei den Infektionskrankheiten lassen sich ähnliche Versuchsanord nungen ausfindig machen, z. B. wie sich das neutrophile Blutbild vor und nach der Passage des primären Infektionsherdes verhält, oder ob die Schädigung der Neutrophilen in dem betreffenden Infektionsgebiet eine stärkere, weil direktere ist als im entlegenen Kapillarblute u. s. f. Schlüsse über die Verallgemeinerung des Giftes über den ganzen Körper, über die Verhältnisse bei der Toxinämie oder bei der Bakteriämie werden zu gewinnen sein, die um so wichtiger sein werden, wenn eine gleichzeitige bakteriologische Untersuchung des Blutes damit Hand in Hand geht. Noch viel wichtigere Resultate werden aber voraussichtlich die Untersuchungen liefern, die darauf hinauszielen, durch Injektion von bekannten lebenden und isolierten Infektionserregern in verschiedenen Mengen und Virulenzen, durch Toxininjektionen, durch Injektion ihrer Zellgifte (Proteine), durch Antitoxin- etc. Einverleibungen und durch Kombinationen der verschiedenen Möglichkeiten subkutan bezw. intra- venös künstlich reine, isolierte, nur von der betreffenden Bakterien-, Toxin-, Antitoxinwirkung etc. abhängigen Krankheitsbilder und damit spe- zifische Veränderungen des neutrophilen Blutbildes zu erzeugen. Auch derartige Untersuchungen sind von mir in Aussicht genommen. 17. Wenn uns weiter nichts über eine Reihe von Blutbefunden bekannt wäre wie die Beschaffenheit des neutrophilen Blutbildes und die Gesamtzahl der Leukocyten, so würden dieselben ohne allen Zweifel aus rein logischen Gründen nach dem Grade ihrer Schwere in unserer Bezeichnungsweise einzuteilen sein, wie folgt: Am schwersten verändert musste uns der Blutbefund einer Aniso- hypoleukocytose erscheinen, bei dem mit der Herabsetzung der Zahl sich auch gleichzeitig eine grave Schädigung des neutrophilen Blut- bildes verbindet; dann hätte der Blutbefund mit Anisonormocytose zu folgen, dann der bei Anisohypercytose; am günstigsten musste jeden- Übersicht. 173 falls a priori die Form der Isohypercytose imponieren, wo wir eine Steigerung der Leukocytenzahl und keine Schädigung des Blutbefundes auffinden. Der Isohypocytose dagegen sind wir noch sehr wenig be- gegnet ; vielleicht lassen wir sie zwischen der Anisohypocytose und Aniso- normocytose rangieren. Zwischen den beiden Extremen: der stärksten Anisohypocytose und Isohypercytose bestehen alle Gradabstufungen und fliessenden Übergänge in unübersehbarer Zahl und Variation. 18. Welche Faktoren die massgebenden sind oder ob, was wahr- scheinlicher ist, eine Reihe von Faktoren zusammenwirken, um den je- weiligen Blutbefund zu erzeugen, ist selbst durch unsere gegenwärtigen, detaillierten Untersuchungen noch nicht völlig klargestellt. Wir wollen aber doch schon hier auf einige wichtige Punkte aufmerksam machen, soweit wir es in Anlehnung an die an dieser Arbeit niedergelegten Tatsachen zu tun vermögen. Wenn wir die oben in Aussicht gestellten Unter- suchungen beendet haben und ihre Ergebnisse verwerten werden können, so werden wir vielleicht genötigt sein, einen Teil der im folgenden ent- wickelten Ansichten und Hypothesen nach der einen oder anderen Seite zu ergänzen oder umzuändern. Wir werden darum im folgenden uns auch bemühen, so wenig als möglich das Kapitel der baktericiden, antitoxischen und sonstigen Schutzeinrichtungen des Blutes sowie das Kapitel der berühmten Phagocytentheorie und andere wichtige Fragen der Immunitätslehre zu berühren, wenn schon die Resultate unserer Arbeit uns geradezu dazu auffordern; es dürfte dies seinerzeit auf viel. breiterer und sicherer Basis nach Beendigung der angezogenen Unter- suchungen zu geschehen haben. Wir haben bei unseren Untersuchungen oft genug gesehen, dass eine nach unseren Überlegungen in Nr. 17 a priori als schwere aufzu- fassende Blutveränderung bei einer ganz leicht verlaufenden Infektions- krankheit zu verzeichnen ist (z. B. bei Masern, Varizellen, Mumps) und umgekehrt, dass bei als klinisch ziemlich schwer verlaufenden Fällen (Gelenkrheumatismus, Erysipel, Tuberkulose z. B.) oft nur relativ unbe- deutende Blutbildschädigungen nach der Auffassung der Nr. 17 bestehen. Wir haben ferner oft genug gesehen, dass sich die Entwicklungen und Prozesse, die sich im neutrophilen Blutbilde abspielen, oft gar nicht im mindesten um den klinischen Verlauf kümmern, dass das neutrophile Blutbild (am eklatantesten bei Typhus) immerfort seiner Besserung ent- gegengeht, während die klinischen Symptome an Schwere immer mehr zunehmen u. s. w. Wir konnten nur in relativ wenig Fällen eine völlige Symmetrie zwischen dem klinischen Verlauf und den Vorgängen im neutrophilen Blutbilde konstatieren. Wir haben aber auch gesehen, dass sonst sowohl schwerste Anisohypocytosen als auch schwerste Aniso- hypercytosen gleich vollkommen zur Heilung gelangten. 174 Schluss- Wir können uns dem nach absolut nicht der Anschauung anschliessen, dass etwa die Hyperleukocytose das allein salutäre sei; die Verminderung der Leukocytenzahl muss vielmehr mindestens ein ebenso heilsamer Faktor als die Vermehrung erscheinen, da wir tagtäglich sie bei in Heilung ausgehenden Erkrankungen in grosser Anzahl auftreten sehen. Die Werteinschätzung einer Blutbildveränderung, einer Vermehrung oder einer Verminderung der Leukocytenzahl, kann also eine vollkommen differente sein je nach den sie auslösenden Ursachen. Die Bezeichnung „normale" Leukocytenzahl verliert vollkommen diese Bedeutung, sowie nicht auch das morphologische Blutbild als normal allen unter nor- malen Verhältnissen anzutreffenden Bedingungen gehorcht. Wenn wir aber bei der Hypoleukocytose von einer negativ chemo- taktischen Wirkung sprechen wollten, so verträgt sich doch offenbar diese Erklärung von einem Abgestossenwerden der Leukocyten erst recht ganz und gar nicht mit der sicher von dem Körper in allen Fällen von Infektionen betätigten positiven Abwehr. Wir haben vielmehr nach unseren Blutbildern, die ja die Spuren des Kampfes der Neutrophilen an der Stirne tragen, in den Anisohypoleukocytosen ebenfalls einen Ab- wehrprozess zu erblicken, nur muss bei allen den mit Anisohypocytosen einhergehenden Infektionskrankheiten eine diesen Infektionskrankheiten allein zukommende und sie daher streng von den anderen mit Aniso- hypercytose einhergehenden Infektionen abtrennende charakteristische Eigentümlichkeit vorliegen, die die Abwehrbewegung für die bisherigen Untersuchungen der Autoren und für die darauf begründete Auffassungs- weise kaschiert hat. Welcher Faktor wird dies nun sein? Wir werden sofort von selbst darauf stossen, wenn wir die Fälle aufzählen, in denen wir die Anisohypocytose aufgefunden haben; es war dies der Fall 1. bei einem tödlichen Falle von Pneumonie, 2. bei Typhus abdominalis in allen Fällen, 3. bei den Masern in allen Fällen, 4. bis zu einem gewissen Grade bei den Varizellen, 5. bei Parotitis epidemica bis zu einem gewissen Grade, 6. bei einem Falle schwerster Blutvergiftung, 7. bei einen tödlichen septischen Diphtheriefalle, 8. bei allen unseren Fällen von Miliartuberkulose, 9. aus der Literatur haben wir im Text weiterhin einige Sepsis- fälle aus dem Buche von Lenhartz angeführt, wo gleich- zeitig eine bakterielle Untersuchung des Blutes gemacht war; Übersicht. 175 in all den Fällen, wo Bakterien im Blute gefunden wurden, fand sich auch eine Hypoleukocytose; in allen anderen, darum nicht minder von ihm zu den septischen gerechneten Fällen aber eine Hyperleukocytose. 10. Aus der Literatur wissen wir ferner, dass die Malaria in den meisten Fällen von keiner Vermehrung und oft sogar von einer Herabsetzung der Leukocytenzahl unter die Norm zur Zeit der Überschwemmung des Blutes mit Malariaplasmodien begleitet ist. 11. Auch bei dem Gelenkrheumatismus finden wir nur eine meist sehr massige Leukocytenvermehrung im Gegensatz zur Schwere des Bildes. 12. Bei foudroyanten Fällen oft tödlicher Perityphlitis haben wir gehört, dass keine Leukocytose, ja eine Hypoleukocytose vor- handen ist. 13. Hypoleukocytose finden wir ferner bei Gelbfieber; Pick hat auch bei den Pocken nie im initialen und Eruptionsstadium eine Leukocytose gefunden (c. nach Grawitz). Welches ist nun der gemeinsame Faktor, der möglicherweise allen diesen Erkrankungen gleichmässig zukommt? Wohl doch nur der allein, dass bei allen mit der Möglichkeit — ja Sicherheit — der Anwesenheit von Bakterien im Blute zu rechnen ist. Für einen grossen Teil der Nummern ist es ja nachgewiesen, wie für Typhus, Sepsis, Miliartuber- kulose, Gelenkrheumatismus; durch von Jaksch1) und Pässler2) sind uns die Fälle von Pneumonie, die mit Hypoleukocytose einher- gehen, als besonders prognostisch ungünstig bezeichnet worden; Pässler hat in einer Anzahl von letal endigenden Fällen von Pneumonia crou- posa dann eine Hypoleukocytose gefunden, wenn die Krankheit mit einer Generalisierung der Pneumokokken im Blute endigte (Pneumo- kokkenseptikämie). Er hat deren Anwesenheit bakteriologisch in jedem Falle erwiesen. Wir schliessen aber aus diesen Tatsachen, dass dann wohl auch bei den anderen Erkrankungen, bei denen die Erreger noch nicht be- kannt sind (Masern, Varizellen, Parotitis etc.) die Organismen ebenfalls im Blute vorhanden und zu finden sein werden. Umgekehrt müssten wir bei allen denjenigen Infektionskrankheiten, wo wir eine Hyperleuko- cytose vor uns haben, nur an eine Toxinwirkung denken, die aber ihrer- seits wohl ebenfalls je nach dem Gifte sehr verschiedenartig sein kann. Wir müssen uns wohl bewusst bleiben, dass wir gewiss noch viele Steine dieser Hypothese aus dem Wege zu schaffen haben werden und dass i) Zentralblatt für innere Medizin 1892 Nr. 5. 2) Münchener mediz. Wochenschrift 1901 S. 289 und Verhandlungen des XV. Kongresses für innere Medizin 1897 S. 412. 176 Schluss- es Verschiedenheiten geben wird und muss; so ist auch Bakteriämie mit Hyperleukocytose, Toxinämie mit Hypoleukocytose gelegentlich be- schrieben worden; sicher werden sich diese Fragen erst durch das Experi- ment entscheiden lassen. Die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen über die Leukocyten- zahl nach Einspritzung von Bakterien ins Blut sprechen jedenfalls ganz für unsere Auffassung, denn immer hat man eine Hypoleukocytose so- fort nachher beobachtet. Wir werden seinerzeit ausführlich diesen Gegenstand zu behandeln haben, wenn wir die Wirkungsart einer Rein- kultur von lebenden Bakterien, der isolierten Proteine, der isolierten Stoffwechselprodukte, der Albumosen, der Peptone, der Organextrakte, des Nukleins kennen gelernt haben werden. Aus den oben genannten Experimenten in der Art, wie sie bis jetzt schon vorliegen, geht aber bereits hervor, dass die Hypoleukocytose immer sehr rasch nach der Einspritzung (oft schon in einigen Minuten) wieder verschwand und dann einer Hyperleukocytose Platz machte; auch diese Möglichkeit kann natür- lich bei den mit Hyperleukocytose einhergehenden Infektionskrank- heiten vorhanden sein. Dass sich hier keine völlig gleichmässigen Gesetze bezüglich der angeführten grösseren Klassen von einzuspritzenden Stoffen auffinden lassen werden, darauf scheint auch unter anderem die schon mehrmals zitierte Angabe Bohlands zu deuten, der bei Injektion von Typhustoxin zunächst, nach 10—30 Minuten, eine Hypoleukocytose er- hielt, der dann eine Leukocytenvermehrung sich anschloss, während er gerade umgekehrt durch das Toxin des Bacterium coli sofort eine stärkere Hyperleukocytose bekam. Wenn wir aber dauernd eine Hypoleukocytose vorfinden, so müssten wir wohl an eine dauernde Überschwemmung des Blutes mit den Infektionserregern denken; für den Abdominaltyphus ist dies in der Tat auch jetzt schon einwandsfrei so gut wie für alle Fälle kulturell er- wiesen. Sicher kommen aber noch eine Reihe von mitwirkenden Fak- toren hinzu. Nun verstehen wir auch einigermassen, warum gleichzeitig auch das neutrophile Blutbild oft so schwer geschädigt und die Gesamtzahl verringert ist — es findet eben offenbar eine direkte Vernichtung der Leukocyten im Blute durch die dort eingenisteten Infektionserreger statt, entweder in akuter oder in chronischer, andauernder Weise, oder durch deren Proteine, oder durch deren Stoffwechselprodukte, oder durch sonstige Umsetzungs- und Zerfallsprodukte, oder durch eine Mischung der verschiedenen Faktoren. In allen Fällen, mag die Vernichtung der Leukocyten durch direkt im Blute anwesende Bakterien oder deren Proteine oder durch die von ihnen abgeschiedenen Toxine etc. bedingt sein, besteht nur eine Übersicht. 177 Affinität oder eine Ursache für das Zugrundegehen der älteren neutro- philen Zellen, offenbar weil diese die leistungsfähigsten sind; man kann also nicht, wie es vielfach geschehen ist, die polynukleären neutrophilen Leukocyten (Klasse [2,] 3, 4 [und 5]) als degenerierende, dem Zerfalle nahe Zellen aus dem Grunde der Beschaffenheit ihrer Kerne bezeichnen; sondern weil sie die lebenskräftigstenx), leistungsfähigsten, Antikörper aller Art am besten produzierende Zellen sind, gehen sie zu gründe, damit jene frei werden können; oder vielmehr, weil sie nach ihrem Zerfall im Körper fehlen und der Körper so seiner besten Waffen entblösst ist, und weil jetzt nur mehr ganz junge Zellen (Klasse 1 und 2 im wesent- lichen) dem Körperhaushalte vorstehen, dominieren die Infektionserreger und ihre Toxine, und die Infektionskrankheit ist nicht eher überwunden, als bis der Sieg der neutrophilen Leukocyten proklamiert und damit ihre normale Zahl und Beschaffenheit wieder hergestellt ist. Darum ergeben sich auch eventuell aus dem Blutbefunde wichtige Schlüsse für die Dauer der Rekonvaleszenz, denn solange das normale Verhalten des Blutbildes nicht wieder hergestellt ist, kann von einer Gesundung nicht die Rede sein. Auf diesen Punkt haben wir in unseren Ausführungen auch an verschiedenen Orten mit Nachdruck ver- wiesen. Schon rein teleologisch betrachtet, müssen wir verlangen, dass die Zellen der Klassen (2), 3, 4. (5) als die leistungsfähigsten erscheinen. Denn was sollte der Körper, der jeden Augenblick auf einen schweren Angriff gefasst sein muss, mit veralteten und gebrechlichen Waffen an- fangen? Dass aber die jugendlichen Zellen nicht entfernt die Leistungen der älteren übernehmen können, beweisen gerade unsere Untersuchungen bei Infektionskrankheiten, wo wir eben diese jüngeren Zellen als Folge der Erkrankung des Organismus antreffen, wo sie sich solange erhalten, als die Krankheit besteht, und wo wir gesehen haben, dass selbst die grösste Anzahl von ihnen den Eintritt des Todes nicht aufzuhalten vermochte. Wir hoffen uns nicht bloss einer Vermutung hinzugeben, wenn wir auf Grund unserer Untersuchungen und im Zusammenhalte damit auch auf Grund der in der Literatur, in Sonderheit aber in dem Metschnikoffsehen Werke niedergelegten Anschauungen als letzte Instanz für alle die Veränderungen im Blutleben der Leukocyten die Bedürfnisse des Körpers annehmen, die sich für ihn bei einem aus- sichtsreichen Kampfe mit dem eingedrungenen Feinde ergeben; so ist i) Es hat sich' gezeigt, dass sich im akuten Eiter polynukleäre Gebilde, im chronischen mononukleäre vorfinden; es wäre doch merkwürdig, wenn der Körper gegen den eindringenden Feind degenerierende Zellen ausschicken würde; jedenfalls können wir neben der morphologischen Alterung nicht auch eine funktionelle zugeben. Arneth, Blutkörperchen. 12 178 Schluss- es wohl auch am natürlichsten. Da aber diese Bedürfnisse des Orga- nismus, die er an die weissen Blutkörperchen und speziell an die Neutro- philen stellt, naturgemäss so sehr verschieden sein müssen, je nach- dem der Angriff gegen den Körper gerichtet ist mit Hilfe isolierter Bakterien oder isolierter Proteine oder isolierter Toxine und sonstiger Stoffwechsel- und Umsetzungsprodukte oder in kombinierter Weise, so wird auch das Korps der Leukocyten und speziell das der Neutrophilen seine Phalanx und seine Kampfesweise in entsprechender Weise um- ändern müssen, und so fanden wir bald eine Vermehrung, bald eine Verminderung der Gesamtzahl, bald genügt die normale Leukocytenzahl, bald gelingt es den neutrophilen Schutzzellen, ohne oder nur mit ge- ringen Verlusten Herr zu werden, bald können sie nur durch ein Massensterben den Sieg erringen. Und warum? Offenbar, weil nur so die Anti-Stoffe zu gewinnen sind, die der Organismus benötigt, um den so sehr verschiedenen Eventualitäten die Spitze bieten zu können. Triumphiert aber der eingedrungene Feind, so werden wir auch dann durch das Unterliegen des Körpers und seiner Zellen als Ausdruck desselben Veränderungen im Blutbilde zu erwarten haben, die die Mannig- faltigkeit der Untersuchungsresultate nur noch erhöhen. Metschnikoff1) sagt: „Die Theorie der Sekretion von bakteri- ciden Stoffen durch die Leukocyten oder durch irgend eine andere Zell- art kann nicht länger aufrecht erhalten werden. Die baktericide Sub- stanz zirkuliert weder im Plasma des Blutes noch in demjenigen der Exsudate und demnach kann jener Stoff nicht als ein Sekretionsprodukt angesehen werden. Das Auftreten desselben im Blutserum ist, ebenso wie die Anwesenheit des Fibrinfermentes, der Zerstörung der Phagocyten oder einem anderen pathologischen Zustande derselben zuzuschreiben." Wir werden aber auch kaum einen anderen Schluss bezüglich der grossen Reihe der anderen Antistoffe zu ziehen vermögen als den, dass sie ebenfalls im Leib des weissen Blutkörperchen gebildet werden und ebenso durch dessen Zerfall in Freiheit und damit in Tätigkeit treten. So lässt sich ein gutes Verständnis gewinnen für die Tatsachen, dass wir bei den Infektionskrankheiten aller Art fast immer einen mehr oder minder grossen Zerfall von Leukocyten gefunden haben. Die von so vielen Autoren gefundene bezw. bestätigte Tatsache, dass nach In- jektion von isolierten Bakterien zunächst eine Hypoleukocytose auftritt, der dann oft äusserst rasch eine Hyperleukocytose auf dem Fusse folgt, wird sich unschwer so erklären lassen, dass zunächst und zwar sofort durch die Anwesenheit der Bakterien der Zerfall entsprechend grosser ') Immunität bei Infektionskrankheiten übersetzt von J. Meyer 1902, S. 153. Übersicht. 179 Massen von Leukocyten und damit ein Freiwerden grosser Mengen bak- tericider Substanzen auftritt; genügen die baktericiden freigewordenen Substanzen, um die feindlichen Organismen abzutöten, so kann die Reaktion des Knochenmarks auf die Verarmung des Blutes an Leuko- cyten sehr bald in dem Leukocytenzählresultat als eine Vermehrung der Gesamtzahl hervortreten; die Morphologie der Leukocyten aber beweist, dass nur ganz jugendliche Zellen bei dieser Vermehrung in Betracht kommen, da die älteren sofort zerfallen müssen; wir wissen aus den Untersuchungen der gleichen Autoren, dass bei der Dosis letalis aber diese sekundäre Vermehrung der Gesamtzahl sich nicht an die primäre Verminderung anschliesst; offenbar genügen in diesen Fällen die dem Körper zur Verfügung stehenden Leukocytenmengen nicht und so viel das Mark auch an Zellen aus seinen Beständen auswirft bezw. neu- bildet, sie können nicht die Oberhand gewinnen in Form einer Leuko- cytose, da sie sofort infolge des Bedürfnisses des Körpers nach bakteri- ciden Substanzen zerfallen; es bleibt so bei einer Hypoleukocytose bis zum Exitus letalis. Wir verstehen, dass in solchen Fällen das Blutbild alsdann am meisten verändert sein muss; dies war auch so in Wirklich- keit in unseren Fällen 17, 18, 28, 49, 65, ü6, 67, die mir hierher zu gehören scheinen. Andere Überlegungen ähnlicher Art sind wohl auch bei den Infektionskrankheiten, die mit einer Hyperleukocytose sofort einzusetzen scheinen, am Platze. Bei Diphtherie, bei Pneumonie u. a. haben wir es dagegen meist nur mit einer reinen Toxinwirkung zu tun. Noch niemand hat eine Pneumonie direkt im Momente des Ein- zuges des Giftes in den Körper (im Schüttelfrost?), der etwa dem Momente der Injektion von Bakterien in dem obigen Beispiele von In- fektion zeitlich entspricht, diesbezüglich untersucht. Vielleicht findet sich auch hier, vielleicht für noch kürzere Zeit, eine Verminderung der Leukocytenzahl primär, die aber viel leichter und viel schneller in eine Vermehrung umschlagen kannx). Jedenfalls haben wir in unseren Fällen, wo wir schon 2, 7, 12 und 2 X 24 Stunden nach dem Schüttelfroste die Untersuchung ausführen konnten, das andere Desiderat, die hoch- gradige Schädigung des neutrophilen Blutbildes, und damit — bei einer meist schon hohen Leukocytenzahl — den Beweis eines Massenzeifalles von Leukocyten gefunden. In den anderen Fällen von Infektionskrankheiten (Diphtherie, An- ginen etc.), wo sich die Giftwirkung langsamer im Körper anhäufen wird, kann sich natürlich auch die Hyperleukocytose — bei gleichzeitigem Zer- fall von Zellen — langsamer entwickeln. ') Siehe auch diesbezüglich die Untersuchungsresultate Bohlands (in der Hauptausführung) bei Typhustoxininjektion. 12* 180 Schluss- Wir haben bereits ausgesprochen, dass die Reaktion des Organis- mus auf den Verlust bezw. die Abminderung seines Leukocy tenbestandes im Blute die eine Ursache für die sich anschliessende Hyperleukocytose möglicherweise sein wird. Wir müssen uns aber nun fragen, welche Wirkung werden die durch die Vernichtung der eingedrungenen Bak- terien freiwerdenden Zellgifte derselben ausüben? Sie sind sicherlich die Hauptträger der Infektion1); soweit sie nicht durch Antigifte der zerfallenen Leukocyten direkt unschädlich gemacht werden, werden sie erst recht auf die Vermehrung der Leukocyten von Einfluss sein, viel- leicht beruht in ihrer Verschiedenheit nach Menge, Virulenz etc. bei den in Frage kommenden Infektionskrankheiten die mehr oder minder starke Reaktion der Leukocyten, so dass sich dieselben eben auch klinisch graduell unterscheiden. Aber noch eine Frage tritt auf, die nach dem Schicksale und der Wirkung der bei dem Zerfalle so kolossaler Leukocytenmassen freiwerdenden Nukleinsubstanzen. Wir wissen aus den Untersuchungen mehrerer Autoren, dass Nuklein bei Injektion zu- nächst eine Hypoleukocytose hervorruft, der sich dann genau so wie bei der Einspritzung von Bakterienreinkulturen eine Hyperleukocytose anschliesst. Diese Wirkung der in unserem Falle im Blute selbst freiwerdenden Nukleine müssen wir ebenfalls berücksichtigen bei dem Zustandekommen der sekundären Hyperleukocytose. Nebenbei bemerkt sei hier, dass sich an dieser Stelle auch manches noch über das Auftreten der sogenannten Purinbasen (spe- ziell der Harnsäure) sagen Hesse, da wir ja jetzt die Menge der frei- werdenden Nukleinsubstanzen eventuell sogar rechnerisch für jeden Moment wenigstens annähernd anzugeben im stände sein dürften, soweit natürlich neutrophile Leukocyten in Frage kommen. Vielleicht lässt sich nun die vielumstrittene Frage nach dem Zusammenhange dieser Körper mit den Umsetzungen innerhalb der weissen Blutkörperchen besser in Angriff nehmen. An dieser Stelle können wir jedoch nicht näher darauf eingehen. Kos sei2) hat die Meinung ausgesprochen, dass die intrazelluläre Verdauung der Bakterien durch die Nukleinsäure ausgeführt wird, die von dem Zellkern separiert und in den Vakuolen der Phagocyten angesammelt wird; die Nukleinsäure töte gewisse pathogene Bakterien dadurch, dass dieselbe einen aus Eiweiss und Nukleinsäure bestehenden Niederschlag gibt. Später hat Kos sei in den geformten Elementen alkalisch reagierende, eiweissähnliche Substanzen nachgewiesen, welche i) Dabei muss vielleicht auch der Mengen Fibrinfirments gedacht werden, die ja bei dem grossen Leukocytenzerfall ebenfalls frei werden. 2) Archiv für Physiologie 1893. S. 164. Übersicht. 181 gleichfalls die Bakterien abtöten. So hat er aus dem Sperma von Stören ein Protamin „Sturin" hergestellt, welches selbst in sehr schwacher Lösung auf Typhusbazillen, Staphylokokken etc. stark baktericid wirkt. Wenn nun alle diese baktericiden Substanzen bei dem Zerfalle der Leukocyten im Blute sich ansammeln, so dürfen wir ihnen doch wohl auch einen Einiiuss auf den Gang der Infektion einräumen. Sehr auf- fallend ist in dieser Beziehung die mehrfach von den experimentierenden Autoren angegebene Tatsache, dass, wenn Tiere in dem z. B. durch Spermin oder Nuklein hervorgerufenen Zustande der Hyperleukocytose die 3—4fache Menge der sonst tödlichen Dosis vonPneumo- kokken erhielten, nur geringe Krankheitserscheinungen auftreten und nur geringe Temperaturerhöhungen als Zeichen der eingetretenen Allgemeininfektion. Wir können uns dies sehr schön erklären, wenn wir annehmen, dass eben hier vorher während des Zustandes der Hypoleukocytose eine Unmasse von baktericiden Nukleinsubstanzen (Nukleinsäure) frei geworden sind und immer noch auch im Zustande der Hyperleukocytose frei werden, dabei nun aber auch infolge der starken Hyperleukocytose reichlich Leukocyten zur Disposition stehen. Umgekehrt haben die Autoren gefunden, dass, wenn man in dem Stadium der künstlichen Hypoleukocytose die einfache Dosis letalis einspritzt, diese immer den Exitus herbeiführt. Die Erklärung ist leicht entsprechend zu gestalten. Jacob und Golscheider1) erklären sich auf Grund ihrer In- jektionen (am Kaninchen) von den verschiedenartigsten Stoffen den Vor- gang der zunächst auftretenden Hypoleukocytose und der folgenden Hyperleukocytose so, dass die injizierte Substanz zunächst die Leuko- cyten in die Kapillaren der inneren Organe zurücktreibt, dass dann der allmählich in die Lymphbahnen übertretende Stoff anlockend auf die in den blutbereitenden Organen zur Abstossung bereitliegenden Leukocyten einwirkt und dass dadurch die Hyperleukocytose zu stände kommt. Jacob und Goldscheider haben auf sehr schönen Tafeln solche angeblich in die Kapillaren der Lunge getriebene Leukocyten neutrophiler Art in grosser Anzahl sehr scharf abgebildet. Wir konstatieren nur, dass diese Neutrophilen fast ausnahmslos nach ihrer Kernbeschaffenheit ganz jugendliche Elemente sind (meist nur Klasse 1 und 2), genau so, wie es unsere Untersuchungsresultate bei den Infektionskrankheiten und die darauf aufgebauten Deduktionen ver- langen. Hätten wir es nur mit chemotaktisch in die Kapillaren ge- schafften Neutrophilen zu tun, so müssten wir doch auch die im nor- malen Blute überwiegenden Klassen 3 und 4 hier überwiegen sehen; i) „Über die Variationen der Leukocytose, Zeitschr. für klin. Med. 25. Bd.; 1894. S. 373. 182 Schluss- dass dem nicht so ist, spricht schon dafür, dass wir es hier mit einer Chemotaxis im Sinne der Autoren keinesfalls zu tun haben werden, und dass wir auch sonst überall im Blute die gleichen jugendlichen Zellen anzutreffen gewärtig sein müssen. Schliesslich wirft sich noch die Frage auf, warum wohl die jugend- lichen neutrophilen Zellen, die doch oft in so enormer Zahl und durch so lange Dauer vorhanden sind, so ganz wenig in dem Kampfe des Organismus gegen den eingedrungenen Feind zu leisten vermögen? Es wird wohl keine andere Auffassung zulässig sein als die, dass sie eben noch nicht wie die gereiften Zellen im stände sind, die benötigten Anti- stoffe zu produzieren, und dass darum kein Grund für sie zum weiteren Zerfall vorliegt; das begreifen wir aber fernerhin sehr wohl, dass, je mehr neutrophile jugendliche Zellen im Blute kreisen, desto mehr auch hier solche zu älteren ausreifen, die dann sofort direkt von dem Körper zur Hilfeleistung an Ort und Stelle in Anspruch genommen wer- den können. Wir könnten uns auch so die Notwendigkeit der Hyperleukocytose vorstellen, dass, je jugendlicher die neutrophilen Zellen sind, sie auch um so weniger Schutzstoffe zu produzieren im stände sein werden; je weniger aber die einzelne Zelle an Schutzstoffen zu stellen vermag, desto mehr Exemplare, um einen gewissen Effekt zu erreichen, disponibel sein müssen. — 19. Dringend zu verlangen sind Paralleluntersuchungen am Knochen- mark, um einen Einblick in die Fabrikationsgeheimnisse bei dieser die heutige moderne Forschung bewegenden Leukocytenlehre zu gewinnen. Sie müssen genau so ausgeführt werden, wie wir bereits Untersuchungen von Muir1) und Rubinstein2) besitzen; nur wäre eine gleichzeitige Kontrolle des Blutes nach unsere Methode zu verlangen. 20. Nach völligem Ablauf der Infektionskrankheiten und bei Rück- kehr des neutrophilen Blutbildes zur Norm hat es sich in verschiedenen. Fällen gezeigt, dass zunächst gewissermassen eine Überreifung der Zellen eintreten kann, indem das Blutbild besonders weit nach rechts rückt; dann aber erfolgt meist wieder eine Schwankung nach links und so ergibt sich denn die Beobachtung, dass das durch den Infektionsprozess schwer geschädigt gewesene neutrophile Blutbild nachher unter leichten Balancebewegungen seinem alten Gleichgewichte wieder zustrebt. 21. Nachdem wir gefunden haben, dass bei den meisten Infek- tionsprozessen des Menschen die Leukocyten, und speziell wie die neu- i) On the relations of the bone — marrow to leucocyte Produktion and leuko- cytosis. Journ. of path. and. bact. 1901. Februar. -') Über die Veränderungen des Knochenmarkes bei Leukocytosis. Zeitschrift für klinische Medizin. Bd. 42. 1901. S. 161. Übersicht. 183 trophilen Leukocyten beteiligt sind, verlohnt es sich vielleicht, der Frage nach dem Schicksale der Leukocyten des Blutes unter gewöhnlichen Be- dingungen noch einige Aufmerksamkeit zu schenken. Wir exemplifizieren dabei natürlich wieder nur auf die neutrophilen weissen Blutkörperchen. Wenn wir in unseren Untersuchungen gesehen haben, wie die neu- trophilen Leukocyten in Massen zerfallen und morphologisch in Anbe- tracht der kolossalen Mengen geradezu spurlos aus dem Blutbilde ver- schwinden, so liegt doch der Schluss gewiss sehr nahe, dass dieser Vor- gang auch unter normalen Verhältnissen tagtäglich im Blute des Gesunden bis zu einem gewissen Grade, d.h. eben in normalen Grenzen vor sich gehen wird; d. h. es werden immer die älteren Zellen in entsprechender Menge dem Zerfall anheimfallen und ihre (Schutz- und anderen) Pro- dukte in die Säftemasse abgeben. Der Körper ist ja ohne Zweifel tagtäglich einer Unmasse von An- griffen ausgesetzt. Vielleicht spielen auch Nährstoffe und Stoffwechsel- produkte hier eine nicht unbedeutende Rolle. An die alltäglich sich abspielenden Begebenheiten ist oder hat sich der Organismus augenscheinlich gewöhnt, er hat sozusagen eine erwor- bene Immunität dafür und er braucht sich und sein neutrophiles Leu- kocytenbild deswegen nicht zu derangieren. Ob die natürliche und die erworbene Bakterienimmunität und die natürliche und erworbene Toxinimmunität in ähnlichem Sinne aufzu- fassen sind, werden sehr einfache Versuche, die wir weiterhin anzu- stellen gedenken, lehren müssen. Kommt aber ein Infektionsprozess über den Organismus, bezüglich dessen seine tagtäglich produzierten Schutzstoffe versagen, so kommt es zu einer Störung des Gleichgewichtes im neutrophilen Leukocyten- bild etc.; erst wenn die neutrophilen Leukocyten (auf die wir uns immer zunächst zu beziehen haben) die Oberhand gewinnen, d. h. mit der Rückkehr ihrer normalen morphologischen Eigenschaften auch die Fähig- keit erworben haben, die Antistoffe, die ihnen bis dahin ermangelten zu produzieren, tritt die Genesung ein, nicht eher. Diese Eigenschaft der im länger oder kürzer dauernden Kampfe erworbene Antikörper- produktion wird aber den Leukocyten bezw. den anderen in Betracht kommenden Zellgattungen nunmehr längere Zeit verbleiben und es dürfte die so erworbene Immunität kaum eine einfachere Erklärung finden können. Es wird nun darauf ankommen, wie lange diese Eigenschaft den Leukocyten etc. verbleibt; je nach der Dauer werden wir es mit einer kürzer oder länger anhaltenden Immunität zu tun haben. Die natürliche Immunität müssten wir in diesem Sinne dann als eine von vielen Generationen erworbene und darum konstant sich er- haltende, täglich noch mehr sich festigende Eigenschaft der Leuko- 184 Schluss- cyten oder anderer bei der betreffenden Infektion gerade in Frage stehender Zellkomplexe bezeichnen. Die Dauer der erworbenen Immunität lässt sich durch die ent- sprechenden Versuche z. B. beim Typhus durch die Anstellung der Gruber-Vidalschen Reaktion genau kontrollieren; wir müssen uns aber bei solchen Feststellungen nach unseren Ausführungen sofort dabei sagen, dass wir hier für die Dauer einer erworbenen Immunität keine bestimmten Grenzen werden aufstellen können, denn ihre Ausbildung wird zu sehr von individuellen Eigenschaften des befallenen Organismus sowohl als des Infektions- oder Intoxikationserregers abhängig sein. Wenn wir früher vermuteten, das Leukocytenbild werde sich nach Überstehen einer Infektionskrankheit mit der erworbenen Immunität gegen dieselbe ändern, so müssen wir dies jetzt wohl dahin abändern, dass sich das Leukocytenbild nicht anders morphologisch zu gestalten brauchen wird, dass aber die Funktion der Leukocyten einen Zuwachs erhalten haben muss. Im weiteren Ausbau dieser Ideen dürften wir fernerhin auch besser verstehen, warum alle möglichen Einflüsse von aussen den Körper abzuhärten vermögen, wie wir uns ausdrücken, und warum ein Körper, der diesen Einflüssen sich nicht aussetzt, „verweichlicht", d. h. allen möglichen Schädigungen, Infektionen etc. zugänglicher wird. Im Urgründe müssen wir dafür nach unseren soeben entwickelten Ansichten die Fähigkeit der in Betracht kommenden Zellarten des Kör- pers, die entsprechenden Schutzstoffe zu produzieren, verantwortlich machen; in dem Falle der Abhärtung und Widerstandsfähigkeit des Organismus sind eben dieselben in beständiger Übung geblieben, be- ziehungsweise noch in ihrer Leistungsfähigkeit erhöht worden, im anderen Falle nicht; ja ein Teil der bereits früher erworbenen, wie wir nun wohl annehmen dürfen, oft recht kurzdauernden Funktionen, Antistoffe zu produzieren, ist in dieser Zeit geradezu abhanden gekommen aus Mangel an Gelegenheit, dieselben zu verwerten und bei der Verwertung zu kräftigen. Wir haben oben erwähnt, dass eventuell auch Nährstoffe und Stoff- wechselprodukte von Einfluss auf die Funktion der Leukocyten sein können. Hierher gehört wohl auch das in neuerer Zeit so ausgiebig be- arbeitete Kapitel der Präzipitin- etc. Bildung. Ob wir bei dieser morpho- logische Veränderungen an den weissen Blutkörperchen, speziell an den neutrophilen Leukocyten auffinden werden, wird wiederum der einfache Versuch zu lehren im stände sein. Nach den vorliegenden Angaben erscheint es mir sehr wahrscheinlich. Wir werden auch darauf bei späterer Gelegenheit zu kommen haben. Im folgenden liegt es uns nun ob, die bei den einzelnen Infektions- krankheiten in dieser Arbeit aufgefundenen speziellen Verände- Übersicht. -185 rungen des neutrophilen Blutbildes so kurz als möglich zusammenzu- stellen ; sie konnten natürlich in den bisherigen, für die Gesamtheit der Infektionskrankheiten geltenden Ausführungen allgemeiner Art nicht immer speziell angeführt werden, obwohl sie denselben zu Grunde liegen. Was die Leuköcytenvermehrung bei der Verdauung und nach kalten Bädern anlangt, deren Prüfung in dieser Arbeit den Untersuchungen bei den Infektionskrankheiten vorausgeschickt ist, so ist dieselbe kurz als eine Isohypercytose zu bezeichnen, d. h. eine irgendwie eingreifende Veränderung des neutrophilen Blutbildes ist durch sie nicht bedingt; der Mehrbedarf an Zellen kann ohne Schwierigkeit aus den normaler- weise zur Verfügung stehenden gleichwertigen Reservemitteln gedeckt werden. I. Croupöse Pneumonie. Im neutrophilen Blutbilde bei der croupösen Lungenentzündung sind die allergrössten Verschiedenheiten und Variationen aufzufinden, wie es sonst bei keiner zweiten Infektionskrankheit der Fall ist. Ganz entsprechend ist dieser Befund der durch die klinische Beobachtung be- kannten Tatsache, dass jede Pneumonie ihre Besonderheiten hat und dass bei verschiedenen Fällen Entwickelung und Verlauf nach den ver- schiedensten Richtungen in schärfstem Kontrast zueinander stehen können. Aus diesem Grunde sind auch die bisher von den Autoren bei der Pneumonie erhobenen Blutbefunde in ihrer oft diametralen Gegen- sätzlichkeit begreiflich. a) Pneumonien gewöhnlichen Verlaufes. Sofort mit Einzug des pneumonischen Giftes nach dem initialen Schüttelfroste finden wir das neutrophile Blutbild in manchen Fällen am stärksten verändert; die Veränderung ist oft unabhängig davon, ob eine Infiltration zunächst nachweisbar ist oder nicht; eine zweitstärkste Schädigung findet sich in der kritischen bezw. postkritischen Zeit; mit diesen stärksten Schädigungen ist gewöhnlich auch das gehäuftere Auf- treten von Myelocyten verbunden, die jedoch auch sonst im ganzen Verlaufe und besonders zahlreich bei schweren Fällen anzutreffen sind. Die besonders starke Schädigung in diesen Zeitpunkten ist dann immer auch aus den anderen Abteilungen der Blutbildtabelle erkennbar. Neu hinzukommende (ev. mit neuem Frost) Pneumonien oder Ausbreitungen des Prozesses oder sonstige Komplikationen bedingen ebenfalls eine weitere Steigerung der Schädigung des neutrophilen Blutbildes. Mit Eintritt der Krisis kann wie mit einem Schlage auch das Blutbild und die Leukocytenzahl zur Norm zurückkehren, dann haben wir auch eine entsprechend rasche Aufsaugung des Exsudates; in anderen entgegen- 186 Schluss- gesetzten Fällen finden wir eine sogar länger andauernde postkritische, sich noch steigernde Schädigung des neutrophilen Blutbildes, die um so stärker ist, wenn gleichzeitig die Gesamtleukocytenzahl fällt. In wieder anderen Fällen findet mit eintretender mehr lytiscber Entfieberung das Blutbild langsam seine Rückkehr zur Norm, ohne nachher noch einen Kulminationspunkt zu erreichen; parallel bewegt sich auch dann die Leukocytenzahl in langsamem Abfalle zurück. In anderen Fällen, und das sind offenbar die allerschwersten, setzt mit dem Schüttelfrost eine sehr starke Leukocytose ein mit stark verändertem Blutbild. Im Ver- lauf bis zur Krise nimmt nun beides rapid zu: die Schädigung des neu- trophilen Blutbildes sowohl als die Verringerung der Gesamtleukocyten- zahl. In unserem diesbezüglichen Falle erfolgte dann ein postkritischer Exitus letalis durch Fragmentatio myocardii. Wir müssen somit die Einräumung machen, dass wir uns hier einem Spiel der Natur gegenüber befinden, das durchaus noch der Er- forschung bedarf; im wesentlichen sind es jedoch die Zustände der Aniso- hypercytose und der Anisonormocytose, die uns entgegentreten; in einem Falle haben wir es auch einmal mit einer Anisohypocytose zu tun gehabt. Der Blutbefund ist zwar sehr wichtig, aber nicht ausschlaggebend für die Prognose der Pneumonie; besonders ist dies der Fall bei älteren Leuten, wo es viel auf die Widerstandsfähigkeit der übrigen Organe ankommt. Nach unseren obigen diesbezüglichen Ausführungen verstehen wir jetzt auch, warum eine Pneumonie mit Anisohypocytose eine besonders ungünstige Prognose abgibt. Der umgekehrte Schluss, dass etwa alle tödlichen Fälle von Pneu- monie Anisohypocytose aufweisen, wäre aber ein ganz falscher und schon daraus folgt der andere Schluss als selbstverständlich, dass eben in den Fällen der Anisohypocytose ein ganz besonderer Grund vorliegen muss; dieser wurde aber oben bereits erörtert. b) Pneumonien mit atypischem Verlauf. Mit der verzögerten Resolution der Pneumonie geht Hand in Hand oder für dieselbe ist wohl zum guten Teil die Ursache in dem Verhal- ten der neutrophilen Leukocyten zu suchen. Wir unterscheiden Fälle, wo überhaupt keine Resolution eintritt, wo es vielmehr zur Organisation des pneumonischen Exsudates und Karnifikation der Lunge kommt und Fälle, wo die Resorption zwar ebenfalls sehr lange ansteht, aber schliess- lich doch noch erfolgt. In den ersteren Fällen fanden wir eine starke Anisonormocytose und Anisohypocytose von Monate langer Dauer; mit der kompletten Übersicht. 187 Karnifikation und Schrumpfung der Lunge trat sehr langsam eine Rück- wärtsbewegung des neutrophilen Blutbildes auf. In den Fällen der zweiten Art dagegen fanden wir während der ganzen Dauer des zwar langsam aber sich doch resorbierenden Exsu- dates überhaupt keine wesentliche Veränderung des neutrophilen Blut- bildes. Schliesslich ist noch des Verhaltens der Neutrophilen bei den von uns genau beobachteten beiden Fällen „eintägiger" Pneumonie zu ge- denken, das uns in nicht minder hohem Grade wie die anderen Befunde überrascht. In dem 3/4tägigen Pneumoniefalle haben wir es zu Beginn mit einer massigen Anisohypercytose zu tun, die dann in eine Anisonormo- cytose übergeht und so lange noch anhält. In dem 4 stündigen Pneumoniefalle finden wir vollends gar zu Beginn eine Anisohypocytose, bei der das neutrophile Blutbild nur schwach geschädigt ist; rasch mit einer einzigen Schwankung ist das Blutbild aber alsdann fast zur Norm zurückgekehrt und hält sich noch längere Zeit dicht an der oberen Grenze des Normalen. Es lag also zunächst eine Anisohypocytose leichten Grades vor, die dann in eine Normocytose, die an der Grenze zur Anisonormocytose steht, übergeht. IL Typhus abdominalis. Im Abdominaltyphus haben wir den Hauptvertreter der Anisonormo- cytose und Anisohypocytose kennen zu lernen. Bei Beginn der Erkrankung ist die Schädigung des neutrophilen Blutbildes am stärksten und langsam strebt es im umgekehrten Verhältnisse als der klinische Verlauf seiner Norm wieder zu. Die stärkste Schädigung des neutrophilen Blutbildes fällt deswegen nie zusammen mit der nach den Mischungsverhältnissen sich ergebenden niedrigsten absoluten Zahl. Wenn es sich bestätigt (Naegeli), dass der Abdominaltyphus mit einer leichten Leukocytose einsetzt, so müssen wir nach den Erfahrungen bei einem unserer Fälle, der eben- falls früh zur Beobachtung kam und am Anfang noch einige Tage völlig normale Zahlen aufwies, für diese den Zustand der Anisohypercytose vindizieren. Trotz der schwersten Schädigung des neutrophilen Blut- bildes finden sich in unkomplizierten Fällen nur selten reine Myelocyten. Je schwerer die Infektion, desto schwerer ist auch die Alteration des neutrophilen Blutbildes; auch Komplikationen treiben das Blutbild mehr in die Höhe. Eine Reihe von anderen Konstatierungen wird erst nach einer grösse- ren Anzahl von Beobachtungen verallgemeinert werden können wie Be- ziehungen zum Eintritt der G ruber-Vi da Ischen Reaktion, zum Fieber- abfall, bei auftretenden Rezidiven. 188 Schluss- IIL Anginen, In unseren Fällen von Angina catarrhalis acuta und follicularis finden wir nur eine graduelle Verschiedenheit vor; bei beiden findet sich eine Anisohypercytose von nur kurzer Dauer; bei der Angina follicularis ist das neutrophile Blutbild etwas stärker affiziert, aber immerhin noch relativ schwach; wir finden hier der Zahl nach eine ziem- liche Vermehrung der Leukocyten, dem Blutbilde nach eine nur geringe Alteration, also die Verhältnisse, die wir schon theoretisch als die günstigsten bezeichnen müssten. Wir sehen auch dementsprechend die Infektionskrankheit rasch und günstig verlaufen. In dem Falle von Angina necrotica sehen wir, wenn wir die erste Zählung, der eine Diphtherieheilseruminjektion kurz vorausging, unberücksichtigt lassen, das Verhältnis schon bedeutend ungünstiger; wir haben nur eine massige Leukocytenverminderung andauernd; das neutrophile Blutbild ist aber schwerstens verändert; es bestand also eine Anisohypercytose zu Beginn, die zuletzt beim Austritt fast in eine Isohypercytose übergegangen war. Auffallend lange und hartnäckig erwies sich der Verlauf. IV. Diphtherie. Wir haben in unseren drei tödlichen Fällen zwei Verlaufsweisen kennen gelernt. Bei der einen handelte es sich um eine Anisohyper- cytose schwerster Art: starke Vermehrung der weissen Blutkörperchen und noch stärkere Schädigung des Blutbildes. Bei der anderen handelte es sich um eine Anisohypocytose mit ebenfalls schwerster Alteration des neutrophilen Blutbildes. Beide Verlaufsweisen führten zum Exitus letalis. Wir können uns die grosse Differenz in der Zahl der Leukocyten nur dadurch erklären, dass eben in dem Falle der Anisohypocytose, worauf auch die klinische Beobachtung und das Sektionsresultat hinwies, ein komplizierender und zwar das Blut direkt infizierender septischer Prozess dazugetreten war. Wir kommen so immer wieder von selbst zu den Schlüssen hinaus, die wir oben bereits aufgestellt haben. V. Gelenkrheumatismus. In lebhaftem Kontrast zu dem klinischen Bilde des akuten Gelenk- rheumatismus, das oft eine beträchtliche Schwere aufweist (Endokar- ditis etc.) finden wir hier neben einer nur relativ geringen bis massigen Vermehrung der weissen Blutkörperchen ein fast gar nicht oder nur in den ersten Tagen ganz schwach verändertes neutrophiles Blutbild, Übersicht. 189 im wesentlichen also die Form der Isohypercytose. Die Rezidive sind meist nur von einem Wiederansteigen der Leukocytengesamtzahl begleitet; das neutrophile Blutbild bleibt darum so gut wie unbekümmert; nur äusserst langsam verschiebt sich dasselbe in unseren Fällen von seiner oberen normalen Grenze nach rechts. Es gilt dies alles für unsere akut einsetzenden Fälle, die dann nach mehrmonatlichem Verlaufe mit kleineren und grösseren Rezidiven mit Herzfehler entlassen wurden. Wir kommen zu dem sonderbaren Resultate, dass der akute Ge- lenkrheumatismus in bezug auf seinen Einfluss auf das Korps der neutro- philen Leukocyten mit zu den leichtesten der uns bekannten Infektions- krankheiten gehört. VI. Skorbut. Unser Fall von tödlichem Skorbut bot eine schwerste Anisohypo- cytose dar mit der niedrigsten absoluten Zahl von Leukocyten, die uns bis auf den heutigen Tag überhaupt aufgestossen ist. VII. Varizellen. Nach unseren zwei ersten Fällen erscheint es sicher, dass die Vari- zellen mit einer Verminderung der Gesamtleukocytenzahl einhergehen, wenn auch von unbedeutender Art. Ganz bedeutend dagegen ist die Schädi- gung des neutrophilen Blutbildes, die mit dem gewöhnlich so ganz harm- losen Verlaufe aufs lebhafteste kontrastiert. Die Gesamtzahl der Leuko- cyten geht nur langsam zur Norm zurück, ebenso das neutrophile Blut- bild. Wir verzeichnen somit anfangs eine Anisohypocytose, später eine Anisonormocytose, die dann zur Normocytose übergeht. Auch hier steht die völlige Rückkehr zur Norm viel länger aus, als wir bei dem an- scheinend so unbedeutenden Krankheitsprozesse erwartet hätten. VIII. Masern. Die Leukocytenzahl, sowie das Mischungsverhältnis der neutro- philen Leukocyten vermag auch bei den Masern durchaus keinen Auf- schluss über die wirkliche Schädigung des neutrophilen Blutbildes zu geben. Proportional der Schwere des Falles wurde gefunden: a) Der Grad der Verminderung der Leukocytengesamtzahl und die Andauer derselben, insoferne als bei leichten Fällen nur ein oder zwei Tage lang eine Verminderung sich fand, bei schweren Fällen dagegen durch entsprechend längere Zeit. 190 Schluss- b) Die graduelle Schädigung des neutrophilen Blutbildes, die also bei leichten Fällen eine geringere war als bei schweren; auf der Höhe des Exanthems fand sich in allen Fällen die schwerste Alteration. c) Die Rückkehr des neutrophilen Blutbildes zur Norm, die bei leichten Fällen rascher als bei den schweren erfolgte. — Für beide, für leichte wie für schwere Fälle, trifft aber zu, dass die neutrophile Blut- bildveränderung selbst im Vergleich zu der relativen Leichtigkeit und Ungefährlichkeit der Masernerkrankung, wie es gewöhnlich der Fall ist, eine umgekehrt proportional schwere ist, und ferner ist bei allen Fällen zu konstatieren, dass die Erholung des neutrophilen Blutbildes nur sehr langsam vor sich geht, um so langsamer, je relativ schwerer der Er- krankungsfall war. Der Patient fühlt sich wieder vollkommen genesen, Fieber besteht seit Tagen nicht mehr und doch ist das Blutbild noch nicht völlig zur Norm zurückgekehrt. Es ist also zu Beginn der Erkrankung eine Anisohypocytose immer zu verzeichnen, die auf der Höhe des Exanthems am ausgesprochensten und bestimmt in ihrer Schwere durch die Schwere des Falles ist; sie geht dann in eine noch längere Zeit anhaltende Anisonormocytose über. Mit unserem Begriffe der Rekonvaleszenz bei Masern deckt sich dieser Befund nach Überstehung der Masern ganz gut, denn es gilt als eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass man Kinder, die eben Masern überstanden haben, noch einige Zeit besonders gut in Schutz nehmen muss, da sie leicht zu Nachkrankheiten disponiert sind; wir könnten, wenn wir wollten, diese neutrophile Blutbildveränderung in ihrer länger anhaltenden Dauer mit dafür verantwortlich machen. In einem unserer Fälle konnten wir den Eintritt einer hinzu- kommenden Otitis media suppurativa beobachten und dabei so recht die ganz anders geartete Natur der Giftwirkuug dieser Erkrankung beurteilen. Es ist offenbar bei der Einwirkung dieses Giftes ein ganz anderer Antrieb für die neutrophilen Leukocyten im Marke zur Aus- wanderung gegeben, die Gesamtzahl steigt rasch in die Höhe und ent- wickelt sich zur Hypercytose, vielleicht gerade deswegen, weil, wie wir nun aus dem neutrophilen Blutbilde erfahren, im Blute ein viel stärkerer Vernichtungsprozess und darum grösserer Bedarf an Zellen entsteht; denn es finden sich plötzlich M- und W-Zellen in einer Zahl, wie bei keinem aller unserer Masernfälle überhaupt zu irgend welcher Zeit der Erkrankung. Genau dieselbe Überlegung, wie sie in der Ausführung im Anschlüsse an den Fall 45 angestellt wurde, wäre übrigens auch hier am Platze. IX. Parotitis epidemica (Mumps). Wir fanden in unseren Fällen auf der Höhe der Anschwellung eine normale bis subnormale Leukocytenzahl, die in jedem Falle, mochte Übersicht. 191 er nun mit Orchitis sich komplizieren oder nicht, mit der Abschwellung der Parotiden konstant in eine Vermehrung der Leukocytenzahl um- schlug. Im Gegensatz zu der Leichtigkeit wenigstens der unkomplizierten Fälle steht wiederum die ausserordentlich schwere Schädigung des neu- trophilen Blutbildes, die sich ebenfalls nur langsam zurückbildet. Eine hinzutretende Orchitis verschlimmerte das Blutbild in einem unserer Fälle ausserordentlich und zwar trat dabei der Höhepunkt der Verschlimmerung eigentlich erst nach Ablauf des orchitischen Pro- zesses auf. In unkompliziert verlaufenden Fällen verzeichnen wir demnach bei Mumps zu Beginn eine Anisonormocytose bezw. Anisohypocytose mit besonderer Schädigung des Blutbildes, später eine Anisohypercytose, die dann zur Normocytose übergeht. Bei Komplikation mit Orchitis trat eine Anisohypercytose auf, mit bis zur Heilung sich steigernder Schädigung des neutrophilen Blutbildes. X. Erysipelas. Auch wir fanden beim Erysipel nur relativ geringe Steigerung der Leukocytengesamtzahl, dagegen erwies sich das neutrophile Blutbild wenigstens zu Anfang ziemlich schwer verändert. Wir verzeichnen beim einfachen Erysipel somit eine Anisohypercytose verschiedenen Grades — je nach der Schwere des Einzelfalles —, die dann langsam zur Norm mit so ziemlich parallelem Verlauf von Abfall der Leukocytenzahl und Besserung des Blutbildes zurückkehrt. In einem letalen Falle von gangränösem Erysipel mit Sepsis wurde eine Anisonormocytose aufgefunden. XLa) Die beiden Fälle von Peritonsillitis phlegmonosa zeigten Aniso- hypercytose bei massiger Vermehrung der Leukocytenzahl. Bei Meningitis suppurativa fand sich eine Anisohypercytose mit sehr unbedeutender Vermehrung der Leukocytenzahl, dafür aber schwerer Schädigung des neutrophilen Blutbildes. Direkt nach septischem Schüttelfrost im Puerperium bei Schenkel- venenthrombose trat eine massige Leukocytose mit ebenfalls nur massiger Schädigung des neutrophilen Blutbildes ein. Ein Fall von schwerster Phlegmone mit Schultergelenkvereiterung wies eine Anisohypocytose auf, wobei die schwerste Schädigung des neutrophilen Blutbildes von allen in der vorliegenden Arbeit zur Unter- suchung gekommenen Fällen verzeichnet wurde. 192 Schluss- Was nun die übrigen Fälle anlangt, die hauptsächlich die chroni- schen Eiterungen betreffen, so sind die Verhältnisse bedeutend kompli- zierter; die in der Ausführung gemachten ausführlichen Auseinander- setzungen eignen sich kaum zur kurzen Zusammenfassung, überhaupt muss noch bezüglich vieler anderer Punkte, die von grosser Wichtigkeit sind und dort in longum et latum behandelt wurden, bei diesem Kapitel und auch beim folgenden der Perityphlitis auf die Hauptausführung nachdrücklich verwiesen werden. Wie der Umfang dieser unserer Schlussübersicht bis jetzt schon zur Genüge beweist, ist es schon bei den noch relativ einfachen Verhält- nissen der bereits rekapitulierten Infektionskrankheiten infolge der vielen Details nicht möglich gewesen eine sehr kurze Fassung zu gewinnen; dabei sind aber immer noch eine Reihe von ebenfalls nicht unwichtigen Punkten weggelassen worden. b) Perityphlitis. Wie aus unserer ausführlichen Zusammenstellung aller Unter- suchungsresultate der Autoren, wobei besonders die für unsere Zwecke massgebenden Punkte hervorgehoben wurden, hervorgeht, kann kein Zweifel mehr bestehen, dass die Curschmannschen Sätze zwar für die Mehrzahl der Fälle zutreffen, dass sie aber in einer anderen nicht unbedeutenden Zahl sich als nicht verwertbar erweisen. Es ist erwiesen, dass oft zu Beginn und gerade die allerschwersten Fälle ohne oder mit nur geringgradiger Leukocytose einhergehen können; es ist ferner erwiesen, dass umgekehrt in chronisch verlaufenden Fällen selbst die grössten Eiterherde keine besondere Leukocy tose aufzuweisen brauchen. Für die erste Sorte von Eventualitäten haben wir uns bemüht, die Fälle komplett anzuführen, für die letztere Klasse konnten wir den in der Literatur bereits niedergelegten einige selbst beobachtete hinzu- fügen. Es war auch der Beweis zu erbringen, dass in Fällen von akutem bis subakutem Verlauf, die ganz den Curschmannschen entsprachen, sich bei der Operation stinkender Eiter vorfand, aber doch eine Leuko- cytenzahl von 20000 und darüber nicht im entferntesten erreicht wurde. Nach allen diesen Ausnahmen, die zahlreich sind, erscheint mir die praktische Verwertung die grösste Vorsicht zu erheischen, beziehungs- weise bei der grossen Verantwortung, die man mit Vornahme oder Nichtvornahme der Operation auf sich lädt, kaum zu empfehlen zu sein. Unsere Aufgabe liegt nun darin, an Hand unserer Fälle und des jetzt mit unserer Untersuchungsmethode zu gewinnenden tieferen Einblickes in das Zellleben der Hauptklasse der Leukocyten, die ja bei dieser Form der Leukocytose fast allein beteiligt ist, zu versuchen, einer Lösung Übersicht. 193 der ganzen Frage durch Analyse des neutrophilen Blutbildes näher zu treten. Bei dem aktuellen Interesse, das dieses Kapitel beansprucht und der Kompliziertheit der Materie, die genau dem komplizierten Ver- halten der Perityphlitisfälle entspricht, kann dies nicht mit wenigen Worten geschehen. Bei den beiden Fällen von Perityphlitis serosa, die zur völligen Ausheilung kamen, handelte es sich um sehr schwache Vermehrung der Leukocytenzahl und um geringe Schädigung des neutrophilen Blutbe- fundes, also um eine nach den beiden in Betracht kommenden Rich- tungen leichte Anisohypercytose. Wir dürfen uns das Zustandekommen wohl so erklären, dass es nur zu einer unbedeutenden Resorption von Toxinen gelegentlich der leichten Entzündungsvorgänge gekommen ist. Das Blutbild kehrt offen- bar, in demselben Sinne wie z. B. bei der Angina katarrhalis verändert, ebenso rasch wie dort parallel mit der Gesamtleukocytenzahl zur Norm zurück. Wir werden also in diesen gutartigen Fällen eine normale oder nur wenig gesteigerte Leukocytengesamtzahl und ein un- oder nur sehr wenig nach links verschobenes Blutbild künftig zu erwarten haben. Es ist dies deswegen sehr wichtig, weil wir auch andere, aber äusserst schwere Fälle mit Gangrän des Wurmfortsatzes kennen gelernt haben, die gleichfalls ohne oder nur mit einer ganz geringgradigen Leukocyten- vermehrung einhergehen, aber als septische, foudroyant verlaufende Fälle raschest zum tödlichen Ausgange führen. So gut wie sicher dürfen wir aber dann für diese Fälle nach unseren vielen Erfahrungen in ähnlichen Fällen septischer Natur im Gegensatze zu den leichten Fällen von Peri- typhlitis serosa eine sehr schwere Schädigung des neutrophilen Blut- bildes annehmen und verlangen; es wird also, ganz abgesehen von dem klinischen Bilde auf dem Gebiete des Blutes, doch ein sicherer Entscheid zu treffen sein, allerdings nicht mit Hilfe der Leukocytengesamtzahl, sondern nur durch die Beschaffenheit des neutrophilen Blutbildes. Ein anderes Verhalten findet sich in unseren Fällen 59 und 60, die beide beim ersten Rezidiv zur Operation kamen und bei welchen beiden sich stinkender Eiter vorfand. Es kann mit der grösstmöglichen Sicherheit nach dem Befunde bei der Operation die Eiterbildung schon als mit dem ersten Beginn der Erkrankung einsetzend angenommen werden. In dem einen Falle warteten wir das Steigen der Leukocytenge- samtzahl gar nicht ab, da wir nach klinischen Erfahrungen und Sym- ptomen die Überzeugung von der Anwesenheit von Eiter gewonnen hatten. Wenn aber sogar bei einer Zahl von 13000 stinkender Eiter in grösserer Menge vorhanden sein kann, der doch unter allen Umständen Arneth, Blutkörperchen. 13 194 Schlüss- ele sofortige Entleerung erheischt, so würden wir uns gewiss eines Kunstfehlers schuldig machen, wollten wir noch länger an einem Kri- terium für die Zeit der Operation uns klammern, das als solches keine durchgreifende Berechtigung verdient. Wir sind aber überzeugt, dass in diesem Falle beim Zuwarten in den nächsten Tagen die Leukocytengesamtzahl doch die obligate Höhe erreicht hätte, wie wir sie in der Tat in dem zweiten Falle (60), der etwas länger hinausgeschoben wurde, auffanden. Die rapide Steigerung der Gesamtzahl ist in diesem zweiten Falle sehr schön ausgesprochen. Was nun das neutrophile Blutbild anlangt, so sehen wir in beiden Fällen dasselbe keineswegs etwa mit der Steigerung der Leukocytenge- samtzahl gegen den Operationszeitpunkt zu sich schwer verändern, wie wir es nach unseren bisherigen Erfahrungen am ehesten erwartet hätten; Die schwerste Veränderung ist und bleibt vielmehr die ganz zu Beginn der Erkrankung zu verzeichnen gewesene; wir sehen das neutrophile Blutbild ganz im Gegensatz trotz der in die Höhe schnellenden Zahl qualitativ sogar verbessert. Die Erklärung scheint auf der Hand zu liegen: zu Beginn des Prozesses, wo wahrscheinlich die Perforation schon erfolgte, und wo der Abschluss der Gifte gegen den Körper nur ein sehr mangelhafter sein konnte, ist eben die Möglichkeit der Infektion des Körpers die grösste; es kann sich um stärkere Toxinresorption handeln; einen solchen Fall haben wir hier wahrscheinlich im Fall 60 voraus, weil wir bei massiger Schädigung des neutrophilen Blutbildes die ziemlich hohe Zahl von 18200 Leukocyten vorfinden; oder es handelt sich auch um Übertritt von Bakterien selbst in die Säftemasse und zwar in grossen Mengen. Diese Fälle haben wir oben bereits kennen gelernt und erledigt; oder es han- delt sich um eine gemischte Wirkung beider Momente, vielleicht müssen wir Fall 59 hierher stellen, der trotz initialen Schüttelfrostes und starker Schädigung des neutrophilen Blutbildes nur 8800 Leukocyten aufwies. Die mit Eiterung von Anfang an einhergehenden Fälle von Peri- typhlitis weisen also im Gegensatze zu der Perityphlitis fibrinosa eine ungleich stärkere Beteiligung des neutrophilen Blutbildes zu Beginn auf, sie können aber ebensogut von einer höheren als einer die Norm nur wenig überschreitenden Leukocytenzahl begleitet sein. Bei den sich später entwickelnden Rezidiven bezw. bei fortschreitender grösserer Abszess- bildung kommt es nur mehr zu einer Steigeruug der Leukocytenzahl allein. Wie sich das Blutbild in denjenigen Fällen verhält, die patho- logisch-anatomisch als eine Perityphlitis serosa beginnen und dann später doch noch in Rezidiven zu Perforationsabszessen führen, werden wir bei dem Mangel der Möglichkeit, den ersteren Vorgang in vivo mit Sicherheit zu diagnostizieren, kaum je sicher erschliessen können. Übersicht. 195 Ein weiterer Punkt erscheint ebenfalls wichtig. Wir sind überrascht, das neutrophile Blutbild in den Fällen 59 und 60 trotz der Anwesenheit von Eiter im Körper sich immer mehr verbessernd anzutreffen; selbst noch einige Stunden vor der Operation, bei einer starken Leukocyten- vermehrung (27600), finden wir in dem Fall 60 ein fast so gut wie nor- males neutrophiles Blutbild, also eine Isohypercytose in der schönsten Form. Wir sind daher zu dem Schlüsse gezwungen, 1. dass die Be- dingungen für eine Schädigung des neutrophilen Blutbildes mangelten — vielleicht infolge der guten Abkapselung und infolge des dadurch geringe- ren Giftübertrittes ins Blut —, und 2. dass die Ursachen für die Leuko- cytenvermehrung immer stärker sich entwickelten — vielleicht zum Teile infolge raschester Eiteransammlung. Jedenfalls geht aus diesen Fällen und auch aus den folgenden, wie auch schon aus früheren, hervor, dass eine getrennte Einwirkung nach diesen beiden Richtungen auf die weissen Blutkörperchen hier vor- kommt, wenn schon wir gewöhnlich die Kombination beider Vorgänge an- zutreffen in der Lage sein dürften. Repräsentanten einer dritten Sorte von Perityphlitisfällen bilden die beiden Fälle 61 und 62. Es sind dies zwei chronisch verlaufende Typen, der eine ein Rezidiv einer IV2 Jahre zurückliegenden primären Attacke, der andere aus einem akuten Anfall in zwei Monaten ent- standen. Bei beiden bestehen nur sehr spärliche Erscheinungen einer Allgemeininfektion (ganz geringes Fieber etc.). Hämatologisch findet sich wiederum eine Isohypercytose, trotzdem reichlich Eiter bei der Operation, in dem einen Falle sogar in sehr grossen Mengen, entleert wurde. Eine Veränderung an dem neutrophilen Blutbilde ist überhaupt nicht mehr zu erkennen, selbst nicht mehr in dem geringen Grade wie bei Fall 60. Die Zahlen der Leukocyten 18100 und 19600 erfüllen aber die für Eiteranwesenheit aufgestellten Desiderate wiederum nicht. Bezüglich der Erklärung muss auf den Text verwiesen werden. Damit sind aber die Mannigfaltigkeiten bei der Perityphlitis noch nicht erschöpft; wir haben einen chronischen Fall (63) mit grosser Eiter- bildung zu verzeichnen ohne jegliche Leukocytose aber mit sehr schwer geschädigtem neutrophilen Blutbild, also mit Anisonormocytose und dann den Fall 64 mit der kolossalsten Eiterung; bei ihm finden wir 21600 Leukocyten und ein allerschwerst verändertes Blutbild, also eine Anisohypercytose. Auch hier kann auf die im Texte gegebenen Er- klärungsversuche nicht mehr näher eingegangen werden. Wenn wir die Ergebnisse übersehen, so müssen wir auf Grund unserer (mit Ausnahme der Fälle von Perityphlitis serosa) ausnahmslos durch die Operation bestätigten Diagnosen noch folgende Aufstellungen unserer obigen auf die P. serosa bezüglichen hinzufügen: 13* 196 Schluss- Die Leukocytenzählungen allein lehren, dass in den Fällen, wo Eiter sich bei der Operation vorfand, eine Vermehrung bis zu 20000 und darüber durchaus nicht immer vorhanden war, ganz speziell war dies fast nie in den chronischen Fällen der Fall; wo sich aber die Leuko- cytenzahl über die bezeichnete Höhe erhoben hatte, in chronischen wie in akuten Fällen, fand sich auch jedesmal Eiter und zwar in grösseren Mengen. Wir fanden in den Fällen, wo sich bei der Operation Eiter entleerte, sowohl Vermehrung der Leukocyten allein als Schädigung des neutrophilen Blutbildes allein, dann aber auch weiterhin beide in Kom- bination ; nur ein Befund allein hat sich bei keinem einzigen Falle gefunden und das ist eben der Normale, sowohl bezüglich der Zahl als bezüglich des neutrophilen Blutbildes. Wenn wir daher den direkten Schluss machen dürfen und müssen, dass nur bei einer Veränderung des Blutbefundes, sei es in bezug auf die Gesamtleukocytenzahl, sei es in bezug auf das neutrophile Blut- bild, Eiteranwesenheit bei der Perityphlitis (die P. serosa ausgenommen) bestehen kann, so ist auch der indirekte Schluss gestattet, dass wir bei einer normalen Leukocytenzahl und einem normalen neutro- philen Blutbilde eine perityphlitische Eiteransammlung ausschliessen können und müssen. Praktisch sehr wichtig wird diese letztere Schlussfolgerung sich besonders für die Fälle von Pseudo-Perityphlitis (hysterica) erweisen. Es ist mir vor 2 1/s Jahren der Fall vorgekommen, dass ich eine Hysterica, die einen Tumor aufwies, Schüttelfrost mit Zähneklappern darbot und danach 39,6° im After gemessen hatte, zur Operation brachte. Auch von hervorragend chirurgischer Seite wurde kein Zweifel erhoben und doch stellte sich bei der Operation ein glattes Bauchfell heraus. Ich glaube nicht, dass sich nunmehr bei unserer so sehr verfeinerten Blut- diagnostik solche Fehler wiederholen dürften, wenn schon zuzugeben ist, dass das Examen des neutrophilen Blutbildes sich in der Praxis wegen seiner Kompliziertheit kaum einbürgern dürfte. Aber die Fälle von Perityphlitis hysterica sind ja auch selten genug, um eine außergewöhn- liche diagnostische Untersuchung zu rechtfertigen. XII. Tuberkulose. Hier ist eine kürzere Fassung möglich. a) Bei der Miliartuberkulose fanden wir in unseren drei durch die Obduktion bestätigten Fällen eine mehr oder weniger starke Ver- minderung der Gesamtleukocytenzahl und eine schwere Veränderung des neutrophilen Blutbildes, also eine Anisohypocytose. b) In unseren subakuten durch die Sektion bestätigten Fällen, die unter hochgradigen Fieberbewegungen sich auf dem Wege des Bronchial- Übersicht. 197 baumes und der Lymphbahnen rapid ausbreiteten und in wenigen Monaten zum Exitus letalis führten, fanden wir gar keine oder nur eine massige Leukocytengesamtzahlvermehrung, selbst trotz täglicher Expektoration eines massenhaften, eitrigen Sputums. Dagegen befindet sich das neutro- phile Blutbild in einer bis zum Tode unaufhaltsam fortschreitenden pro- gressiven Zersetzung. Es ist also besonders der Zustand der Anisonormocytose, aber auch, und dies trifft besonders gegen das Ende des einen Falles zu, der der Anisohypercytose die Regel gewesen. c) Die chronische Form der Lungentuberkulose ohne Fieberbewegung mit fast keinem Auswurf, relativ gutem Ernährungszustand (nur einseitige Spitzenveränderung in unseren Fällen), ging einher mit einer Leukocyten- zahl, die sich scharf an der oberen Grenze des Normalen bewegte; das neutrophile Blutbild erwies sich als abgestuft geschädigt je nach dem Befunde auf der Lunge; in dem leichteren Falle stand es an der oberen Grenze des Normalen, in dem schwereren zeigte es schon etwas stärkere Verschiebung nach links. Wir notieren also eine Anysonormocytose für gewöhnlich. d) Bei unseren durch die Sektion bestätigten ganz chronischen Fällen mit grossen Kavernen und massenhaftem Auswurf ohne besonderes Fieber, mit dagegen starker Abmagerung fanden wir eine massige und stärkere Leukocytose und gleichzeitig eine bedeutende Schädigung des neutrophilen Blutbildes, also eine Anisohypercytose, die sich konstant auf ihrer Höhe erhielt. XIII. Tetanus. In dem einzigen Falle, den wir kurz vor Beendigung dieser Arbeit noch untersuchen konnten, fanden sich an den zwei Tagen der Erkran- kung konstant dieselben Verhältnisse: eine geringe Leukocytose und dabei nicht die leiseste Veränderung am neutrophilen Blutbilde, also ein Zustand, den wir als Isohypercytose bezeichnen. Wir müssen diesen in höchstem Grade überraschenden Befund als ganz einzig in seiner Art bezeichnen. Wenn wir nun aber beim tödlichen Tetanus die neutro- philen weissen Blutkörperchen völlig unbeteiligt auffinden, ganz im Gegensatz zu dem Befunde bei allen bisher von uns untersuchten In- fektionskrankheiten, so müssen wir eben auch den Schluss ziehen, dass der beim Starrkrampf stattfindende Intoxikationsprozess etwas ganz besonderes darstellen muss, insbesondere dass wir ihn z. B. mit dem bei Diphtherie statthabenden Vergiftungsprozesse (vergl. die entsprechenden Tabellen) in seiner Wirkung auf die neutrophilen Leukocyten nicht in Paral- lele setzen dürfen. Ob vielleicht die anderen Klassen von Leukocyten irgend- wie in Betracht kommen, können wir in dieser Arbeit noch nicht sagen, 198 Schluss- jedenfalls steht aber unser Befund in sehr zu berücksichtigender Har- monie mit einer Reihe von Ergebnissen, die man auf anderem Wege bezüglich der Tetanusintoxikation bereits gewonnen hat und die ebenfalls dieser Erkrankung eine ganz besondere Stellung einräumen. Vergleiche die Hauptausführung. Ehrlich1) sagt, dass das Tetanusgift schnell von allen anderen Organen vom Zentralnervensystem, und zwar wohl von den motorischen Ganglienzellen, festgebunden und ausserordentlich festge- halten wird; es wird mit Hilfe der Seitenkette das Tetanusgift an die Zelle sozusagen fest verankert und dadurch das lebende Protoplasma, so lange eben die Bindung währt, unter den andauernden physiologi- schen Einfluss des Tetanusgiftes gebracht. Viele Autoren nehmen dementsprechend mit Ehrlich an, dass auch die Antitoxinbildung durch die Zellen des Zentralnervensystems stattfinde. Wir sehen aus unseren Untersuchungen, dass in der Tat die Leukocyten, die berufenen Schutzorgane des Körpers, abgesehen von einer geringen Vermehrung, sich hier völlig neutral verhalten; wir dürfen daher darin wohl auch einen Fingerzeig dafür erblicken, dass es eben mit dieser Ansicht der Autoren seine Richtigkeit haben wird. Offenbar fehlt den weissen Blutkörperchen jede Affinität für das Toxin des Tetanus und die Nervenzellen spielen hier augenschein- lich die Rolle, die wir bei den bis jetzt von uns untersuchten Infek- tionskrankheiten wenigstens grösstenteils den weissen Blutkörperchen haben zuweisen müssen. Darum haben wir beim Tetanus auch ein so ganz eigenartiges Krankheitsbild. Auf Grund dieser beim Tetanus aufgefundenen Verhältnisse kommen wir nun zum Schlüsse noch von selbst zu einer Aufstellung, die wir wohl auch als für alle anderen Infektionskrankheiten geltend bezeichnen müssen. Wir dürften nämlich von jetzt ab die Leukocyten und speziell die neutrophilen kaum mehr als allein bei der Bildung der Schutzstoffe in Betracht kommend ansehen. Wir können damit auch das uns im Laufe unserer Untersuchungen so oft aufgestossene zu der Schwere oder Leichtigkeit der Erkrankung in Widerspruch stehende Verhalten des neutrophilen Blutbildes viel besser erklären, wenn wir z. B. sagen, dass in den Fällen, die an sich klinisch ganz leicht verlaufen aber ein sehr schwer geschädigtes neu- i) Die Wertbemessung des Diphtherieserums, Klinisches Jahrbuch 1898. Bd VI S. 218. Übersicht. 199 trophiles Blutbild aufweisen, eben die neutrophilen Leukocyten ganz im Besonderen die Zellen sind, die die Bildung dieser Schutzstoffe zu besorgen haben, während in den Fällen, die ein schweres Krankheits- bild und ein nur wenig oder gar nicht verändertes Blutbild aufweisen, eben andere Zellgattungen des Körpers ganz oder teilweise diese Auf- gabe auszuführen haben werden. Ob zu diesen die Lymphocyten, die Eosinophilen, die Mastzellen, die grossen mononukleären und Über- gangszellen gehören und wie sie daran etwa beteiligt sind, werden wir hoffentlich an denselben Fällen unserer Arbeit noch späterhin zu unter- suchen in der Lage sein. Allerdings überwiegen die neutrophilen Leuko- cyten alle anderen Leukocytenklassen an Zahl und damit naturgemäss auch an Bedeutung ganz gewaltig; dies berechtigt aber natürlich nicht dazu, diese anderen Klassen von weissen Blutkörperchen deswegen etwa zu vernachlässigen. Wir sind nun am Ende unseres Versuches, mit Hilfe der ana- lytisch-morphologischen Blutuntersuchungsmethode einen tieferen Blick in das komplizierte Räderwerk unseres Organismus zu tun, angelangt. Eine sehr grosse Menge von gänzlich neuen Tatsachen ist uns dabei in den Schoss gefallen, eine grosse Reihe alter, bereits bekannter der Erklärung und damit unserem Verständnisse näher gerückt. Wir dürfen darum wohl die berechtigte Hoffnung aussprechen, dass sich bei weiterer Ausdehnung unserer Methodik auch auf die abgesehen von den Infektionskrankheiten im menschlichen Körper tagtäglich noch zu beobachtenden anderen pathologischen Zustände sowie auf eine Reihe noch nicht berücksichtigter physiologischer Erscheinungen weitere Auf- schlüsse gewinnen lassen werden, die über die in dem lebendigen Safte unseres Blutes alltäglich in schönster Harmonie und Zweckmässigkeit sich abspielenden Vorgänge ein noch helleres Licht zu verbreiten im stände sein werden. Vielleicht sind wir selbst bald in der Lage, nach diesen Rich- tungen unsere Untersuchungen bei Infektionskrankheiten in der im Laufe unserer Ausführungen öfters spezieller angedeuteten Weise zu komplettieren. Wenn wir im Verlaufe unserer Schlussübersicht schon jetzt, vor völligem Abschluss aller unserer Untersuchungen, eine Reihe von Hypo- thesen aufstellten, so hielten wir uns im Interesse eines einstweiligen Erklärungsversuches unserer Ergebnisse dazu für berechtigt; wir möchten aber, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen, nicht verfehlen, hier 200 Schluss-Übersicht. noch einmal, wie dies oben bereits geschehen ist (S. 173), deren vor- läufig hypothetische Natur zu betonen. Herrn Geheimrat Prof. Dr. von Leube, meinem hochverehrten Chef und Lehrer, der meinen Untersuchungen stets das lebhafteste und wohlwollendste Interesse entgegenzubringen die Güte hatte, sowie Herrn geheimen Medizinalrat Professor Dr. Schönborn erlaube ich mir für die Überlassung des geeigneten juliusspitälischen Krankenmateriales meinen tiefgefühlten Dank zum Ausdruck zu bringen. Für die Durch- sicht der Sektionsprotokolle bin ich Herrn Professor Dr. Borst zum Dank verpflichtet. Geziemender Dank gebührt auch meinen Herren Kollegen am Juliusspitale, insbesondere auch denen der chirurgischen Klinik, für die grosse Freundlichkeit, mit der sie mir bei der Auswahl der Fälle zur Seite standen. Dr.A.l. TaielI. 12,1 i:i3 13.7 lk.: IM 150 A: 15,1 m xm AAj, AA '^& a ^ A Q^l W0ÜaM ■ fc Y A AY' 6- ÄA YAA^ +AA§M Y^a^a O Y K§e3 @M :o, m Dr.P.l. -^ \Y> "W r M 2K 3K MC 5K. *- 7 4 2 W ~'S 3S ^.S 'tKlS 17 ... T IKIS *KIS 3KIS as;iK <» 4 - V, 7 1 Kernteile. 1 2 3 'i 5 M 2K 3K MC 5K. 1 4 2 W 2S 3S 4S »7 ■ k 5 T 1K1S 2K1S 3K1S 2S1K 3S1K Dr.P. - « s 1 2K2S Kernteile. 1 2 3 >i 5 M -K 3K 4K 5K 2 2 W 2S 3S *S 31 ■HM T 1K1S 2K1S 3K1S 7 ^ 43 1 2S1K 3S1K Dr.R. - » 1 2K2S 3 U'SIK 3S1K 1 2K2S 8 Kernteile. Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2 K .3 K 4 K 5K. 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Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 1 1 G 1 ■BBB B W ?S 3 8 4S 30 bbbbbi T IKIS 2K1S 3K1S 17 3.11.03. 2S1K. 8S1K 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K W 2S 3S 4S ZI ■ 1 T IKIS 2K1S 3KIS 2S1K 3S1K 17 5. H.03. 2K2S 1 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K. W 2S 38 4S 23 T IKIS 2K1S 3K1S G 12 12 12 ■ ■ ■■ 2S1K 3S1K 17 24 8.2.03. 2KÄS 4 Kernteile. Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K M 2K SK 4K 5K M 2K 3K 4K W 1 2 2S 3S 4S 31 W 4 2S 3S 4S lil ■ ■ a W 2S 3S 4S T L__—_— 11 IKIS 2K1S SKIS T ■VaBBaaaaMB a IKIS 2K1S SKIS Ibbbbbi t T IKIS 2K1S 3KIS 6 15 ^t 2S1K. 8S1K k 18 2S1K 3S1K 1 6 U 0 2S1K 3S1K 17 JZ 1 93. 2KÄS 17 16.11.03 16 2K2S '■iz.n. 03. 2K8S 1 9 10 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 1 1 4 mm W 2S 3S 4S 29 H B» T IKIS 2K1S SK1S 11 17 14 6 2S1K. 8S1K 17 Jf 17.H.03. 2KÄS 1 Tafel II. Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 3 2 W 2S 3S 4S ■■mÜL ^ T IKIS 2K1S 3K1S 2S1K. 8S1K 18 j 7.1T.03. 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 8 1 mmmm W 2S 3S 4S BBBB 5,, T IKIS 2K1S 3K1S M * i ■BBHbB^Bbbm 2S1K 3S1K 18 JOOJr.03. 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 1 % W 2S 3S 4S 12 50 T a3 IKIS 2K1S 3KIS 2S1K 3S1K 18 2KÄS 13.3T.03. Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K 9 Z \\T 2S 3S 4S 3 —*> bVBBB T UC1S 2K1S SKIS ZG _ 35 mmZ 8S1K 18 1CJF.03. ZKZS Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 3 4 1 ■B» BBi W 2S 3S 4S l * bVLm T IKIS 2K1S 3K1S 33 30 ■■ 3S1K 18 i 19 .TT. 03. 2K2S 1 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K. mmm m W 2S 3S 4S 26 3 T IKIS 2K1S 3K1S SS BABBIBBBD--3S1K 18 ». X1.IT.03. 2K2S Kernte ile. 1 2 3 4 5 M 2 K 3K 4K 5K a 3 m ma W 402S 3S 4S HKS. T IKIS 2K1S ■■«■-■.■■■ & 3KIS 2S1K 8S1K 18 * 25.TT.0i. 2K?S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 1 ■ 3 W 2S 3S 4S 1 BJ 41T , 22 IKIS 2K1S 3KIS ^Z 2S1K 3S1K 19 4 ^.U.01. 2K2S i Tafel 12. 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Kernteile. 12 3 4 5 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K 3K 4K SK M 2K 3K 4K SK M 2K 3K 4K 5K Z 4 \V w 2S 3S 4S ■■■■■■ T 1K1S 2K1S 3K1S « * -■BHBBIBBIm 2S1K. 8S1K 2 W 1 1 ■ 2S 3S 4S ,34 W l 1 1 T 28 3S 'jS _34 ■ ' IKIS 2K1S 3KIS 31 BJ 4 35 T IKIS 2K1S 3K1S 2S1K 3S1K 2S1K 8S1K 25 25 2 25 7 2A.Xr.0a. 2KÄS 30.xr.02. 2K2S 3JOT.02. 2K2S Kernteile. Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 12 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK M 2K 3K 4K 5K M 2K 3K 4K 5K l 3 4i H BBB 13 l BB 2 1 W 2S 3S 4S 19 W 2S 3S 4S 22 Bb W 2S 3S 4S , 32 T 1K1S 2K1S 3K1S T 1K1S 2K1S SKIS T IK1S 2K1S 3K1S 27 35 ■bBB) Ö 32 ::r, ■■■ ■■ 1U 2S1K 8S1K 12 ■ 31 ■b«_ÜL_ 2S1K. 8S1K 2S1K 3S1K 25 1 ■ 2,5 ^ 25 8 5.XH.02 2K2S e.xn.os. 2K2^ 17JkOT.02. 2K2S 1 Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK M 2K 3K 4K 5K 1 i z ■ T , 21 3 2S 3S 4S 30 IKIS 2K1S 3K1S to W l 1 T 8 1 ■ 2S 3S 4S , vi WM 5 IKIS 2K1S 3K1S , 14 10 2S1K. 3S1K 2S1K 3S1K 25 22.B1.02. 7 2K2S 25 31JOL02. _14 2K2S 2 Tafel M- Kernteile. Kernteile. 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"*3 2i.m. eis. «SS 1 1 1 Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 12 3 4 5 M 2K SK 4K SK M 2K 3K 4K 12 1 ■ Bf ■ SK \V 2S 3S 4S 29 W k3 2S 3S 4S H mW T IKIS 2K1S 3K1S T IKIS 2K1S SKIS 16 ^____ 13 15 19 7 2 2S1K 3S1K 2S1K. 8S1K 34 n 35t JL 8. IH. 03. 2K2S 12.IU.03. 2K2S 1 Tafel 17 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK , 4K SK W IS 3S 48 T IKIS ;>KIS 3K1S 33 35 35 18.1J.03. 2S1K. 3S1K 2K2S Kernteile. 12345 W 2S 3 8 4S 27 T IKIS 2K1S 3K1S 40 35 is.n.03. 2S1K 3S1K 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K OK 6 6 W 2S 3S 4S IG T IKIS 2K1S 3K1S 33 32 35 gO.TI.03. 2S1K 3S1K 2K2S Kernteile. Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 M »K SK 4K 5K M 2K 3K 4K SK M 2K SK 4K 5K 3 8 W 2S 3S 4S W 4 * 2S 3S 4S l i W 4 2S 3S 4S 26 bB BfJJa T IKIS 2K1S 3K1S 13 —jLm- n 2S1K 3S1K T 14 27 IKIS 2K1S 3KIS 19 ir. T 25 27 1K1S 2K1S SKIS 39 Hl ' 2S1K 3S1K 2S1K 3S1K 35 j^ 35 10 36 1 ■ 22.1.03. 2KZi> 26.TI. 03. 2K2S 3 5.m.o: 2K2S Kernte ile. Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 12 3 4 5 12 3 4 5 M 2K SK 4K SK M 2K 3K 4K 5K M 2K 3K 4K 5K 6 6 2 5 3 111 BBBBB BBB • BBB mm ■ I ■ W 2S 3 8 33 4S w 2S 3S 4S 34 W 2S 38 4S 37 Hb%BB Sbbbi BbB • WEmMwm bbbjbbjb HBBb T 1K1S 2K1S 3K1S T 1K1S 2K1S 3K1S T IKIS 2K1S 3K1S an i 18 ^» (v BBBL 8 ■■■■■■■■^■BBjBl ■BBJBBJ HiBBBBl HMbBBIbbbj 2S1K 3S1K 2S1K 3S1K 2S1K 8S1K 36 36 j 36 mmmm 7.HI. 03. 2K2S 9.m.03. MZS 12.HL 03. 2KÄS Tafrl UV Kernteile. Kernteile. Kernteile. 12 3 4 5 1 2 3 4 5 12 3 4 5 M 2K SK 4K SK M 2K SK 4K 5K M 2K SK 4K SK 2 7 2 2 5 5 1 W 2S 3S %S 2» ^BBfaBI 1 ■BBi T UC1S 2K1S SKIS W T 2S 38 4S 32 W 2S 3S 4S 23 BVäVJi * T 1K1S 2K1S 3K1S IKIS 2K1S 3K1S 29 tt ■ha— 13 18 17 a 10 * 1» 4 2S1K SSIK 2SUC SSIK 2S1K SSIK 36. -1_ 36. 9 1 BBBBI 36. JL 1AJL03. 2K2S 20U1.03. 2K2S 26JH.0& 2K*S Z Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K H W 2S 3S 4S 28 T «1S 2K1S SKIS ib 28 n___bbb_ 6 37 10BI02 2S1K. 8S1K 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2* *K 4K 5K 1 10 W 2S 3S 4S 20 IKIS 2K1S SKIS 23 23 37 123L02. 15 -cSIK SSIK Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K Vi, W 2S 3S 4S 16 T 1K1S 2K1S SKIS 26 22 9 BB_|_____ 1 37. itmo2 2S1K SSIK 2K2S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK W 1 i i 1 T 3 3 6 3 2S 3S *S 26 B^ 8 IKIS 2K1S 3K1S — iL r" 2S1K. 8S1K 37. 11 KLSL02 2K2S 3 Tafel I». Kernteile. Kernte ile. Kernteile. 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 12 3 4 5 M 2K SK 4K 1 1 ■ ■ SK M 2K 3K 1 ■ 4K 5K M 2K SK 4K 3 11 BB ■ SK W" 41 2S 3S 4S W 2S 3S 32 4S W 2S 3S 4S 22 1 i 1 ■J BBBB -bVbVBBb T l't IKIS 2K1S 3K1S Lbbbbbb b T IKIS 2K1S 2G »» BaBih ■ 3 2S1K SKIS 3S1K T IKIS 2K1S 3K1S 35 33 Hbbbbbb ' HBiHBi 2S1K 3S1K 2S1K. 8S1K 38 10 38 £ 38 ± «6 U 03 2K2S 28.X 03. 2K2S 2.BL03. 2K2S 1 ------------------■----------- Kernteile. Kernteile. Kernteile. 12 3 4 5 12 3 4 5 1 * 2 3 4 5 M 2K SK 4K 5K M 2K SK 4K 5K M 2K SK 4K SK 1 1 1 ■ ■ 3 11 ■B • 4 G 2 W 2S 3S 4S W 2S 3S 4S w 2S 3S 4S 30 29 BB BBB 3 n i «3 ^^^^ 1 BBBbs T «IS 2K1S 3K1S iL« ** BIRbVbVI 3 2S1K 3S1K T IKIS 2K1S 3KIS g» 18 8 1 BBBBJBBBBBBBBBaBBl • 2S1K 3S1K T 16 IKIS 2K1S 3K1S 25 BaL« 7 BbBBbbbbj 2S1K 3S1K 38 38 i_ 38 10 4.IE.03. 2K2S 6.111.03. 2KÄS 9.7a. 03. 2KÄS 2 Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K 3K 4K SK M 2K SK 4K SK 1 i 3 1 BB 2S 3S 4S 2 W 1 2 2S 3S 4S T 26 IKIS 2K1S 3K1S T 29 BL 3 IKIS 2K1S SKIS 13 16 16 3 6 1» 14 ,, 2S1K. SSIK 2S1K 3S1K 38 * 1 38 17 13 uro: 2K2S 1 10JD.03. 2K2S 2 Tafel '.'0. Kernteile. 12 3 4 5 'M 2K SK 4K 5K 1 ■ W 2S 3S 4S 21 2 BBBBBB. ■bBI 58 t «IS 2K1S SKIS b 17 2S1K. SSIK 39a. .* ZX>03. 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K 1 ■ W 2S 38 4S 25 BBb— j bBBi 5* T UCIS 2K1S SKIS !■" i 2S1K SSIK 39 a. 3X03 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K SK 1 W 2S 3S \S 2* 2 ^^_ 1 VbBbBU w T IMS «K1S SKIS BB ^ 2S1K SSIK 39a. .1 4X03. 2K2S Kernteile. I 2 3 4 5 M 2K 3K 4K SK 2 \V 2S 3S 4S 23 HB HB 55 T IKIS 2K1S 3K1S ■ 20 2S1K 3S1K 39 a. 5X03 2KÄS Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 1 ■ W 2S 3S %S 1 1« BBBbb v T «IS 2K1S SKIS ^BB> 30 !■ ■ 3 2S1K 3S1K 39a. 7X03. 2KÄS Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K 1 ■ W 2S 3S 4S 31 Bbbbbbj Z BBBBIb T IKIS 2K1S 3KIS fci__ k EBBBl BBBB bbi 2S1K SSIK •39a. .' .' 9X03. 2K2S Kernteile. 4 5 4K 5K 4S 3K1S SSIK 2K2S 1 2 3 M 2K SK \\f 2S 3S 37 «3 T 1K1S 2K1S 17 1 2S1K 39 a. 13X03. Tafel 21. Kernteile. Kernteile. Kernteile. 12 3 4 5 1 ? 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K 5K M 2K SK 4K SK. M 2K SK 4K 5K 1 1 2 ■ a ■■ 13 1 a im a 2 3 W 2S 3S AS «7 W 2S 3S 4S 31 W 27 2S 3S 4S T IKIS 2K1S SKIS 28 T bBBBi ■L 3 IKIS 2K1S 3K1S T IKIS 2K1S SKIS 7 i 2» 19 * ^„^__J 2S1K 3S1K 2S1K. 8S1K 2S1K SSIK 39 39 8 39 7 «3J.03. 2K2S 27.1.0: t 2K2S 1 30.1.03. 2K2S 2 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 1 k 1 1 a bbb a a \V 2S 3S 4S 26 ■bBjbbj T 1K1S 2K1S 3KIS 23 25 Bb^mbBbbbbb 6 BBSBlBaBi 2S1K 3S1K 40 mU 16JI.0.V 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 14 1 •JB». W 2S 3S 4S 38 T IKIS 2K1S SKIS 19 24 bBbVB.bbBb«M 2 2S1K 3S1K 40 ^ lfi. IL 05. 2K2i* Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 2 4 W 2S 3S 4S X'i T IKIS 2K1S 3KIS 33 32 ■BBjkBB '• 2S1K SSIK 40 22.IL 03. 2K2S Kernteile. 1 4 5 M 2K SK 4K SK W 3 2S 3S 4S T Bbbb 1 ■■ii 1K1S 2K1S 3K1S u l« tt 3 2S1K. 3S1K 40 26.11.03 8 3 2K2S 3 Tafel 22 . Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K * W 2S 3S 4S 17 1 BBaai T «IS 2K1S SKIS 38 26 Kbb: 8 BBBB BBbVB) BBBBB ■ 2S1K SSIK 11. „*. 71.03. 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K SK 16 7 2 ■BBB BBB Bl W 2S 3S 4S 9 6 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 15 5 1 bbbb mmm W 2S 3S 4S 3K25 2t ■BBBBBBB 5 ■BBBIbbb T 1K1S 2K1S 3KIS 1 9 M , 9 BBBBBB bBBBbIBBBBBB 2S1K 3S1K 19 1 BBBbbh 11 2K2S 2LI03 T «IS 2K1S SKIS 21 21 7 ■ 6 BBBBI BBälflBBlBKi 2S1K SSIK 11. -1 15.1.03. 2K2S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK l i W » 1 BRB 2S 3S 4S T 7 BBBfc IKIS 2K1S Ml 21 80 2 BBIBbBb 2S1K. SKIS 8S1K H. 17 28X03 2 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K 3 3t W 2S 3S 4S * 17 HÜBB T IKIS 2K1S SKIS 29 * bBBbVbbbbbbBI > bBBBJBBBBbbb 2S1K SSIK 12. j_, Kernteile. 1 2 3 4: 5 M 2K SK 4K 5K Z Hr 3 1 W *S 3S 4S flOS 29 BBBBBB 1 BBbBIi T 1K1S 2K1S SKIS 3S2K lt 18 lt 3 t 2S1K 3S1K 1X1.02 2KÄS Tafel 23 Kernteile. Kernteile. Kernteile. 12 3 4 5 12 3 4 5 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K M 2K 3K 4K 5K M 2K 3K 4K 5K 12 11 a m m m 18 2 ■ BBBBBBI B ■ 1 3 \kf 2S 3S 4S 22 ■_^^^^ 1 BBBBa W 2S 3S 4S 30 BBBB BBBB W 2S 3S 4S 31 Ibbb 1 Bai Bl» T IKIS 2K1S 3K1S 2S3K T IKIS 2K1S 3K1S T IKIS 2K1S SKIS 2S1K 3S1K 5K1S Z3 12 10 bbbbibT * BBBBBB BBBBVBBBBBBB1 2S1K SSIK 2S1K 3S1K 43 .__ 43 ■* 43 J£___,i 26J1.02. 2K2S um.o». 2K2S 16.XIL02. 2K2S 1 Kernteile. 1 2 3' 4 5 M 2K 3K 4K 5K W 2S 40 3S 4S l 1 i 1 T 2 3K1S IKIS 2K1S 26 24 4 8S1K 2S1K. 44 3 22.in.0l I. 2K2S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K 3K 4K 1 2 ■ BB 5K \\7 -2S 3S 4S 34 Wkmmm 1 BBBBB T IKIS 2K1S 3K1S 21 BBbbibb a 2S1K 3S1K 45 12 27JD.03. 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K SK 6 \V 28 3S 4S 31 BB—BB 1 BBBB* T IKIS 2K1S 3K1S 1H 25 IK BB_ bBbmHbBIbbbbi ■ 2S1K. 3S1K 46 j_ 22XU.02. 2K2S 1 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K SK 2 11 Bl B B W 2S 3S 4S ■LB-fl- T 1K1S 2K1S 3K1S _?~ 27 bbbbIbbbbb w ■BBBBHaBBBii 2S1K 3S1K 4:7 __ 9.1V. 03. 2K2S Tafel L>+ Kernteile. 1 12 3 4 5 M 2K SK 4K SK 1 t t 2 ■■B BB B W 2S 3S 4S tKIS 18 ■bbbbbbb T IKIS 2K1S 3K1S 16 Wm%mmmlLumm. 4 2S1K. 3S1K 18 __, 9ÜI.02. *K2S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K 5K t W 2S 2t BBBBl 3S 4S M T IKIS 2K1S SKtS 1 W 2S1K 3S1K 19. »Yrt. 2K2S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K W T 8 i 2 2 B OB 2S 3S 38 4S SKIS HS1K B2B9 4 IKIS 2K1S 23 |L^^ 7 2S1K. 50 14 2LDZ"03 £i^S Kernteile. 12 3 M 2K SK 4K 5K 2 W 2S 3S 4S 2t B_ _ 5 IKIS 2K1S SKIS 21 15 51. 21.15 03 2S1K SSIK 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K 112 ■ B W 2S 3S 4S 23 1 » 1 bBHi T IKIS 2K1S 3KIS mmmL " BtraBB». 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Kernteile. 12 3 4 5 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K 5K M 2K SK 4K 5K M 2K SK 4K 5K 2 2 3 1 3 MB 2 W 2S 3S 4S 28 mmmm. 1 W 2S 38 32 BBBB 2 4S W 28 3S 4S 35 HbbI :> BBBB* p IKIS 2K1S SKIS 1* JlL J3 z BBBBBB T «IS 2K1S 21 * ■_____BBBB * SKIS T 12 BB^^B IKIS 2K1S 3K1S 20 12 i 2S1K 8S1K BBBBBBBBl BBBBBBBBl B 2S1K 3S1K BHbbbbii 2S1K 3S1K 58. _• 59. j_ 59. -* * Bbbbbbbb ZZXÜ.OZ. 2K2S 5.II.03. »K2S 12 1103 2K2S 1 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K SK 1 1 W 2S 3S 4S 31 T UCIS 2K1S 3K1S 18 14 n „ 2S1K. 8S1K 60. sojujOS » 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K 1 2 W 2S 3S *S ■ ■ ' BBBB1BBB T IKIS 2K1S SKIS 23 8 mmmMMMmm 9 1 bbbjbb BBbBbbbbb a 2S1K 3S1K 60. j. 31JH03 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K SK W 2S 3S \S 35 B_ 12 T IKIS 2K1S SKIS 10 8 1 2 2S1K SSIK 6U. 607.03. 21 2K2S Kernteile. Kernteile. 1 2 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK M 2K SK 4K 5K T n 112 b a m 4S 3S 4S 35 |^BJ 9 SKIS 3KZ8 W T 8 i 2 2 2S 3S 4S 3K2t 29 BbbV r' bBBbb IKIS 2K1S SKIS 4K2S 23 ■ 7 8 1 bBbBBbBBB BBBB 2S1K 3S1K IKIS 2K1S SKIS 8 6 3 2 2S1K SSIK 60. JJ___ Z 60. 12 RHT03 2K2S 3JK03 2K2S r 3 Tafel 21. Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K 1 B SK W 2S. 3S 48 26 8 T IKIS 2K1S 3K1S 6 Jg 17 % 2S1K. 3S1K 61 2» 3.11.03. 2K2S 6 Kernteile. 12 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K 2 6 1 W 2S 3S 4S 4K1S 23 BJ_____ 3 1 T IKIS 2K1S SKIS 4K2S 17 ** 8 i a ■bBbbbbBbbbbbbbbb a 2S1K SSIK 62 7.W.03. 2K2S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK W 2S 38 bbI Ebb 3S l ■ 4S T «IS 34 18 2K1S 6 3K1S 3S1K 2S1K. 63 3 18.VID.03. 2K2S Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K 3K 4K 5K W fl 2S 14 l 38 4S 71 IKIS 2K1S SKIS tat u 1 B 2S1K 1 3S1K 64 B 1 29.X.0 2. 2K2S Kernteile. Kernteile. 12 3 4 5 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK M 2K SK 4K 5K 1 3 1 a mm m W 2S 3S 4S l i 1 B 2S 3S 4S 25 1 BB—. * BbBb> T IKIS 2K1S 3K1S 13 13 53 T IKIS 2K1S 3K1S *° *^ i flfll BBBBBBBl BBBBBB S 2S1K. 8S1K BBBBBBBl 2S1K SSIK 65 J / 8.XL02. *K*S 65 14. XI. 02. 2KÄS 1 Tafel 2,'] Kernteile. 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K SK 1 2 1 ai a W 2S 3S 25 4S T «IS 2K1S 38 29 bBBBBb. z BbbBIBBBb» 2S1K SKIS 8S1K 66. mi 16.7.01. 2K2S Kernte ile. 1 2 3 4 5 M 2K SK 4K 5K * 5 n BBBBI W 2S 3S 4S 3 J» Ä T IKIS 2K1S ■l^29 SKIS 2S1K SSIK 67. £ 1530102. 2K2S Kernteile. 12 3 4 5 M 2K SK 4K 5K 3 1 W 2S 3S 4S 32 BBB 1 BBBBt T «IS 2K1S SKIS w — o 1 BBBb BBBB BBBBBB 2S1K 3S1K 68. j^ 18JOL02 f ona weirare, ruDlic Health Service US. Department of Health. Education, and Weifare, Public Health Service n 'h'P8h aNiDiaaw do Aavaan tvnouvn 3NIDIQ3W do Aavaan tvnouvn 3NIDIQ3W dO Aa' 1 M NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE • SvA ^ » y i>yy z /ASn I .JAAk\> f Cy^\ i yjp$ *A 3NiDia3w do Aavaan tvnouvn 3NIDI03W do Aavaan tvnouvn i%yl4Ml NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE %%y' NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE mA>% < NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE a. y SNiDiasw do Aavaan tvnouvn 3nidiq3w do Aavaan tvnouvn 3nidici3w do Aa ■ ^\ ° J%v/^ -s* ^-^rV 1 AI SA-/ NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRAR snidicisw do Aavaan tvnouvn 3NiDia3vy do Aavaan tvnouvn 3NIDIQ3W do Aavaan tvnouvn / 3NIOIQ3W dO AS ' &■■ \ %iy - s NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRAI 3NOI03W do Aavaan tvnouvn / i V% « 3Nma3w do Aavaan tvnouvn 3NOI03W do Aavaan tvnouvn \&\&m&m$>\ NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE 3NOia3w do Aavaajjjwoilyn ^3noio3w j NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE A 5 3NiDia3w do Aavaan tvnouvn NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRAI \..*\ 3NIDI03W do Aavaan tvnouvn 'a^m:C£a>%^\ aai ■" y ^s ä Nif»' J 1 NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRA NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NLM 0G1D3731 fl v&m fiflSL .•.•i.'.V.V.r.VA'ÄrW V'-' .".*.'."*.* ".* V '7'-' *£??& -■3swr---.-. :'.. . 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